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Tödliches Muster: Ein neuer Fall für Jack McEvoy
Tödliches Muster: Ein neuer Fall für Jack McEvoy
Tödliches Muster: Ein neuer Fall für Jack McEvoy
eBook447 Seiten5 Stunden

Tödliches Muster: Ein neuer Fall für Jack McEvoy

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Über dieses E-Book

Die Glanzzeiten von Polizeireporter Jack McEvoy sind schon lange vorbei. Der einge- fleischte investigative Journalist, der zuletzt für die L. A. Times arbeitete, ist inzwischen bei einer Website namens Fair Warning angestellt, einem Nachrichtenportal, das sich dem Verbraucherschutz verschrieben hat und Miss- stände in Automobil-, Pharma- oder Tabakindustrie aufzeigt. Als er von dem brutalen Mord an Tina Portrero erfährt und sogar selbst unter Verdacht gerät, weil er vor einem Jahr einen One-Night-Stand mit ihr hatte, zögert McEvoy nicht lange. Gegen den Willen seines Chefs und der Polizei stürzt er sich in die Ermittlungen und macht eine furchtbare Entdeckung: Tina ist nicht die Einzige. Mehrere Frauen scheinen ein und demselben Mann zum Opfer gefallen zu sein: Alle wurden auf die gleiche Art getötet, alle haben kurz vor ihrem Tod ihre DNA an ein Analyseinstitut geschickt, um mehr über ihre Abstammung zu erfahren. McEvoy gerät in die düstersten Ecken des Darknet und sieht sich einem Gegner gegenüber, wie er noch nie einen hatte, einem Gegner, dem er womöglich nicht gewachsen sein wird und der schon sein nächstes Opfer im Visier hat.
SpracheDeutsch
HerausgeberKampa Verlag
Erscheinungsdatum10. März 2022
ISBN9783311703228
Tödliches Muster: Ein neuer Fall für Jack McEvoy
Autor

Michael Connelly

Michael Connelly ist mit über 85 Millionen verkauften Büchern in 45 Sprachen einer der US-amerikanischen Krimi-Superstars. 1956 geboren, wuchs er in Florida auf, wo er als Journalist arbeitete, bis ihn die Los Angeles Times als Gerichtsreporter in die Stadt holte, in der sein literarisches Idol Raymond Chandler seine Romane spielen ließ, was Connelly ihm später gleichtun sollte. Im Kampa Verlag erscheinen neben den Fällen des legendären Ermittlers Harry Bosch und der Nachtschicht-Detective Renée Ballard auch Connellys Romane mit Jack McEvoy und Michael »Mickey« Haller. Connelly lebt in Kalifornien und in Florida.

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    Buchvorschau

    Tödliches Muster - Michael Connelly

    Für Detective Tim Marcia.

    Vielen Dank für deinen Dienst an der Stadt der Engel.

    Wer wird nicht gleichzeitig abgestoßen und angezogen von einer diabolischen Handlung?

    David Goldman,

    Our Genes, Our Choicesy

    PROLOG

    Sie fand seinen Wagen klasse. Es war das erste Mal, dass sie in einem Elektroauto saß. Außer dem Fahrtwind war nichts zu hören, als sie durch die Nacht glitten.

    »So leise«, sagte sie.

    Nur zwei Wörter, aber sie hatte sie gelallt. Der dritte Cosmo hatte etwas mit ihrer Zunge angestellt.

    »Er schleicht sich an einen ran«, sagte der Fahrer. »Das auf jeden Fall.«

    Er schaute zu ihr hinüber und lächelte. Aber sie glaubte, er wollte nur sichergehen, dass bei ihr alles okay war, weil sie die Worte nicht richtig herausbekommen hatte.

    Dann schaute er wieder nach vorn und deutete mit dem Kinn durch die Windschutzscheibe.

    »Da wären wir«, sagte er. »Kann man hier irgendwo parken?«

    »Stell dich einfach hinter meinen Wagen«, sagte sie. »Ich habe zwei Stellplätze in der Garage, aber sie sind … hintereinander. Totem, nennt man das, glaube ich.«

    »Tandem?«

    »Ach so, natürlich, klar. Tandem.«

    Sie begann über ihren Fehler zu lachen, eine Lachspirale, aus der sie nicht mehr herauskam. Diese blöden Cosmos. Und die Tropfen aus der Naturheilmittelapotheke, die sie genommen hatte, bevor sie am Abend mit dem Uber weggefahren war.

    Der Mann ließ das Fenster auf seiner Seite herunter, und frische Abendluft strömte in die behagliche Wärme im Wageninnern.

    »Erinnerst du dich an die Kombination?«, fragte er.

    Um das Schwindelgefühl abzuschütteln und sich besser orientieren zu können, zog Tina sich aus dem Sitz hoch. Sie merkte, dass sie bereits vor dem Garagentor ihrer Wohnanlage waren. Das kam ihr eigenartig vor. Sie konnte sich nicht erinnern, ihm gesagt zu haben, wo sie wohnte.

    »Die Kombination?«, fragte er noch einmal.

    Das Tastenfeld befand sich in Reichweite vom Fahrerfenster an der Wand. Sie stellte fest, dass sie sich zwar an die Zahlenkombination erinnern konnte, mit der sich das Tor öffnen ließ, aber nicht an den Namen des Mannes, den sie nach Hause mitgenommen hatte.

    »4-6-8-2-5.«

    Als er die Kombination eingab, musste sie sich zusammenreißen, um nicht wieder zu lachen. Manche Typen fanden das schrecklich.

    Sie fuhren in die Garage, und sie deutete auf die Stelle, wo er hinter ihrem Mini parken konnte. Wenig später standen sie im Lift, wo sie auf den richtigen Knopf drückte und sich dann Halt suchend an ihn lehnte. Er legte den Arm um sie und hielt sie.

    »Hast du einen Spitznamen?«, fragte sie.

    »Einen Spitznamen?«, fragte er.

    »Na ja, wie nennen dich die Leute, die du gut kennst?«

    Er schüttelte den Kopf.

    »Sie nennen mich eigentlich nur mit meinem Namen«, sagte er.

    Das brachte sie nicht weiter. Sie ließ es auf sich beruhen. Später würde sie seinen Namen schon noch herausbekommen. Aber höchstwahrscheinlich musste sie ihn gar nicht wissen. Zu einem später würde es nicht kommen. Wie eigentlich immer.

    Im zweiten Stock ging die Lifttür auf, und sie stiegen aus. Ihre Wohnung befand sich zwei Türen den Gang hinunter.

    Der Sex war gut, aber nicht außergewöhnlich. Ungewöhnlich war nur, dass er nichts einzuwenden hatte, als sie auf der Verwendung eines Kondoms bestand. Er hatte sogar selbst eines dabei. Hut ab, dachte sie. Trotzdem würde es ein One-Night-Stand bleiben. Die Suche nach diesem nicht zu beschreibenden Etwas, das die Leere in ihr füllte, würde weitergehen.

    Nachdem er das Kondom die Toilette hinuntergespült hatte, kam er zurück ins Bett. Sie hoffte auf eine Ausrede – früh zur Arbeit, eine Frau, die zu Hause wartete, egal was –, aber er wollte wieder zu ihr ins Bett und kuscheln. Er legte sich unsanft hinter sie und drehte sie herum, sodass ihr Rücken gegen seine Brust zu liegen kam. Er hatte sich rasiert, und sie konnte das Piksen der nachwachsenden Stoppeln in ihrem Rücken spüren.

    »Weißt du …«

    Weiter kam sie nicht mit ihrer Klage. Er veränderte seine Körperhaltung, und plötzlich lag sie auf dem Rücken und er unter ihr. Seine Brust war wie Schmirgelpapier. Sein Arm kam von hinten um sie herum und beugte sich zu einem V. Dann schob er ihren Hals mit der freien Hand in das V. Er spannte die Arme an, und sie spürte, wie ihre Atemwege zugedrückt wurden. Sie konnte nicht um Hilfe rufen. Sie bekam keine Luft, um einen Laut hervorzubringen. Sie begann zu strampeln, aber ihre Beine verhedderten sich in den Laken, und er war zu stark. Sein Arm hatte sich wie ein Schraubstock um ihren Hals gelegt.

    Die Ränder ihres Blickfelds verdunkelten sich. Er hob den Kopf vom Bett und kam mit den Lippen an ihr Ohr.

    Und flüsterte: »Sie nennen mich den Shrike.«

    JACK

    1

    Ich hatte der Story den Titel »Der König der Schwindler« gegeben. Jedenfalls war das meine Überschrift. Ich tippte sie oben hin, war aber ziemlich sicher, dass sie geändert würde. Es überstieg nämlich meine Kompetenzen als Reporter, einen Artikel mit einer Überschrift einzureichen. Für die Überschriften und die Kurzzusammenfassungen darunter war der Redakteur zuständig, und ich konnte Myron Levin bereits schimpfen hören: »Schreibt der Redakteur etwa deine Einleitungen um, oder ruft er die im Artikel erwähnten Personen an, um ihnen zusätzliche Fragen zu stellen? Nein, tut er nicht. Er bleibt bei seinen Leisten, und genauso bleibst du bei deinen.«

    Da Myron Levin dieser Redakteur war, würde es schwer werden, zu meiner Rechtfertigung etwas vorzubringen. Trotzdem schickte ich den Artikel mit meinem Titelvorschlag ein, weil er einfach perfekt war. Die Meldung befasste sich mit den undurchsichtigen Machenschaften der Inkassobranche – sechshundert Millionen Dollar verschwanden jährlich in dunklen Kanälen –, und die Grundregel bei FairWarning lautete, jeden Schwindel mit einem Gesicht in Verbindung zu bringen, egal, ob mit dem des Betrügers oder dem des Betrogenen, ob mit dem des Opfers oder dem des Täters. Und diesmal war es der Täter. Arthur Hathaway, der König der Schwindler, war der Beste der Besten. Mit seinen zweiundsechzig Jahren hatte er in seinem um Betrug kreisenden Leben jede nur erdenkliche Gaunerei begangen, vom Verkauf falscher Goldbarren bis hin zur Einrichtung gefälschter Spendenportale nach Naturkatastrophen. Jetzt war seine neueste Masche, Leuten weiszumachen, Geld schuldig zu sein, das sie gar nicht schuldig waren, und sie dazu zu bringen, zu zahlen. Er war sogar so gut, dass angehende Betrüger dafür bezahlten, an den Kursen teilnehmen zu dürfen, die er montags und mittwochs in einer ehemaligen Schauspielschule in Van Nuys hielt. Ich hatte mich als einer seiner Schüler eingeschlichen und versucht, so viel wie möglich über ihn und seine Tricks herauszufinden. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, den Artikel zu schreiben und mithilfe Hathaways eine Branche zu entlarven, die jedes Jahr die unterschiedlichsten Leute, angefangen von netten alten Ladys mit schwindenden Ersparnissen bis hin zu jungen, wegen ihrer Collegekredite hoch verschuldeten Berufseinsteigern, um Millionen prellte. Sie alle fielen auf Arthur Hathaway herein und schickten ihm ihr Geld, weil er sie dazu überredete. Und jetzt brachte er elf angehenden Trickbetrügern und einem verdeckten Reporter für fünfzig Dollar zweimal wöchentlich bei, wie man das am besten anstellte. Möglicherweise war die Schwindlerschule sogar sein größter Coup. Der Kerl suchte wirklich seinesgleichen und hatte die totale Gewissenlosigkeit eines Psychopathen. Ich berichtete in meinem Artikel auch über die Schicksale der Opfer, deren Bankkonten er geplündert und deren Leben er ruiniert hatte.

    Myron hatte den Artikel bereits bei der Los Angeles Times untergebracht, sodass er breitere öffentliche Beachtung finden und auch vom Los Angeles Police Department zur Kenntnis genommen würde. König Arthurs Herrschaft würde bald ein Ende finden und seine Ritterrunde aus angehenden Betrügern gleich mit aus dem Verkehr gezogen werden.

    Ich las den Artikel ein letztes Mal, schickte ihn an Myron und setzte William Marchand in cc, den Anwalt, der pro bono sämtliche FairWarning-Meldungen prüfte. Wir veröffentlichten auf der Website nichts, was juristisch nicht hundertprozentig abgesichert war. FairWarning war ein Fünf-Personen-Unternehmen, wenn man die Reporterin mit einrechnete, die in Washington, D.C. von zu Hause aus für uns arbeitete. Eine einzige »unrichtige Meldung«, die einen Prozess oder einen außergerichtlichen Vergleich nach sich zog, konnte uns das Genick brechen, und dann wäre ich wieder, was ich schon mindestens zweimal in meinem Leben war: ein Reporter, der nicht wusste, wohin.

    Ich verließ meinen Schreibtisch, um Myron zu sagen, dass der Artikel endlich fertig war, aber er telefonierte gerade an seinem Platz mit einem potenziellen Sponsor. Myron war Gründer, Herausgeber, Chefredakteur, Reporter und Hauptspendenbeschaffer von FairWarning, einem kostenlosen Nachrichtenportal ohne Paywall. Es gab zwar unter jedem Artikel, und manchmal auch darüber, einen Spendenbutton, aber Myron hielt ständig nach dem großen weißen Wal Ausschau, der uns sponsern und – zumindest eine Weile – aller finanziellen Nöte entheben würde.

    »Wir sind wirklich die Einzigen, die so etwas machen – kompetenten investigativen Journalismus für den Verbraucher«, erzählte Myron jedem potenziellen Spender. »Wenn Sie mal auf unsere Seite schauen, werden Sie im Archiv viele Beiträge finden, die mächtige Schlüsselindustrien wie Auto-, Pharma-, Tabak- und Mobilfunkunternehmen aufs Korn nehmen. Und angesichts der aktuellen staatlichen Maßnahmen zu Deregulierung und Aufsichtsbeschränkung gibt es niemand mehr, der für den kleinen Mann die Augen offen hält. Mir ist selbstverständlich klar, dass es Spendenoptionen gibt, bei denen Sie auf den ersten Blick mehr für Ihr Geld bekommen. Mit fünfundzwanzig Dollar im Monat können Sie in den Appalachen ein Kind mit Kleidung und Nahrung versorgen. Keine Frage. Das vermittelt Ihnen ein gutes Gefühl. Spenden Sie allerdings für FairWarning, unterstützen Sie ein Team von Journalisten, die sich der Aufgabe verschrieben …«

    Diese Platte bekam ich mehrmals am Tag zu hören, tagaus, tagein. Ich nahm auch an den sonntäglichen Jours fixes teil, bei denen Myron und Vorstandsmitglieder zu wohlmeinenden potenziellen Spendern sprachen, und mischte mich hinterher unter sie, um ihnen von den Artikeln zu erzählen, für die ich recherchierte. Als Autor zweier Bestseller hatte ich bei diesen Zusammenkünften einen Sonderstatus, auch wenn nie erwähnt wurde, dass ich schon über zehn Jahre nichts mehr veröffentlicht hatte. Ich wusste, mit diesen Veranstaltungen stand und fiel mein Gehalt – auch wenn ich damit in Los Angeles kaum meine laufenden Kosten decken konnte –, aber in meinen vier Jahren bei FairWarning hatte ich diese Sprüche schon so oft gehört, dass ich sie im Schlaf aufsagen konnte. Rückwärts.

    Myron hörte auf, seinem potenziellen Spender zuzuhören, und stellte das Mikrophon stumm, bevor er zu mir aufschaute.

    »Bist du fertig?«, fragte er.

    »Hab dir gerade alles geschickt«, sagte ich. »Und Bill auch.«

    »Okay, ich lese es heute Abend. Und wenn es irgendwas gibt, können wir morgen reden.«

    »Es ist druckreif. Mit einer super Schlagzeile. Du musst nur noch den Vorspann schreiben.«

    »Pass bloß …«

    Er deaktivierte die Stummschaltung des Telefons, um eine Frage zu beantworten. Ich salutierte und ging zum Ausgang, blieb aber vorher noch an Emily Atwaters Schreibtisch stehen, um mich von ihr zu verabschieden. Im Moment war sie die einzige andere Mitarbeiterin im Büro.

    »Cheers«, sagte sie mit ihrem klaren britischen Akzent.

    Unser Büro lag in einer typischen zweigeschossigen Plaza in Studio City. In der unteren Etage waren ausschließlich Einzelhandels- und Lebensmittelgeschäfte, in der oberen Dienstleister: Autoversicherer, Maniküre/Pediküre, Joga und Akupunktur. Wir waren die Ausnahme. Wir bedienten keine Laufkundschaft, aber das Büro war günstig, weil es über einer Cannabis-Verkaufsstelle lag, aus der die Lüftungsanlage des Gebäudes sieben Tage die Woche rund um die Uhr Marihuanadämpfe in unsere Räumlichkeiten leitete. Myron hatte einen satten Nachlass herausschinden können.

    Die L-förmige Plaza hatte eine Tiefgarage mit fünf Stellplätzen für FairWarning-Mitarbeiter und -Besucher. Das war ein großes Plus. Einen Parkplatz zu finden, war in Los Angeles immer ein Problem. Und ein überdachter Parkplatz war für mich ein noch größeres Plus, weil ich mit meinem Jeep im sonnigen Kalifornien so gut wie immer ohne Verdeck unterwegs war.

    Ich hatte den Wrangler mit dem Vorschuss für mein letztes Buch neu gekauft, und der Kilometerzähler erinnerte mich beständig daran, wie lange es schon her war, dass ich neue Autos gekauft und Bestsellerlisten angeführt hatte. Ich schaute darauf, als ich den Motor anließ. Ich war 260990 Kilometer von dem Weg abgekommen, auf dem ich einmal gewesen war.

    2

    Ich wohnte in der Woodman Avenue am Freeway 101. Es war eine Wohnanlage aus den achtziger Jahren im Cape-Cod-Stil, deren vierundzwanzig Einzelhäuser sich um einen rechteckigen Innenhof mit Gemeinschaftspool und Grillbereich gruppierten. Auch dort gab es eine Tiefgarage.

    Die meisten Wohnanlagen in der Woodman hatten Namen wie Capri und Oak Crest und dergleichen. Meine war namenlos. Ich war vor eineinhalb Jahren dort eingezogen, nachdem ich die Eigentumswohnung verkauft hatte, die ich mit demselben Vorschuss für mein Buch gekauft hatte. Die Tantiemen fielen von Jahr zu Jahr spärlicher aus, und ich war gerade dabei, mein Leben so umzugestalten, dass ich mit meinem Gehalt bei FairWarning über die Runden kam. Die Umstellung fiel mir nicht leicht.

    Als ich auf der abschüssigen Zufahrt zur Tiefgarage darauf wartete, dass das Tor hochging, sah ich am Fußgängertor der Anlage zwei Männer in Anzügen stehen. Einer war weiß und Mitte fünfzig, der andere zwanzig Jahre jünger und asiatischer Abstammung. Ein Windstoß fuhr in die Jacke des Asiaten und gab kurz den Blick auf die Dienstmarke an seinem Gürtel frei.

    Ich schaute immer wieder in den Rückspiegel, als ich in die Garage fuhr. Sie folgten mir die Rampe hinunter. Ich parkte auf meinem Stellplatz und stellte den Motor ab. Bis ich mir meinen Rucksack geschnappt hatte und ausstieg, standen sie hinter dem Jeep und warteten.

    »Jack McEvoy?«

    Der Name stimmte, aber er sprach ihn falsch aus. Wie Mick-a-voy.

    »Ja, McEvoy«, sagte ich und korrigierte ihn dabei. Mack-a-voy. »Was gibt’s?«

    »Ich bin Detective Mattson, LAPD«, sagte der ältere von beiden. »Und das ist mein Partner, Detective Sakai. Wir hätten ein paar Fragen an Sie.«

    Mattson öffnete sein Jackett, um mir zu zeigen, dass auch er eine Dienstmarke hatte – und die dazugehörige Pistole.

    »Okay«, sagte ich. »Worüber?«

    »Könnten wir in Ihre Wohnung raufgehen?«, fragte Mattson. »Dort sind wir wahrscheinlich etwas ungestörter als in der Tiefgarage.«

    Er machte eine ausholende Armbewegung, als stünden überall Menschen herum, die uns zuhörten. Aber die Garage war leer.

    »Wenn Sie meinen«, sagte ich. »Kommen Sie. Ich nehme normalerweise die Treppe, aber wenn Sie lieber mit dem Lift fahren, er ist da hinten.«

    Ich deutete ans Ende der Garage. Mein Jeep stand in der Mitte, direkt gegenüber der Treppe, die in den Innenhof hinaufführte.

    »Die Treppe ist völlig okay«, sagte Mattson.

    Ich ging in diese Richtung los, und die Detectives folgten mir. Den ganzen Weg zur Wohnungstür überlegte ich fieberhaft, was ich beruflich getan hatte, um die Aufmerksamkeit des LAPD auf mich zu lenken. Die Reporter von FairWarning hatten zwar bei den Recherchen für ihre Berichte große Freiheiten, aber es gab eine grundsätzliche Arbeitsteilung, und in mein Ressort fielen jede Art von Bauernfängerei und kriminellem Betrug sowie Internet-Berichterstattung.

    Ich begann, mich zu fragen, ob mein Artikel über Arthur Hathaway einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den Schwindler in die Quere gekommen war und ob Mattson und Sakai mich bitten wollten, mit seiner Veröffentlichung noch zu warten. Aber kaum war mir diese Möglichkeit in den Sinn gekommen, tat ich sie auch schon wieder ab. Wäre das der Fall, wären sie in mein Büro gekommen, nicht zu mir nach Hause. Und das Ganze hätte mit einem Anruf begonnen, nicht mit einem persönlichen Besuch.

    »Von welcher Abteilung sind Sie?«, fragte ich, als wir über den Innenhof zu Apartment 7 auf der anderen Seite des Swimmingpools gingen.

    »Wir kommen aus Downtown.« Mattson hielt sich bedeckt, während sein Partner gar nichts sagte.

    »Schon klar«, sagte ich. »Aber von welcher Abteilung genau?«

    »Robbery-Homicide Division«, sagte Mattson.

    Aktuell berichtete ich nicht über das LAPD, doch früher hatte ich es getan. Ich wusste, dass die Eliteeinheiten Downtown im Hauptquartier stationiert waren, und die RHD, wie sie kurz genannt wurde, war die Elitetruppe der Elite.

    »Und worüber wollen Sie jetzt mit mir reden?«, fragte ich. »Über Raub oder Mord?«

    »Gehen wir lieber erst rein, bevor wir anfangen«, sagte Mattson.

    Ich erreichte meine Wohnungstür. Seine Nichtantwort deutete eher auf Mord hin. Der Schlüssel lag bereits in meiner Hand. Bevor ich die Tür aufschloss, drehte ich mich um und sah die zwei Männer hinter mir an.

    »Mein Bruder war Mordermittler«, sagte ich.

    »Tatsächlich?«, sagte Mattson.

    »Beim LAPD?« Das kam von Sakai. Seine ersten Worte.

    »Nein«, sagte ich. »Oben in Denver.«

    »Nicht schlecht«, sagte Mattson. »Im Ruhestand?«

    »So würde ich es nicht nennen«, sagte ich. »Er wurde im Dienst getötet.«

    »Das tut mir leid«, sagte Mattson.

    Ich nickte und drehte mich wieder um, um die Tür aufzuschließen. Ich verstand selbst nicht, warum ich meinen Bruder erwähnt hatte. Damit rückte ich sonst nicht so schnell heraus. Leute, die meine Bücher gelesen hatten, wussten es, aber ich ließ es nicht eben mal nebenbei in ein Gespräch einfließen. Es war vor langer Zeit in einem, wie es schien, anderen Leben passiert.

    Ich öffnete die Tür, und wir gingen nach drinnen. Ich machte Licht. Meine Wohnung war eine der kleinsten in der Anlage. Das Erdgeschoss war nicht durch Wände unterteilt. Das Wohnzimmer ging in einen kleinen Essbereich über, der nur durch eine Theke mit einer Spüle von der Küche getrennt war. An der rechten Seitenwand führte eine Treppe ins Dachgeschoss hinauf, das mein Schlafzimmer war. Dort oben war auch das eigentliche Bad. Ein kleineres befand sich unter der Treppe im Erdgeschoss. Insgesamt weniger als neunzig Quadratmeter. Die Wohnung war sauber und ordentlich, aber das lag nur daran, dass sie spärlich möbliert war und wenig persönliche Noten aufwies. Den Esstisch hatte ich zu meinem Arbeitsplatz umfunktioniert. An seinem Kopfende stand ein Drucker. Alles war für die Arbeit an meinem nächsten Buch gedacht – und so war es schon seit meinem Einzug.

    »Schöne Wohnung«, sagte Mattson. »Wohnen Sie schon lange hier?«

    »Etwa eineinhalb Jahre«, sagte ich. »Aber dürfte ich vielleicht mal erfahren, worum es …«

    »Setzen Sie sich doch erst mal auf die Couch da.«

    Mattson deutete auf das Sofa, das so ausgerichtet war, dass man auf den Flachbildschirm an der Wand über dem Gaskamin sehen konnte, den ich nie anmachte.

    Auf der anderen Seite des Couchtischs standen zwei Sessel, die mich wie die Couch schon jahrzehntelang in meinen alten Wohnungen begleitet hatten und entsprechend durchgesessen und abgenutzt waren. Meine schrumpfenden Finanzen spiegelten sich in meiner Unterkunft und meinem fahrbaren Untersatz wider.

    Mattson inspizierte die zwei Sessel, entschied sich für den, der am saubersten aussah, und setzte sich. Sakai, der Stoiker, blieb stehen.

    »Also, Jack«, begann Mattson. »Wir ermitteln in einem Mordfall, in dem Ihr Name aufgetaucht ist. Deshalb sind wir hier. Wir haben …«

    »Wer wurde umgebracht?«, fragte ich.

    »Eine gewisse Christina Portrero. Sagt Ihnen der Name was?«

    Ich ließ ihn in Höchstgeschwindigkeit durch alle Schaltkreise laufen. Ohne Erfolg.

    »Nein, ich glaube nicht. Wie ist mein Name …«

    »Sie war hauptsächlich als Tina bekannt. Hilft Ihnen das weiter?«

    Ein weiterer Schnelldurchlauf. Diesmal mit mehr Erfolg. Den vollständigen Namen von zwei Mordermittlern gesagt zu bekommen, hatte mich so durcheinander gebracht, dass es nicht sofort klick gemacht hatte.

    »Jetzt, warten Sie, klar. Ich kannte eine Tina … Tina Portrero.«

    »Eben meinten Sie aber noch, dass der Name Ihnen nichts sagt.«

    »Ich weiß. So aus heiterem Himmel hab ich nicht sofort geschaltet. Jedenfalls, wir sind uns ein Mal begegnet, aber dabei ist es geblieben.«

    Mattson antwortete nicht. Er nickte seinem Partner zu. Sakai beugte sich vor und hielt mir sein Handy hin. Auf dem Display war ein Foto, ein sehr gestelltes Foto einer Frau mit dunklen Haaren und noch dunkleren Augen. Sie hatte eine intensive Bräune und sah aus wie Mitte dreißig. Aber ich wusste, dass sie eher Mitte vierzig war. Ich nickte.

    »Das ist sie«, sagte ich.

    »Gut«, sagte Mattson. »Woher kennen Sie sie?«

    »Aus dem Mistral, einem Restaurant ein Stück die Straße runter. Ich war gerade von Hollywood hierher gezogen und dabei, mich einzuleben. Weil ich nicht das Auto nehmen musste, ging ich gelegentlich auf einen Drink ins Mistral. Dort habe ich sie kennengelernt.«

    »Wann war das?«

    »So genau kann ich Ihnen das nicht sagen, aber es dürfte etwa ein halbes Jahr nach meinem Einzug gewesen sein. Vor ungefähr einem Jahr also. Wahrscheinlich an einem Freitagabend. Dann bin ich normalerweise ins Mistral gegangen.«

    »Hatten Sie Sex mit ihr?«

    Mit dieser Frage hätte ich rechnen sollen, aber ich war nicht auf sie vorbereitet.

    »Das geht Sie nichts an«, sagte ich. »Es war vor einem Jahr.«

    »Ich fasse das als ein Ja auf«, sagte Mattson. »Haben Sie sie hierher mitgenommen?«

    Mir war klar, dass Mattson und Sakai offensichtlich mehr über die Umstände von Tina Portreros Tod wussten als ich. Aber die Frage, was vor einem Jahr zwischen uns gelaufen war, schien enorm wichtig für sie zu sein.

    »Was soll das alles?«, fragte ich. »Ich habe sie ein Mal getroffen, und danach haben wir uns nie mehr gesehen. Warum fragen Sie mich das alles?«

    »Weil wir den Mord an ihr aufzuklären versuchen«, sagte Mattson. »Wir müssen möglichst alles über sie und ihre Aktivitäten in Erfahrung bringen. Wie weit etwas zurückliegt, spielt keine Rolle. Deshalb frage ich Sie noch einmal: War Tina Portrero jemals in dieser Wohnung?«

    Ich warf in einer Geste der Kapitulation die Hände hoch.

    »Ja, vor einem Jahr.«

    »Ist sie über Nacht geblieben?«, fragte Mattson.

    »Nein, nur ein paar Stunden. Dann hat sie ein Uber genommen.«

    Mattson ging nicht sofort zur nächsten Frage über. Er musterte mich eine Weile, als überlegte er, wie er weitermachen sollte.

    »Haben Sie irgendetwas, was ihr gehört hat, in dieser Wohnung?«, fragte er schließlich.

    »Nein«, erwiderte ich ärgerlich. »Was sollte das sein?«

    Er ignorierte meine Frage und stellte mir selbst eine.

    »Wo waren Sie letzten Mittwochabend?«

    »Das soll wohl ein Witz sein, oder?«

    »Nein, ist es nicht.«

    »Wann am Mittwochabend?«

    »Sagen wir, zwischen zehn und zwölf.«

    Ich wusste, dass ich bis zehn Uhr in Arthur Hathaways Seminar für angehende Betrüger gewesen war. Ich wusste aber auch, dass es ein Seminar für Schwindler war und deshalb gar nicht existierte. Sollten die Detectives versuchen, diesen Teil meines Alibis zu überprüfen, würde es ihnen weder gelingen, den Nachweis zu erbringen, dass es dieses Seminar überhaupt gab, noch würden sie jemanden finden, der ihnen bestätigte, dass ich daran teilgenommen hatte, denn damit hätte der Betreffende zugegeben, dass auch er daran teilgenommen hatte. Daran konnte niemand ein Interesse haben. Vor allem nicht, wenn der von mir gerade eingereichte Artikel einmal veröffentlicht war.

    »Ähm, von zehn bis zwanzig nach zehn war ich in meinem Auto unterwegs, und dann war ich hier.«

    »Allein?«

    »Ja. Aber das ist doch vollkommen verrückt. Ich habe vor einem Jahr eine Nacht mit ihr verbracht, und danach hatten wir keinerlei Kontakt mehr miteinander. Das stand für uns beide nicht zur Diskussion. Verstehen Sie?«

    »Sind Sie da sicher? Für Sie beide?«

    »Und ob ich da sicher bin. Ich habe sie nie angerufen, und sie hat mich nie angerufen. Und im Mistral habe ich sie auch nicht mehr gesehen.«

    »Wie war das für Sie?«

    Ich lachte unbehaglich.

    »Wie war was für mich?«

    »Dass sie sich nicht mehr bei Ihnen gemeldet hat.«

    »Haben Sie mir eigentlich zugehört? Ich habe sie nicht angerufen, und sie hat mich nicht angerufen. Es war gegenseitig. Es ist nicht weitergegangen.«

    »War sie an diesem Abend betrunken?«

    »Betrunken, nein. Wir hatten ein paar Drinks im Mistral. Ich habe für uns beide bezahlt.«

    »Und hier? Noch ein paar Drinks oder gleich ab nach oben, ins Schlafzimmer?«

    Mattson deutete die Treppe hinauf.

    »Nein, hier keine Drinks mehr«, sagte ich.

    »Und alles einvernehmlich?«, fragte Mattson.

    Ich stand auf. Das reichte.

    »Hören Sie, ich habe Ihre Fragen beantwortet«, sagte ich. »Sie verschwenden nur Ihre Zeit.«

    »Ob wir unsere Zeit verschwenden, entscheiden wir«, sagte Mattson. »Wir sind hier fast fertig, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich wieder setzen würden, Mr. McEvoy.«

    Er sprach meinen Namen wieder falsch aus, wahrscheinlich absichtlich.

    Ich setzte mich wieder.

    »Ich bin Journalist, ja?«, sagte ich. »Ich habe über Verbrechen berichtet – ich habe Bücher über Mörder geschrieben. Ich weiß, was Sie machen. Sie wollen mich aus der Fassung bringen, mich verunsichern, damit ich irgendwas zugebe. Aber da können Sie lange warten, weil ich nichts über diese Sache weiß. Wenn Sie also bitte …«

    »Wir wissen, wer Sie sind«, sagte Mattson. »Glauben Sie, wir würden hierherkommen, ohne uns vorher zu informieren, mit wem wir es zu tun haben? Sie sind der Velvet-Coffin-Typ, und nur damit Sie’s wissen, ich habe mit Rodney Fletcher zusammengearbeitet. Er war ein Freund, und was mit ihm passiert ist, war die reinste Verarschung.«

    Da war er, der Grund der Feindseligkeit, die Mattson schon die ganze Zeit ausdünstete.

    »Velvet Coffin gibt es schon seit vier Jahren nicht mehr«, sagte ich. »Hauptsächlich wegen der Fletcher-Geschichte – die hundert Prozent gestimmt hat. Es war unvorhersehbar, dass er tun würde, was er getan hat. Abgesehen davon arbeite ich inzwischen woanders und schreibe über Verbraucherschutzthemen. Nicht über die Polizei.«

    »Schön für Sie. Können wir wieder zu Tina Portrero zurückkommen?«

    »Ich weiß nicht, worauf wir da zurückkommen könnten.«

    »Wie alt sind Sie?«

    »Das wissen Sie doch sicher längst. Und was soll das hier zur Sache tun?«

    »Sie kommen mir ein bisschen alt für sie vor. Für Tina.«

    »Sie war eine attraktive Frau und älter, als sie aussah und zu sein behauptete. An dem Abend, als wir uns kennengelernt haben, hat sie mir erzählt, sie wäre neununddreißig.«

    »Genau das ist doch der Punkt. Sie war älter, als sie aussah. Sie, ein Mann in den Fünfzigern, machen sich an eine Frau ran, die Sie auf Mitte dreißig geschätzt haben. Ein bisschen fragwürdig, finde ich.«

    Ich spürte, wie ich vor Scham und Ärger rot wurde.

    »Nur damit das klar ist: Ich habe mich nicht ›an sie rangemacht‹«, sagte ich. »Sie hat sich mit ihrem Cosmo zu mir an die Bar gestellt. So hat es angefangen.«

    »Gut für Sie«, bemerkte Mattson sarkastisch. »Muss Ihrem Selbstwertgefühl einen gewaltigen Kick verschafft haben. Aber zurück zu Mittwoch. Von wo sind Sie in den zwanzig Minuten gekommen, in denen Sie an diesem Abend Ihren eigenen Aussagen zufolge nach Hause gefahren sind?«

    »Von einer Arbeitsbesprechung.«

    »Mit Leuten, die uns das nötigenfalls bestätigen könnten?«

    »Wenn es sein muss. Aber sie sind …«

    »Gut. Dann erzählen Sie uns von Ihnen und Tina.«

    Ich wusste genau, was er damit bezweckte. Er sprang mit seinen Fragen ständig hin und her, um mich aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ich hatte fast zwanzig Jahre lang für zwei verschiedene Zeitungen und den Blog von Velvet Coffin über Polizisten berichtet. Ich wusste, wie das lief. Die kleinste Abweichung beim Wiedererzählen der Geschichte, und schon hatten sie, was sie brauchten.

    »Nein, ich habe Ihnen schon alles erzählt. Wenn Sie mehr Informationen von mir haben wollen, müssen erst mal Sie welche rausrücken.«

    Darauf schwiegen die Detectives eine Weile. Offensichtlich überlegten sie, ob sie sich auf einen solchen Deal einlassen sollten. Ich platzte mit der ersten Frage heraus, die mir einfiel.

    »Wie ist sie ums Leben gekommen?«

    »Genickbruch«, sagte Mattson.

    »Atlantookzipitale Dislokation«, sagte Sakai.

    »Was soll das denn sein?«, fragte ich.

    »Innere Enthauptung«, sagte Mattson. »Jemand hat ihr den Hals umgedreht. Kein schöner Tod.«

    Meine Brust schnürte sich immer enger zusammen. Ich hatte Tina Portrero über diesen einen gemeinsamen Abend hinaus nicht gekannt, aber ich bekam das – durch das Foto auf Sakais Handy aufgefrischte – Bild von ihr, und dass sie auf derart brutale Weise getötet worden war, nicht aus dem Kopf.

    »Wie in dem Film Der Exorzist«, sagte Mattson. »Erinnern Sie sich noch? Wo sich der Kopf des besessenen Mädchens einmal ganz herumdreht.«

    Das machte es nicht besser.

    »Wo ist es passiert?«, fragte ich, um von den Bildern loszukommen.

    »Der Hausmeister hat sie in der Dusche gefunden«, fuhr Mattson fort. »Weil ihre Leiche den Abfluss blockiert hat, ist die Wanne übergelaufen. Deshalb ist er nachsehen gekommen. Das Wasser lief noch, als er sie fand. Wahrscheinlich sollte es so aussehen, als wäre sie in der Dusche ausgerutscht und hätte sich bei dem Sturz das Genick gebrochen. Aber so leicht lassen wir uns nichts vormachen. Man rutscht in der Dusche nicht aus und bricht sich den Hals. Nicht so.«

    Ich nickte, als wäre das eine nützliche Information.

    »Okay«, sagte ich. »Damit hatte ich nichts zu tun und kann deshalb nichts zu Ihren Ermittlungen beisteuern. Wenn Sie also keine weiteren Fragen mehr haben, würde ich jetzt gern …«

    »Wir haben aber noch weitere Fragen, Jack«, sagte Mattson streng. »Wir stehen mit unseren Ermittlungen erst ganz am Anfang.«

    »Okay. Und was wollen Sie jetzt noch von mir wissen?«

    »Sie sind Reporter. Da wissen Sie doch sicher, was Cyberstalking ist?«

    »Meinen Sie, wenn man jemand über die sozialen Medien belästigt?«

    »Die Fragen stelle ich. Sie sollen sie nur beantworten.«

    »Dann müssen Sie sich genauer ausdrücken.«

    »Tina hat einer guten Freundin erzählt, dass

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