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Lehrpersonenethos (E-Book): Professionsbewusstsein und berufsethische Kompetenzen
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Lehrpersonenethos (E-Book): Professionsbewusstsein und berufsethische Kompetenzen
eBook229 Seiten2 Stunden

Lehrpersonenethos (E-Book): Professionsbewusstsein und berufsethische Kompetenzen

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Über dieses E-Book

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Lehrer*innenhandeln ist geprägt von Widersprüchen und Paradoxen, die nicht einfach aufgelöst werden können. Der schwierige Umgang damit erfordert eine hohe Ambiguitätstoleranz und ein Ethos, das geprägt ist von einem positiven Menschenbild. Claudio Caduff regt dazu an, das eigene Handeln als Lehrperson zu reflektieren.
SpracheDeutsch
Herausgeberhep verlag
Erscheinungsdatum1. Jan. 2023
ISBN9783035517019
Lehrpersonenethos (E-Book): Professionsbewusstsein und berufsethische Kompetenzen
Autor

Claudio Caduff

Claudio Caduff ist Inhaber einer Professur «Fachdidaktik der beruflichen Bildung» an der Pädagogischen Hochschule Zürich und wirkt dort als Dozent für Fachdidaktik in der Ausbildung von Berufsfachschullehrpersonen allgemeinbildender Richtung und in der Berufsmaturität. Er ist Autor und Herausgeber von Lehrmitteln zu allgemeinbildenden Themen. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Planung und Durchführung von Unterricht, Selbstständiges Lernen, Blended Learning, politische Bildung und neue Ausbildungsmodelle (4K). 

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    Buchvorschau

    Lehrpersonenethos (E-Book) - Claudio Caduff

    Kapitel 1

    Einleitung

    Die Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern ist sehr komplex und in hohem Maße herausfordernd. Die Lehrpersonenausbildung will die angehenden Lehrpersonen möglichst gut darauf vorbereiten. Schaut man sich die Programme verschiedener Ausbildungsinstitutionen etwas genauer an, so erkennt man, dass diese ihre Schwerpunkte auf das «Handwerk» des Unterrichtens legen: Vorbereitung, Planung, Durchführung und Auswertung von Unterricht werden umfassend theoretisch erarbeitet und praktisch erprobt. Einen weiteren Schwerpunkt der Ausbildung bildet der Themenkomplex Lehrpersonen–Lernenden–Interaktion. Für beide Bereiche werden heute zunehmend empirische Erkenntnisse aus der Lehr-Lern-Forschung genutzt. Die Fokussierung auf Handlungswissen – die Rede ist jeweils von Praxisorientierung und Praxisbezug – wird auch durch eine große Mehrheit der Lehramtsstudierenden gefordert, denn für sie ist fast alles, was sie nicht direkt mit der Unterrichtspraxis verbinden können, nutzlos und überflüssig.

    Doch Lehrpersonenhandeln basiert gerade dort, wo es unter Druck geschieht – und das ist im Unterrichtsalltag der Regelfall –, nicht nur auf explizitem Wissen, das sich die angehenden Lehrpersonen in der Ausbildung erworben haben, sondern sehr stark auch auf ihren Haltungen, Einstellungen und Werten. Dieser Aspekt der Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern wird oft unter dem Begriff «Lehrpersonenethos» zusammengefasst. Während in der Schweiz bei der Ausbildung der Volksschullehrpersonen (Primar- und Sekundarstufe I) dem Professionsethos ein gewisser Raum gelassen wird, blendet die Ausbildung für Lehrerinnen und Lehrer auf der Sekundarstufe II (Gymnasium, Berufsfachschule, Fachmittelschule usw.) dieses völlig aus. Dies ist angesichts der sehr kurzen Ausbildungsdauer von 60 Creditpoints, was einer einjährigen Vollzeitausbildung entspricht, nicht erstaunlich.

    Dieser Mangel ist primär der Anlass für diese Publikation. Das Buch wendet sich deshalb besonders an Lehrpersonen, die sich weder in ihrer Praxis noch als Berufsleute systematisch mit ihrem Professionsethos auseinandergesetzt haben. Allerdings seien bereits an dieser Stelle all jene Leserinnen und Leser gewarnt, die in den folgenden Kapiteln einen umfassenden Tugendkatalog beziehungsweise eine Kompetenzliste erwarten, die ihnen aufzeigt, welche Tugenden oder Kompetenzen sie noch erwerben sollten, damit sie dann zusammen mit den bereits vorhandenen handwerklichen Fähigkeiten und Fertigkeiten gut unterrichten können.

    Diesem Buch liegt ein Verständnis von Professionsethos zugrunde, das die gelebte Identität und die Sensibilität von Lehrpersonen als bedeutende Aspekte professionellen Handelns in den Vordergrund rückt. Dafür bedürfen die Lehrerinnen und Lehrer besonders eines breiten Professionswissens als Grundlage des Professionsbewusstseins – und damit beschäftigt sich dieses Buch hauptsächlich.

    Natürlich kann man in einem Buch – selbst wenn es viel dicker wäre als das vorliegende – das notwendige Professionswissen von Lehrpersonen nicht umfassend darstellen. Dies ist einerseits vom Umfang her nicht möglich, und andererseits ist das Professionswissen in gewissen Bereichen auch einem stetigen Wandel unterworfen. Darum werden hier zentrale Aspekte des Professionswissens aufgegriffen und diskutiert, auch in der Hoffnung, dass die Leserinnen und Leser angeregt werden, sich idealerweise während ihrer ganzen Berufskarriere damit auseinanderzusetzen. Die zahlreichen eingestreuten Zitate sollen in diesem Sinne Lust auf vertiefende Lektüre machen.

    Das Buch gliedert sich in vier Hauptteile. Kapitel 2 stellt die wichtigsten Theorien zur Lehrprofession vor und klärt die Frage nach dem Kern des Professionsethos von Lehrerinnen und Lehrern. Danach stehen gesellschaftliche Zusammenhänge im Fokus, die für das Lehren und Lernen im schulischen Kontext von wesentlicher Bedeutung sind: Gesellschaftliche Verunsicherung, autoritärer Kapitalismus, Demokratieentleerung und soziale Desintegration eines Teils der Bevölkerung haben größeren Einfluss auf die Schule, als gemeinhin angenommen wird. Muße, was die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Schule ist, gibt es in der Schule kaum mehr. Angesichts des (ökonomischen) Wettbewerbs in der globalisierten Welt verkommt sie zunehmend zur Zurichtungsanstalt.

    Kapitel 3 ist den gesellschaftlichen Zusammenhängen gewidmet. Zunächst werden zentrale Aspekte der modernen Gesellschaft beleuchtet; danach werden meritokratische Idealvorstellungen kritisch diskutiert, und es wird die Frage gestellt, ob anerkennungstheoretische und Befähigungsansätze auch für die schulische Bildung und Erziehung fruchtbar gemacht werden können.

    Die antinomische Struktur der Lehrprofession, die schon in allen Kapiteln des Buches anklingt, steht im Zentrum von Kapitel 4. Unseres Erachtens ist besonders in dieser Thematik ein vertieftes Wissen für Lehrerinnen und Lehrer notwendig und auch sehr nützlich, denn es ist «die Eigentümlichkeit von Paradoxien, dass sie hemmen, überfordern und pessimistisch stimmen, solange man sie nicht begriffen hat. Und sobald man sie versteht und auf einen Begriff bringen kann, wirken sie interessant und machen handlungsfähig» (El-Mafaalani 2020, S. 11 f.).

    Das letzte Kapitel setzt sich mit dem Menschenbild, den unterschiedlichen Aspekten der Klassenkultur und der Verantwortung der Lehrpersonen sowie mit der Verantwortungsübertragung an die Lernenden auseinander. Abschließend werden kurz Urteilsfehler besprochen, denen Lehrerinnen und Lehrer nicht selten unterliegen.

    Kapitel 2

    Lehrprofession und Professionsethos

    Die wissenschaftliche Auseinandersetzung um das Berufsethos von Lehrpersonen hat sich zunächst die Frage zu stellen, was denn den Kern der Lehrprofession ausmacht. Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Professionsverständnisse werden dann unterschiedliche Ethosmodelle in Anschlag gebracht. In diesem Kapitel werden zunächst die bedeutendsten Lehrprofessionstheorien vorgestellt, bevor auf drei grundlegende Ansätze von Ethosmodellen eingegangen wird.

    2.1 Lehrprofession

    Während in der Alltagssprache unter Profession beziehungsweise professionellem Handeln unspezifisch ein Beruf beziehungsweise beruflich kompetentes Handeln verstanden wird, versteht die wissenschaftliche Theorie unter Professionen Berufe mit besonderen Merkmalen. In einem alten, funktionalistischen Ansatz (z.B. Hartmann 1972) sind das folgende:

    Systematisches Wissen: Dieses ist in der Regel wissenschaftsbasiert und wird in einer eigenen Form angeeignet.

    Wertebezug: Professionelles Handeln orientiert sich an zentralen Werten der Gesellschaft.

    Autonomie der Kontrolle über Standards der Berufsausübung und der Berufsausbildung: Hier geht es nicht so sehr um berufsständische Interessen als vielmehr um die notwendige Selbstkontrolle der Berufstätigen und die Unabhängigkeit von berufsfremden Akteuren.

    Nach diesem Verständnis traf die Bezeichnung auf Ärzte, Anwälte, Kleriker und Architekten zu. Bei Berufen, die nur einen Teil der Merkmale aufwiesen, sprach man von Semiprofessionen (Krankenschwestern, Sozialarbeiter, Lehrpersonen).

    Dieses klassische und sehr starre Professionsverständnis wurde vielfach kritisiert. So differenzierte Talcott Parsons (1981) Struktur und Funktionen von Professionen im Prozess der Modernisierung. Demzufolge sind Professionen «Ausdruck, ja Inbegriff einer Rationalitätssteigerung und -zumutung in der Bewältigung der Probleme sozialen Lebens» (Combe & Helsper, 1996). Im Zentrum steht dabei das spannungsgeladene Verhältnis zwischen den Professionellen und ihren Klienten. Fritz Schütze (z.B. 1996) fokussiert auf den Begriff der Interaktion und stellt grundsätzlich unaufhebbare Paradoxien professionellen Handelns heraus.

    Mittlerweile hat sich ein sehr dynamisches Professionsverständnis durchgesetzt, das nicht mehr streng zwischen Professionen und bloßen Berufen unterscheidet. Julia Evetts (2003, zitiert aus Terhart 2013) fasst den Professionsbegriff sehr pragmatisch:

    «Im Kern sind Professionen wissensbasierte Berufe, die üblicherweise an ein Studium sowie ein berufsbezogenes Training und entsprechende Erfahrungsbildung anschließen. Eine andere Möglichkeit zur kategorialen Bestimmung dieser Berufe besteht darin, Professionen als strukturelle berufliche und institutionelle Arrangements zur Arbeitsorganisation beim Umgang mit Unsicherheiten des Lebens in modernen Risikogesellschaften zu betrachten. Professionelle gehen extensiv mit Risikolagen um, und mit Risikoeinschätzung – auf der Basis von Expertenwissen – befähigen sie Kunden und Klienten dazu, mit Unsicherheit umzugehen. […] Professionen befassen sich mit Geburt, Überleben, körperlicher und seelischer Gesundheit, Konfliktlösungen und sozialer Ordnung, mit Finanzen und Krediten, mit Bildung, Lernen und Sozialisation, Konstruktion und Architektur, militärischen Unternehmungen, Friedensmissionen und Sicherheit, Unterhaltung und Freizeit, mit Religion und unseren Bezügen zur spirituellen Welt.»

    Lehrende Berufe wurden wie erwähnt aufgrund ihrer Einbindung in starre und hierarchische bürokratische Ordnung in der klassischen Professionstheorie «nur» als Semiprofession bezeichnet. Zudem wurde den Primar- beziehungsweise Grundschullehrpersonen – im Gegensatz zu den Gymnasiallehrpersonen – ein spezifisches wissenschaftliches Wissen abgesprochen. Und auch die Klientel der Lehrpersonen entsprach nicht der Theorie: Schülerinnen und Schüler sind keine Erwachsenen, die frei einen Professionellen aufsuchen, und sie werden nicht als Individuen bedient beziehungsweise behandelt, sondern in administrativ zusammengestellten Gruppen.

    Abbildung 1: Das Modell professioneller Lehrerkompetenz in der Teaching Education and Development Study in Mathematics, TEDS-M (nach Blömeke, Suhl, Kaiser & Döhrmann 2012, S. 423)

    Gerade die Diskussion um die «Klienten» bei pädagogischen Berufen macht deutlich, wie allgemeine Merkmalsbestimmungen von spezifischen Berufen beziehungsweise Professionen problematisch sind, und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn im Rahmen der Ökonomisierung der schulischen Bildung (dazu mehr S. 39 ff.) Lernende als Kundinnen und Kunden bezeichnet werden. Für Ewald Terhart (2013, S. 67) ist deshalb klar: «Für das klassische Professionen-Konzept ist der Lehrberuf immer ein Rätsel geblieben.»

    In der Erziehungswissenschaft ist die Frage nach dem Kern pädagogischer Professionalität eine bedeutende. Aktuell können drei wesentliche Ansätze unterschieden werden.

    2.1.1 Der kompetenztheoretische Ansatz

    Der kompetenztheoretische Ansatz bezieht sich auf die Expertenforschung (Bromme 2008), die sich auf Unterschiede zwischen Experten und Novizen fokussiert. Expertinnen und Experten des Lehrens

    verfügen über viel Wissen, das tiefer reicht und das sie flexibler nutzen können;

    steuern den Unterricht mit umfassender Aufmerksamkeit;

    sind in der Lage, ihr Expertenwissen mit Erfahrungswissen zu verknüpfen und dies als Basis für ihr situationskluges Handeln zu nutzen.

    In diesem Ansatz ist also tiefes und gut anwendbares Wissen zentral. Lee S. Shulman (1986) unterscheidet dabei fünf Kategorien der Wissensbasis von Lehrpersonen:

    inhaltsbezogenes Wissen (Fachwissen, fachdidaktisches Wissen, curriculares Wissen);

    allgemeines pädagogisch-didaktisches Wissen;

    Wissen über die Lernenden;

    Wissen über den Kontext des Unterrichts;

    historisch-philosophisches Wissen über den Unterricht.

    Im Zuge der Entwicklung des Kompetenzansatzes wurden die kognitiven Kompetenzen, das sogenannte Professionswissen, um affektiv-motivationale Aspekte ergänzt (siehe Abbildung 1).

    In diesem Modell spielt das fachdidaktische Wissen eine besondere Rolle; es umfasst nach Manuela Hillje (2012):

    Schülerbezogenes Wissen: Wissen über Konzepte und Strategien, mögliche Fehler und Probleme sowie mögliche Lösungswege der Lernenden. Damit können Lehrende u.a. den Schwierigkeitsgrad von Aufgaben einschätzen.

    Wissen über das Verständlichmachen: Wissen über multiple Repräsentationsformen, geeignete Beispiele, Vereinfachungen der Inhalte und Erklärungsmöglichkeiten. Dies zeigt sich vor allem im Gebrauch von Fachbegriffen (vgl. dazu auch Lehner 2019).

    Inhaltsbezogenes Wissen: Wissen über die curriculare Anordnung von Stoffen (mögliche Reihenfolge und Zusammenhänge zwischen den einzelnen Themengebieten) sowie Wissen über Bildungsstandards und Bildungsziele. Damit können Lehrpersonen das Potenzial von Aufgaben einschätzen.

    Zu den Überzeugungen gehören neben jenen zum Fach und zum Unterricht auch allgemeine Orientierungen, Welt- und Menschenbilder (siehe dazu mehr in Kapitel 5), wobei unter Überzeugungen «affektiv aufgeladene […] [und] eine Bewertungskomponente beinhaltende Vorstellungen […], welche für wahr oder wertvoll gehalten werden» (Reusser & Pauli 2014, S. 642) verstanden werden können. Motivation ist ein vielschichtiges und mehrdimensionales Konstrukt, das mit anderen Aspekten wie Zielen, Interesse, Selbstwirksamkeit, Attributionen verbunden ist (vgl. dazu z.B. Ryan & Deci, 2000).

    Das Ausmaß der Professionskompetenz von Lehrpersonen wird einerseits durch Kompetenzniveaus ausgedrückt, andererseits zeigt es sich in der Lernleistung der Schülerinnen und Schüler. Allerdings wird auch in diesem Ansatz eingestanden, dass ein gewisses Maß an Kontingenz das Unterrichtsgeschehen prägt, das «nicht vollständig standardisiert und in eine mechanisch erfolgssichere Technik verwandelt werden» (Terhart 2013, S. 69) kann. Nichtsdestotrotz fokussiert der kompetenztheoretische Ansatz auf (ebd.)

    die empirische Erforschbarkeit des Unterrichtsgeschehens;

    die Erlernbarkeit erfolgreichen Lehrpersonenhandelns dank empirisch gewonnener Erkenntnisse;

    den optimierbaren Lernbezug von Lehrerkompetenzen.

    2.1.2 Der berufsbiografische und der Persönlichkeitsansatz

    Für den berufsbiografischen Ansatz entwickelt sich die Professionalität von Lehrerinnen und Lehrern über die berufliche Erfahrung während der gesamten beruflichen Karriere. In diesem Prozess des kontinuierlichen Kompetenzaufbaus, der sowohl durch Kontinuität als auch Brüche gekennzeichnet ist, entwickelt sich allmählich ein beruflicher Habitus. Dieser Prozess führt nicht automatisch zu guter Lehrkompetenz, möglich sind auch scheiternde, problematische und gar gefährdende Entwicklungen, die im schlechten Fall zum Beispiel eine zynische Grundhaltung entstehen lassen.

    Für diesen Ansatz sind die Fragen wichtig, welche Persönlichkeitsmerkmale für eine erfolgreiche berufsbiografische Entwicklung entscheidend sind und wie positive Entwicklungen stimuliert und gefördert werden können. Empirische Forschung in diesem Ansatz untersucht zum Beispiel anhand des Modells der «Big Five» (Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit), welche Ausprägungen besonders günstig für den Lehrberuf sind. Weiter wurden spezifische Persönlichkeitsmerkmale in diesem Kontext erforscht wie Selbstwirksamkeitserwartung, proaktive Einstellung, effizientes Problembewältigungsverhalten, Ungewissheitstoleranz, Humor, Begeisterungsfähigkeit, berufsspezifische Interessen sowie allgemeine Interessen der Person, zum Beispiel praktisch-technische, intellektuellforschende, künstlerisch-sprachliche, soziale, unternehmerische, konventionelle. Da die Untersuchungen auf Selbsteinschätzungen der Probandinnen und Probanden beruhen und nicht auf ethnografischen Studien des Unterrichts, sind solcherart gewonnene Erkenntnisse von beschränktem Wert, denn es lassen sich kaum direkte kausale Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Lehrkompetenz ausmachen. Dennoch ist der berufsbiografische Ansatz von Bedeutung, da er ähnlich wie der kompetenztheoretische die Frage nach der Expertise und besonders nach

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