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Kurt 4: Teile und herrsche
Kurt 4: Teile und herrsche
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eBook352 Seiten4 Stunden

Kurt 4: Teile und herrsche

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Über dieses E-Book

Endlich hat Kurt Verstärkung für seine Detektei gefunden. Nur er und seine Assistentin Li, da kann man ja nicht einmal eine vernünftige Observierung durchziehen. Selbst, wenn es sich bei der Zielperson nur um einen charmanten und ziemlich verfressenen alten Kelten handelt, der die Münchner Kneipenszene unsicher macht.
Dem allerdings sitzt jemand im Genick, mit dem ganz und gar nicht zu spaßen ist. Kurt findet sich in der Rolle des Leibwächters wieder, die Kugeln zischen ihm nur so um die Ohren. Irgend jemand spielt hier falsch, so viel ist klar. Doch bis Kurt den Braten riecht, ist es beinahe zu spät. Viele Leben stehen auf dem Spiel, und Kurt steht vor einer Wahl, bei der er nur verlieren kann.
SpracheDeutsch
HerausgeberMachandel Verlag
Erscheinungsdatum26. Apr. 2019
ISBN9783959591508
Kurt 4: Teile und herrsche
Autor

Sascha Raubal

Sascha Raubal wurde 1972 in Ulm an der Donau geboren und zog mit 4 Jahren nach Bayern. Er studierte Informatik an der TU München, arbeitete danach zuerst als Software-Entwickler und ist inzwischen freiberuflich als Spezialist für elektronischen Datenaustausch (kurz EDI) unterwegs. Seine erste Geschichte schrieb er mit etwa acht bis zehn Jahren. Dieses potentielle Meisterwerk der Weltliteratur – irgendwas über eine intelligente außerirdische Fliege – kam leider nie über wenige Seiten hinaus und muss heute als unwiederbringlich verschollen gelten. Seine erste ordentliche Veröffentlichung hatte er 2015 im Machandel-Verlag, den ersten Band einer inzwischen vierteiligen Reihe über den Münchner Privatdetektiv Kurt Odensen. Die Abartigen sind eine insgesamt zwölfteilige Reihe, Band 1 erschien im September 2022, Band 12 wurde am Ostersonntag 2023 fertig geschrieben. Geplant ist, etwa alle drei Monate einen Band zu veröffentlichen.

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    Buchvorschau

    Kurt 4 - Sascha Raubal

    http://Fantasy.Raubal.de

    Prolog

    Kurt Odensen war kein Mann, der schnell weinte. Nun jedoch mischten sich Tränen mit dem Blut am Boden seines Wohnzimmers. Blicke aus brennenden Augen wanderten ruhelos von den Scherben der Vase über die Blutflecke zum Fernseher, der weiterhin die Bilder der verwüsteten Fassade des Münchner Pantheon Instituts zeigte.

    „Tja, mein Lieber! Die Frau mit der Waffe grinste böse. „Zu spät, würde ich sagen. Ihre Stimme troff vor Zynismus. „Hättest mal besser gleich tun sollen, was wir verlangen."

    Hätte er? Wäre dann alles anders gekommen? Hätte er nicht vor allem früher Verdacht schöpfen müssen? Gleich zu Anfang? Wäre dann seine Familie noch hier, die Bombe nie hochgegangen?

    Er dachte zurück an den Tag, mit dem der ganze Wahnsinn begonnen hatte; den Tag des Vorstellungsgespräches, als er diesem verfluchten Kerl zum ersten Mal begegnet war; den Tag, der so normal angefangen hatte.

    Donnerstag – Kapitel 1

    „Morgen, Mama! Morgen, Papa Kurt!" Tommi kam in die Küche gerannt, wo Mutter und Stiefvater gerade die letzten Reste ihres Frühstücks verzehrten.

    Kurt schloss den Knirps in die Arme. „Na, du Biest? Was machst denn du schon so früh auf den Beinen? Du hast doch Ferien!"

    „Papa Charly will doch heute zu Besuch kommen."

    Ach ja, der leibliche Vater von Tommi und der zwei Jahre jüngeren Aminata hatte sich ja angekündigt. Der Journalist musste in zwei Tagen auf eine längere Recherchereise in seine ehemalige Heimat Gambia fahren. Leider ausgerechnet über den zehnten Geburtstag seines Sohnes hinweg. Also wollte er wenigstens heute noch vorbeischauen, das Geschenk abliefern und mit seinen beiden Kindern Pizza essen gehen.

    Sonja war das nur recht, so konnte sie einige Stunden in Ruhe mit Leif verbringen, ihrem und Kurts gemeinsamen Sohn. Der machte inzwischen die ersten freien Gehversuche und musste entsprechend mehr beaufsichtigt werden.

    „Da freust du dich natürlich drauf, logisch." Kurt gab dem Jungen einen dicken Schmatz.

    „Pizza!", krähte der Bengel. Na, das war klar, die Pizza war wichtiger als Papa Charly.

    „Und ich muss sie nicht backen, das ist das Beste daran", bemerkte Sonja. Sie streckte die Arme aus, und Tommi lief hinein.

    Da stand auch schon Ami verschlafen in der Tür. „Tommi hat mich geweckt", beschwerte sie sich.

    Kurt winkte sie heran, drückte sie ebenfalls und strich ihr über die schwarzen Wuschelhaare. „Oh je, du Arme. Hast du nicht genug Schönheitsschlaf bekommen?"

    Sie knuffte ihn in die Seite. „Papa Kurt! Du bist gemein!"

    Er lachte. „Ach was. Du bist hübsch genug, noch mehr Schönheitsschlaf, dann blendest du uns ja alle."

    „Und doof bist du auch. Sie latschte zu ihrer Mutter hinüber und ließ sich von ihr den Guten-Morgen-Kuss geben. Danach enterte sie ihren Platz am Tisch, sah sich um und fragte: „Wo ist denn das Nutella?

    Zehn Minuten später klingelte es an der Haustür. Kurts Assistentin holte ihn wie so oft für die gemeinsame Fahrt ins Büro ab.

    „Ich muss dann mal los, sagte Kurt und schnappte sich seine Jacke. Er drückte Sonja, den beiden Großen und dem kleinen Leif, der gerade wieder Gehübungen am Laufstall entlang machte, je einen Schmatz auf den Kopf. „Viel Spaß euch allen miteinander!

    „Gruß an Li, rief Sonja ihm noch nach. „Und erinnere sie an nächsten Samstag. Tommi wäre beleidigt, wenn sie nicht kommt.

    „Und wie", bestätigte der.

    „Mach ich."

    Damit war er auch schon an der Haustür. Li, klein, zierlich und unübersehbar asiatischer Abstammung, stand einen Meter davor. „Moin, Boss!"

    „Moin auch. Er schnappte sich noch schnell den Schlüsselbund und schloss die Tür hinter sich. „Bereit für den nächsten Kandidaten?

    Li nickte. „Schauen wir ihn uns an."

    Sie stiegen ein und fuhren gen München. Um zehn sollte der Bewerber da sein. Die Detektei bestand schon viel zu lange nur aus Li und Kurt, das reichte einfach hinten und vorne nicht. Kurt hoffte, nach den ganzen Nieten seit Fritzens Weggang endlich mal jemand Vernünftigen gefunden zu haben. Der Lebenslauf zumindest sah ziemlich gut aus.

    Kapitel 2

    „Na dann, Herr … Çoban Kurt sah den knapp dreißigjährigen Mann fragend an, der vor ihm saß. „Spreche ich den Namen richtig aus? Fikret Çoban?

    Sein Gegenüber nickte knapp. „Korrekt."

    „Fein. Sie waren also bis vor kurzem Mitglied der türkischen Polizei. Durchaus ein Pluspunkt, wenn man sich in einer Detektei bewirbt."

    Wieder ein Nicken. Ein Ausbund an Redseligkeit war der nicht.

    „Und Sie haben warum genau den Dienst quittiert?"

    „Spricht das gegen mich?"

    Kurt schüttelte den Kopf. „Nicht prinzipiell. Ein alter Freund und ehemaliger Mitarbeiter von mir war selbst lange bei der Kripo und ist dort aus sehr guten Gründen gegangen. Ich möchte nur gerne erfahren, warum Sie diesen Beruf aufgegeben haben. Vor allem, da Sie kein Zeugnis vorweisen können."

    Çoban zögerte einen Moment, das einzige Anzeichen von Unsicherheit hinter seiner sonst absolut beherrschten Fassade. „Sie wissen, was seit dem Putschversuch in der Türkei passiert?"

    Kurt lächelte schmallippig. „Das bekommt man nun wirklich ausreichend mit, wenn auch natürlich nur aus Sicht der deutschen Medien. Eine Säuberungswelle nach der anderen, und seit der Einführung des Präsidialsystems ist es noch schlimmer geworden. Haben Sie Verbindungen zur Gülen-Bewegung?"

    Ein spöttischer Zug erschien um Çobans Augen. „Ich bin nicht einmal religiös. Wie Sie aus meinem Lebenslauf ersehen können, bin ich in Deutschland geboren und aufgewachsen und erst mit siebzehn Jahren mit meinen Eltern zurück in deren alte Heimat gegangen. Vater übernahm das Geschäft seiner Schwiegereltern in Ankara. Meine gesamte Familie zählt sich zu den säkularen und aufgeklärten Teilen der Bevölkerung, wir sind weder Gülen-Anhänger noch Freunde der AKP."

    „Dann ist Ihnen wohl Letzteres zum Verhängnis geworden?", schaltete Li sich ein.

    Der Blick, mit dem der Bewerber Kurts Assistentin bedachte, war schwer zu deuten. Kühl, distanziert, nicht direkt herablassend, aber ganz offenbar vollkommen unbeeindruckt davon, dass ihm hier eine bildhübsche junge Frau gegenübersaß. Die meisten männlichen Kandidaten waren durch ihre Gegenwart noch nervöser geworden als wegen des Bewerbungsgespräches selbst.

    „Nein. Çoban seufzte leise. „In Ordnung. Dann muss ich wohl etwas weiter ausholen.

    Er sammelte sich einen Moment, bevor er weitersprach. „In der Türkei hat jeder junge Mann seine Wehrpflicht zu leisten. Es gibt da keinen Ersatzdienst wie früher in Deutschland. Ich habe meine fünfzehn Monate früh abgeleistet, kurz nach meinem zwanzigsten Geburtstag. Die Kaserne lag weit im Südosten, in Şemdinli. Vor acht Jahren wurden wir von kurdischen Terroristen überfallen, die über die Grenze aus dem Irak herübergekommen waren. Nun geriet seine beherrschte Miene doch etwas ins Wanken. „Ohne mich in Einzelheiten zu verlieren: Mehrere Kameraden starben direkt neben mir, ich selbst kam unverletzt davon. Sie können sich vorstellen, welche Gefühle das in einem hinterlässt.

    Das konnte Kurt nur allzu gut. „Allerdings. Ich bin als Soldat in Afghanistan von einer Bombe lebensgefährlich verletzt worden." Er bedeutete Çoban fortzufahren.

    „Nun, das hat mich damals dazu bewogen, nicht wieder ins Geschäft meines Vaters zurückzugehen, in dem ich bis dahin gearbeitet hatte, sondern stattdessen zur Polizei. In den Jahren zuvor hatte es ja schon eine Reihe von Anschlägen gegeben, auch auf Zivilisten, und dieses sehr persönliche Erlebnis gab dann den Ausschlag. Ich wollte etwas gegen die Verbrecher tun, die meine Kameraden ermordeten und ebenso harmlose Menschen auf der Straße."

    „Das war der Grund, der Polizei beizutreten, warf Li ein. „Aber wir wollen ja wissen, warum Sie wieder gegangen sind.

    Kurt sandte ihr einen tadelnden Blick hinüber. Sollte der Mann ruhig sein eigenes Tempo anschlagen, das ganze Bild sagte viel mehr über die Person aus, die er eventuell einstellen würde.

    Çoban schwieg einige Sekunden, ehe er fortfuhr. „Ich lernte die andere Seite kennen. Ein kalter Blick streifte Li, bevor Çoban seine Aussage präzisierte. „Anfangs war ich überzeugt, bei der Polizei etwas Sinnvolles tun zu können, meine Mitmenschen zu schützen vor Terroristen ebenso wie vor sonstigen Verbrechern. Und die ersten Festnahmen von irgendwelchen Kleinkriminellen waren natürlich auch Erfolgserlebnisse. Ich brannte richtig darauf, endlich gegen Terrorverdächtige vorzugehen. Mein Eifer war bei den Vorgesetzten gerne gesehen, man versetzte mich zügig in die entsprechende Einheit.

    Kurt sah es dem Mann an den Augen an: Dort kam die Ernüchterung.

    „Die Einsätze im Kurdengebiet waren dann allerdings ganz anders, als ich mir das gedacht hatte, fuhr dieser fort. „Natürlich bekamen wir es mit Bewaffneten zu tun, wie ich erwartet hatte. Aber noch öfter gingen wir gegen Zivilisten vor. Wir stürmten Häuser, schlugen jeden nieder, den wir dort antrafen. Sogar Frauen und Kinder. Nun sah man ihm seine Gefühle doch an.

    „Das war nicht das, wofür ich zur Polizei gegangen war. Mein Wunsch war, die Wehrlosen zu schützen, stattdessen fühlte ich mich manchmal kaum besser als die, die ich bekämpfen wollte. Ganz zu schweigen von den Dörfern und Städten, die von unseren eigenen Leuten in Schutt und Asche gelegt worden waren, ohne Rücksicht auf Opfer."

    Der Mann schwieg, sichtlich um Beherrschung ringend. Diesmal übte auch Li sich in Geduld. Es dauerte eine halbe Minute, dann straffte Çoban die Schultern und fuhr fort. „Ich ließ mich nach Ankara versetzen, um nicht mehr an Einsätzen teilnehmen zu müssen, die ich mit meinem Gewissen kaum vereinbaren konnte. Die offizielle Begründung war, dass es Mutter gesundheitlich schlecht ging. Zum Glück hatte ich einen verständnisvollen Vorgesetzten, der mich darin unterstützte. Das war im Mai 2016. Im Juni dann der Putsch. Wieder dachte ich, auf der richtigen Seite zu stehen. Bis die Säuberungen begannen. Ich musste mehrmals Menschen abführen, die ich seit Jahren persönlich kannte. Von denen ich wusste, dass sie nichts mit dem Putsch zu tun hatten. Sie hatten nur ein paar unvorsichtige Äußerungen gemacht oder schon früher die eine oder andere Kritik an der Regierung geübt. Das hatte gereicht. Und ich fürchte, man hat mir nur zu deutlich angemerkt, was ich davon hielt."

    Ein leises, wehmütiges Lächeln huschte über Çobans Gesicht. „Wieder hatte ich Glück mit meinem Vorgesetzten. Der Mann würde zwar nie im Leben gegen Anweisungen verstoßen oder offene Kritik üben, aber vor drei Monaten ließ er mich unerwartet zu sich kommen. Er fragte mich, ob ich meinen deutschen Pass noch besitze und ob ich womöglich Verwandtschaft in Deutschland habe. Dann schlug er mir vor, doch mal einen kleinen Besuch bei diesen Verwandten zu machen, und zwar sofort. Einige meiner Äußerungen der letzten Zeit ließen angeblich auf Überarbeitung schließen. Er hatte schon einen Urlaubsantrag für mich ausgefüllt und unterschrieben. Der Urlaub sollte am nächsten Tag beginnen. Ich verstand den Wink, packte schnell ein paar Sachen und besorgte mir ein Flugticket."

    „Gerade noch rechtzeitig, nehme ich an?", fragte Li.

    Çoban zuckte die Schultern. „Ich war kaum bei meinem Onkel und seiner Familie eingetroffen, da rief mein Vater an. Kollegen einer anderen Einheit hatten vor seiner Tür gestanden, um mich mitzunehmen."

    Kurt kratzte sich an der Nase. „Eine andere Einheit. Aber Ihr Vorgesetzter hatte Wind davon bekommen?"

    „Ach, in der türkischen Polizei gibt es vermutlich ebenso viele undurchsichtige Beziehungsspielchen wie im Militär. Irgendjemand hat ihm wohl was gesteckt, und da er mich zu gut kannte, um in mir einen Verräter zu sehen …"

    „Da hat er mal eben seinen Posten riskiert, eine Anklage wegen Verrat von Dienstgeheimnissen, oder wie immer das da drüben heißt, und womöglich sogar eine wegen Landesverrats?"

    „Nun … Çoban zögerte einen Moment. „Es könnte eine Rolle gespielt haben, dass er an meiner Schwester interessiert ist. Außerdem ist sein Schwager wiederum einer seiner eigenen Vorgesetzten, der kann sicher auch eine schützende Hand über ihn halten. Wie gesagt: Beziehungen. Ich hoffe, das bleibt unter uns.

    Kurt schwieg dazu und las sich noch einmal in Ruhe den Lebenslauf des jungen Türken durch. Alles stimmte mit seiner Geschichte überein, soweit so gut, aber … Er wechselte einen Blick mit Li. Auch sie schien nicht restlos überzeugt zu sein.

    „Also gut, Herr Çoban, brach Kurt endlich sein Schweigen. „Sie scheinen mir in vielerlei Hinsicht ein geeigneter Kandidat für die Stelle zu sein. Lassen Sie uns noch einige Tage Bedenkzeit. Wir melden uns, sobald eine Entscheidung gefallen ist.

    Çoban verstand offensichtlich genau, warum Kurt im Plural sprach, das machte dessen kurzer Seitenblick zu Li klar. Der junge Mann erhob sich, reichte zuerst Kurt, dann Li die Hand, die diese Reihenfolge mit einem leicht säuerlichen Blick quittierte, und verließ nach einem kurzen Dank das Büro.

    Li sah ihm noch einen Moment aus dem Fenster hinterher und wandte sich dann zu Kurt um. „Ein putziges Kerlchen. So charmant und humorvoll. Willst du ihn wirklich einstellen?"

    Kurt schmunzelte. „Bist du sauer, weil er auf dich nicht so fliegt wie die meisten anderen?", frotzelte er, wohl wissend, dass es daran nicht lag.

    Sie schnaubte verächtlich. „Pah! Ich finde nur, wenn man in Deutschland aufgewachsen ist, sollte man auch die hiesigen Manieren kennen. Erst gibt man der Dame die Hand."

    „Oder dem Ranghöheren, in diesem Falle also dem Chef." Er deutete grinsend mit dem Daumen auf sich selbst und gab ihr einen freundschaftlichen Klaps auf den Rücken. „Na komm, das wird doch jetzt kein Grund sein, ihn gleich rundweg abzulehnen."

    „Und seine Geschichte? Fast zu rührselig, oder? Der Mann von Ehre, der seine Mitmenschen vor dem Bösen schützen will und dann erkennt, dass die eigene Seite kaum besser ist? Die guten, verständnisvollen Vorgesetzten, die sogar ihren Hintern riskieren, um ihn zu warnen?"

    „Und außerdem ein Auge auf die Schwester geworfen haben, ergänzte Kurt. „Ja, alles in allem wirkt das schon etwas dick aufgetragen. Andererseits: Erinnere dich an Fritz! Er hat damals auch alles hingeschmissen, weil in seiner Bude zu viel Filz herrschte und er es mit seiner Ehre nicht vereinbaren konnte, dass man das Nazigesindel immer wieder hat laufen lassen. Und in den letzten zwei Jahren sind ein Haufen Türken nach Deutschland geflohen, weil man ihnen daheim irgendwas angehängt hat. Regimekritiker sind nun mal nicht gerne gesehen, ganz besonders bei Diktatoren und solchen, die es werden wollen.

    „Also glaubst du ihm?"

    „Mal sehen. Ich schätze, Hermes hat genug Verbindungen, um die Geschichte zu überprüfen." Kurt schnappte sich das Telephon und wählte die Nummer des Pantheon Institut für Politik- und Gesellschaftsforschung. Nach wenigen Minuten legte er wieder auf. „Thor gibt alles an Hermes weiter. Sobald der was hat, kriegen wir Bescheid."

    „Ich bin gespannt."

    Er lachte. „Ach, Li! Ich weiß ja, ein Charmebolzen ist der Typ nicht, aber mit den netten Jungs sind wir bisher auch nicht weit gekommen. Wichtig ist, dass er was als Ermittler taugt."

    „Ach, sag bloß. Sie zog einen zweifelnden Flunsch und wechselte das Thema. „Sag mal, wann ist jetzt Tommis Geburtstagsfeier?

    Kurt spielte mit. Sie war vernünftig genug, seine Argumente anzuerkennen, es dauerte nur etwas. „Nächste Woche Samstag. Er ist immer noch total happy, dass seine Freunde dann fast alle schon wieder aus dem Urlaub zurück sind. Geburtstag in den Sommerferien ist in der Hinsicht ja auch Mist. Deshalb feiern wir halt ein paar Tage später. Aber immerhin, drei der Jungs kommen dieses Jahr zur Party. Ach, und übrigens … Kurt strahlte sie an, wohl wissend, wie begeistert sie gleich sein würde. „Er wünscht sich einen Kuchen von dir. Einen selbstgebackenen.

    Li starrte ihn konsterniert an. „Kuchen? Backen? Ich? Sie schüttelte vehement den Kopf. „Vergiss es! Ich komme gerne, mache auch Quatsch mit seinen Kumpels, aber backen? Nein. Ich kaufe von mir aus einen Kuchen. Wenn ich mich selbst am Backen versuche, kann man die gesamte Gesellschaft nachher mit Lebensmittelvergiftung ins Krankenhaus einliefern.

    Kurt prustete los. „Na, nun mach es mal nicht schlimmer, als es ist. Vergiften würdest du keinen. Aber okay, ich hab dich geleimt. Sonja backt schon genug, du brauchst einfach nur mit deiner Anwesenheit zu glänzen, dann ist der Kurze absolut glücklich."

    „Blödmann!, maulte sie ihn an, lachte jedoch gleich darauf. „Natürlich bring ich ihm auch was mit. Aber nix Selbstgebackenes!

    „Einverstanden."

    Kapitel 3

    „Michaela, Goldstück, wie geht’s dir?" Kurt lehnte sich lässig auf den Empfangstresen.

    „Wie soll's mir schon gehen, wenn du Charmeur hier auftauchst? Bestens!" Michaela Goldhuber, seit vielen Jahren das Gesicht, das Mitarbeiter und Gäste des Pantheon Instituts als Erstes zu sehen bekamen, sobald sie das Gebäude betraten, strahlte ihn an. „Schön, dass du mal wieder reinschaust. Gibt's was Besonderes oder hast du nur Sehnsucht nach mir?"

    „Beides, meine Liebe, beides. Ich muss oben ein paar Papiere abholen und nutze natürlich die Gelegenheit, dir in deine Strahleaugen zu schauen." Kurt genoss dieses Ritual jedes Mal, wenn er hier hereinkam. Ein Flirt auf Teufel komm raus, ein Mordsgaudi. Dabei war Michaela mindestens ebenso glücklich verheiratet wie Kurt, und das schon weitaus länger; sie hatten also die beste Basis für ungeniertes Schäkern.

    „Willst du gleich nach oben, oder versüßt du mir erst noch ein bisschen den Tag?", fragte sie mit klimpernden Wimpern.

    Ehe Kurt antworten konnte, beanspruchte ein Besucher ihrer beider Aufmerksamkeit, der soeben die Empfangshalle betrat. Er schien um die fünfzig zu sein und strahlte eine ungewöhnlich starke Präsenz aus, die Kurt sofort fesselte. Etwas war besonders an diesem Mann.

    Der Fremde sah sich einen Moment um und trat dann forsch, aber mit einem ausgesprochen gewinnenden Lächeln an den Tresen heran.

    „Wunderschönen guten Tag, junge Frau, begrüßte er Michaela und schenkte danach auch Kurt einen freundlichen Seitenblick. „Würden sie wohl einem Mitglied des Vorstandes melden, dass Herr Luke Denkosh ihn zu sprechen wünscht? Vorzugsweise Herrn Auki oder Herrn Gamall?

    Sichtlich von der jungen Frau geschmeichelt erwiderte Michaela das Lächeln. „Herr … Denkosh. Aha. Und sie möchten jemanden vom Vorstand sprechen."

    „So ist es."

    Sie gestattete sich einen kurzen Blick zu Kurt. Der traut sich ja was zu, sagten ihre Augen. Kurt nickte kaum merklich. Er war gespannt, was man im Olymp, wie die Chefetage inoffiziell genannt wurde, von diesem selbstsicheren Herrn halten würde.

    „Nun …, fuhr Michaela zögernd fort. „Dann können sie mir sicher auch das Anliegen nennen, mit dem sie bei den Herren Gamall und Auki vorsprechen möchten.

    Denkosh machte ein entschuldigendes Gesicht. „Leider nein. Das ist einzig für die Herren ganz oben bestimmt. Doch glauben Sie mir, wenn man dort meinen Namen hört, wird man sicherlich sofort mit mir reden wollen."

    Soso. Das war nun aber besonders interessant. Jetzt war Kurt noch viel neugieriger.

    Michaela zuckte mit den Schultern. „In Ordnung. Ich muss sowieso einen weiteren Besucher melden." Sie setzte ihr Headset auf, griff zur Maus und klickte etwas an. Einige Sekunden lauschte sie, bis sich am anderen Ende jemand meldete.

    „Herr Gamall, hier sind gleich zwei Besucher für Sie. Zum einen Herr Odensen, er will etwas abholen. Aha. Ja. Sage ich ihm. Zum anderen ist hier noch ein Herr, der entweder Sie oder Herrn Auki sprechen möchte. Sein Name ist Denkosh. Wie? Moment bitte. Sie wandte sich an den Fremden. „Wie war noch mal der Vorname?

    „Luke, gab dieser zurück. „Wie Luke Skywalker, der aus dem Krieg der Sterne.

    Zum Glück schaute der Typ Michaela an und sah Kurts spöttisches Grinsen nicht.

    „Luke Denkosh, gab die Empfangsdame den Namen weiter. „Wie Luke Skywalker, nur eben Denkosh. Ja, genau.

    Jetzt musste sich Kurt dann doch ein Lachen verkneifen. Wie schaffte sie es nur, so ernst zu bleiben?

    Wieder lauschte sie einige Sekunden, dann nahm sie ihr Headset ab und reichte es Kurt. „Er will mit dir reden. Ein Blick zu Denkosh. „Kleinen Moment bitte, ja?

    Kurt klemmte sich das Ding verwundert ans Ohr. „Kurt hier, was gibt’s?"

    „Weiß ich noch nicht", klang Wodans brummige Stimme aus dem winzigen Lautsprecher. Unter dem Namen Wotan Gamall bekleidete der vielen als Odin bekannte alte Gott den Posten des Vorstandsvorsitzenden dieser Einrichtung. „Du stehst neben dem komischen Kauz?"

    „Ja."

    „Kommt er dir irgendwie seltsam vor?"

    Kurt machte eine entschuldigende Geste zu Michaela und entfernte sich einige Meter von ihr und dem Fremden. „Inwiefern?", fragte er leise.

    „Könnte er einer von uns sein?"

    Oha. „Möglich. Ausstrahlung hat er, und Selbstsicherheit en masse. Soll ich ihn mit der Gedankenfessel checken?"

    „Nein, wehrte Wodan sofort ab. „Ich will es nicht so offensichtlich machen. Timo ist im Haus, der kann das viel besser übernehmen. Bring den Typ mal in Besprechungsraum A-2, ich schicke Timo unter irgendeinem Vorwand rein. Er wird dir dann schon unauffällig mitteilen können, ob das ein Gott ist.

    „Mach ich. Also sagt der Name dir was?"

    „Ist zumindest interessant. Luke könnte man auch als Lugh, den Keltengott verstehen, und 'den kosh' heißt auf Bretonisch 'Alter Mann'. Bretonisch ist eine der wenigen verbliebenen Sprachen mit keltischen Wurzeln."

    „Ihr seid ja alles so was von phantasievoll bei euren Namen, witzelte Kurt, wohl wissend, dass sein Humor an den Alten ziemlich verschwendet war. „Ich bring ihn in A-2. Was soll ich ihm sagen?

    „Dass ich dich drum gebeten habe, ihm ein paar Minuten Gesellschaft zu leisten."

    „Alles klar. Kurt kehrte zu Michaela zurück, überreichte ihr das Gerät und wandte sich an den vermeintlichen Keltengott. „Herr Denkosh, wären Sie wohl so freundlich mir zu folgen?

    „Sie bringen mich zu Herrn Gamall?"

    Kurt schüttelte den Kopf. „Nicht sofort. Er hat mich gebeten, Ihnen ein paar Minuten Gesellschaft zu leisten, bis sich jemand ausführlich um Sie kümmern kann."

    „Sind Sie von der Security?"

    Er machte eine gleichermaßen abwehrende wie beruhigende Handbewegung. „Nein, nein, keine Sorge, ich soll mich wirklich nur für ein paar Minuten um Sie kümmern, nichts weiter."

    Allzu besorgt sah der Fremde auch nicht aus. „In Ordnung. Gehen Sie voraus!"

    Kurt führte Denkosh in den von Wodan genannten Besprechungsraum und bot ihm einen Stuhl an. „Wasser? Saft?"

    „Nichts, danke."

    Dann eben nicht. Kurt setzte sich dem Besucher gegenüber und musterte ihn einen Moment. Die ehemals dunklen Haare im Ergrauen begriffen, aber gerade so, dass es auf viele Frauen besonders interessant wirkte, in einem für das Alter nicht übertrieben sportlichen Schnitt. Die Kleidung lässig aber geschmackvoll, weder betont nobel noch Billigware. Etwas kleiner als Kurt, knapp einen Meter achtzig, mit recht athletischer Figur. Bei weitem nicht so breit wie Thor, Wodan oder auch Kurt selbst, eher in Richtung Hermes.

    Denkosh merkte wohl, dass Kurt ihn unter die Lupe nahm, und schaute fragend. Kurt lächelte beruhigend. „Ich denke, es wird nicht lange dauern. Anscheinend sind die Herren dort oben noch in einer kleinen Besprechung, und man wollte Sie nicht so lange am Empfang herumstehen lassen."

    „Ach, in so hübscher Gesellschaft stehe ich gerne herum, gab Denkosh zurück, um dann schnell hinzuzufügen: „Also, nicht, dass mir Ihre Gesellschaft unangenehm wäre!

    Kurt lachte. „Aber ich bin bei weitem nicht so hübsch. Da bin ich ganz Ihrer Meinung."

    „Dann bin ich ja beruhigt, Herr …"

    „Odensen. Kurt sah keinen Grund für Geheimniskrämerei, und Michaela hatte seinen Namen sowieso schon am Telephon genannt. „Ich bin ein alter Bekannter von Herrn Gamall und arbeite gelegentlich fürs Institut. Da ich gerade so praktisch herumstand …

    „Schon klar. Denkosh hatte ein ausgesprochen sympathisches, offenes Lachen. „Odensen, soso. Eventuell sogar mehr als ein Bekannter, könnte man meinen.

    Ehe Kurt fragen konnte, was der Mann damit meinte, öffnete sich die Tür, und ein etwas dicklicher Typ mit langen Haaren und Vollbart stürmte herein. Wie angewurzelt blieb der Störenfried stehen, als er sah, dass der Raum besetzt war.

    „Ach Gott, Entschuldigung!, platzte es aus dem Langhaarigen heraus. „Ich wusste nicht, dass hier jemand ist. Er wandte sich zum Gehen, drehte sich dann erneut zu ihnen um.

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