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Den Menschen verpflichtet: vom Bundesgrenzschutz zur Bundespolizei
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Den Menschen verpflichtet: vom Bundesgrenzschutz zur Bundespolizei
eBook194 Seiten2 Stunden

Den Menschen verpflichtet: vom Bundesgrenzschutz zur Bundespolizei

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Über dieses E-Book

Die Bundespolizei ist heute, im Jahr 2022, personell und materiell so gut aufgestellt, wie noch nie seit ihrer Gründung als Bundesgrenzschutz im Jahr 1951. Und sie hat sich von einer paramilitärischen Organisation zu einer modernen Polizei des Bundes entwickelt. Dabei waren es immer einschneidende Ereignisse, die diese Organisation zu einer Weiterentwicklung drängten. Niemals ging Veränderungen ein kontinuierlicher, politischer Prozess voraus.
Einen großen Teil dieser Entwicklungen habe ich selbst miterlebt. Ich war zunächst Grenzpolizist, später Vorsitzender des Bezirks Bundespolizei innerhalb der Gewerkschaft der Polizei. In dieser Funktion führte ich viele Gespräche mit Politikern auf Bundesebene und erhielt aufschlussreiche Einblicke. Zusammen mit Kollegen aus der Gewerkschaft und der Personalvertretung kämpfte ich in vielen politischen und ministeriellen Verhandlungen für die Beschäftigten.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum28. Okt. 2022
ISBN9783347766747
Den Menschen verpflichtet: vom Bundesgrenzschutz zur Bundespolizei

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    Buchvorschau

    Den Menschen verpflichtet - Josef Scheuring

    VORWORT

    Bertolt Brecht schreibt in „Fragen eines lesenden Arbeiters: „Wer baute das siebentorige Theben? In den Büchern stehen die Namen von Königen. Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?…

    Dieses Sinnbild lässt sich auch auf den Veränderungsprozess übertragen, den der frühere Bundesgrenzschutz zur heutigen Bundespolizei durchlaufen hat. Geschichte wird bekanntlich von Menschen gemacht. Oftmals sind es die handelnden Personen selbst, zufällige schicksalhafte Begegnungen, Ort, Zeit und Bedingungen, unter denen Entscheidungen getroffen werden, die dann den weiteren Lauf der Kugel der Entwicklung bestimmen. Erfolg oder Misserfolg der Polizei wird ganz entscheidend von den darin arbeitenden Menschen bestimmt, weshalb deren soziale und Arbeitsbedingungen von herausragender Bedeutung sind.

    Die über mehrere Dekaden sich hinziehende schrittweise Metamorphose des vorwiegend paramilitärisch geprägten und an der Systemtrennlinie des Kalten Krieges eingesetzten Bundesgrenzschutz zu einer modernen, national nicht wegdenkbaren und internatonal geachteten Bundespolizei ist ein Beispiel dafür, wie der „Faktor Mensch" Erfolg oder Misserfolg bestimmt. Und welchen Einfluss die Gewerkschaft der Polizei und die von ihr gestellten Personalvertreter auf sicherheitspolitische Entscheidungen und polizeiorganisatorische Konsequenzen nehmen konnten.

    Josef Scheuring spielte darin über viele Jahre eine entscheidende Rolle, die beeindruckenden Ergebnisse seiner Arbeit wirkten sich auf tausende Polizeibeschäftigte aus. Mit dem vorliegenden Buch wird eine Lücke in der bisherigen Literatur zur BGS- und Bundespolizeigeschichte, welche Rolle und über welche Wege die größte Polizeigewerkschaft und ihre Personalvertreter Einfluss auf politische, organisatorische, personelle und soziale Entscheidungen nehmen konnten, unter welchen Bedingungen diese Einflussnahme groß oder sogar initiiert war, geschlossen. Und auch die Frage beantwortet, wer die Bundespolizei aufbaute.

    Sven Hüber

    Polizeihauptkommisar,

    stellv. Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, Vorsitzender des Bundespolizei-Hauptpersonalrats im Bundesministerium des Innern

    Berlin, im November 2022

    EINLEITUNG

    Zur Entwicklung gezwungen und den Menschen verpflichtet ̶ so lässt sich die Geschichte des Bundesgrenzschutzes (kurz BGS), der heutigen Bundespolizei, ganz gut beschreiben. Denn immer waren es einschneidende Ereignisse, die diese Organisation zu einer Weiterentwicklung drängten. Niemals ging Veränderungen ein kontinuierlicher, politischer Prozess voraus. Schon die Gründung des Bundesgrenzschutzes ging auf Forderungen der alliierten vereinigten Stabschefs nach einer Wiederbewaffnung Westdeutschlands im Jahr 1950 zurück. Da das Grundgesetz zu diesem Zeitpunkt die Wiederbewaffnung und damit die Schaffung militärischer Organisationen verbot, war der Bundesgrenzschutz als paramilitärische Organisation ein Stück weit Vorläufer der heutigen Bundeswehr. Der BGS wurde vor allem von ehemaligen Wehrmachtskräften aufgebaut. In den ersten Jahren war er auch aufgrund seiner Aufgabenstellung viel stärker paramilitärisch als polizeilich organisiert.

    Mit der „Roten Armee Fraktion" (RAF) erlebte die Bundesrepublik Deutschland ab 1970 erstmals seit ihrer Gründung eine linksextremistische, terroristische Bedrohung. Die Polizei der Länder und auch das Bundeskriminalamt waren darauf überhaupt nicht vorbereitet. Die damalige SPD/FDP-Bundesregierung reagierte mit einer konsequenten Entwicklung des paramilitärischen Bundesgrenzschutzes zu einer Polizei des Bundes.

    Nach dem Anschlag auf die Olympischen Spiele von München 1972 und der damit verbundenen, internationalen Terrorbedrohung wurde zudem die Antiterroreinheit des Bundesgrenzschutzes, die Grenzschutzgruppe 9, unter ihrem ersten Kommandeur Ulrich Wegner gegründet. Die Wiedervereinigung Deutschlands beinhaltete Sicherheitsaufgaben, die spontan aus nicht mehr vorhandenen Strukturen der ehemaligen DDR übernommen werden mussten. So übernahm der BGS 1990 geradezu zwangsläufig zuerst in den neuen Bundesländern und ab 1992 im gesamten Bundesgebiet die Aufgaben der Bahnpolizei und der Luftsicherheit.

    Ein weiteres, drastisches Ereignis waren die Terroranschläge auf die Vereinigten Staaten von Amerika am 11. September 2001. Die notwendigen Reaktionen der gesamten westlichen Welt und damit auch der rot-grünen Bundesregierung führten zu einer weiteren Stärkung und zum Ausbau des BGS. Die Namensänderung in Bundespolizei stellte schließlich auch in der Außenwirkung klar, dass der Bundesgrenzschutz uneingeschränkt Polizei war. Die massive und politisch einschneidende Flüchtlingsbewegung führte und führt immer noch zu einem weiteren, personellen Aufwachsen der Bundespolizei. Sie ist mit ihren bundespolizeilichen Sonderaufgaben zur größten und schlagkräftigsten Sicherheitsorganisation in Deutschland geworden. Einen großen Teil dieser Entwicklungen durfte ich hautnah erleben und mitgestalten.

    Meine Handlungen und Entscheidungen waren dabei entscheidend geprägt von den praktischen, polizeilichen Erfahrungen, die ich als Grenzpolizist vor Ort gemacht habe. Meine Kollegen aus der Gewerkschaft der Polizei und der Personalvertretung und ich waren in den vielen politischen und ministeriellen Verhandlungsgruppen oft die Einzigen, die die Arbeit vor Ort in den Dienststellen und die Entscheidungsgrundlagen der Politik und des Ministeriums kannten. Wir wussten von den Nöten und Problemen unserer Kollegen vor Ort und sahen schwierige Entwicklungen deutlich früher, als sie von Ministerialbürokratie und Politik wahrgenommen wurden. Dieses Privileg nutzten wir konsequent, um den alten BGS zu einer modernen und zukunftsfähigen Bundespolizei zu entwickeln.

    Bei der Arbeit und damit auch bei der Weiterentwicklung der Polizei geht es immer zuerst um einen besonders verantwortlichen Umgang mit der Würde des Menschen. Das war bei allen Entscheidungen für uns immer die zentrale Grundlage unseres Handelns. Deshalb ist es mir so wichtig, die über 50-jährige Geschichte der heutigen Bundespolizei besonders aus menschlicher Sicht darzustellen.

     RAUS AUS MEINER KLEINEN WELT

    Ich wollte weg. Raus aus diesem kleinen Ort in den Haßbergen. Ganz oft habe ich davon geträumt, meine kleine Gemeinde zu verlassen und irgendwo, draußen in der großen Welt zu arbeiten und zu leben. Die Menschen aus unserem Ort, die das geschafft hatten, waren meine Helden. Sie waren nach Jahren im Bergbau im Ruhrgebiet in unsere Gemeinde zurückgekommen ̶ mit einem VW-Käfer und vielen, tollen Geschichten.

    Ein älterer Schulkollege von mir arbeitete inzwischen beim Bundesgrenzschutz in Coburg. Er erzählte mir, dass dort ständig junge Leute gesucht würden und brachte mir die Bewerbungsunterlagen mit. Coburg: Das war immerhin schon mal eine Stadt. Natürlich bewarb ich mich. Im Alter von 19 Jahren traf ich im Sommer 1972 in Oerlenbach in der Nähe von Bad Kissingen auf viele junge Männer, die sich wie ich der Aufnahmeprüfung stellten. Frauen waren nicht dabei. Sie durften damals in Deutschland noch nicht als Grenzschützerinnen arbeiten.

    Der BGS brauchte dringend viel neues Personal, so war auch die Aufnahmeprüfung ausgerichtet: Durchfallen war kaum möglich. Ein paar Wochen später hatte ich den Bescheid im Brieftasten, in dem ich aufgefordert wurde, im Oktober beim BGS in Oerlenbach anzutreten. Ich hatte mich eigentlich auf Coburg gefreut. Oerlenbach war ein Dorf, nicht viel größer als mein Heimatort. Mein Traum vom Arbeiten in der Stadt war erst einmal ausgeträumt, aber ich kam zumindest raus.

    Am 2. Oktober 1972 um 12 Uhr hatte ich mich bei der neunten Hundertschaft in Oerlenbach zu melden. Der Termin fiel für mich denkbar ungünstig, denn am 3. Oktober wollte ich meine Autoführerschein-Prüfung ablegen. Nach meiner Ankunft sagte ich dem mich empfangenden Kollegen also sofort, dass ich den Chef sprechen müsse. Diese Absicht löste erkennbares Staunen bei ihm aus. Nachdem ich meinen neuen Chef, den Hauptmann der Hundertschaft, kennengelernt hatte, war mir auch klar warum. „Was glauben Sie, wo Sie hier sind?, entgegnete er mir in barschem Ton, als ich meine Bitte vortrug, am nächsten Tag für die Prüfung arbeitsfrei zu bekommen. Mit einer Geste von Großzügigkeit gab er mir für den Vormittag frei, aber mit einer klaren Ansage: „Um 12 Uhr melden Sie sich bei mir zurück!. Das war kein einfaches Unterfangen. Doch mit Hilfe meines Bruders, der mich mit dem Auto fuhr, schaffte ich sowohl den Führerschein als auch die zeitgerechte Rückkehr. Die Weisung, mich um 12 Uhr beim Hauptmann zu melden, konnte ich allerdings nicht umsetzen. Er war da schon beim Mittagessen.

    Mein erstes Gefühl, dass es sich bei meinem neuen Arbeitsplatz mehr um Befehl und Gehorsam als um sinnvolle Arbeit handelte, wurde für mich in den nächsten Wochen schnell Gewissheit. War das vielleicht der Grund, warum meine neue Arbeitsstelle über so wenig Personal verfügte? Wir, die Neuen, waren auch deshalb willkommen, weil wir schon nach wenigen Tagen die Bewachung der Kaserne und ihrer Einrichtungen übernehmen konnten.

    Der Terroranschlag auf die Olympischen Spiele im September 1972 in München zeigte Deutschland deutlich, dass mehr Sicherheitspersonal nötig war. Und die, durch die Ölkrise ausgelöste, erste Wirtschaftsflaute in Deutschland hatte bei jungen Männern den BGS wieder zu einem interessanten Arbeitgeber gemacht. Es dauerte aber noch Jahre, bis auch die inneren Strukturen und die Ausbildung des BGS auf diese neue Herausforderung umgestellt waren.

    Ich wurde als „Grenzjäger" in der Besoldungsgruppe A1 eingestellt und mit einer kaum durchschaubaren Kombination aus militärischer und ansatzweise auch polizeilicher Ausbildung auf eine Aufgabe vorbereitet, die so deutlich damals nicht zu erkennen war. Der Schutz der innerdeutschen Grenze, die sich wenige Kilometer von Oerlenbach entfernt durch die Rhön zog, war inzwischen auf reine Beobachtung reduziert. Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) hatte diese Grenze mit einem Metallgitterzaun so abgesichert, dass es kein Durchkommen mehr gab. Gleichzeitig hatte der Terroranschlag in München zu einer intensiven Diskussion über die Sicherheitsstrukturen in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) geführt und noch Ende 1972 kamen Offiziere des BGS nach Oerlenbach, um dort Personal für eine neue Spezialeinheit, die GSG 9, anzuwerben. Ein Bundesgrenzschutz, der aus seiner historischen Entwicklung heraus noch stark militärisch ausgerichtet war, machte sich auf den mühsamen Weg hin zur Polizei.

    1965 erst war der sogenannte Kombattantenstatus im BGS-Gesetz aufgenommen worden. Das bedeutete, dass der BGS auch zur Abwehr militärischer Angriffe von außen eingesetzt werden durfte. Damit konnten auch Wehrpflichtige im BGS ihren Dienst leisten. Die militärische Ausbildung war in dem, seit seiner Gründung 1951 paramilitärisch traditionell verankerten BGS auch bei meiner Einstellung noch stärker präsent als der polizeiliche Teil. Die Geländeausbildung mit dem häufig wiederkehrenden Kommando „Tiefflieger von links oder Tiefflieger von rechts war ein zentraler Teil meiner ersten Wochen beim BGS. Wir marschierten mit 30 Kollegen in Formation im Gleichschritt, mit Einsatzanzug und Stahlhelm ausgerüstet, über die Feldwege im Raum Oerlenbach. Diese Formation wurde Zug genannt und von einem Zugführer geleitet, der in der Hierarchie direkt unterhalb des Hauptmanns stand und den Dienstgrad „Meister im BGS trug. Mit dem Kommando „Tiefflieger von links oder rechts gab der Zugführer vor, es komme zu einem Fliegerangriff. Dann warfen wir uns in höchstmöglicher Geschwindigkeit in den frisch gepflügten Ackerboden, das Gesicht auf der Erde vom Stahlhelm geschützt. Die grüne (Filz)-Einsatzhose wurde jedes Mal schwerer und nur den breiten Hosenträgern war es zu verdanken, dass die Hose am Körper blieb. Mir war sehr bald klar, dass ich hier weg musste. Die Aufstellung eines Weihnachtschores mit Grenzjägern, die in Seniorenheimen und anderen Einrichtungen der Region sangen und dafür vorher üben mussten, war eine gute Chance, den „Tieffliegerangriffen zu entkommen. Und dann war auch schon Weihnachten.

     FLUGZEUGE SICHERN

    Im Januar 1973 kam eine Aufgabe, die mich erstmals in die große Welt brachte. Arabische Terroristen hatten weltweit mehrere Flugzeuge entführt. Wir wurden in Zugstärke mit 30 Kollegen und fünf Vorgesetzten, dem Zugführer und vier Unterführern zum Flughafen Frankfurt/Main geschickt. Dort sollten wir, im Auftrag des Landes Hessen, zur Abwehr weiterer Flugzeugentführungen und zur Beruhigung der Fluggäste, Personen und Handgepäck kontrollieren. Ich freute mich riesig über diese neue Aufgabe.

    Der BGS transportierte uns von Oerlenbach nach Frankfurt. Diejenigen, die durch Losverfahren im VW-Bus mitfahren durften, erlebten die lange Anreise angenehm. Für die größere Gruppe, die wie ich in einem Lastwagen auf Holzbänken unter einer Plane saßen, war die Fahrt etwas abenteuerlicher. Nachdem noch ein LKW ausfiel und auf Ersatz gewartet wurde, dauerte unser Transport über die 200 Kilometer lange Strecke insgesamt acht Stunden. Bei Temperaturen, die an diesem Tag deutlich unter null Grad lagen, wurden die Glieder immer kälter. Uns gegenseitig wärmend ergaben wir uns unserem Schicksal. Nach der Ankunft am Frankfurter Flughafen mussten die Männer, die auf den Lastwagen angereist waren, beim Absteigen von Kollegen gestützt werden. Die Glieder waren so kalt geworden, dass die Beine nicht mehr trugen.

    In einem großen Raum im Terminal A des Flughafens waren für alle 30 Kollegen Stockbetten aufgestellt worden. Dort hielten wir uns in dem über mehrere Wochen dauernden Einsatz auf und verbrachten auch die Nächte gemeinsam. Zusammen mit vornehmlich pensionierten Polizeibeamten und Soldaten, aber auch im Schnelldurchgang ausgebildeten Frauen führten wir erstmals Luftsicherheitskontrollen am Flughafen Frankfurt/Main durch. Niemals wäre ich damals auf die Idee gekommen, dass mich diese Aufgabe noch einmal intensiv beschäftigen würde.

    Als ich wieder zurück in

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