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Die besten Küstenkrimis im Weihnachspaket 2022
Die besten Küstenkrimis im Weihnachspaket 2022
Die besten Küstenkrimis im Weihnachspaket 2022
eBook1.215 Seiten14 Stunden

Die besten Küstenkrimis im Weihnachspaket 2022

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Über dieses E-Book

Von Alfred Bekker, Hendrik M. Bekker, Albert Baeumer
(499XE)
Dieses Buch enthält die Küsten-Krimis:


Alfred Bekker: Kommissar Jörgensen und der gerechte Zorn

Alfred Bekker/Albert Baeumer: Rügen, Ranen, Rachedurst

Hendrik M. Bekker: Verschlungene Wege

Hendrik M. Bekker: Preisnachlass wegen Geisterbefall

Hendrik M. Bekker: Der Tote im Bett

Alfred Bekker: Ein Killer in Ostfriesland

Alfred Bekker: Der Killer von Hamburg

Alfred Bekker: Ein Fall für den Norden

Alfred Bekker: Eine Kugel für Lorant

Alfred Bekker: Casino auf Sylt



Eine Serie von Attentatsversuchen und Morden erschüttert Norddeutschland . Aber die Opfer scheinen nichts gemeinsam zu haben. Privatdetektiv Björn Kilian aus Emden übernimmt den Fall, aber plötzlich will sein Auftraggeberin nic ht mehr, dass er ihn auch tatsächlich aufklärt ...



Ein furchtbarer Fund in einem unbewohnten Haus in Hamburg ruft Kommissar Uwe Jörgensen und sein Team auf den Plan. Morde geschehen und ein tot geglaubter Profi-Killer tritt ins Rampenlicht. Kommissar Jörgensen kommt einer weitreichenden Verschwörung innerhalb des organisierten Verbrechens auf die Spur.


Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.
SpracheDeutsch
HerausgeberCassiopeiaPress
Erscheinungsdatum21. Nov. 2022
ISBN9783753207216
Die besten Küstenkrimis im Weihnachspaket 2022
Autor

Alfred Bekker

Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

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    Buchvorschau

    Die besten Küstenkrimis im Weihnachspaket 2022 - Alfred Bekker

    Alfred Bekker, Hendrik M. Bekker, Albert Baeumer

    Die besten Küstenkrimis im Weihnachspaket 2022

    UUID: 318517d7-4917-47fc-89ae-e444597950e1

    Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (https://writeapp.io) erstellt.

    Inhaltsverzeichnis

    Die besten Küstenkrimis im Weihnachspaket 2022

    Copyright

    Kommissar Jörgensen und der gerechte Zorn: Kommissar Jörgensen Hamburg Krimi

    Rügen, Ranen, Rachedurst

    Copyright

    FAKTEN UND TATSACHEN

    Prolog

    1. Kapitel

    2. Kapitel

    3. Kapitel

    4. Kapitel

    5. Kapitel

    6. Kapitel

    Biographie

    Verschlungene Wege

    Copyright

    1

    2

    3

    Die Nachtwache: Preisnachlass wegen Geisterbefall

    Kommissar Dreyers Fälle: Der Tote im Bett

    Ein Killer in Ostfriesland

    Copyright

    Personen

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    40

    Der Killer von Hamburg: Kriminalroman

    Copyright

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    43

    Zwei Nord-Krimis

    Ein Fall für den Norden

    Copyright

    Prolog

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    EINE KUGEL FÜR LORANT

    1. Kapitel

    2. Kapitel

    3. Kapitel

    4. Kapitel

    5. Kapitel

    6. Kapitel

    7. Kapitel

    8. Kapitel

    9. Kapitel

    10. Kapitel

    11. Kapitel

    12. Kapitel

    13. Kapitel

    14. Kapitel

    15. Kapitel

    16. Kapitel

    17. Kapitel

    18. Kapitel

    19. Kapitel

    20. Kapitel

    21. Kapitel

    22. Kapitel

    23. Kapitel

    24. Kapitel

    25. Kapitel

    26. Kapitel

    27. Kapitel

    28. Kapitel

    29. Kapitel

    30. Kapitel

    31. Kapitel

    32. Kapitel

    33. Kapitel

    34. Kapitel

    35. Kapitel

    36. Kapitel

    37. Kapitel

    38. Kapitel

    39. Kapitel

    ​Casino auf Sylt: Insel-Thriller

    Die besten Küstenkrimis im Weihnachspaket 2022

    Alfred Bekker, Hendrik M. Bekker, Albert Baeumer

    Von Alfred Bekker, Hendrik M. Bekker, Albert Baeumer

    Dieses Buch enthält die Küsten-Krimis:

    Alfred Bekker: Kommissar Jörgensen und der gerechte Zorn

    Alfred Bekker/Albert Baeumer: Rügen, Ranen, Rachedurst

    Hendrik M. Bekker: Verschlungene Wege

    Hendrik M. Bekker: Preisnachlass wegen Geisterbefall

    Hendrik M. Bekker: Der Tote im Bett

    Alfred Bekker: Ein Killer in Ostfriesland

    Alfred Bekker: Der Killer von Hamburg

    Alfred Bekker: Ein Fall für den Norden

    Alfred Bekker: Eine Kugel für Lorant

    Alfred Bekker: Casino auf Sylt

    Eine Serie von Attentatsversuchen und Morden erschüttert Norddeutschland . Aber die Opfer scheinen nichts gemeinsam zu haben. Privatdetektiv Björn Kilian aus Emden übernimmt den Fall, aber plötzlich will sein Auftraggeberin nic ht mehr, dass er ihn auch tatsächlich aufklärt ...

    Ein furchtbarer Fund in einem unbewohnten Haus in Hamburg ruft Kommissar Uwe Jörgensen und sein Team auf den Plan. Morde geschehen und ein tot geglaubter Profi-Killer tritt ins Rampenlicht. Kommissar Jörgensen kommt einer weitreichenden Verschwörung innerhalb des organisierten Verbrechens auf die Spur.

    Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

    Cover: Eva-Maria Bekker

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

    © by Author / Titelbild A.Panadero

    © dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    Kommissar Jörgensen und der gerechte Zorn: Kommissar Jörgensen Hamburg Krimi

    von Alfred Bekker

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author

    © dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

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    Alles rund um Belletristik!

    Kommissar Jörgensen und der gerechte Zorn

    von Alfred Bekker

    1

    »Sie können schon gehen, Marita.«

    Dr. Mike Gurth saß hinter seinem Schreibtisch und sah einige Laborwerte durch, die gerade noch per Kurier in die Praxis gebracht worden waren.

    »Bis Morgen, Dr. Gurth.«

    »Ich sehe mir nur noch kurz die Befunde an, dann gehe ich auch nach Hause!«

    Mike Gurth hörte, wie die Schritte seiner Arzthelferin auf dem Flur verklangen. Wenig später fiel die Tür ins Schloss.

    Gurth überflog die Laborergebnisse. Das Telefon klingelte. Gurth nahm den Hörer ans Ohr.

    »Mike Gurth?«, krächzte eine verzerrte Stimme.

    »Am Apparat.«

    »Du Kindermörder!«

    »Hören Sie, ich …«

    »Aber noch heute Abend wirst du selbst tot sein.«

    Es machte klick. Die Verbindung war unterbrochen.

    Gurth seufzte hörbar.

    Dieser Spinner hat mir gerade noch gefehlt!, dachte er.

    Als ein Gynäkologe, in dessen Praxis im Rahmen der gesetzlichen Grenzen auch Abtreibungen durchgeführt wurden, war es gewöhnt, dass religiöse Fanatiker und sogenannte Lebensschützer in ihm eine willkommene Zielscheibe ihrer Kampagnen sahen. Das war auch der Grund dafür, dass Gurth seine Praxis in einem Gebäude in Hamburg-Winterhude eingerichtet hatte - einem Gebäude mit erstklassigem Sicherheitsstandard. Rund um die Uhr sorgten die bewaffneten Security-Leute eines privaten Sicherheitsunternehmens dafür, dass kein Unbefugter ins Gebäude gelangen konnte. Flure, die Eingangshalle und die Aufzüge waren ebenso mit einer Videoüberwachungsanlage ausgestattet wie das zum Gebäude gehörige unterirdische Parkhaus.

    Seit Gurth vor drei Jahren auf einem Ärztekongress von einem fanatischen Lebensschützer mit einem Messer angegriffen worden war, trug er häufig einen Revolver bei sich.

    Gurth legte die Befunde zur Seite. Er konnte sich jetzt einfach nicht mehr auf die Ergebnisse konzentrieren.

    Immerhin, das hast du erreicht, Krächzer!, dachte Gurth.

    Krächzer – das war der Name, den er diesem Anrufer für sich persönlich gegeben hatte. Der Krächzer verfolgte ihn schon seit langem mit seinen Todesankündigungen. Manchmal täglich, dann wieder nur alle vier bis fünf Wochen. Die Polizei hatte die Identität des Krächzers bisher nicht herausbekommen. Alles, was man wusste, war, dass er mindestens dreimal von einer bestimmten Telefonzelle bei der U-Bahnstation Kehlinghusstraße angerufen hatte und ansonsten verschiedene Prepaid Handys benutzt. Außerdem gehörte der Krächzer zu einem guten Dutzend Anrufern, die Gurth mehr oder minder regelmäßig mit Beschimpfungen, Beleidigungen oder Drohungen bedachten. Zwei von ihnen hatte die Polizei erwischt.

    Die meisten von ihnen nahm Gurth nicht besonders ernst. Ihre Rhetorik mochte martialisch klingen, aber Gurth schätzte die meisten von ihnen als harmlos ein. Menschen, für die es nur schwarz oder weiß gab und die nicht bereit waren, sich mit der Not, die eine Frau vielleicht zu der Entscheidung trieb, eine Schwangerschaft zu unterbrechen, überhaupt zu beschäftigen.

    Aber Gurth wusste spätestens seit dem Messeranschlag auf dem Ärztekongress, dass es eine kleine Minderheit in den Reihen der Abtreibungsgegner gab, die bereit waren, weiter zu gehen.

    Einmal war sein Wagen angezündet worden. Die Polizei hatte die Täter bislang ebenso wenig ermitteln können, wie die Identität des Krächzers und der anderen Anrufer. Manche von ihnen waren für Gurth im Laufe der Zeit zu so etwas wie guten Bekannten geworden.

    Gurth versuchte so wenig wie möglich daran zu denken, dass da draußen vielleicht tatsächlich jemand auf ihn lauern mochte.

    Der Arzt war überzeugt davon, dass seine Arbeit wichtig war und getan werden musste. Also setzte er sie trotz der damit verbundenen Gefahren fort und versuchte ansonsten einfach, alle nur denkbaren Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.

    Mike Gurth streifte den weißen Kittel ab, hängte ihn an einen Haken an der Wand seines Behandlungszimmers, ging in den Vorraum und nahm Jackett und Mantel von der Garderobe. Kurz bevor er die Praxis verlassen wollte, klingelte noch einmal das Telefon.

    Gurth zögerte. Eine Frau in Not oder der Krächzer – beides war möglich. Schließlich gab Gurth sich einen Ruck, ging zum Tresen, hinter dem Marita normalerweise ihren Platz hatte und nahm das Gespräch entgegen.

    »Unbekannter Anrufer« stand im Display.

    »Hier Dr. Gurth«, meldete er sich.

    Auf der anderen Seite der Leitung war nur ein schweres Atmen zu hören. Dann machte es klick und die Verbindung war unterbrochen.

    Der Schweiger!, dachte Gurth. Von dir habe ich schon länger nichts mehr gehört!

    2

    Gurth ging zu den Aufzügen. Unterwegs begegneten ihm vor allem Raumpflegerinnen und Angehörige des Wachpersonals. Nur ab und zu mischte sich noch einer der Anwälte und Architekten, deren Büros in diesem Gebäude ebenfalls zu finden waren, dazwischen.

    Mit dem Aufzug ging es hinab in die Tiefgarage. Überall folgten ihm Kameraaugen.

    Gurth fuhr einen Porsche. Ein fester Platz war für ihn reserviert.

    Bis auf zwanzig Meter hatte er sich dem Wagen genähert, als plötzlich das Licht ausging. Es war stockdunkel. Nur noch Schwärze umgab ihn. Mike Gurth griff unter das Jackett, wo er seinen Revolver trug. Er zog den kurzläufigen 38er hervor und war vollkommen orientierungslos. Der Puls schlug ihm bis zum Hals. Da war nichts, auf das er hätte zielen können.

    Er konnte nicht die Hand vor Augen sehen. Wie blind stand er da.

    Er griff zum Handy. Nicht, weil er hoffte, eine Verbindung zu bekommen. In diesen Katakomben war jeder Netzkontakt ausgeschlossen. Aber das Display war eine Lichtquelle - wenn auch keine besonders starke.

    Er klappte das Gerät auf. Ein schwacher Schein leuchtete auf.

    Nur Sekundenbruchteile, nachdem das Display aufblitzte, ertönte ein Geräusch, das an ein kräftiges Niesen erinnerte. Blutrot leuchtete Mündungsfeuer auf. Zweimal kurz hintereinander geschah das.

    Gurth fiel mit einem dumpfen Geräusch zu Boden. Das Handy und der 38er Revolver entglitten seinen Händen und rutschten über den Asphalt. Einen Augenblick lang leuchtete das Display noch, dann schaltete es sich automatisch ab.

    Schritte hallten in der Dunkelheit.

    Ein letzter, gedämpfter Schuss war zu hören. Aber diesmal war noch nicht einmal Mündungsfeuer zu sehen, denn der Killer hatte die Mündung direkt auf die Schläfe des regungslos daliegenden Opfers gehalten.

    3

    Ich holte meinen Kollegen Roy Müller wie beinahe jeden Tag an der bekannten Ecke ab. Er konnte ein Gähnen nicht unterdrücken. Mir ging es nicht anders. Mein Name ist Kriminalhauptkommmissar Uwe Jörgensen. Kollege Roy Müller und ich gehören zu einer Sondereinheit mit der Bezeichnung ’Kriminalpolizeiliche Ermittlungsgruppe des Bundes’ in Hamburg.

    »Ich hoffe, Mandys Kaffee sorgt gleich dafür, dass wir nicht einschlafen«, sagte Roy.

    Ich grinste.

    »Das ist der Nachteil des bequemen Sitzmobiliars in Herrn Bocks Büro.«

    Wir hatten eine lange Nacht hinter uns. Viele Stunden hatten wir uns zusammen mit einem Dutzend anderer Kollegen des Polizeipräsidiums Hamburg um die Ohren schlagen müssen, um Ricky Fratella, den Chef eines Drogenrings auf frischer Tat bei einem Deal zu ertappen. Fratella hatte geglaubt, das Geschäft seines Lebens machen zu können. In Wirklichkeit war er in eine Falle getappt. Monatelange, sehr aufwendige Ermittlungen konnten damit wahrscheinlich zum Abschluss gebracht werden.

    Eine halbe Stunde später fanden wir uns im Besprechungszimmer von Kriminaldirektor Jonathan D. Bock, dem Chef unserer Abteilung, ein. Außer uns waren noch die Kommissare Stefan Czerwinski und Ollie Medina sowie die Kollegen Tobias Kronburg und Ludger Mathies anwesend.

    Herr Bock wartete, bis Mandy allen einen Becher Kaffee serviert hatte. Die Sekretärin unseres Chefs wollte gerade den Raum verlassen, da traf auch unser Innendienstler Max Warter ein. »Wenigstens sind wir nicht die Letzten, Uwe«, raunte Roy mir zu, während ich mir bereits den ersten Schluck Kaffee genehmigte.

    »Guten Morgen«, begrüßte uns Herr Bock. »Da alle Anwesenden an der gestrigen Operation gegen Ricky Fratella beteiligt gewesen sind, möchte ich Ihnen mein ausdrückliches Lob aussprechen. Das war gute Arbeit! Ich habe heute Morgen bereits mit Herrn Oberstaatsanwalt Thornow telefoniert und er ist sehr zuversichtlich, dass die Anklage bei Ricky Fratella und seinen Helfershelfern auf sicheren Füßen steht. Und das verdanken wir in erster Linie der sorgfältigen Ermittlungsarbeit und der gewissenhaften Beweissicherung, die von den Mitarbeitern dieses Polizeipräsidium geleistet wurde.« Herr Bock machte eine kurze Pause. Ohne einen weiteren Übergang kam er nun zu seinem Hauptanliegen – dem neuen Fall, mit dem er zumindest einen Teil der Kommissare unseres Polizeipräsidium betrauen würde. »Ich weiß, dass Ihnen allen die letzte Nacht noch sehr in den Knochen steckt, aber wir können uns leider keine Pause gönnen. Heute Morgen wurden wir offiziell mit den Ermittlungen in einem Fall betraut, der bereits jetzt die Medien beschäftigt wie kaum ein anderer Mordfall der letzten Jahre. Es geht um den Fall Mike Gurth. Jeder von Ihnen, der während der Fahrt hierher die Frühnachrichten gehört hat, müsste die wesentlichen Fakten bereits kennen.«

    Ich hatte die Meldung über den Tod des Arztes Dr. Mike Gurth auch gehört – war allerdings nur mit halbem Ohr bei der Sache gewesen. Der Meldung nach war Gurth am Vorabend in einer Tiefgarage erschossen worden, nachdem er monatelang von militanten Abtreibungsgegnern und sogenannten Lebensschützern bedroht worden war. Natürlich kochten die Emotionen auch unter den Hörern der Radiosender bereits hoch, noch bevor überhaupt nähere Umstände der Tat bekannt waren. Die Hörer waren vom Sender aufgefordert worden, anzurufen und ihre Meinung zu äußern, wovon die Hamburger ausgiebig Gebrauch machten. Während die einen in Gurths Tod die gerechte Strafe für einen vielfachen Kindermörder sahen, waren andere empört darüber, mit welch brutalen Methoden religiöse christliche Gruppen Ärzte einzuschüchtern versuchten, die letztlich nichts anderes taten, als sich nach den bestehenden Gesetzen zu richten.

    Über die näheren Hintergründe der Tat war natürlich noch so gut wie nichts bekannt. Alles, was bisher auf dem Tisch lag, waren Vermutungen.

    Herr Bock hob die Augenbrauen.

    »Dr. Gurth hatte seine Praxis hier in Winterhude und Sie werden sich mit Recht fragen, was wir mit dem Fall zu tun haben. Schließlich wäre dafür normalerweise die Mordkommission der Polizei zuständig. Und falls man denen dies aufgrund des gewaltigen öffentlichen Interesses an dem Fall nicht zutrauen würde, wären schließlich zunächst unsere Kollegen vom Polizeipräsidium dran. Der Umstand, der diesen Fall auf unseren Schreibtisch gebracht hat, ist Dr. Gurths Wohnsitz. Er lebt in Hamburg-Winterhude. Außerdem bestehen vermutlich Zusammenhänge mit einer Reihe von Anschlägen auf Kliniken und Arztpraxen, in denen legale Abtreibungen durchgeführt wurden und die sich allesamt auf dem Gebiet der Stadt Hamburg befinden. Es erschien daher sinnvoll, uns die Ermittlungen führen zu lassen.« Herr Bock wandte sich an Max Warter. »Bitte, Sie haben auf die Schnelle bereits einiges über Gurth zusammengetragen und auch ein paar Ansatzpunkte für unsere Ermittlungen gefunden.«

    Max nickte. Während Herr Bocks Ausführungen war er damit beschäftigt gewesen, den Laptop hochzufahren und den Beamer zu installieren. Wenig später erschien das Gesicht eines grauhaarigen, energisch dreinblickenden Mannes. Die Augen waren strahlend blau, das Kinn wirkte markant, die Nase war lang und gerade.

    »Dieses Foto stammt aus der Presse«, sagte Max. »Man kann es im Internet finden und wurde anlässlich eines gynäkologischen Symposiums an der Frankfurter Universität im vergangenen Jahr aufgenommen. Vor drei Jahren wurde Gurth Opfer einer Messerattacke auf einem medizinischen Kongress hier in Hamburg. Er wurde nur leicht verletzt. Die Täterin war eine gewisse Alina Matern. Da sie als Aktivistin einer radikalen Gruppe von sogenannten Lebensschützern wegen verschiedener einschlägiger Delikte bereits vorbestraft war, bekam sie keine Bewährung mehr und verbrachte anderthalb Jahre im Gefängnis, bevor sie wieder auf freien Fuß kam. Seitdem ist sie nicht mehr straffällig geworden. Von der Gruppe, der sie damals angehörte, haben wir dafür umso mehr gehört. Sie nennt sich LEBEN IST GÖTTLICH oder kurz LIG und gehört zu den radikalsten Gruppen in der Szene der sogenannten Lebensschützer. Angeführt wird diese Organisation von Moses Vosswinkel, einem charismatischen Prediger, der von sich behauptet, früher Missionar in den Urwäldern am Amazonas gewesen zu sein.«

    »Gibt es irgendetwas, das eine konkrete Verbindung zwischen Dr. Gurth und LIG herstellt?«, erkundigte sich Herr Bock, nachdem er an seinen Kaffeebecher genippt hatte.

    Max nickte.

    »Die gibt es tatsächlich! Dr. Gurth wurde laut Angaben der Polizei seit langem telefonisch belästigt und mit Drohbriefen überhäuft, wie es vielen Medizinern geht, die auf seinem Gebiet tätig sind und zu der Problematik eine aufgeklärte Haltung haben. Die meisten dieser anonymen Quälgeister ließen sich nie ermitteln, aber gegen zwei Personen wurden eine Geldstrafe und eine gerichtliche Verfügung verhängt, nach der die Täter unter Androhung von Haft weder telefonisch noch sonst wie Kontakt mit Dr. Gurth aufnehmen oder sich seiner Praxis oder seiner Wohnung nähern durften.«

    »Fragt sich nur, ob sie sich auch daran gehalten haben«, warf unser Kollege Oliver ‚Ollie‘ Medina ein.

    »Die beiden heißen Georg Brandner und Michael Milovich«, fuhr Max fort. »Ihre Adressen sind bekannt. Die gerichtlichen Auflagen beinhalten auch eine Meldepflicht bei jedem Umzug innerhalb der nächsten zwei Jahre. Also können wir davon ausgehen, dass die Adressen stimmen.«

    Herr Bock wandte sich an Tobias und Ludger.

    »Sie beide kümmern sich um Milovich und Brandner. Wir brauchen ihr Alibi und müssen wissen, ob sie sich in die gerichtlichen Anordnungen gehalten oder Dr. Gurth weiter schikaniert haben.

    »In Ordnung«, nickte Tobias.

    »Es gibt da noch ein weiteres interessantes Detail«, erklärte Max. »Sowohl Milovich als auch Brandner arbeiteten zum Zeitpunkt ihrer Verurteilung als Ordner bei den Veranstaltungen von Moses Vosswinkel und seiner Organisation.«

    »Auf jeden Fall ist die Verbindung Grund genug, diese Organisation mal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, zumal sie mit einer ganzen Anzahl von weiteren einschlägigen Delikten in Verbindung gebracht werden«, äußerte Max seine Einschätzung. »So wurde vor vier Wochen im Marienkrankenhaus ein Stromausfall von LIG-Aktivisten herbeigeführt, der dazu führte, dass sämtliche Operationen – damit auch zwei Abtreibungen – abgesetzt werden mussten.«

    »Was ist mit den Tätern?«, hakte Herr Bock nach.

    »Wilhelm Bleicher und Tara Müller – beides Aktivisten von LIG. Die beiden sind untergetaucht, die Polizei fahndet nach ihnen. Vermutlich waren noch weitere Täter an dem Anschlag beteiligt, aber anhand der Aufnahmen der Überwachungskameras konnten nur diese beiden zweifelsfrei identifiziert werden.«

    »Da das jetzt unser Fall ist, werden wir auch dort ansetzen«, erklärte Herr Bock. »Vielleicht könnten Sie uns noch ein paar Worte zu den Zielen sagen, die LEBEN IST GÖTTLICH verfolgt.«

    Max nickte und blätterte in einer Mappe mit Computerausdrucken und Notizen.

    »Gerne«, sagte er. »Kristallisationspunkt ist der Prediger Moses Vosswinkel. Er wurde eigentlich als Robert Vosswinkel geboren und tritt jetzt öffentlich unter dem Namen Moses Vosswinkel auf, nach dem er seine sogenannte Wiedergeburt als Christ erlebte. Seitdem zieht er als charismatischer Prediger durch das Land und wettert in Fußball-Stadien und Eishockey-Arenen gegen Abtreibung, Homosexualität und Sittenverfall. Außerdem hat er wöchentlich eine Sendung auf dem Kabelsender ‚Gottes Bibel-TV’, den hier in Hamburg eigentlich jeder empfangen können müsste.«

    »Und wer finanziert diesen Vosswinkel?«, fragte Stefan. Er war nach Herr Bock der zweite Mann in der Hierarchie des Polizeipräsidium.

    »Vosswinkel erwirtschaftet mit seinen Auftritten und den dazugehörigen Büchern, Videos etc. ein Millionenvermögen, von dem der größte Teil einer Stiftung mit der Bezeichnung LEBEN IST GÖTTLICH STIFTUNG zufließt«, berichtete Max. Er wandte das Gesicht Herrn Bock zu und fuhr fort: »Ich werde nachher mit Norbert Nahr sprechen, dass er diese Stiftung und die mit ihr zusammenhängenden Finanzströme mal etwas genauer unter die Lupe nimmt.«

    »Tun Sie das!«, stimmte Herr Bock zu. »Aber dazu werden Sie frühestens heute Mittag Gelegenheit haben, denn zurzeit ist Norbert beim Zahnarzt und lässt sich eine Wurzel behandeln.«

    Norbert Nahr war bei uns im Polizeipräsidium der Spezialist für Betriebswirtschaft. Häufig genug waren gerade seine Erkenntnisse es, die uns durch das Aufspüren verdeckter Geldströme bei unseren Ermittlungen auf den richtigen Weg brachten.

    Herr Bock wandte sich an Roy und mich.

    »Ich möchte, dass Sie beide sich zusammen mit einigen Kollegen aus unserem Erkennungsdienst zum Tatort begeben, um die Verhältnisse dort genauer zu untersuchen und sich mit den dortigen Kollegen der Polizei kurzschließen.«

    »In Ordnung, Herr Bock«, nickte ich.

    »Stefan, Sie nehmen sich diesen Moses Vosswinkel vor.«

    »Er wird seine Hände in Unschuld waschen«, erwiderte der Kollege.

    Herr Bock teilte diese Einschätzung.

    »Natürlich. Vermutlich ist er im juristischen Sinn gesehen sogar unschuldig, auch wenn sich die eigentlichen Täter von ihm haben inspirieren lassen. Jedenfalls nehme ich nicht an, dass diese Bewegung so straff geführt ist, dass er eine direkte Befehlsgewalt hätte.«

    »Oh, ich widerspreche Ihnen ungern, Herr Bock«, mischte sich Max ein. »Was Sie sagen, mag für andere charismatische Erweckungsprediger ja im Allgemeinen zutreffen, aber was Vosswinkel angeht, wissen wir - ehrlich gesagt - noch gar nicht so viel über die Führungsstrukturen dieser Organisation. Auf wirtschaftlicher Ebene gibt es diese bereits erwähnte Stiftung und ansonsten hat er sicher einen großen Pulk von Anhängern, die eher locker mit ihm und seinen Idee verbunden sind. Aber davon abgesehen scheint es innerhalb dieser Anhängerschaft durchaus Kreise zu geben, die sehr viel strengere Organisationsformen angenommen haben und sich stark nach außen abschotten. Inwiefern Vosswinkel hier über eine direkte Befehlsgewalt verfügt und vielleicht sogar konkretere Aktionen anordnen kann, ist noch lange nicht geklärt.«

    »Wie auch immer, es ist sehr wahrscheinlich, dass die Mörder von Dr. Gurth und die Urheber einiger weiterer krimineller Aktionen gegen Abtreibungskliniken und –praxen im direkten Umfeld dieses Predigers zu finden sind«, schloss Herr Bock.

    »Zurzeit versuchen wir gerade den gegenwärtigen Aufenthaltsort von Alina Matern ausfindig zu machen«, erklärte Max.

    »Ich denke, wir hätten damit zunächst einmal alles besprochen«, stellte Herr Bock fest. »Damit wäre die Sitzung beendet.«

    »Eine Frage noch«, meldete sich Stefan zu Wort.

    Herr Bock hob die Augenbrauen. »Bitte!«

    »Wo wird die gerichtsmedizinische Untersuchung durchgeführt?«

    »Da Gurth Bürger der Stadt Hamburg ist und man den Fall außerdem jetzt uns übertragen hat, wurde die Leiche in das gerichtsmedizinische Labor des Erkennungsdienstes hier in Hamburg überführt. Soweit ich weiß, ist Dr. Bernd Claus mit der Obduktion betraut.« Herr Bock blickte auf die Uhr. »Die Sektion hat vor einer halben Stunde begonnen und dauert für gewöhnlich drei Stunden. Danach werden wir mit ersten Ergebnissen rechnen können.«

    4

    Roy und ich machten uns mit dem Sportwagen auf den Weg. Wir fuhren vom Ring 2 auf die Oldendorfer Straße, um auf die B5 zu kommen. Dort ging es dann Richtung Osten zum Wiesendamm. Ich fuhr den Sportwagen in die zum Gebäude gehörende Tiefgarage.

    An der Zufahrt waren sowohl Beamte der örtlichen Polizei, als auch Mitarbeiter des privaten Security Service postiert, die normalerweise für Sicherheit sorgten.

    Ich ließ die Scheibe des Sportwagens herunter und zeigte meinen Dienstausweis vor.

    Der Polizist winkte uns durch.

    »Kommissar Alberts von der Mordkommission erwartet Sie bereits«, sagte der Uniformierte.

    »Danke«, gab ich zurück.

    »Der Tatort befindet sich auf Deck 2. Ansonsten läuft hier der Betrieb ganz normal. Wir kontrollieren allerdings, wer rein und wieder heraus fährt und nehmen die Personalien auf.«

    »Das ist sonst nicht der Fall?«, fragte ich.

    »Eine Videoüberwachung muss normalerweise reichen«, mischte sich jetzt der neben dem Beamten stehende Wachmann der Security in das Gespräch ein. »Wenn irgendetwas vorfällt, können wir das vom Kontrollraum aus sehen und sind innerhalb weniger Augenblicke mit einem Dutzend Mann hier vor Ort. Aber im Moment müssen wir den Besuchern des Hauses einfach das Gefühl von Sicherheit vermitteln, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

    »Vollkommen«, nickte ich.

    Wir fuhren weiter und gelangten schließlich auf Deck 2, von dem ungefähr ein Viertel mit Flatterband abgesperrt und als Tatort gekennzeichnet worden war. Ich parkte den Sportwagen zwischen den anderen Einsatzfahrzeugen.

    Die Kommissare Frank Folder und Martin Horster – zwei Erkennungsdienstler aus unserer Sonderabteilung – folgten uns in einem blauen Ford aus dem Bestand unserer Fahrbereitschaft.

    Wir stiegen etwa gleichzeitig aus.

    »Hallo Uwe!«, begrüßte mich Frank Folder. »David Eichner wird gleich auch noch hier auftauchen. Aber er macht zuerst noch einen kleinen Umweg über die Labore des Erkennungsdienstes, um sich das Projektil abzuholen, das in Gurths Kopf steckte.«

    David war unser Chefballistiker. Früher hieß er mal Ochmer. Aber seitdem er seinen schwulen Freund geheiratet hatte, hatte sich sein Name geändert. Zwei der Schüsse, die Gurth getroffen hatten, waren glatt durch seinen Körper gegangen und steckten jetzt im grauen Beton, der uns hier umgab. Aus der Berechnung der Schussbahnen mit Hilfe von Laserprojektionen konnte man den Standpunkt ermitteln, von dem aus der Täter geschossen hatte.

    Roy verzog das Gesicht.

    »Was mit dem Kopf geschehen ist, mag man sich überhaupt nicht vorstellen.«

    Ich ließ den Blick schweifen. Weiße Kreidemarkierungen deuteten an, wo Gurth gestorben war. Die Blutlache auf dem Asphalt war selbst jetzt noch unübersehbar, obwohl das Verbrechen am vorangegangen Abend geschehen war.

    Ein paar Passanten standen außerhalb des Flatterbandes und sahen den Kollegen bei der Arbeit am Tatort zu. Graue, dreiteilige Anzüge und seriös wirkende Business-Kostüme herrschten vor. Die meisten dieser Passanten blieben nur kurz stehen. Ihre Terminkalender erlaubten es ihnen nicht, ihrem Voyeurismus nachzugeben.

    Ein Mann mit stämmiger Figur, hoher Stirn und markanten, wie gemeißelt wirkenden Gesichtszügen fiel mir auf. Ich schätzte ihn auf Mitte fünfzig. Er trug einen Kaschmirmantel und hatte die Hände tief in den Taschen vergaben. Im Gegensatz zu den anderen Passanten schien er keinerlei Eile zu haben.

    »Kommissar Alberts, Chef der Mordkommission«, holte mich eine raue, heisere Stimme aus meinen Gedanken.

    Der Mann, zu dem diese Stimme gehörte, war Mitte dreißig. Er trug eine fleckige, abgeschabte Lederjacke und Jeans. Alberts hielt uns seinen Ausweis entgegen, und wir taten dasselbe.

    »Ich bin Kommissar Roy Müller und dies ist mein Kollege Uwe Jörgensen«, stellte Roy uns beide vor. »Außerdem sind noch die Kommissare Frank Folder und Martin Horster von unserem eigenen Erkennungsdienst mitgekommen. Ein Ballistiker ist noch unterwegs.«

    »Ehrlich gesagt, bin ich froh, dass ich diesen Fall los bin«, bekannte Alberts und machte eine wegwerfende Geste.

    Ich runzelte etwas überrascht die Stirn. »So?«

    »Der Mord an Dr. Gurth wird jede Menge Staub aufwirbeln. Wir haben bereits im Verlauf des Morgens mehr als ein Dutzend hasserfüllter Anrufe bekommen, wonach Dr. Gurth den Tod verdient hätte und dass man die Tat als den Vollzug eines göttlichen Richterspruchs sehen müsse. Auf so etwas kann ich gerne verzichten.«

    »Konnten Sie einige dieser Anrufe zurückverfolgen?«

    »Ja. Diese Personen wohnen in einem Umkreis von dreißig Kilometer um Hamburg. Die Kollegen vor Ort überprüfen die Alibis, aber ich persönlich glaube nicht, dass der oder die Täter so dumm sein könnten, sich auf diese Weise selbst ans Messer zu liefern. Nein, das sind nur Leute, die ihre Meinung mit missionarischem Eifer unbedingt mitteilen müssen.«

    »Haben Sie bereits ungefähr rekonstruiert, was geschehen ist?«, fragte Roy.

    Alberts nickte.

    »Gestern gegen halb neun am Abend verließ Dr. Gurth seine Praxis. Seine Arzthelferin Marita Jonas hatte bereits ungefähr eine Viertelstunde zuvor die Praxis verlassen. Die anderen Angestellten von Dr. Gurth waren bereits zwei Stunden früher gegangen.«

    »Wo finden wir Marita Jonas?«, fragte ich.

    »In der Praxis. Sie ist damit beschäftigt, die Patienten an andere Ärzte zu verweisen.«

    »Ich nehme an, Dr. Gurths Weg bis ins Parkhaus lässt sich durch die Videoüberwachung lückenlos dokumentieren.«

    »So ist es«, bestätigte Alberts. »Kommissar Wittwer ist zusammen mit den Kollegen der Security im Kontrollraum damit beschäftigt, die wichtigen Bildsequenzen aus den Aufzeichnungen herauszusuchen und auf Datenträger zu kopieren, so dass Sie sich ein Bild machen können.«

    »Danke.«

    »Gurth erreichte also das Parkhaus und ging auf seinen Porsche zu.« Alberts streckte die Hand in Richtung des Wagens aus, der noch immer an seinem Platz stand. »Dann fiel das Licht aus. Und zwar im gesamten Parkhausbereich. Die genaue Ursache dafür wird noch untersucht.«

    »Dies bedeutet wahrscheinlich, dass sämtliche Überwachungskameras mit einem Schlag blind waren«, schloss Roy.

    »Genau. Der Täter hatte mit der Dunkelheit allerdings keinerlei Probleme. Er hat Gurth zielsicher erschossen, ist dann an Gurth herangetreten und hat ihm einen aufgesetzten Kopfschuss gegeben. Ob der Arzt zu diesem Zeitpunkt bereits tot war, wird wohl erst die Obduktion ergeben.«

    »Ich nehme an, wenn das Licht komplett ausgeschaltet ist, sieht man hier nichts mehr«, sagte ich.

    »Nicht mal die Hand vor Augen«, bestätigte Alberts. »Wir haben das heute Morgen ausprobiert. Wir haben am Tatort einen 38er Revolver gefunden, der Gurth gehört haben muss. Aber angesichts der Lichtverhältnisse hat ihm die Waffe natürlich nicht helfen können.«

    »Der Täter muss ein Nachtsichtgerät getragen haben«, meinte ich. »Anders ist es nicht erklärbar, dass er Gurth überhaupt treffen konnte.«

    »Daran haben wir auch schon gedacht.«

    »Wie hat der Täter das Parkhaus verlassen?«, mischte sich nun Roy wieder ein.

    »Auch das ist noch nicht geklärt«, sagte Alberts. »Die simpelste Methode wäre, das Parkhaus einfach zu Fuß über die Ausfahrtsrampe zu verlassen. Es herrschte dort überall totale Dunkelheit und in dem kleinen Bereich, der vielleicht von außen durch die Straßenbeleuchtung etwas Licht abbekommen hat, gibt es keine Kameras mehr. Die andere Möglichkeit wäre gewesen, dass er mit dem Aufzug ins Erdgeschoss fuhr und das Haus auf ganz normalem Weg durch den Haupteingang verließ. Aber da wäre er aufgefallen, da die meisten Büros zu diesem Zeitpunkt längst Feierabend hatten und auch keine Kundschaft mehr empfingen. Möglichkeit drei: Er hätte sich in seinen Wagen setzen und abwarten können, bis der Stromausfall beendet war. Aber dann wäre er vermutlich auch leicht aufgefallen. Schließlich haben die Kollegen des Security Service sofort versucht, alles abzuriegeln und Kontrollen durchzuführen. Und selbst wenn er ihnen durch die Lappen gegangen wäre, müsste man ihn in den Videoaufzeichnungen sehen. Schließlich ist die gesamte Strecke bis zu der Ausfahrtsschranke nahezu lückenlos erfasst.«

    »Und wenn er während der Dunkelphase bereits gefahren ist?«, fragte Roy. »Angenommen er verfügte tatsächlich über ein Nachtsichtgerät, dann konnte er sich doch einfach ans Steuer setzen und wäre von den Kameras nicht gesehen worden, solange er die Beleuchtung einschaltete. Ich nehme doch nicht an, dass die Kameras auch über Mikrofone verfügen, so dass man später das Motorengeräusch hätte hören können.«

    Alberts schüttelte den Kopf.

    »Nein, das tun sie nicht. Ein bisschen Privatsphäre muss ja schließlich bleiben. Allerdings hätte er dazu die Schranke entweder über den Haufen fahren oder passieren müssen. Da die Schranke unbeschädigt ist und sie nachweislich zum fraglichen Zeitpunkt nicht passiert wurde, scheidet diese Möglichkeit aus.«

    »Das Einfachste ist oft auch das Effektivste«, mischte sich jetzt Frank Folder in das Gespräch ein. »Ich nehme an, dass die erste Möglichkeit zutrifft und er das Parkhaus zu Fuß verlassen hat. Zeit genug müsste er dafür eigentlich gehabt haben.«

    »Gut möglich«, gab Alberts zu.

    »Dann werden wir den Eingangsbereich nach Fußabdrücken und anderen Spuren absuchen, die wir später mit dem, was wir am Tatort finden, abgleichen können«, kündigte Frank an.

    »Ich fürchte, dazu ist es bereits zu spät«, entgegnete Alberts.

    Frank hob die Augenbrauen.

    »Wie kommen Sie darauf, Kommissar Alberts?«

    »Es hat in der Zwischenzeit jede Menge Publikumsverkehr gegeben.«

    »Das mag sein, aber wenn unsere Theorie stimmt, dann war darunter seit gestern Abend ganz gewiss nur ein einziger Fußgänger – Dr. Gurths Mörder.«

    5

    »Wer das Schwert nimmt, der wird durch das Schwert umkommen, so sagt Jesus, der Herr!«, dröhnte die tiefe Stimme von Moses Vosswinkel durch den Raum.

    Vosswinkel war eine imposante Erscheinung. Ein zwei Meter großer Mann mit vollem, sehr dichtem grauem Haar und einem grau durchwirkten Bart, der bis auf Brusthöhe hinabreichte.

    »Was tut denn ein sogenannter Arzt, der eigentlich geschworen hat, den Menschen zu helfen und sie mit Gottes Hilfe zu heilen, wenn er das durchführt, was man beschönigend einen Schwangerschaftsabbruch nennt? Jawohl, meine Brüder und Schwestern, er nimmt eine Waffe und greift ein menschliches Wesen an – dazu noch ein besonders hilfloses! Was macht es schon für ein Unterschied, ob es nun ein Schwert ist oder ein medizinisches Instrument, das den kleinen menschlichen Körper zerstückelt? Der Herr sagt, dass das Leben heilig ist! Und dass Gott es gesandt hat – diesen Odem, den er Adam einhauchte und der uns allen seitdem innewohnt. ‚Du sollst nicht töten’, so steht es schon in dem Gesetz, das Gott uns am Sinai gab. Und wer dagegen verstößt, ist ein Sünder, der selbst des Todes ist ...«

    »Danke, aus!«, rief ein Mann mit aufgekrempelten Hemdsärmeln, dem die Krawatte wie ein Strick um den Hals hing. Er nahm ein Glas Wasser, trank es aus und stellte zurück auf seinen Skripttisch. »Alles klar. War das Licht okay?«, wandte er sich an einen der Techniker.

    »Ja!«, kam es knapp zurück.

    Moses Vosswinkel entspannte sich ebenso deutlich wie die Kameraleute hinter ihren Geräten. Normalerweise wurde Vosswinkel stets durch das Publikum angespornt. Vor leeren Rängen, imaginären Zuschauern zu predigen, daran mochte er sich einfach nicht gewöhnen. Andererseits kam seine Sendung gut an und war auf ‚Gottes Bibel-TV’ der absolute Quotenspitzenreiter. Also gab es keinen Grund, seine Fähigkeiten als TV-Prediger infrage zu stellen.

    »Alles perfekt im Kasten!«, rief der Mann mit den Hemdsärmeln.

    Zwei Männer traten von hinten an ihn heran - der eine flachsblond, der andere mit blauschwarzem Haar und dunklen Teint.

    »Stefan Czerwinski, Kriminalpolizei. Dies ist mein Kollege Herr Medina. Wir haben ein paar Fragen an Herrn Moses Vosswinkel.«

    Der Mann mit den Hemdsärmeln drehte sich herum. Er starrte einen Augenblick lang auf den Dienstausweis, den Stefan ihm entgegen hielt. Dann atmete er tief durch und wischte sich mit einer fahrigen Handbewegung über das Gesicht.

    »Sie kommen zu einem ungünstigen Zeitpunkt, Herr Czerwinski. Wir zeichnen hier gerade eine Sendung für ‚Gottes Bibel-TV’ auf und sind ohnehin schon im Zeitplan hinterher.«

    »Das tut mir leid«, antwortete Stefan.

    »Wir würden das nicht tun, wenn es nicht unbedingt erforderlich wäre«, ergänzte Ollie Medina. »Dürfen wir erfahren, wer Sie sind?«

    »Krämer, Dieter Krämer, ich bin hier der Aufnahmeleiter und ausführender Produzent in einer Person.« Er seufzte. »Wenn es Ihr Geld kosten würde, würden Sie das nicht machen. Da bin ich mir ziemlich sicher.«

    »Wir sind sicher schnell fertig«, versprach Ollie Medina.

    Dieter Krämer nickte. Er machte seiner Crew ein Zeichen und rief: »Wir machen zwanzig Minuten Pause! Aber das mir hinterher jeder pünktlich ist!« Er wandte sich an die beiden Kommissare und knurrte: »Kommen Sie!«

    Stefan und Ollie folgten ihm auf die Bühne. Als Hintergrund wurde eine blaue Wand verwendet, die später gegen jeden beliebigen Hintergrund ausgetauscht werden konnte.

    »Herr Vosswinkel?«, fragte Stefan. »Ich bin Stefan Czerwinski von der Kripo Hamburg. Mein Kollege Herr Medina und ich hätten ein paar Fragen im Zusammenhang mit dem Tod von Dr. Mike Gurth an Sie.«

    »Pfarrer Vosswinkel – so viel Zeit muss sein, meine Herren!«, mischte sich Krämer ein.

    »So weit uns bekannt ist, hat Herr Vosswinkel weder ein Theologiestudium absolviert, noch steht er einer Kirchengemeinde vor oder hat sich sonst wie als Geistlicher qualifiziert – nach welchem Bekenntnis auch immer«, hielt Ollie ihm entgegen.

    »Die Kirchen sind zu Treffpunkten lauwarmer Kompromiss-Christen geworden, die das Wort Gottes nicht mehr ernst nehmen«, erklärte Vosswinkel. »Diejenigen, die sich mir angeschlossen haben, nennen mich üblicherweise Pfarrer, aber das muss für Sie nicht gelten.«

    »Ich schlage vor, wir gehen in einen Raum, in dem wir uns ungestört unterhalten können«, sagte Stefan.

    Vosswinkel wechselte einen etwas verwirrten Blick mit Krämer. Dieser zuckte mit den Schultern und beteuerte: »Ich habe keine Ahnung, was das Ganze soll!«

    »Mit dem Tod dieses unglückseligen, gottesfernen Arztes, der das Leben als etwas ansah, dass man im Abort verschwinden lassen kann, weil der Staat ihm dafür keine Strafe androht, habe ich nichts zu tun.«

    »Wir verdächtigen Sie auch keinesfalls. Unsere Fragen dienen der Information.«

    »Welcher Information? Das ist doch vollkommen lächerlich! Sie können mich gerichtlich vorladen lassen, wenn Sie glauben, dass das Ihrer Sache dient, aber ich weigere mich, mir Ihr Geschwätz auch nur anzuhören.«

    »Warum so feindselig?«, fragte Stefan. »Wir sollten versuchen zu kooperieren, soweit das möglich ist.«

    Vosswinkel durchbohrte Stefan förmlich mit seinem Blick und fuhr aufgebracht fort: »Deine Rede sei ja, ja oder nein, nein, so heißt es in der Bibel und daran habe ich mich immer gehalten! Alles, was ich zu dem Thema zu sagen habe, habe ich gesagt. Und zwar öffentlich! Jede Woche lege ich in meiner Sendung auf ‚Gottes Bibel-TV’ Zeugnis ab und mehr als 200 Veranstaltungen im Jahr im ganzen Land hätten Ihnen die Möglichkeit gegeben, sich über meine Ansichten zu informieren. Oder Sie hätten sich eines meiner Bücher anschaffen können. Aber nein, Sie bevorzugen natürlich den großen Auftritt und stören mich bei meiner Arbeit!«

    »Den großen Auftritt überlassen wir gerne Ihnen, Pfarrer Vosswinkel«, erwiderte Stefan. »Ich denke, es wäre aber für alle Seiten das Beste, wenn wir die anstehenden Fragen unter sechs Augen klären können.«

    »Meinetwegen auch unter acht Augen, wenn Sie glauben, dass Sie dazu einen Anwalt nötig haben«, ergänzte Ollie.

    Vosswinkel seufzte.

    »Na gut«, gestand er zu.

    Ollie und Stefan folgten ihm in einen Büroraum.

    »Ich möchte Sie auf Folgendes hinweisen«, eröffnete Vosswinkel das Gespräch, nachdem sich alle gesetzt hatten. »Soweit ich das über die Medien mitbekommen habe, wurde dieser Mörder-Arzt gestern Abend erschossen. Ich habe vor über tausend Menschen am Altonaer Volkspark gepredigt. Davon gibt es eine Videoaufzeichnung, die irgendwann in nächster Zeit auch auf ‚Gottes Bibel-TV’ läuft und als DVD zu beziehen ist. Außerdem ...«

    »Wie ich schon sagte, Ihnen persönlich wird in dieser Hinsicht nichts vorgeworfen, auch wenn man natürlich auf dem Standpunkt stehen könnte, dass Ihre Predigten die Tat vielleicht inspiriert haben ...«

    »Ich predige keine Gewalt. Aber ich verschweige auch nicht, dass das Gericht des Herrn mit aller Härte die Sünder treffen wird! Halleluja!«

    »Es gab in letzter Zeit eine Reihe von Sachbeschädigungen und Anschlägen auf Kliniken in Hamburg. Der Gipfel war der provozierte Stromausfall im Marienkrankenhaus, der unter Umständen einigen Menschen das Leben hätte kosten können«, erwiderte Stefan.

    Vosswinkel breitete die Arme aus.

    »Das ist bedauerlich. Aber ich habe nichts damit zu tun!«

    »Zwei der Täter wurden anhand der Videoüberwachung identifiziert: Wilhelm Bleicher und Tara Müller. Beide waren Aktivisten von LEBEN IST GÖTTLICH.«

    »Sie können mich nicht im Ernst für das haftbar machen, was Menschen, die meinen Predigten lauschen, anschließend tun. Es kommen Mörder, Huren und andere verworfene Seelen in meine Gottesdienste, und schon so mancher wurde dort durch die Verkündigung von Gottes Wort geläutert.«

    »Bleicher und Müller waren Angestellte Ihrer Stiftung – nicht nur irgendwelche Anhänger«, gab Ollie zu bedenken.

    »Was das mit dem Fall Gurth zu tun hat, ist mir ehrlich gesagt schleierhaft«, entgegnete Vosswinkel.

    Stefan versuchte, es ihm zu erklären.

    »Bleicher und Müller zählen für uns durchaus zum erweiterten Kreis der Tatverdächtigen. Es ergibt sich einfach ein beunruhigendes Gesamtbild der Aktivitäten Ihrer Organisation.«

    »Jetzt übertreiben Sie mal nicht!«

    »Gurth wurde – wie andere Ärzte auch – mit Drohanrufen und Hassbriefen drangsaliert. Zwei der Täter wurden verurteilt – Georg Brandner und Michael Milovich. Sie arbeiten als Ordner bei Ihren Veranstaltungen. Und dann ist da noch Alina Matern, die vor drei Jahren Gurth mit einem Messer attackierte. Zuvor war auch sie als Aktivistin von LEBEN IST GÖTTLICH tätig und wurde sogar mit der Durchführung von Predigerseminaren betraut.«

    »Dass wir Gurths Mörder im Umkreis Ihrer Organisation suchen, dürfte Sie doch angesichts dieser Tatsachen kaum überraschen«, ergänzte Ollie.

    Vosswinkel saß wie versteinert da. Sein Gesicht wirkte wie das gemeißelte Standbild eines alttestamentarischen Patriarchen. Der Blick war nach innen gekehrt. Schließlich murmelte er: »Sie werden von mir kein Wort des Bedauerns über Gurths unrühmliches Ende hören. Er hat geerntet, was gesät hat: Den Tod nämlich!«

    Stefan hob die Augenbrauen.

    »Ich hatte gehofft, Sie könnten uns dabei behilflich sein, Ihre Organisation von jedem Verdacht rein zu waschen, so dass wir uns auf andere Verdächtige konzentrieren könnten«, erklärte er. »Aber da scheine ich bei Ihnen leider auf Granit zu beißen.«

    »Ich soll Auskünfte über meine Mitbrüder geben? Für wen halten Sie mich? Ich bin kein Judas!«

    »Es soll unter Ihren Anhängern Gruppen geben, die eine radikalere Vorgehensweise bevorzugen würden«, stellte Ollie fest. »Könnte es sei, dass Teile von LEBEN IST GÖTTLICH Ihrer Kontrolle aus den Händen geglitten sind?«

    Moses Vosswinkel erhob sich mit hochrotem Kopf. Er ging zu einem der Wandregale des Büros. Neben Akten mit Geschäftsberichten und Steuerratgebern stand dort auch ein Bibelexemplar in Leder. Vosswinkel nahm es heraus und knallte es auf den Tisch.

    »Alles, was ich sage, gründet sich auf das Wort Gottes. Ich predige, was mir mein Gewissen gebietet und welche Schlussfolgerungen der einzelne daraus zieht, damit habe ich nichts zu tun.«

    »Machen Sie es sich damit nicht ein bisschen zu einfach?«, fragte Ollie.

    »Ich gehe den geraden Weg in der Nachfolge des Herrn. Das Leben ist für mich etwas Heiliges und ich empfinde es als Hohn, dass unsere Gesetze auf der einen Seite Mord bestrafen, ihn aber in anderen Fällen einfach geschehen lassen.«

    Es klopfte an der Tür. Dieter Krämer öffnete.

    »Können wir weitermachen, Pfarrer?«

    »Sofort!«

    »Sie wissen, dass wir heute die Sendungen des nächsten Monats aufzeichnen müssen!«

    Vosswinkel wandte sich an Stefan. »Ich denke, es gibt nichts weiter zu besprechen, Kommissar Czerwinski.«

    »Falls Ihnen irgendetwas einfällt, dass mit dem Fall zu tun hat, dann lassen Sie es uns bitte wissen«, forderte Stefan und reichte ihm eine seiner Visitenkarten. Vosswinkel zögerte zunächst. Dann nahm er sie und steckte sie ein.

    »Kommen Sie in meine Gottesdienste und lassen Sie Gottes Wort in Ihr verstocktes Herz, Herr Czerwinski!«

    6

    Ich begleitete Frank Folder auf dem Weg zur Ausfahrtsrampe, während Roy mit dem Leiter des Security Service sprach. Frank und ich gingen die Strecke ab, von der wir annahmen, dass auch der Täter sie gegangen war. Einer der Wachmänner der Security begleitete uns und stand uns Rede und Antwort. Er hieß Ronald Donner und war am Vorabend der Schichtführer gewesen.

    Ich versuchte zwischenzeitlich, das Polizeipräsidium zu erreichen, um weiterzugeben, dass der Täter vermutlich ein Nachtsichtgerät benutzt hatte. Aber mein Handy bekam erst Netzkontakt, als wir die Auffahrtsrampe erreichten. Ich bekam Max Warter an den Apparat.

    »Es muss ein Gerät gewesen sein, dass auf Infrarotbasis arbeitet und dadurch auch bei absoluter Dunkelheit funktioniert.«

    »Die Herkunft dieses Gerätes könnte ein Ermittlungsansatz sein«, glaubte Max. »Schließlich sind die Infrarotgeräte fiel seltener und technisch aufwendiger als diejenigen, die auf dem Prinzip der Restlichtverstärkung arbeiten.«

    »Ich hoffe, ihr bekommt etwas heraus.«

    »Nachtsichtgeräte werden vorwiegend beim Militär benutzt«, stellte Max fest. »Da der Täter damit umgehen und sogar schießen konnte, liegt der Schluss nahe, dass wir es mit jemandem zu tun haben, der das in der Bundeswehr gelernt hat.«

    »Du kannst ja mal nachsehen, ob einer der frommen Lebensschützer, die bis jetzt auf unserer Liste stehen, vielleicht ein martialisches Vorleben hatte«, schlug ich vor.

    Ich hörte, wie Max an seinem Terminal herumtippte.

    »Volltreffer!«, stieß er dann hervor. »Wilhelm Bleicher war bei der Bundeswehr. Ich werde mal sehen, ob sich darüber Näheres in Erfahrung bringen lässt.«

    Max unterbrach die Verbindung.

    Wir erreichten die Schranke. Frank sah sich um.

    »Waren Ihre Leute gestern hier?«, fragte ich inzwischen Ronald Donner.

    »Nein. Jedenfalls nicht zu Fuß«, erklärte der Security-Mitarbeiter. »Ich habe ein paar Posten an das Ende der Ausfahrtrampe beordert, nachdem wir begriffen hatten, was geschehen war.«

    »Wann war das der Fall?«

    »Bereits unmittelbar nach der Tat. Wir konnten den Mündungsblitz der Waffe sehen – außerdem noch ein anderes Licht.«

    »Haben Sie eine Ahnung, worum es sich gehandelt haben könnte?«

    »Die Polizei meint, es stamme von Gurths aufleuchtenden Handydisplay. Als der Strom ausfiel, wollte er damit wohl für Licht sorgen.«

    »Ich habe etwas gefunden«, meldete Frank. »Hier ist jemand durch einen Ölfleck gelaufen. Ich werde Fotos von dem Abdruck machen, so dass wir hinterher das Profil und die Größe des Schuhs haben.« Frank sah Donner einen Moment lang an. »Wir werden nicht umhin können, es mit den Schuhen Ihrer Leute zu vergleichen. Auch wenn angeblich keiner von denen zu Fuß hier gewesen ist – es könnte ja sein, dass Sie sich irren.«

    »Ich möchte von Ihnen noch wissen, wie Ihre Anordnungen lauteten, nachdem Ihnen bewusst wurde, dass ein Schuss gefallen war.«

    »So klar, wie Sie vielleicht denken, war das erst gar nicht. Im Vordergrund standen zunächst der Stromausfall und die Gebäudesicherung. Dann wurden alle Ein- und Ausgänge mit Posten besetzt, und ich bin mit mehreren Männern ins Parkdeck gegangen. Wir hatten nur eine Taschenlampe. Auf solche Einsätze sind wir nämlich nicht vorbereitet.«

    »Verstehe.«

    »Der Hausmeister war auch dabei. Wir sind zum Sicherungskasten gegangen und haben den Strom wieder eingeschaltet. Aber weshalb die Sicherung rausgeflogen ist, kann sich niemand erklären.«

    »Könnte der Täter sie nicht einfach ausgeschaltet haben?«

    »Der Kasten wird mit einem elektronischen Schloss gesichert. Man braucht eine Chipcard in Verbindung mit einem Zahlencode, um an die Sicherungen heranzukommen. Der Hausmeister besitzt eine solche Karte – und wir natürlich auch.«

    »Zeigen Sie mir gleich den Kasten!«, verlangte ich.

    »Gerne, Herr Jörgensen.«

    »Zuerst möchte ich mit Ihnen aber noch die Rampe hinaufgehen, um zu sehen, wo Ihre Leute postiert waren.«

    »Sie meinen, der Täter könnte meinen Männern durch die Lappen gegangen sein?«

    Donner schüttelte den Kopf. »Unmöglich!«

    »So, wie Sie mir das geschildert haben, war der Täter längst weg, als Ihre Leute die Rampe abriegelten«, hielt ich ihm entgegen.

    Wir erreichten das Ende der Rampe. Eine Asphaltbahn führte zurück zur Straße. Auf der anderen Seite schloss sich ein Park an. Ein Hot Dog-Stand befand sich dort und sorgte dafür, dass all die von ihrer Terminhetze geplagten Anwälte und Ärzte des Hauses schnell satt werden konnten.

    Ein Mann stand im eigentlichen Ausfahrtsbereich auf einem Stück, das weiß gestreift war. Kein Fußgänger hatte dort Zugang.

    »Hey, Sie!«, rief der Wachmann von der Security unwirsch. »Gehen Sie da weg!«

    Der Mann war etwa vierzig Jahre alt und hager. Ich schätzte ihn auf ein Meter achtzig. Die Hände hatte er in den Taschen seiner Jacke vergraben.

    »Alles klar!«, sagte der Hagerere. Er wirkte dennoch wie angewurzelt.

    »Hören Sie schwer?«, rief Donner.

    »Warten Sie mal, ich möchte mit dem Mann reden«, verlangte ich.

    Kurz entschlossen ging ich auf ihn zu und zog meinen Dienstausweis.

    »Uwe Jörgensen, Kriminalpolizei! Darf ich fragen, wer Sie sind und was Sie hier tun?«

    »Hier soll etwas passiert sein.«

    »Sie haben meine Frage nicht beantwortet.«

    Er zog einen Presseausweis und hielt ihn mir unter die Nase. Ich sah ihn mir an. Er hieß Jannes Immel. »Ich sehe mich nur um, dass ist ja wohl nichts Verbotenes.«

    »Nein. Aber es wundert mich, dass Sie nicht einfach mit dem Wagen in die Garage fahren und ein Parkticket erwerben.«

    »Das bekommen Sie nur, wenn Sie sich bei der Einfahrt in der Sicherheitszentrale melden und angeben können, bei wem Sie einen Termin haben. Die Angestellten haben natürlich eigene Parkausweise. Aber ansonsten ist es schwer da hineinzukommen.«

    »Sie kennen sich aber aus!«

    Er schluckte. Ich fragte mich, weshalb Immel meinem Blick dauernd auswich. Er vermied es regelrecht, mich anzusehen. Ein Goldkreuz fiel mir auf, das um seinen Hals baumelte.

    »Ich bin hinter der Gurth-Story her. Untersuchen Sie den Fall, Herr Jörgensen?«

    »Ja.«

    »Vielleicht können Sie mir ja weiterhelfen.«

    »Tut mir leid, aber erstens stehen wir in unseren Ermittlungen noch ganz am Anfang und zweitens kann ich nicht ohne Absprache mit dem Polizeipräsidium Informationen herausgeben, die entweder fahndungsrelevant sind oder die Rechte Dritter verletzen könnten.«

    Er zuckte mit den Schultern.

    »Das ist schade«, bekannte er.

    »Für welche Zeitung schreiben Sie?«

    »Ich … bin freier Journalist. Mal für das eine Blatt, auch mal für das Hamburger, mal bringen Sie von mir etwas in ein paar lokalen Radio- und Fernsehsendern. Warum fragen Sie?«

    »Weil Sie weder eine Kamera oder ein Aufnahmegerät dabei haben!«

    »Ich mache Hintergrundreportagen, keine Foto-Stories. Und da muss man erst einmal gründlich recherchieren. Die Kamera habe ich im Übrigen im Wagen liegen ...« Er sah auf die Uhr. »Leider muss ich jetzt weg ...«

    »Sie sind mit dem Wagen da?«

    »Sagte ich doch.«

    »Wo haben Sie ihn abgestellt?«

    »Man muss ein Stück durch den Park und dann links.«

    »Gehen wir zusammen, Herr Immel!«

    Er sah mich ziemlich perplex an.

    »Ich verstehe jetzt nicht so ganz, was hier läuft, Herr Jörgensen.«

    »Ganz einfach. Wir gehen davon aus, dass der Täter zu Fuß das Parkhaus verlassen hat. Er muss also ganz in der Nähe seine Wagen abgestellt haben. Möglicherweise auf dem Parkplatz, den Sie erwähnten.«

    Ich begleitete Immel zum Parkplatz. Der Bedarf an Parkplätzen hier war genauso hoch wie in anderen Teilen Hamburgs. Auch hier werden freie Asphaltflächen, auf denen man seinen Wagen abstellen kann, immer knapper. Jenseits des Parks befanden sich zahlreiche Geschäfte. Dementsprechend hoch lagen die Parkgebühren.

    »Was bringt es Ihnen zu wissen, dass der Täter seinen Wagen hier vermutlich abgestellt hat?«, fragte Immel.

    »Er könnte Spuren hinterlassen haben!«

    »Sie wollen doch nicht im Ernst behaupten, dass Sie davon ausgehen, hier Reifenprofile eines Wagens zu finden, der gestern Abend abgestellt war?«

    »Ich weiß nur, dass unsere Erkennungsdienstler sich alle Mühe geben werden.« Ich gab ihm meine Karte. »Falls Sie bei Ihren Recherchen etwas herausfinden, das mit dem Fall zu tun hat, dann lassen Sie es mich wissen, Herr Immel!«

    Er steckte die Karte ein.

    »Glauben Sie nicht, dass Sie von mir etwas ohne Gegenleistung hören.«

    »Darüber könnte man reden!«

    Mir fiel zum ersten Mal das rötliche Feuermal auf der Außenseite der rechten Hand auf, die er bis dahin stets in seiner Jackentasche vergraben hatte. Jannes Immel bezahlte sein Parkticket am Automaten, stieg in seinen Wagen – einen silbergrauen Mitsubishi – und fuhr bis zur Schranke. Nachdem er sein Ticket in den Schlitz gesteckt hatte, öffnete sich die Schranke und er fuhr davon. Ich griff zum Handy und rief Frank an.

    »Was gibt es, Uwe?«

    »Ich habe hier vielleicht einen Fingerabdruck des Täters.«

    »Wie bitte?«

    »Na ja, nicht gerade auf dem Silbertablett. Ihr werdet ein bisschen danach suchen müssen.«

    »Du sprichst in Rätseln, Uwe!«

    7

    Die nächste halbe Stunde verbrachte ich damit, die Betreiberfirma des Parkplatzes ausfindig zu machen. Der Platz gehörte zu einem Hotel, etwa sechzig Meter entfernt. Es war nicht schwer, den Direktor davon zu überzeugen, uns zu helfen. Sofern der Täter tatsächlich den Parkplatz benutzt hatte, musste er die Schranke passiert und sein Ticket abgegeben haben.

    Wenn wir die Tickets der letzten Nacht auf Fingerabdrücke untersuchten und diese anschließend durch den Computer jagten, stießen wir vielleicht auf jemanden, der sich in irgendeinen Zusammenhang zu Dr. Gurth bringen ließ.

    Ich ließ mir die infrage kommenden Tickets übergeben. Kommissar Alberts stellte ein paar Männer ab, um die Mülleimer auf dem Weg zum Parkplatz zu durchsuchen. Vielleicht hatte der Täter ja unterwegs etwas weggeworfen.

    Ich kehrte in die Tiefgarage zurück und ließ mir von Ronald Donner den Sicherungskasten zeigen. Er lag in einer Nische, etwa fünfzig Meter vom eigentlichen Tatort entfernt. Die Kameras erfassten diesen Bereich nicht und der Täter hatte das vermutlich ausgenutzt, um die Sicherung abzuschalten. So lautete jedenfalls die bis jetzt plausibelste Theorie, denn Martin Horster hatte den Sicherungskasten erkennungsdienstlich untersucht und jede Menge Fingerabdrücke sichern können, die noch mit denen des Hausmeisters und der Wachmänner des Security Service abgeglichen werden mussten.

    Ein Rätsel war nach wie vor, wie der Mörder es geschafft hatte, das elektronische Schloss zu überwinden.

    »Vor drei Wochen wurde eine Überprüfung sämtlicher elektronischer Schlösser im Haus durchgeführt«, verriet mir Donner.

    »Wir brauchen Name und Adresse der Firma, die das durchgeführt hat«, erklärte ich.

    »Ich werde dafür sorgen, dass Sie bekommen, was Sie brauchen.«

    Inzwischen war auch längst unser Chefballistiker David Eichner am Tatort eingetroffen und hatte mit seinen Untersuchungen begonnen.

    Mit Hilfe von Laserpointern waren die Schussbahnen exakt zu ermitteln. Dasselbe galt für den Standort, von dem aus der Schütze geschossen hatte. Seine Größe konnte aufgrund von Davids Ermittlungsergebnissen auf ein Meter achtzig geschätzt werden.

    Roy hatte sich in der Zwischenzeit zusammen mit den Kollegen des Security Service und der hiesigen Polizei die Videoaufzeichnungen noch einmal genau angesehen. Erkenntnisse, die wesentlich über den bisherigen Erkenntnisstand hinausgingen, ergaben sich dadurch jedoch nicht.

    »Wir haben bereits damit begonnen, aus den Videoaufzeichnungen all die Personen herauszufiltern, die im fraglichen Zeitraum überhaupt im Parkhaus anwesend waren«, meinte Roy.

    »Wobei sich der Täter durchaus auch Stunden früher hierherbegeben und sich unbemerkt in der unbeobachteten Nische aufgehalten haben könnte«, gab ich zu bedenken.

    Roy nickte.

    »Wäre das nicht jemandem aufgefallen?«

    »Offenbar nicht.«

    Zusammen mit Roy suchte ich schließlich die Praxis des ermordeten Arztes auf. Marita Jonas hielt dort nach wie vor die Stellung. Als Roy und ich die Praxis betraten, war sie jedoch nicht allein.

    Ein Mann mit kantigem Gesicht und hoher Stirn war bei ihr. Ich erkannte ihn als jenen Passanten wieder, der sehr ausdauernd die Arbeiten am Tatort beobachtet hatte.

    »Uwe Jörgensen, Kriminalpolizei. Dies ist mein Kollege Roy Müller«, stellte ich uns vor und hielt dabei zuerst Marita Jonas und anschließend dem Mann mit der hohen Stirn meinen Ausweis unter die Nase. »Frau Jonas?«

    »Kommissar Alberts hat Sie mir bereits angekündigt«, sagte Marita Jonas.

    »Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?«, wandte sich Roy an den Mann.

    Dieser lächelte verhalten.

    »Mein Name ist Maxwell. Dr. Hannes Maxwell, ich bin Gynäkologe in der Klinik in Hamburg-Mitte.«

    »Sind Sie so etwas wie eine Vertretung für Dr. Gurth?«, erkundigte ich mich.

    Maxwell schüttelte den Kopf.

    »Nein. Mike und ich kennen uns vom Studium. Ich hatte heute Morgen einen Termin bei meinem Anwalt, der hier im Haus seine Kanzlei unterhält. Dadurch habe ich das ganze Theater hautnah mitbekommen. Von Mikes Tod hatte ich natürlich zuvor schon aus dem Autoradio erfahren.« Ich bemerkte sein Zögern. Eine tiefe Furche erschien mitten auf seiner Stirn. Er musterte mich einen Moment und fuhr dann fort: »Ich musste einfach vorbeischauen, um Näheres zu erfahren.«

    »Hatte Sie in letzter Zeit Kontakt zu Dr. Gurth?«

    »Nein.«

    »Wann zuletzt?«

    »Ehrlich gesagt, seit dem Studium so gut wie gar nicht mehr. Wissen Sie, wir machen einen sehr anstrengenden Job, der viel von denjenigen fordert, die sich dafür entschiedenen haben. Da bleibt nicht viel Zeit, um Freundschaften zu pflegen.«

    »Ich habe Dr. Maxwell gesagt, dass sehr wahrscheinlich diese Fanatiker von den sogenannten Lebensschützern dahinter stecken«, äußerte sich nun Marita Jonas. »Zumindest war das die Vermutung von Kommissar Alberts.«

    »Genau wissen wir das natürlich noch nicht«, schränkte ich ein. »Aber Sie haben recht, im Moment deutet einiges in diese Richtung.«

    »Das, was Mike geschehen ist, kann jedem von uns passieren«, murmelte er. »Ich kenne das! Drohanrufe, Farbbeutel, die gegen das Auto geschleudert werden … Wahrscheinlich muss unsereins damit leben lernen – auch wenn es schwer fällt, so viel Intoleranz zu akzeptieren. Für diese Leute gibt es nur Schwarz oder Weiß. Grautöne interessieren sie nicht. Wenn eine Frau vergewaltigt wurde oder selbst noch ein halbes Kind ist und deswegen die Verantwortung für ein Baby einfach nicht tragen kann, dann interessiert diese Eiferer das nicht im Geringsten. Und die einzige Empfehlung, die sie Teenagern geben können, besteht darin, auf Sex vor der Ehe völlig zu verzichten. Wie unrealistisch das ist, brauche ich Ihnen sicher nicht zu erläutern.«

    »Unsere Ermittlungen stehen noch ganz am Anfang«, sagte ich.

    Dr. Maxwell erhob sich von seinem Platz.

    »Ich muss jetzt zum Dienst. Meine Schicht in der Klinik beginnt in einer Stunde und Sie wissen ja, wie die Verkehrsverhältnisse in Hamburg um diese Zeit sein können.«

    »Allerdings«, nickte ich.

    »Falls mir irgendetwas einfallen sollte, was Ihnen vielleicht weiterhilft - die Nummer der Polizei steht ja im Telefonbuch.«

    »Sie können auch mich persönlich anrufen.« Ich reichte ihm meine Karte, und Maxwell steckte sie ein.

    Er verabschiedete sich noch von Marita Jonas und verließ anschließend die Praxis.

    »Bevor Sie mir Ihre Fragen stellen, übergebe ich Ihnen schon einmal das hier«, eröffnete die Arzthelferin das Gespräch und gab Roy einen braunen Umschlag.

    »Was ist das?«, fragte ich.

    »Die Drohbriefe der letzten drei Monate und Aufzeichnungen von unfreundlichen Anrufen.«

    »Warum ist das nicht bei der Polizei gelandet?«

    »Dr. Gurth hat nicht mehr daran geglaubt, dass man ihm dort weiterhelfen konnte.«

    »Immerhin kam es zu zwei Verurteilungen«, gab ich zu bedenken.

    Marita Jones lächelte gequält.

    »Sie meinen Brandner und Milovich?«

    »Ja.«

    »Soll ich Ihnen was sagen? Der ganze Wirbel um den Prozess hat Dutzende von weiteren Fanatikern dazu ermutigt, uns zu terrorisieren. Und wer sagt Ihnen, dass diese beiden Typen nicht erneut damit angefangen haben und dabei nur geschickter vorgegangen sind? Zum Beispiel, indem sie darauf geachtet haben, ihr Prepaid Handy regelmäßig zu wechseln oder nicht immer dieselbe Telefonzelle zu benutzen und so weiter. Einige verändern ihre Stimme. Manche wurden fast so etwas wie gute Bekannte. Dr. Gurth gab ihnen Namen. Da war zum Beispiel der Krächzer, der erkennbar seine Stimme verstellte und sich auf diese Weise wohl davor schützen wollte, eventuell von der Polizei identifiziert zu werden.«

    »Gab es in letzter Zeit irgendwelche besonderen Vorfälle?«, fragte Roy. »Ich meine damit Attacken und Belästigungen, die über das Maß hinausgingen, das Dr. Gurth offenbar gewöhnt war.«

    »Dr. Gurth hat versucht, diese Dinge so gelassen wie möglich zu nehmen. Er sagte mir mal, wenn seine Stunde geschlagen hätte, sei es nun einmal soweit. Aber er wollte sich weder davon abbringen lassen, seinen Beruf auszuüben, noch sich dauernd durch Leibwächter abschirmen zulassen. Das sei kein Leben mehr, so fand er.« Marita Jonas wischte sich kurz über die Augen. Sie musste schlucken. »Versprechen Sie mir, dass Sie denjenigen zur Rechenschaft ziehen, der dieses Verbrechen zu verantworten hat!«

    »Wir werden auf jeden Fall tun, was wir können«, versicherte ich.

    8

    Jannes Immel fühlte, wie ihm der Puls bis zum Hals schlug. Er stand an einer der Piers am Hamburger Hafen. Es war ein klarer, kühler Tag. Man hatte eine freie Sicht auf Hamburg-Mitte.

    Jannes Immels Hand krampfte sich um den Griff der Pistole, die er in seiner Jackentasche verborgen hielt. Er lief den weit ins Wasser ragenden Pier entlang. Zwei Angler waren zu finden. Das Kreischen der Möwen erfüllte die Luft.

    Die Unterhaltung mit diesem Kommissar namens Jörgensen hatte Immel innerlich aufgewühlt.

    Ihm war schlecht.

    Wovor hast du jetzt Angst?, ging es ihm durch den Kopf. Davor, das Falsche getan zu haben oder davor, zur Rechenschaft gezogen zu werden? Gott gab uns die Freiheit der Entscheidung – und diese Entscheidung hatte dein Herz längst gefällt. Das ist das einzige was zählt …

    Er presste die Lippen aufeinander und erreichte schließlich das Ende der Pier.

    Ein kräftiger Wind ließ das Wasser der Elbe sich kräuseln.

    Mike Gurth, du hast genau das bekommen, was du verdient hast, durchfuhr es Jannes Immel. Wut erfüllte ihn und es dauerte einige Augenblicke, bis er sich wieder einigermaßen beruhigen konnte.

    Du wirst jetzt wahrscheinlich schon vor deinem himmlischen Richter stehen, Gurth, überlegte Immel. Und der wird dich nicht nach den Buchstaben eines zweifelhaften, von Menschen gemachten Gesetzes freisprechen, das Mord legalisiert. Den Mord an ungeborenen Kindern ebenso wie den Mord an einer schwach gewordenen Seele.

    Jannes Immel nahm die Waffe aus der Tasche. Das Ding musste jetzt schleunigst verschwinden.

    Er schleuderte es in einem hohen Bogen in die Elbe und scheuchte damit ein paar Möwen auf, die dicht über der Wasseroberfläche nach Beute Ausschau hielten.

    9

    Unsere Kollegen Tobias Kronburg und Ludger Mathies suchten die Adresse von Georg Brandner auf. Der als Ordner für die LEBEN IST GÖTTLICH STIFTUNG tätige Brandner wohnte in einem Mietshaus an der Ötzstraße auf St. Pauli. Das Apartment lag im vierten Stock. Das Gebäude verfügte über keinen nennenswerten Sicherheitseinrichtungen und gehörte damit eher der unteren Kategorie an.

    Mit Aufzug fuhren Ludger und Tobias in den vierten Stock, wo sie etwas später vor Brandners Tür standen. Routinemäßig postierten sich die beiden Kommissaren rechts und links von der Tür.

    »Ich schätze, Herr Brandner wird nicht begeistert von unserem Besuch sein«, glaubte Tobias.

    »Warten wir es ab!«

    Ludger betätigte die Klingel.

    Keine Reaktion.

    Ludger versuchte es ein zweites Mal und rief: »Herr Brandner? Machen Sie auf, hier spricht die Polizei! Wir müssen Ihnen ein paar Fragen stellen.«

    Im nächsten Moment krachten zwei Schüsse durch das Holz der Tür. Die großkalibrigen Geschosse stanzten daumendicke Löcher in das Holz und blieben auf der gegenüberliegenden Seite in der Steinwand stecken.

    »Ihr kriegt mich nicht!«, rief eine heisere Männerstimme. Das ratschende Geräusch eines Pump Action Gewehrs ertönte und eine Sekunde später donnerte der nächste Schuss durch das Holz.

    Tobias riss seinen Magnum Revolver vom Kaliber 357 aus dem Gürtelholster.

    Von der anderen Seite war zu hören, wie die Waffe erneut durchgeladen wurde. Der Schuss folgte sofort danach.

    »Jetzt«, rief Tobias.

    Er trat die Tür ein und ließ sie zur Seite fliegen, ging aber sofort wieder in Deckung. Der Kerl auf der anderen Seite hatte die Waffe erneut durchgeladen und schoss in den Flur. Den Revolver hielt Tobias mit beiden Händen.

    Georg Brandner lud jetzt erst das Gewehr durch.

    »Waffe weg!«, schrie Tobias.

    Aber Brandner hörte nicht darauf. Er taumelte mit seinem Pump Action Gewehr rückwärts auf die Tür zum Nebenraum zu und feuerte dabei. Der Rückstoß des ungezielten Schusses riss Brandner zur Seite, so dass die Kugel einen halben Meter über Tobias Kronburgs Kopf in den Türsturz hineinkrachte.

    Brandners Augen waren geweitet. Panik erfüllte ihn. Er schnellte in den Nachbarraum hinein. Tobias verzichtete auf einen Warnschuss. Innerhalb geschlossener Räume war das aufgrund zu erwartender Querschläger zu gefährlich.

    Tobias setzte nach. Ludger folgte ihm mit SIG Sauer P226 im Anschlag, der Standardwaffe der Polizei. An der Tür stoppten sie. Ludger versuchte in den Nachbarraum einzudringen. Eine Kugel, die dicht an ihm vorbeizischte und schließlich in einen der Schränke hineinfuhr, ließ ihn sofort wieder in Deckung gehen.

    »Ihr kriegt mich nicht!«, rief Brandner.

    Wenig später stürzten sie nacheinander in den Nachbarraum – ein völlig mit Möbeln überladenes Wohnzimmer.

    Die Tür zu dem schmalen, zur Straße ausgerichteten Balkon stand halb offen.

    Georg Brandner saß rittlings auf dem Geländer und lud das Pump Action Gewehr nach.

    »Seien Sie vernünftig, Herr Brandner! Wir sind nur hier, um mit Ihnen zu reden«, rief Tobias.

    Brandner schloss das Magazin der Waffe. Er blickte kurz hinunter auf

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