Körper gegen Geist Meine fünf Bekloppten und ich...
Von Donna Inez
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Über dieses E-Book
Donna Inez geboren im Jahr 1963, verheiratet in zweiter Ehre mit ihrer geliebten Frau, ist seit 42 Jahren als Krankenschwester tätig. Zwei Söhne und ein Enkel bereichern ihr Leben. Drei Jahre leben und arbeiten in Portugal brachten ihr den Namen Donna Inez ein.
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Buchvorschau
Körper gegen Geist Meine fünf Bekloppten und ich... - Donna Inez
Vorwort
Ich habe mir immer einen Hortensiengarten gewünscht. Seit ich diese wunderschönen Pflanzen kenne, träume ich von einem Hortensiengarten mit so vielen Hortensien, in allen nur erdenklichen Farben, mit großen Blüten, die so wuchern, dass man sie zu Hecken schneiden kann. Ich liebe diese Blumen und ich habe jetzt einen Garten und daraus kann ein Hortensiengarten werden. Wenn ich so weiter mache, auf jeden Fall. Denn, ich kaufe jede Hortensie, die einigermaßen erschwinglich ist und pflanze sie in den Garten, auf den Rasen, den ich neu angelegt habe, seit der Opi tot ist. Niemand redet dagegen, weil es immer Gemüse sein muss. Und, nicht, dass ich nicht gerne eigenes Gemüse esse, nein, im Gegenteil. Nur die Arbeit ist auch nix für schwache Frauen, wie mich. Ich hasse es, ständig in gebückter Haltung oder auf den Knien, was schon mal gar nicht geht, weil meine Knie alle Beide zerschlissen sind, rumzuackern. Und dieses ständige auf dem Boden rumkrabbeln, um zu ernten oder zu säen, oder was weiß ich, machen die nicht mehr mit. Ab nächstes Jahr gibt es nur noch Hochbeete und nix mehr Bodenkulturen.
Meine Frau, die Pia, sagt zwar auch immer, dass jetzt doch bald mal genug sein könnte, mit den Hortensien, aber dann sagt sie wieder: ÄAber Du hast dir ja einen Hortensiengarten versprochen. Dann mach mal, Hauptsache, es sieht gut aus.´ Und, recht hat sie.
Wir Beide sind wieder allein, nachdem wir die letzten 3, 1/2 Jahre mit Opi gelebt haben, mehr recht als schlecht, wie man so sagt. Aber in der letzten Zeit mehr schlecht als recht. WG mit Opi sozusagen hat nicht geklappt. Opi ist der Hans, der Vater meiner Frau. Als er starb war er 90 Jahre alt. Er hat sich erhängt, im Schuppen, als wir gerade unterwegs waren, um einen Mietvertrag für eine kleine Wohnung in der Nähe zu unterschreiben. Um etwas Abstand zu gewinnen, weil er uns wiederholt, rausschmiss, aus seinem Haus, weil ihm irgendwas nicht passte und seine Beleidigungen nicht mehr zu ertragen waren. Und wir wollten ein paar Möbel einsammeln, die wir für die Wohnung brauchen würden. Als wir nach Hause kamen, hing der Opi im Schuppen. Und mit seinem selbstgewählten Ende, komme ich nicht wirklich zurecht, denn ich fühle mich schuldig. Das klingt jetzt vielleicht heuchlerisch, aber ich hätte doch einfach nur bleiben können, seine Entschuldigung annehmen, so ist es. Ich bin sehr traurig und geschockt über seinen Selbstmord, sehe darin aber eine große Ambivalenz. Er hat getan, wozu ich wohl nicht in der Lage war.
Ich, bin jetzt 58 Jahre alt, seit 40 Jahren Krankenschwester, Mutter von 2 erwachsenen Söhnen, ohne Oma zu sein und seit fast einem Jahr krankgeschrieben. Ich bin zum 2. Mal verheiratet. Jetzt mit einer Frau. Meiner geliebten Pia. Seit 11 Jahren und sehr glücklich. Ich habe Depressionen und ich zittere an den Händen und mit dem Kopf. Das mit dem Zittern habe ich schon ewig. Plötzlich stand ich auf meinem Weg zur Nachtschicht mit meinem Auto vor einem Baum, der sich am Rande einer Landstraße befand und der mich anscheinend noch nicht so dicht an sich ranlassen wollte, dass es weh tat. Weh tat nur, dass ich nicht wirklich wusste, wie ich da hingekommen bin, denn daran konnte ich mich nicht erinnern. Egal, ich fuhr einfach weiter zur Arbeit, wo ich aber gar nicht hin wollte, weil ich nicht mehr konnte, weil ich seit Jahren nicht mehr kann, wie man immer so schön sagt. Ich kann nicht mehr, Schichtarbeit. Ich kann nicht mehr, Personalmangel. Ich kann nicht mehr, alleine für Schwerstkranke zuständig sein. Ich kann nicht mehr, Elend sehen, das ich nicht lindern kann. Ich kann nicht mehr Krankenschwester.
Ich wurde dauernd krank, seit 2015, immer wieder komplett Zusammenbrüche mit totaler Schwäche, Panikattacken, Herzrasen, Magenschmerzen, Darmschmerzen, Gewichtsverlust, Muskelschwäche usw., natürlich immer ohne Befund. Alle Ärzte ratlos und ich auch. Ich weiß nicht mehr, was mich mehr fertig gemacht hat, mein Leben oder mein Beruf oder beides zusammen. Das spielt jetzt auch keine wirkliche Rolle mehr.
Ich weiß nur noch, dass ich aus allem raus wollte, aus dem Job, der mich nur noch erschöpft hat und aus dem Leben, weil ich mich nicht mehr ertragen konnte. Schwäche hat mich schon immer angekotzt und dass mein Körper sich selbst dauernd den Stecker zieht, bei der kleinsten Kleinigkeit und ich das Gefühl hatte immer nur Allen Ärger zu machen, hat wohl dazu geführt, dass mich plötzlich dieser Baum anstarrt, ohne zu wissen, wie ich da hinkam. Also machte ich einfach weiter, wie immer, stand die Nacht durch, ging schlafen und wachte um elf Uhr auf, zitternd, weinend. Totaler Zusammenbruch. Krankmeldung. Klapsmühle.
Diagnose: Schwere Depressionen mit suizidalen Gedanken, ohne Wahnvorstellungen. Na großartig.
Mein Leben ist sehr steinig verlaufen und was das nun alles mit dem Opi zu tun hat, das kann ich nicht wirklich sagen. Ich weiß nur, dass mein Körper gegen meinen Geist kämpft. Nicht, dass das nicht schon lange so ist, denn den Zappeltremor kriege ich auch nicht wirklich unter Kontrolle, seit 35 Jahren. Aber nun macht er gar nicht mehr, was er soll. Er hat die Schnauze voll, ist im Sitzstreik, hört nicht mehr zu. Mein Wahlspruch und Profilspruch bei WhatsApp lautet: ÄAlles ist immer so ambivalent.´
Und so ist es auch wirklich. Ich sehe das so. Weil mich das Leben das so gelehrt hat. Es gibt immer 2 Seiten einer Medaille und egal, wie man sie dreht, gewinnt oder verliert man. Aber auch, wenn man meistens alles positiv betrachtet, gibt es Erkrankungen, bei denen die Schaltzentrale des Organismus nicht mehr adäquat funktioniert. Und was das nun mit dem Opi zu tun hat, weiß ich jetzt immer noch nicht, aber er gehörte mit zu meinem Leben und ich darf jetzt seinen Garten umgestalten. Und Schuld an meiner Erkrankung ist er nun wirklich nicht. Sollte sich Irgendjemand von dem Geschriebenen in diesem Buch auf den Schlips getreten fühlen, tut mir das leid. Alles, was hier steht sind meine Gedanken, und sollen keine Wertung abgeben. Durch das Niederschreiben meiner ziemlich verqueren Denkereien bin ich dem Versuch erlegen, besser zu verstehen, was da in so einem depressiven Gehirn so abgeht und dass die Ambivalenzen des Lebens es auch zulassen, dass in jeder Tragik auch immer eine Komik steckt.
Auch, wenn ich als depressiv gelte, habe ich meinen Humor nicht verloren. Sollte der mal ganz weg sein, bin ich tot. Es ist aber nicht meine Absicht, Dinge oder Menschen ins Lächerliche zu ziehen. Aber Situationskomiken ziehen mich einfach magisch an.
Ich sag schon mal vorsichtshalber SORRY!!!!!!!
Kapitel 1
Die Klapse
09.11.2020 Dienstag
Ich sitze auf meinem Bett in Zimmer 4, der Station 1 der Psychiatrie und versuche zu schreiben. Die rechte Hand zittert, meine Schreibhand, und die Schrift sieht scheiße aus. Egal. Mir kam der Gedanke, alles aufzuschreiben, weil, viel Zeit, Corona lässt grüßen und irgendwie ist es schon echt verrückt, dass und wie ich letztendlich hier gelandet bin. Aber zurück zum Anfang.
06.11.2020 Freitag
1. Tag. Aufnahme
9 Uhr hier sein. Pia bringt mich. Ist ebenso nervös, wie ich, vielleicht noch mehr.
Abschied vor der Tür zur Station, wegen CORONA darf niemand weiter ins Haus.
Ich werde freundlich empfangen und an Schw. Zoe übergeben. Sie ist Spanierin und sehr nett. Der Computer will nicht, so, wie sie will, sie hat sich drei Mal verkehrt eingeloggt. Damit ist alles gesperrt. Schw. Maren muss helfen. Sie bringt einen Laptop, damit gehts. jetzt muss sie auch noch die IT anrufen, damit das fahrbare PC-Ding wieder funktioniert. Trotz meiner Misere habe ich Mitgefühl für S. Zoe. Ich, an ihrer Stelle, wäre wohl schon kollabiert. Aber gut. Meine Nerven sind ja auch im Eimer, nicht ihre. 14 Seiten Aufnahmeprotokoll und Stationäre Aufnahme allein machen, ist schon auch viel.
10- 10.30 soll ich beim EKG und Coronaabstrich sein. Komme schon in Stress. Coronaabstrich läuft. EKG nicht, da kein Barcodeetikett auf dem Schein ist. Also zurück zur Station, Klebchen holen. Jetzt ist der Name auch richtig geschrieben, EKG fertig und wieder zurück zur Station. Die Wege von einem Haus zum anderen sind etwas weit. Ich bin schon total kaputt. Dann folgt eine weitere Stunde mit vielen Fragen, vielen Tränen meinerseits und viel Rotze, die in den Mundschutz läuft, den wir tragen müssen. Corona Lockdown. Den ganzen November. Mieses Timing. Blöd, für eine Depression, wenn man eigentlich mit Niemandem in Kontakt treten soll. Weiter gehts zum Arzt. Psychiater Dr. Trotz. Der Doc hat meine Akte studiert und damit mich. Stellt ein paar Fragen, ich antworte brav und heule in den Mundschutz. Alles klar. Ich soll mir keine Sorgen machen, redet er beruhigend auf mich ein. Aber Medikamente müssen ran, Frau O. ÄDiese Depressionen haben sie schon viele Jahre, haben sie nur nicht bemerkt.´ Aha!!!
ÄDie erste Tablette gibts heute Abend, da könnse auch besser schlafen« Ich bin dankbar und denke, na hoffentlich, und, is mir alles egal, Hauptsache, das geht wieder weg. 6 Wochen soll ich hierbleiben. Das sei Standard. Wegen Lock Down fällt viel Therapie aus, was soll man machen. Aha. Na, mal sehen, denke ich weiter, da Freitag ist, habe ich mir eh über Programm keine Gedanken gemacht. Is ja Wochenende.
Zurück zu S. Zoe und die Schwesternschülerin zeigt mir mein Zimmer. Holla, die Waldfee. 2 Betten, 1 Waschbecken, 3 Schränke. Kein Bad, keine Toilette, und, was am schlimmsten ist, kein Fernseher. Meine Gedanken drehen sich im Kreis. Was soll ich tun? S. Zoe zeigt mir dann die Station. Duschen und Toiletten sind auf dem Gang, für Alle. Essenraum, nur ein Patient, pro Tisch und weit aus-
einander. Mir kommen einige wenige Patienten entgegen, mit Mundschutz und sehr traurigem Blick. Was habe ich erwartet?
Ich gehe auf mein Zimmer, packe meinen Koffer aus. Stelle fest, dass der Schrank, den ich gerade eingeräumt habe, nicht abzuschließen geht, und räume um.
S. Susanne hat Spätdienst. Sie drückt mir einen Hefter in die Hand, mit meinem Wochenplan drin und der Hausordnung. Ich gehe erstmal raus, muss frische Luft haben und endlich diese ätzende Maske absetzen.
18 Uhr. Abendbrot. Ich gehe los, nehme mir was zu essen, setze mich an einen leeren Tisch und esse, und trinke Tee. Keiner spricht. Der Abstand ist zu groß und ich will auch nicht. Danach gehe ich auf mein Zimmer und denke, ÄOh Gott war das wirklich eine gute Idee, hier her zu kommen?´
S. Helga ist auch im Spätdienst. Ich frage sie, wann ich meine Abendtabletten bekomme. Sie antwortet: ÄDa kommen sie mit einem Glas Wasser zu mir und dann nehmen sie die Tabletten bei mir ein.´ ÄUnd die neue Tablette zur Nacht?´, frage ich. ÄUm 21 Uhr!´ antwortet Helga kurz und knapp. Ok. Alles klar. Die ist die muffelige Schwester. Ich ziehe ab, gehe nochmal raus, brauche Luft.
21 Uhr. Ich hole meine Tablette. Ich kann nicht schlafen, war ja klar. Aber der erste Tag und die Nacht sind geschafft.
7.11.2020 Samstag
2. Tag
Ja. Wochenende. Nix los. Außer, 6.45 Wecken. Olala.
Das nenne ich mal früh.
Aber, da ich eh kein Auge zu getan habe, ist es auch egal. Ich gehe raus, um frische Luft zu schnappen. Dann Frühstück. Der Tischdienst raffelt da rum. Na, das kann ja was werden. Jeder ist mal dran mit Tisch dienst. Meine Psychologin hatte das erwähnt, aber ich habe das nicht wirklich geglaubt.
Und nun? Aufs Zimmer. Schlafen, mit Hörbuch in den Ohren. Schlafen ist ja seit Jahren mein größtes Hobby. Die neue Tablette, die ein Antidepressivum sein soll, aber in geringer Dosis, den Schlaf anschubsen soll, hat gar nichts angeschubst. Ich bin noch raus in der Nacht zu der Schwester und habe nach einer Bedarfsmedikation gefragt. Sie sagt: ÄJa, der Doc hat was aufgeschrieben. Moment mal.´ Sie schaut in meiner Akte nach. ÄTavor dürfen sie haben.´ Ich glaube nicht, was ich da höre. Da hält mir der Doc mir doch einen ellenlangen Vortrag über Abhängigkeit und Suchtpotential bei Schlafmedikamenten und dann so was. das am schnellsten abhängig machende Mittel überhaupt, was es auf dem Markt gibt, darf ich als Bedarf haben. Frei nach dem Motto:´ 1 Tavörchen zwischen die Öhrchen³ und dann ham wa es auch noch mit Tablettenentzug. Egal. Ich nehme das nicht, da schlafe ich lieber nicht.
Mittag. Spaziergang. Das Wetter ist traumhaft. Für November einfach herrlich mit viel Sonnenschein. Die Umgebung hier ist auch sehr schön, aber ich kann das nicht wirklich sehen, da ich damit beschäftigt bin, so viel frische Luft, wie möglich zu bekommen, ohne mich zu sehr anzustrengen. Unterwegs begegnet mir eine Imbissbude und ich ergattere einen Kaffee, denn beim Frühstück war der Kaffee schon alle. Dann ziehe ich mir noch die schlechteste Currywurst der Welt rein. Zurück zur Station. Buch lesen. Hörbuch hören. Gott sei Dank gibt es Handys mit Daddelspielen und Hörbüchern. Ohne mein Handy wäre ich verloren.
21 Uhr. Tablette holen und noch eine Hoggar night, hab ich gebunkert, und dann schlafen.
Hatte ich schon erwähnt, dass der Raucherpavillon direkt vor meinem Fenster ist? Bis 22 Uhr zieht der Rauch in mein Zimmer, dann ist Nachtruhe. Aber ab 6 Uhr hört man den rollenden Husten der COPDisten wieder. Gott sei Dank, dass ich seit einem Jahr clean bin.
8.11.20 Sonntag
Ja, Sonntag halt. Pia kommt heute Nachmittag. Ick freu mir. Ins Haus darf sie nicht, aber das Wetter geht, bisschen trübe. Die liebe Zoe hat Frühdienst. Ich frage sie, wo man, als Gast denn hier mal zur Toilette gehen kann. Weil, nach einer Stunde Fahrt muss meine Liebste aufs Klo. Das ist so. Gott sei Dank gibt es eine Möglichkeit vor der Station, eine Treppe hoch. Pia kommt an und muss sofort aufs Klo. Ja, ich kenne sie gut. Wir gehen spazieren. Pia hat Kaffee und Kekse mitgebracht, das verzehren wir im Auto. Ich mache mir ein wenig Sorgen, dass sie sich zu viel Sorgen macht. So ein Depressiver will ja den Anderen nicht zur Last fallen, mit dieser Krankheit, die eh Keiner wirklich versteht, und die Alle, am meisten mich selbst, nur nervt. Dann fahren wir noch zu ÄMäcess´ und essen im Auto einen Hamburger. Danach fährt mein Schatz nach Hause. Ich glaube, etwas entspannter. Weiß auch nicht. Es tut mir so leid, dass mein Gehirn so doof ist.
Der Oberarzt Blatter sagt, ich kann nichts dafür. Da wer-
den einfach Reize an den Synapsen nicht gut weitergeleitet, weil Botenstoffe fehlen und, ich würde schon wollen, aber ich kann nicht können, weil die Befehle nicht weitergeleitet werden, und somit nicht ausgeführt werden. Kann man auch googeln. Habe ich auch gemacht. Ich stell mich echt nicht an. Trotzdem fühlt man sich wie, ÄWenn Du Dir nur richtig Mühe gibst, dann geht das auch´.
So, Tabletten holen. S. Helga -Muffel stinkt nach Rauch und erklärt mir, dass ich morgen früh Urin abgeben muss und zur Blutentnahme kommen soll.
Gute Nacht, Helga-Muffel!
9.11.2020 Montag
Der Tag, von dem ich erwartete, dass endlich was passiert, fängt schon mal doof an. Urin habe ich erstmal direkt ins Klo abgegeben. Na toll. S. Maria stellt sich mir vor und will mir Blut abnehmen. Watt ein Stress. Sie teilt mir mit, dass sie meine Bezugsschwester ist, und will irgendwann, wenn ich mich ein wenig eingelebt habe, mal ein Gespräch mit mir führen. Ja, ist gut. Ich gehe wieder aufs Klo, diesmal mit meinem Urinbecher und quetsche mir die Blase aus, damit ich wenigstens noch ein paar Tropfen Urin abgeben kann. Ich habe S. Maria gesagt, dass, ich ins Klo gepullert habe. Das fand sie nicht wirklich amüsant.
Nach dem Frühstück gehe ich in den dritten Stock zu Dr. Trotz, denn heute und, wenn ich will, jeden Montag, ist Visite, bei ihm im Zimmer. Ich habe, außer, dass ich nicht schlafen kann, nix zu meckern. Er erhöht das Medikament zur Nacht auf die doppelte Dosis.
Ich trottle wieder runter und schaue auf den Plan für heute. Da steht Kognitives Training. Zumindest auf dem Plan, den ich habe. Dann gibt es ja noch den Plan, der für Alle aushängt, falls sich etwas geändert hat. Ich schaue also nach und da steht: Kognitives Training: Ausfall. Danach Handwerk: Ausfall. Dann Sport: Bäähh. gehe ich nicht hin. Hab keine Kraft. Ich gehe lieber schlafen. Dann melde ich mich zum Hydrojet. Das ist schön. Da liegt man auf so einem Wasserbett, mit warmem Wasser und wird massiert. Leider nur ganz leicht, und nur den unteren Rücken. Ich sage der Schwester, sie könne ruhig volle Pulle und den ganzen Körper, aber das tut sie nicht. Sie sagt. ÄDas muss der Arzt anordnen.³ Ja, ist ja gut. Meine Herren, die machen auch nichts, ohne den Segen des Arztes. Dienst nach Vorschrift eben. Ich finde alles Scheiße, mein Kopf tut weh, ich gehe früh ins Bett. Mal sehen, ob ich mit der neuen Dosierung besser schlafen kann. Ich bin soooo, soooo müde. Aber, was wunderts mich. Müde ist ja. seit Jahren mein zweiter Vorname.
10.11.2020 Dienstag
Es gibt hier ja den Morgenspaziergang, der ist Pflichtprogramm, steht auch auf dem Plan, fällt auch nie aus. Ist mir sehr recht, denn ich gehe gerne spazieren, vor dem Frühstück. Dann kann ich besser essen, Ich war in letzter
Zeit so furchtbar appetitlos, dass ich doch tatsächlich 5 Kilo abgenommen habe. Das gehört auch zum Krankheitsbild, sagt der Doc. Ok.
Also, der Morgenspaziergang wird von einer Schwester begleitet, außer am Wochenende oder, wenn Personalmangel herrscht. Naja, heute geht S. Maria mit uns mit. Hm, ich frage mich, warum, denn es gehen Alle irgendwie allein und reden mag ja auch keiner und ich auch nicht, und die Runde ist mir auch nicht lang genug. Da wird wohl nur eine Aufsichtspflicht bedient, wegen der Rechtsanwälte. Egal, ich gehe meine Runde, und als ich zurück bin, sehe ich, dass die anderen Patienten ihre Hefter abgegeben haben und ich frage, warum.
ÄDa wird von den Schwestern abgezeichnet, dass Du mitgelaufen bist.´ Aha, ich dachte, das wäre selbstverständlich. Heute habe ich Tischdienst mit Zimmer 5. Da ist ein junger Mann drin, mit langen speckigen Haaren, der erstmal gar nicht erscheint. Na prima. Ich mache mich auf in die Küche und denke, so schlimm kann das ja nicht sein. Nach einer Weile kommen ein paar Mitpatienten und fragen, ob ich ganz allein bin und ich sage, ja. Dann helfen sie mir und ich bin begeistert. Als erstes bringt man mir bei, dass ich die Brötchen noch mal aufbacken muss. Nur so, weil die Leute das so gerne haben. Ok. Als alles fertig war, kam auch der Patient aus Zi. 5. Na, dachte ich so für mich, das geht ja gut los hier mit dem Tischdienstgedöns. Ich hole meine Tabletten und heute ist die erste Dosis des Antidepressivums, namens Sertralin dabei. Dann ziehe ich mich an und gehe Spazieren. Ich brauche dauernd frische Luft. Ich könnte draußen schlafen, wenn es nicht so kalt wäre. Da wir dauernd diese Masken tragen müssen, geht es mir nicht besonders gut, denn ich bekomme sofort Panik. Nur draußen habe ich das Gefühl, dass ich frei atmen kann.
Heute ist Gruppengespräch. Eine ganze halbe Stunde. Mit einem Psychotherapeuten, der mich als Neuling identifiziert und mich auffordert, von mir zu berichten. Was soll ich sagen. Ich erzähle, was passiert ist und dass ich keinen Sport machen will. Die Anderen kommen nicht zu Wort, weil die halbe Stunde um ist. Eine Patientin aus der Gruppe macht mir Mut, doch zum Sport zu gehen.
Beim Mittag lerne ich den Pfleger Tom kennen. Eine
Seele von Pfleger. Ich bin ganz begeistert. Danach gehts zum Sport und ich lerne den Therapeuten Herrn Seifert kennen. Na, das ist ja mal ein Sporttherapeut nach meinem Geschmack. Ich glaube der Beste im ganzen Krankenhaus. Er bemerkt sofort, dass ich nix kann und total erschöpft bin. Widmet sich mir ganz reizend und vorsichtig und Schwupps, sitze ich auch schon auf dem Ergometer. Dann sagt er: ÄNa? Sie sind wohl der Typ Kurzstrecke, aber volle Power, was? Ich glaube, Wir fangen mal ganz klein an und, wenn sie nicht mehr wollen, hören sie einfach auf.´ Ich stimme zu und fange an zu treten. 30 Watt. So wenig hatte ich noch nie. Aber, ich habe 10 Minuten durchgehalten und das war gut. Zu mehr war ich dann auch nicht mehr in der Lage und ich durfte den Rest der Zeit einfach nur dasitzen. Ich finde diesen Herrn Seifert echt total sympathisch.
Als wir zurückkommen, ist schon Kaffeezeit und ich nehme mir einen Kaffee und setze mich in die Sitzecke und mache den Fernseher an. Da kommt von den anderen, die da auf 1.50m Abstand rumsitzen, ÄDas darfste nich. ÄIch reagiere nicht, fühle mich nicht angesprochen.
Und wieder: ÄDas dürfen wir nicht.´
Ich drehe mich rum, und frageÄWas darf ich nicht?´
Na, Fernsehen gucken. ÄIch; was?´
Antwort: ÄFernsehen ist erst ab 17 Uhr erlaubt, steht in der Hausordnung.´ Ich sage: ÄAch ja? Na, in Coronazeiten, wo eh nix stattfindet, alles ausfällt und man sich trotzdem nicht dauernd auf dem Zimmer aufhalten soll, können Die doch mal eine Ausnahme machen.´ Antwort:
ÄNaja, wir haben Dich gewarnt.´Ä2N´ sage ich. Und:
ÄIch bin neu hier, ich lasse es mal drauf ankommen.´ 3 Minuten später geht S. Maria an uns vorbei, kommt zurück und sagt zu mir. ÄFernseher aus.´ Ich tue überrascht und antworte: ÄWie bitte?´ Sie sagt in einem etwas schärferen Ton: ÄFernseher aus, jetzt!!!!!!´ Ich antworte: ÄIn Zeiten von Corona könne man doch mal eine Ausnahme machen und wenigstens die Fernsehzeiten etwas verlängern, da ja sonst nichts passieren darf, wie z.B. Karten spielen oder ähnliches, und so wäre man dann auch nicht dauernd auf dem Zimmer mit sich und isoliert, was ich als sehr kontraproduktiv sehe, gerade bei dieser Erkrankung.´ S. Maria wird langsam zur Salzsäule und betont nochmal, ich möchte jetzt bitte sofort den Fernseher ausmachen und auch für mich würde man keine Extrawurst braten. Ich sagte nur noch, dass ich mir lieber einen Storch braten würde, und schalte den Fernseher aus, grinse die Anderen an und gehe auf mein Zimmer. Es dauert nicht lange und ich werde von S. Rita zur Akupunktur abgerufen. Entspannung. Tut Hölle weh, aber entspannt mega. Danach habe ich die Kraft, zum Supermarkt zu laufen, der ca. 1km entfernt ist. In die Stadt dürfen wir, wegen Corona nicht, aber zum Supermarkt schon. Ich will mir unbedingt ein Schreibheft kaufen, damit ich diesen ganzen Wahnsinn aufschreiben kann. Meinen eigenen, sowie auch den der Anderen und den immer wiederkehrenden Strukturwahnsinn im Krankenhaus und dessen Unflexibilität. Ich bringe Gummitiere für das Personal mit. Eine Mitpatientin geht noch spontan nach Hause und ich ergattere