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Der Wildfang
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eBook235 Seiten2 Stunden

Der Wildfang

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Über dieses E-Book

Der Roman erzählt die Geschichte eines furchtlosen Mädchens namens Rose-Marie. Sie führt ein ganz normales Leben, sie geht regelmäßig in die Kirche. Doch eines Tages ändert sich ihr Leben dramatisch, als sie einen Mann namens Hans Ramberg trifft.
SpracheDeutsch
HerausgeberSharp Ink
Erscheinungsdatum30. Dez. 2022
ISBN9788028269845
Der Wildfang

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    Buchvorschau

    Der Wildfang - Hedwig Courths-Mahler

    l. Kapitel.

    Rose-Marie.

    Inhaltsverzeichnis

    »Böllermann! Böllermann! Nun tu’ mir doch die Liebe an und halte den Racker fest — er hat ja wohl den Drehvogel im Leibe!« rief Rose-Marie lachend über den Hof.

    Sie saß nach Knabenart auf einem Pferd, das sich — wie toll im Kreise herumdrehte. Es sah sehr gefährlich aus, aber Rose-Marie lachte und kannte keine Furcht.

    Die dicken, blonden Hängezöpfe hatten sich gelöst und das lockige Haar flatterte wie ein goldiger Mantel um die kindliche Gestalt.

    Das frische Mädchengesicht glühte vor fröhlichem Eifer und die weißen Zähne blitzten zwischen den roten Lippen hervor.

    Böllermann, der Großknecht, kam auf ihren Ruf im Trab über den Hof gekannt, um ihren Wunsch zu erfüllen.

    Ehe er aber an der Veranda vorüber war, erklang von derselben eine klare, kräftige Männerstimme im befehlenden Tone:

    »Zurück, Böllermann, das Biest schlägt aus, wenn Du zu nahe kommst!«

    Böllermann blieb unschlüssig stehen und sah abwechselnd zu Rose-Marie hinüber und zu seinem Herrn hinauf, der aus der Veranda stand.

    Fritz Gerhard der Besitzer des Gutes, sah mit scharf abwägendem Blick auf das unruhige Pferd und seine etwa zwölfjährige Tochter.

    Er schien durchaus keine Angst zu haben um die jugendliche Reiterin, die mit kraftvollen Fäusten in die Zügel riß.

    »Ruhig Blut, Rose-Marie! Laß die Zügel nicht locker!« rief er ihr zu.

    Sie nickte und biß, ernster werdend, die Zähne aufeinander.

    Das jugendliche Gesicht bekam dadurch einen Ausdruck, der an die energischen Züge des Vaters erinnerte.

    In diesem Augenblick trat eine zarte, blasse Frau, Rose-Maries Mutter, mit müder Haltung aus die Veranda heraus, neben ihren Gatten.

    »Um Gottes willen, Fritz, laß doch Böllermann das Pferd halten, wenn es Rose-Marie abwirft — ich habe den Tod davon,« sagte sie in weinerlichem Tone.

    Gerhard legte lächelnd seine Hand auf ihre Schulter.

    »Keine Angst, Henriette, die sitzt fest wie verwachsen mit dem Gaul. Böllermann riskiert aber einen Beinbruch, wenn er herangeht, denn »Mordskerl« schlägt aus, wenn er sich nicht halten lassen will. Übrigens hat Rose-Marie darauf bestanden, »Mordskerl« zu reiten, nun muß sie auch ohne fremde Hilfe fertig werden!«

    »Aber sie rief doch Böllermann zu Hilfe!«

    »Das war gar nicht ihr Ernst!«

    »O Du mein lieber Gott, was bist Du für ein Vater! Ihr beiden ängstigt mich doch jeden Tag. Wie einen wilden Jungen erziehst Du das Kind!«

    Gerhard lachte leise mit einem seltsamen, gepreßten Beiklang.

    »Ist mir gerade recht so, Henriette, ich habe ja doch keinen Sohn. Rose-Marie, soll Nerven bekommen, wie von Stahl, und Knochen wie von Eisen. Das Blut soll ihr rasch und frisch durch die Adern pulsieren.

    Sie soll nicht ihr halbes Leben in Schmerzen und Ohnmachten verbringen, wie Du, armes Hascherl. Siehst doch an Dir, wohin eine weichliche Erziehung führt. Was lebtest Du für ein anderes Leben, wenn Du so ein forscher Kerl wärest, wie unsere Rose-Marie. Das ist doch ’ne Pracht, unser Mädel, hm?«

    »Ja doch — ja. Ich weiß, was ich Dir für ein Hemmschuh bin, mit meinen schwachen Nerven — mehr eine Last, als eine Hilfe!«

    Er strich sanft mit seiner großen, charakteristischen Hand über ihren dünnen, dunklen Scheitel und sagte:

    »Laß gut sein, Henriette, unserer Rose-Marie soll zugute kommen, was uns Dein kränklicher Zustand gelehrt hat. In Licht und Sonne, in Sturm und Wetter soll unser Kind auswachsen und erstatten, damit es mehr Freude am Leben hat als Du!«

    »Das wohl, Fritz. Aber so wie Du sie erziehst, ist es auch nicht richtig. Rose-Marie kann keinen Strumpf stopfen, keinen Knopf richtig annähen. Feine Handarbeiten kennt sie kaum vom Hörensagen. Und ihr Klavierspiel — Gott sei es geklagt — es ist nicht zum Anhören.

    Wie es sonst mit der Schulweisheit steht, da frage nur den Lehrer; die dümmsten Bauernkinder lernen mehr als sie. Und mit den französischen und englischen Stunden, die ihr unsere Frau Pastor gibt, da hapert es sehr. Die Vokabeln wirft sie durcheinander, wie Kraut und Rüben.«

    Gerhard lachte, ohne Rose-Marie und den »Mordskerl« aus den Augen zu lassen.

    »Dafür kann sie reiten, wie ein Husar, und weiß in Stall und Scheuer Bescheid, wie der beste Landwirt. Sollst sie nur mal im Kälbergatter sehen — sie versteht sich auf rationelle Kälbermast so gut wie ich selbst, und über Ackerbau und Viehzucht kann sie Dir eine famose Vorlesung halten, das Dir Hören und Sehen vergeht.

    Den Firlefanz den Du da aufzählst, das lernt so ein heller Kopf wie sie im Handumdrehen, wenn sie erst mal ausgewachsen ist und ihr das viele Stillsitzen keinen Schaden mehr macht. Nein, Henriette, rede nicht drein, ich habe mir das alles reiflich überlegt!«

    Frau Henriette schwieg seufzend.

    Während dieses Gesprächs hatte Rose-Marie den »Mordskerl« mehr und mehr zur Räson gebracht. Er gab das unsinnige Drehen auf und bequemte sich, mit einigen obstinaten Quersprüngen freilich, ihrer Führung zu folgen.

    Böllermann stand noch unter der Veranda auf dem Sprunge, und schob aufgeregt seine Mütze auf dem Kopfe hin und her.

    Er sorgte sich fast mehr um seines Herrn Kind, als dieser selbst, denn Rose-Maine war allen Leuten auf dem Burgauer Gutshofe fest ans Herz gewachsen.

    Nun erschien aber langsam ein breites, befriedigtes Lächeln auf seinem Gesicht.

    »Das Dunnerlitzchen, sie zwingt den »Mordskerl«!« rief er vergnügt zu seinem Herrn hinaus.

    Dieser nickte und seine Augen strahlten vor Stolz.

    »Ich wußte es,« sagte er, und zu seiner Frau gewandt fuhr er fort: »Nun, Henriette, ist es vorbei mit Angst und Not? Da sieh’, der Gaul wird ruhig und gehorcht ihrer Führung.«

    »Ach Gott, mir zittern noch die Knie,« seufzte Frau Henriette.

    Er schob ihr einen Stuhl herbei.

    »Komm, setze Dich. Und hier, nimm Dein Tuch um, es ist kühl!«

    Es lag viel zarte Fürsorge in der Art des großen, stattlichen Mannes, der, blond und blauäugig, den echten Germanentypus verkörperte.

    Aber in seinen Augen erschien ein schmerzlicher Ausdruck. Wie sehr hatte dieser kraftvolle, schaffensfreudige Mann all die Jahre unter der Kränklichkeit und Hilflosigkeit seines Weibes gelitten.

    Seit er sich von seinem kleinen Vermögen das Gut gekauft hatte, mußte er alle Kräfte anspannen, um sich in den schlechten Zeiten über Wasser zu halten.

    Gleich zu Anfang hatte er eine hohe Hypothek aufnehmen müssen. Und statt daß seine Frau ihm hätte helfen und unterstützen können durch eifriges Schalten und Walten in Hof und Haus, mußte er sich eine bezahlte Wirtschafterin halten, und extra noch eine Pflege und Bedienung für seine fast immer kränkliche Frau.

    Schwer genug hatte er darunter gelitten, aber er murrte nicht und liebte sie darum nicht weniger.

    Aber seine Rose-Marie, sein einziges Kind, sollte von — anderem Stoff sein. Sie sollte eine eisenfeste Gesundheit, jugendstarke Glieder und frisches Blut erhalten.

    Und Rose-Marie war Schlag von seinem Schlag. Rank und schlank, kraftvoll und widerstandsfähig war sie bisher herangewachsen.

    In Regen und Sonnenschein ging sie mit dem Vater durch dick und dünn, begleitete ihn zu Fuß und zu Pferd durch Wald und Feld, in Stall und Scheuer.

    Wie Kameraden hielten sie Seite an Seite.

    Anders war Rose-Maries Verhältnis zur Mutter.

    Zu ihrem Vater sah sie auf wie zu einer Gottheit, die zarte Mutter behandelte sie fast, als sei diese ihr herzlich geliebtes Sorgenkind, das sie immer ein wenig verhätscheln mußte, aber doch nie so recht ernsthaft nahm.

    Während Gerhard seine Frau umsorgte, hatte Rose-Marie ihr Pferd mehr und mehr beruhigt.

    Es ging nun im schlanken Trabe ringsum im Hofe.

    Ihre Augen strahlten vor Vergnügen. Sie nickte den Eltern fröhlich zu.

    Der Vater kam langsam die Verandastufen herab. Böllermann wandte sich nach ihm um.«

    »Na, dann kann ich ja wohl wieder an meine Arbeit gehen, Herr!« sagte er, seiner Mütze einen kühnen Schwung gebend.

    »Ja, Böllermann, ich helfe Rose-Marie selbst aus dem Sattel,« erwiderte Gerhard.

    Böllermann ging in den Stall zurück.

    »Is man selber so’n Rackerchen, wie der »Mordskerl«, unsere Rose-Marie,« murmelte er schmunzelnd vor sich hin.

    Gerhard ließ seine Tochter noch einige Male an sich vorbei galoppieren; dann hob er die Hand.

    »Stopp — nun ist’s genug, Wildfang!«

    Sie nickte und führte das Pferd in ruhiger Gangart bis zu dem Vater hinüber. Dieser streicheln die Flanken des Tieres und klopfte es belobend auf den Hals.

    Rose-Marie sprang mit einem kühnen Satz aus dem Sattel in die Arme des Vaters.

    Dann suchte sie in ihrer Tasche nach einem verwahrten Stück Zucker, das sie dem »Mordskerl« auf der Hand hinreichte. Ganz vorsichtig nahm das Pferd den Leckerbissen aus ihrer Hand.

    Sie graute ihm die Mähne.

    »Na, »Mordskerl«, nun sind wir gute Freunde, nicht?« fragte sie lächelnd, und sich zum Vater wendend, fuhr sie fort: »Ich führe ihn selbst in den Stall, Vati, nachher komme ich zum Frühstück. Meine kleine Musch hat wohl wieder Angst um mich?«

    Er nickte und sah sie mit lächelndem Wohlgefallen an.

    Wie sie blühte vor Kraft und Gesundheit, und wie hübsch sie aussah mit den wild zerzausten Locken.

    »Nun mache schnell, Rose-Marie, und sorg' dafür, daß »Mordskerl« abgerieben wird!«

    »Ja, Vati, ich sag’ es Böllermann.«

    Sie führte das Pferd davon.

    Wenige Minuten später sprang sie mit zwei Sätzen die Verandastufen empor.

    Dort war inzwischen von Fräulein Ulrike, der Wirtschafterin, der Frühstückstisch gedeckt worden. Vater und Mutter saßen schon, ihrer harrend, daran.

    »Morgen, Herzensmusch! Hast Du gut geschlafen?« fragte sie, sich zärtlich über die Mutter beugend und sie küssend.

    Sie pflegte mit dem Vater viel früher aufzustehen als die Mutter, und hatte sie heute noch nicht begrüßt.

    »Guten Morgen, mein Kind. Ich danke, ich habe gut geschlafen!«

    »Und kein Kopfweh heute?«

    »Nein, gottlob nicht, obwohl ich mich vorhin über Dein wildes Reiten wieder sehr erschreckt habe.«

    »Aber Musch, liebe, kleine Musch, darüber darfst Du Dich doch nun wirklich nicht mehr erschrecken. Jetzt habe ich nun aber einen Mordshunger, so ein Morgenritt macht Appetit, das kannst Du mir glauben!«

    »So kannst Du Dich aber doch nicht zu Tisch setzen, Rose-Marie — mit dieser derangierten Frisur.«

    Rose-Marie schüttelte lachend die goldblonde Haarflut über ihren Rücken.

    »Ach so — das dumme Haar! Wenn Du mir doch erlauben wolltest, daß ich es ratzekahl abschnitte. Wonnig muß das sein, so mit einem Kahlkopf herumlaufen. Nun, mach nur nicht so ein entsetzliches Gesicht, kleine Musch. Warte nur einen Augenblick, gleich mache ich Toilette!«

    Sie kramte aus ihrer Kleidertasche allerlei hervor: ein Stück Bindfaden, einen Schlüssel, ein Kerzenstümpfchen, einige unreife Stachelbeeren, ein zerknülltes Taschentuch und schließlich unansehnliches, blaues Band.

    Das letztere zog sie glättend über das Knie, strich sich dann das Haar glatt zurück und band das Band so fest darum, daß auch nicht ein widerspenstiges Löckchen entwischen konnte.

    »So,« sagte sie befriedigt, und stopfte den Inhalt ihrer Tasche wieder in dieselbe zurück, »nun bin ich doch tadellos frisiert, nicht wahr, Musch?«

    Die Mutter schüttelte seufzend den Kopf.

    »Es ist ein Kreuz mit Dir, Rose-Marie. Die schöne, blaue Schleife, die ich Dir gestern erst gab, wie sieht die nun aus?«

    »Ach, Musch, ich mußte heute morgen das Kälbergatter zubinden, weil die Racker sonst ausgebrochen wären, der Riegel ging kaputt. Na, und da ich nichts anderes zur Hand hatte, mußte die Schleife dran glauben. Vati sagt: Man muß sich zu helfen wissen!«

    Gerhard lachte laut und herzlich auf.

    »Du Schlauberger, konntest Du dazu nicht lieber den Bindfaden nehmen, den Du eben noch in der Tasche hattest?«

    Rose-Marie machte ein Schelmengesicht.

    »Nein, Vati, denn diesen Bindfaden fand ich erst später auf dem Hofe. Ich nahm ihn mit für spätere Fälle!«

    »So, so! Na — nun ’ran an die Krippe, Wildfang — jetzt wird gefuttert!« sagte der Vater.

    Seine Frau verzog das Gesicht.

    »Fritz, wenn Du immer in diesem Stalljargon mit Rose-Marie sprichst, wird sie sich nie wie ein gebildetes junges Mädchen ausdrücken lernen!«

    Vater und Tochter sahen sich schelmisch an.

    »Siehste, Wildfang, jetzt krieg’ ich auch noch Schelte Deinetwegen!«

    Rose-Marie fiel ihm um den Hals.

    »Herzensvati, unsere Musch hat ihre liebe Not Mit uns!«

    Sie lachten ein herzhaftes Duett und streichelten von beiden Seiten die seufzende Mutter, bis diese schließlich mit einstimmen mußte.

    »Es ist ein Kreuz mit Euch,« schalt sie halb lachend, halb ärgerlich.

    »Na, nun sieh’ nur nicht so schrecklich besorgt aus, Henriette. Kommt Zeit, kommt Rat. Eine Zierpuppe, die vor lauter vornehmen Allüren nicht leben und sterben kann, soll unser Wildfang doch nicht werden.«

    Auf den Herzenstakt kommt es in erster Linie an, und den besitzt das Kind, gottlob .Das bißchen Firlefanz und äußere Politur, das lernt sie noch früh genug; sie ist ja nicht auf den Kopf gefallen.«

    Rose-Marie hatte sich inzwischen eine Schnitte Brot mit Butter und Schinken belegt und biß, dies in der Hand haltend, kräftig hinein.

    »Kind, wozu hast Du wohl Gabel und Messer?«

    Rose-Mark legte mit einem drolligen Seufzer das Brot auf den Teller zurück und benutzte das Besteck.

    »Siehst Du wohl, es geht auch so,« sagte ihre Mutter. —

    Ähnliche Szenen wiederholten sich fast jeden Tag. Frau Henriette hätte ihre Tochter am liebsten ganz anders erzogen, als ihr Mann. Ihr galt die äußere Form als Hauptsache.

    Sie empfand es sehr störend, daß Rose-Marie wie ein wilder Junge aufwuchs.

    Aber Fritz Gerhard setzte seinen Willen durch. Zu sehr hatte er unter der Kränklichkeit seiner Frau gelitten, zu sehr eine schaffensfreudige, tatkräftige Hilfe an ihr entbehrt im Kampf ums Dasein.

    Rose-Marie sollte stark und gesund bleiben und einen frohen, heiteren Willen zur Betätigung erhalten.

    Er hoffte, später eine tüchtige Hilfe an ihr zu haben. Da er keinen Sohn hatte, sollte sie seine Nachfolgerin werden.

    Schon jetzt stand sie trotz ihrer Jugend ihren Mann. Forsch und fest wollte er sie haben, ohne mädchenhafte Zimperlichkeit.

    Daß da bei allem guten Willen die Erziehung etwas sehr einseitig blieb, war verständlich.

    Das züchtige Schalten und Walten der Frauen war Rose-Marie noch ein unbekanntes Feld.

    Sie konnte tatsächlich noch keine Nabel regieren, vermochte weder ihren Anzug, noch ihr Zimmer in Ordnung zu halten und stand mit der trockenen Schulweisheit aus dem Kriegsfuß.

    Schreiben war ihr ein Greuel, die französischen und englischen Stunden bei der Frau Pastor haßt sie geradezu, und die Klavierstunde, die ihr ebenfalls diese Dame, eine frühere Erzieherin, erteilte, waren eine Quelle des Elends für sie und diejenigen, die zuhören mußten.

    Trotz alledem war Rose-Marie ein sehr kluges, aufgewecktes Kind.

    Wenn sie mit ihrem geliebten Vati über die Felder ritt, dann sprachen sie zusammen wie zwei Kameraden.

    Der Vater breitete dann den großen Schatz seiner Lebensweisheit vor den Augen seines Kindes aus und gab ihm an praktischen Wissen soviel, als es in keiner Schule lernen konnte.

    So bekam Rose-Marie einen scharfen Blick, schnelle Auffassungskraft und klares Denken.

    Der Vater ließ sie nicht im unklaren darüber, wie schwer er zu kämpfen hatte, um die ihm lieb gewordene Scholle zu halten.

    Sie nahm an seinen Sorgen teil, wenn die Ernte schlecht ausfiel, wenn er das Großwasser fürchtete, oder wenn das Vieh erkrankte.

    Mit seiner Frau konnte Gerhard über all diese Dinge nicht reden, denn sie regte sich dann gleich so auf, daß sie wochenlang hinfällig und leidend war.

    So gewöhnte er sich daran, mit seiner Tochter alles zu besprechen. Und sie war ihm ein tapferer, kleiner Kamerad, der ihm durch sein sonniges, heiteres Wesen manche Bürde leichter machte, und auf den er sich fest verlassen konnte.

    Niemand wußte außer dem Gutsherrn so genau Bescheid im Burgauer Gutshof, als seine Tochter; höchstens noch der langjährige Großknecht Böllermann. —

    Es war eine stillschweigende Übereinkunft zwischen Vater und Tochter, daß der Mutter alle ernsten

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