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Thriller Quartett 4073
Thriller Quartett 4073
Thriller Quartett 4073
eBook618 Seiten8 Stunden

Thriller Quartett 4073

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Über dieses E-Book

Dieser Band enthält folgende Krimis:
(499)


Alfred Bekker: Kommissar Jörgensen und die Biowaffen-Verschwörung

Thomas West: Rockerkrieg in Manhattan

Thomas West: Todesgrüße aus der Vergangenheit

Thomas West: Sound der Hölle



Die beiden FBI-Agenten Jesse Trevellian und Milo Tucker haben es mit einer ungewöhnlichen Mordserie zu tun: Die Getöteten wurden mit einem Pfeil vergiftet, der Curare enthielt. Dieses Gift lähmt die Atmung, und die Opfer ersticken qualvoll. Im Laufe der Ermittlungen stellt sich heraus, dass es sich bei den Ermordeten um Vietnamveteranen aus einem Trupp handelte, die seinerzeit ein vietnamesisches Dorfes überfallen und ausgemerzt hatten – allerdings waren nur drei Soldaten verantwortlich gemacht und von einem US-Kriegsgericht verurteilt worden … anscheinend will sich nach fast dreißig Jahren jemand an den übrigen rächen …
SpracheDeutsch
HerausgeberCassiopeiaPress
Erscheinungsdatum23. Juni 2023
ISBN9783753209722
Thriller Quartett 4073
Autor

Alfred Bekker

Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

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    Buchvorschau

    Thriller Quartett 4073 - Alfred Bekker

    Thomas West, Alfred Bekker

    Thriller Quartett 4073

    UUID: b7cf37be-6113-4d14-b59e-20435f077dbe

    Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (https://writeapp.io) erstellt.

    Inhaltsverzeichnis

    Thriller Quartett 4073

    Copyright

    Kommissar Jörgensen und die Biowaffen-Verschwörung

    Rockerkrieg in Manhattan

    Todesgrüße aus der Vergangenheit

    Sound der Hölle

    Thriller Quartett 4073

    Thomas West, Alfred Bekker

    Dieser Band enthält folgende Krimis:

    Alfred Bekker: Kommissar Jörgensen und die Biowaffen-Verschwörung

    Thomas West: Rockerkrieg in Manhattan

    Thomas West: Todesgrüße aus der Vergangenheit

    Thomas West: Sound der Hölle

    Die beiden FBI-Agenten Jesse Trevellian und Milo Tucker haben es mit einer ungewöhnlichen Mordserie zu tun: Die Getöteten wurden mit einem Pfeil vergiftet, der Curare enthielt. Dieses Gift lähmt die Atmung, und die Opfer ersticken qualvoll. Im Laufe der Ermittlungen stellt sich heraus, dass es sich bei den Ermordeten um Vietnamveteranen aus einem Trupp handelte, die seinerzeit ein vietnamesisches Dorfes überfallen und ausgemerzt hatten – allerdings waren nur drei Soldaten verantwortlich gemacht und von einem US-Kriegsgericht verurteilt worden … anscheinend will sich nach fast dreißig Jahren jemand an den übrigen rächen …

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author

    © dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

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    Alles rund um Belletristik!

    Kommissar Jörgensen und die Biowaffen-Verschwörung

    von Alfred Bekker

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    Alfred Bekker

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    Alles rund um Belletristik!

    Kommissar Jörgensen und die Biowaffen-Verschwörung

    von Alfred Bekker

    1

    Mein Name ist Uwe Jörgensen. Zusammen mit meinem Kollegen Roy Müller bin ich als Kriminalhauptkommissar in der sogenannten ‘Kriminalpolizeilichen Ermittlungsgruppe des Bundes’ tätig. Das ist eine Sondereinheit, die sich vor allem der Bekämpfung des organisierten Verbrechens widmet und in Hamburg angesiedelt ist.

    Wir kümmern uns um die großen Dinger, wie man so sagt.

    Manche Fälle bleiben einem immer im Gedächtnis.

    So auch dieser.

    Das war schon eine ganze besondere Sache - für mich, Roy, unseren Chef und all die zu uns gehören.

    Kein Fall wie jeder andere…

    *

    Hamburg, Gewerbegebiet Waltershof…

    Wie die Feuerzunge eines Drachen leckte das Mündungsfeuer aus dem Schalldämpfer. Gleichzeitig war ein Geräusch zu hören, das an den Schlag einer zusammengerollten Zeitung erinnerte.

    Der dunkelblau uniformierte Wachmann sackte in sich zusammen, ehe er in der Lage war, die Waffe aus dem Gürtelholster zu ziehen. Sein Hemd färbte sich in Herzhöhe dunkelrot.

    Ein Ruck durchlief den am Boden liegenden Körper, als der Killer noch einmal schoss – diesmal in den Kopf.

    Er wollte auf Nummer sicher gehen.

    Dann erst senkte er die Automatik. Seine dunkle Sturmhaube ließ nur die Augen frei. Er trug eine schusssichere Weste aus Kevlar. Auf dem Rücken befand sich ein kleiner Rucksack aus schwarzem Leder.

    Der Killer würdigte den Toten keines weiteren Blickes und stürmte zum Ende des Korridors.

    2

    Dort befanden sich sowohl Aufzüge als auch der Zugang zum Treppenhaus.

    Als der Killer sah, dass jemand den Lift benutzte, entschied er sich für das Treppenhaus.

    Mit dem Fuß trat der Killer die Tür zur Seite. Er hob die Waffe und stürmte vorwärts. Die Beleuchtung wurde automatisch über einen Bewegungsmelder eingeschaltet.

    Es war niemand dort.

    Immer mehrere Stufen auf einmal nehmend hetzte der Killer hinunter bis ins Erdgeschoss. Hinter einer feuerfesten Tür befand sich das Foyer des zehnstöckigen Büro- und Laborgebäudes der Firma General Biotech Ltd.

    Aber der Killer zog den Notausgang vor.

    Er steckte eine Chipkarte in den Schlitz des elektronischen Schlosses, woraufhin sich die Tür leicht öffnen ließ.

    Draußen war es dunkel.

    Ein eisiger Wind blies aus Nordwesten über die Elbe hinweg, die frische, aufstrebende und vor allem nicht ganz so teure Viertel Hamburgs. Irgendwo hinter den schroffen Industriefassaden, die das Gewerbegebiet in Waltershof beherrschten, graute ein eiskalter Morgen.

    Der Killer lief in geduckter Haltung über den Parkplatz. Um diese Zeit standen dort, abgesehen von den Einsatzfahrzeugen des Privaten Security Service SAFETY FIRST GmbH., keine Wagen. Das würde sich erst in zwei bis drei Stunden ändern, wenn die ersten Mitarbeiter eintrafen und die Sicherheitsschleuse am Haupttor passierten. Zwei mit MPis bewaffnete Männer patrouillierten dort. Sie trugen schwarze Jacken mit der Aufschrift SAFETY FIRST. Der Parkplatz war gut beleuchtet.

    Der maskierte Killer zog es vor, im Schatten des Hauptgebäudes zu bleiben. Zu dem von einer zwei Meter hohen und mit aufgesetztem Stacheldraht gesicherten Firmengelände gehörten auch noch zwei kleinere Gebäudekomplexe. Vor einem dieser Nebengebäude waren drei firmeneigene Lieferwagen von General Biotech abgestellt worden. Spezialfahrzeuge, die dem Transport von biologisch sensiblen Präparaten dienten, die auf keinen Fall in die Umwelt gelangen durften - und zwar auch dann nicht, wenn das betreffende Fahrzeug einen Unfall hatte.

    Der Killer schlich im Schatten der Gebäudewand weiter, nutzte dann eine weitere Schattenzone im hinteren Bereich des Firmengeländes aus und gelangte schließlich zu den Spezialfahrzeugen.

    Einer der mannscharfen Hunde, die von den patrouillierenden Security-Leuten an der kurzen Leine geführt wurden, bellte.

    Der Killer legte sich auf den Boden und rollte anschließend unter einen der Wagen.

    Ein Gullydeckel lag dort auf dem Asphalt. Daneben gähnte der Einstieg in das unterirdische Labyrinth der Abwasserkanäle von Waltershof. Der Killer stieg ein paar der metallenen Tritte in die Tiefe hinab und zog dann den Deckel wieder auf die Öffnung. Ein schabendes Geräusch war dabei nicht zu vermeiden.

    Es wurde stockdunkel, aber das störte den maskierten Killer nicht. Er setzte das Nachtsichtgerät auf, das ihm an einem Riemen um den Hals hing. Es arbeitete nicht mit Restlichtverstärkung, sondern auf Infrarotbasis, so dass es auch bei vollkommener Dunkelheit funktionierte.

    Ein hechelnder Laut war jetzt zu hören. Einer der Hunde kroch unter den Wagen.

    Der Killer verharrte regungslos. Er griff nach seiner Waffe, die er zwischenzeitlich unter seinem Blouson verstaut hatte und richtete sie nach oben.

    »Ist ja schon gut, was hast du denn gefunden?«, hörte er die Stimme eines Security-Manns. Lichtblitze flackerten durch die Löcher im Gullydeckel.

    »Da ist nichts«, sagte eine andere Stimme.

    »Wäre nicht das erste Mal, dass unsere Kanalisation zum Himmel stinkt.«

    »Und unsere Hunde macht das verrückt.«

    »Du sagst es.«

    »Komisch. Heute rieche ich gar nichts!«

    »Hunde haben feinere Nasen! Vergiss das nicht!«

    »Man sollte den Stadtrat mal geschlossen in die Kanäle schicken und nicht eher wieder rauslassen, bis sie sich darauf geeinigt haben, wie man das marode Abwassernetz wieder instand setzen kann!«

    »Meinetwegen könnte die ganze Bande auch dort unten bleiben. Dann wären die Brüder doch bei ihren Verwandten.«

    »Wieso?«

    »Na, bei den Ratten!«

    Ein heiseres Lachen folgte. Der Hund bellte ungeduldig.

    Gut, dass ihr nicht so gute Nasen habt wie euer Köter, dachte der maskierte Killer. Er hörte die Schritte der Männer sich langsam entfernen und atmete tief durch.

    3

    Roy und ich trafen um kurz nach acht auf dem Gelände der Firma General Biotech in Waltershof ein. Die Wachmänner des Security am Haupttor winkten uns durch, nachdem mein Kollege Roy Müller und ich unsere Dienstausweise vorgezeigt hatten.

    Der Parkplatz war noch nicht einmal zu einem Viertel gefüllt. Dafür standen umso mehr Einsatzfahrzeuge der Polizeidienststelle von Waltershof vor dem Hauptgebäude.

    In der Nacht hatte es einen Einbruch in das hochsensible Biolabor dieses Unternehmens gegeben, von dessen Produktpalette ich bislang nur ein ziemlich diffuses Bild hatte. Ich wusste, dass General Biotech unter anderem für die Armee Impfstoffe gegen Biowaffen herstellte. Zumindest hatte uns das Herr Bock, unser Chef, am Telefon gesagt, als er uns nach Waltershof beorderte.

    Es bestand der Verdacht, dass es einen Zusammenhang zum internationalen Terrorismus gab.

    Und das bedeutete automatisch, dass die Kriminalpolizei auf den Plan gerufen wurde.

    »Ich glaube, man würde uns auch rufen, wenn in einer Firma wie General Biotech nur ein Bleistift abhanden gekommen wäre«, meinte Roy. »In dieser Branche ist doch immer alles gleich sicherheitsrelevant.«

    »Du hast recht, Roy!«, meinte ich und schlug mir den Mantelkragen hoch. Es war lausig kalt an diesem Morgen.

    Mir fiel auf, dass kein Wagen des Gerichtsmediziners unter den Einsatzfahrzeugen war. Die Leiche des bei dem Einbruch erschossenen Wachmanns war also schon in der Gerichtsmedizin. Allerdings hatten vor dem Haupteingang auch zwei Fahrzeuge des Erkennungsdienstes geparkt. Dieser zentrale Erkennungsdienst arbeitete für alle Hamburger Polizeieinheiten. Auch für uns von der Kriminalpolizei. Wäre dies ein normaler Einbruch gewesen, bei dem ein Wachmann ums Leben gekommen war, so hätte man mit Sicherheit den eigentlich für Waltershof zuständigen Erkennungsdienst verständigt. Aber die Sache wurde an höherer Stelle offenbar als so wichtig angesehen, dass man die Spezialisten angefordert hatte.

    Ein Polizei in Uniform nahm uns am Haupteingang in Empfang und brachte uns zu dem zuständigen Einsatzleiter der Polizei.

    Es handelte sich Kommissar Mark Bronstein, den Leiter der Mordkommission der Waltershofer Dienststelle. Bronstein war ein grauhaariger, fülliger Mann und konservativ gekleidet. Ihm hing allerdings die Krawatte wie ein Strick um den Hals.

    Roy und ich stellten uns kurz vor.

    »Wir haben schon auf Sie gewartet«, sagt Bronstein. »Was wissen Sie schon?«

    »Nur, dass eingebrochen wurde und ein Wachmann dabei ums Leben kam«, sagte ich. »Außerdem sollen wichtige Daten und ein Behälter mit gefährlichen Krankheitserregern gestohlen worden sein.«

    »Das war zunächst nur ein Verdacht«, nickte Bronstein. »Inzwischen haben wir die Gewissheit, dass die Festplatten mehrerer Computer kopiert wurden. Darauf befinden sich Forschungsdaten von unschätzbarem Wert.«

    »Wäre so ein Datendiebstahl nicht leichter über das Internet möglich?«, fragte ich. »Hacker aus Hamburg sind vor ein paar Jahren in die Datenspeicher des Polizeipräsidiums eingedrungen, da dürfte es doch möglich sein, bei General Biotech datentechnisch zu wildern.«

    »Da fragen Sie besser Professor Beifus, den Chefentwickler von General Biotech«, erwiderte Bronstein. »Der wird Ihnen jede Einzelheit erklären können. Aber soweit ich das verstanden habe, hat das Datennetz des Labortrakts von General Biotech überhaupt keine Verbindung zur Außenwelt. Internet oder andere Datenfernleitungen gibt es ausschließlich in den Abteilungen, die mit Verkauf und Marketing zu tun haben.«

    Wenn es tatsächlich nur ein internes Netz gab, war ein Hackerangriff kaum möglich. Für eine Zentrale wie das Polizeipräsidium war ein derart isolierter Zustand natürlich nicht denkbar. Die Methode, mit der Hacker sich in solche Datenverbundsysteme hineinschlichen, war immer dieselbe. Sie marschierten nicht durch den gut gesicherten Haupteingang, sondern kamen durch die ungesicherte Hintertür. In einem Verbund von Tausenden von Rechnern reichte es, wenn man ein Zugangsgerät fand, dessen Sicherheitsfunktionen noch auf Werkseinstellung geschaltet waren.

    Aber das Hochsicherheitslabor einer verhältnismäßig kleinen Firma ließ sich viel hermetischer sichern.

    »Was ist mit dem Verdacht, dass auch Präparate gestohlen wurden?«, erkundigte sich jetzt mein Kollege Roy Müller.

    »Gegenwärtig wird noch geprüft, ob etwas fehlt«, erklärte Bronstein. »Kommen Sie mit mir!«

    Wir folgten dem hiesigen Chef der Mordkommission in den fünften Stock.

    Die Flure waren mit Teppichboden ausgelegt. Man hörte fast keinen Laut, wenn man darüber ging.

    Mehrere Männer und Frauen in den weißen, hauchdünnen Schutzoveralls des Erkennungsdienstes machten hier ihren Job und suchten die Umgebung nach kleinsten Spuren ab, die der oder die Täter vielleicht hinterlassen hatten.

    Eine weiße Kreidemarkierung zeigte an, wo der tote Wachmann zu Boden gegangen war.

    »Wie hieß der Tote?«, fragte ich.

    »Herrmann Graumann«, gab Bronstein bereitwillig Auskunft und nahm dabei einen kleinen Block hervor, auf dem er sich ein paar Notizen gemacht hatte. »Graumann hatte das Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Aus irgendwelchen Gründen scheint er eine außerplanmäßige Runde durch das Gebäude gemacht zu haben!«

    »Könnte es sein, dass er Verdacht geschöpft hat?«, warf Roy ein.

    »Dann frage ich mich, weshalb er seinen Kollegen nicht Bescheid gesagt hat und einen Alleingang versuchte«, meinte Bronstein. »Aber vielleicht ist die Lösung viel einfacher.«

    »So?«, fragte Roy.

    »Am Ende des Ganges liegt die Personaltoilette dieses Traktes. Wahrscheinlich ist Herrmann Graumann deswegen hier gewesen.«

    »Das leuchtet ein«, meinte ich.

    Roy hob den Arm und deutete auf eine der Überwachungskameras, die gut sichtbar angebracht waren.

    »Wie ich sehe, gibt es hier eine Videoüberwachung.«

    »Der Mord müsste gefilmt worden sein". meinte ich.

    »Richtig«, stimmte Bronstein zu »Es gibt eine Sicherheitszentrale, von der aus die Kameras über Monitore überwacht werden. Natürlich ist es nicht möglich, jeden Winkel dieses Gebäudekomplexes ständig zu überwachen.«

    »Das bedeutet, in der Zentrale hat niemand etwas gesehen«, schloss ich.

    »Die Kollegen von SAFETY FIRST werten gerade mit unseren Leuten die Videoaufzeichnungen aus. Schließlich kann sich der Täter kaum innerhalb des Gebäudes bewegt haben, ohne von einer der Kameras aufgenommen worden zu sein. Das Ganze ist nur eine Frage der Zeit.«

    4

    Mark Bronstein führte uns zum Labor Nummer 5c, einem Trakt, der hermetisch vom Rest des Gebäudes abgeschlossen war. Es herrschten strenge Quarantänebedingungen. Roy und ich mussten Schutzoveralls und Mundschutz tragen und passierten in Begleitung einer jungen Mitarbeiterin von General Biotech die Sicherheitsschleuse.

    Bronstein brauchte etwas länger, um sich in seinen Overall zu zwängen und folgte uns wenig später.

    Kollegen des Erkennungsdienstes nahmen gerade die Türen genauestens unter die Lupe, denn es war noch immer ein Rätsel, wie der Täter in den Quarantäne-Bereich gelangt war.

    »Woher wissen Sie so genau, dass es nur ein Täter war?«, fragte ich.

    »Normalerweise wird hier ein Iris-Scan bei jedem durchgeführt, der den Sicherheitsbereich betritt«, sagte Bronstein. »Und in dieser Nacht wurde Labor 5c nur von einer einzigen Person betreten, das steht fest.«

    »Aber dann musste diese Person doch autorisiert gewesen sein«, schloss ich.

    »Der abgespeicherte Iris-Scan stimmt mit keinem der autorisierten Mitarbeiter überein«, erklärte Bronstein.

    Roy und ich wechselten einen etwas irritierten Blick.

    »Wie ist der Kerl dann hier hereingekommen?«, hakte mein Kollege nach.

    »Wir nehmen an, dass am Rechnersystem herummanipuliert wurde«, antwortete jetzt die junge General Biotech-Mitarbeiterin anstelle von Kommissar Bronstein. An ihrem Schutzanzug stand ihr Name: Dr. Tessa Ölrich. Ich schätzte sie auf Mitte zwanzig. Sie musste ziemlich schnell studiert haben, um bereits in so jungen Jahren so weit zu kommen.

    Ich wandte ihr den Blick zu.

    »Das würde bedeuten, dass der Täter einen Komplizen bei General Biotech haben muss.«

    »Ich fürchte, Ihre Schlussfolgerung ist die einzig logische Konsequenz«, nickte sie. Sie seufzte hörbar. »Der Gedanke gefällt mir absolut nicht, dass einer meiner Kollegen dem Verrückten geholfen hat, der uns das alles hier einbrockte.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Wenn man weiß wie, ist die Angelegenheit doch ziemlich simpel. Man sorgt nur einfach dafür, dass ein bestimmtes, ins System eingeschmuggeltes Irisbild mit der Autorisation eines Zugangsberechtigten verknüpft wird.«

    »Aber soweit ich bisher verstanden habe, ist das Datennetz von General Biotech nach außen hin absolut abgeschlossen«, vergewisserte ich mich noch einmal bei der jungen Wissenschaftlerin. »So kann diese Manipulation nur von innen vorgenommen worden sein.«

    »Vollkommen richtig«, bestätigte sie.

    Wenig später erreichten wir einen Laborraum, dessen Tür erkennbar beschädigt worden war. Offenbar war die Tür mit einem Tritt geöffnet worden. Weitergehende Sicherheitsmaßnahmen – abgesehen von ganz gewöhnlichen elektronischen Schlössern – schien es im inneren Sicherheitsbereich nicht mehr zu geben.

    Warum auch?, überlegte ich. Schließlich gab es eigentlich genug Barrieren, die verhinderten, dass sich ein Unbefugter Zutritt zu den streng geheimen Laboren des aufstrebenden Biokonzerns verschaffte. Aber genau das war hier geschehen. Und dass mit einer generalstabsmäßigen Planung, die ihresgleichen suchte.

    Der Täter hatte zunächst die Außenbarriere des Geländes überwinden oder an den Wachen am Haupteingang vorbei müssen. Dann gab es das elektronische Schloss mit ID-Kontrolle und einem elektronischen Schloss, das mit einer Chipkarte geöffnet werden konnte.

    Anschließend kamen noch mehrere solcher Schlösser, bevor der Täter die Sicherheitsbarriere des Quarantäne-Sektors sowie die Tür zum eigentlichen Labor mit der Bezeichnung 5c überwand.

    »Der Kerl hat also eine gültige Chip-Card besessen«, stellte ich fest. »Wie konnte er denn an so ein Ding herankommen?«

    »Auch da muss ihm jemand geholfen haben«, meinte Dr. Ölrich.

    In Labor 5c herrschte penible, sehr sterile Ordnung. Eigentlich hatte ich nach einem Einbruch etwas anderes erwartet. Aber der Täter schien ganz genau gewusst zu haben, was er wollte.

    Mehrere Kollegen der Spurensicherung waren inzwischen im Einsatz und machten mit den Laborassistenten eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Präparate.

    Die Rechner waren hochgefahren worden.

    »Das ist Professor Dr. Leo Beifus, der wissenschaftliche Leiter der Entwicklungsabteilung von General Biotech«, stellte uns Tessa Ölrich einen Mann vor, dessen Kopf vollkommen haarlos war. Sein Alter war schwer zu schätzen. Ich nahm an, dass er Ende fünfzig war.

    »Uwe Jörgensen, Kriminalpolizei«, stellte ich mich vor. »Dies ist mein Kollege Roy Müller.«

    Leo Beifus blickte kurz in Bronsteins Richtung. Dann meinte er: »Jetzt sagen Sie nicht, dass ich den beiden Ermittler alles noch einmal erzählen muss!«

    »Ich denke, wir werden nicht einmal die Letzten sein, denen gegenüber Sie alles noch mal haarklein wiederholen müssen«, erwiderte ich kühl, noch bevor Bronstein etwas hatte sagen können.

    Leo Beifus schluckte. Er verschränkte die Arme vor der Brust, was seiner Körperhaltung einen abweisenden Ausdruck verlieh. Er schien zu überlegen. Schließlich machte er eine wegwerfende Handbewegung.

    »Wahrscheinlich haben Sie sogar recht, Herr Jörgensen«, musste der Chefentwickler des General Biotech Konzerns zugeben. Versicherungen und die Presse würden sich vermutlich gleich nach uns der Sache annehmen, später folgten dann unweigerlich Staatsanwaltschaft und das Gericht.

    Beifus sah mich einige Augenblicke lang nachdenklich an, ehe er schließlich sagte: »Der Einbrecher hat zunächst einmal einen hochsensiblen Datensatz kopiert und auf einen Datenträger gezogen. Das geht aus den Protokolldaten hervor.«

    »Ich nehme an, Sie benutzen Passwörter und dergleichen Sicherungen«, erwiderte ich.

    Die sehr hellen und daher kaum sichtbaren Augenbrauen des Wissenschaftlers zogen sich zusammen. Er schien allein schon meine Frage als Beleidigung zu empfinden.

    »Selbstverständlich!«, sagte er ziemlich pikiert. »Aber dieser ungebetene Gast hat es trotzdem geschafft.«

    »Dann nennen Sie mir bitte alle Personen, denen die Zugangscodes zu diesem Rechner bekannt sind.«

    »Das beschränkt sich auf die Mitglieder unseres wissenschaftlichen Teams – meine Person und die von Dr. Ölrich eingeschlossen. Dazu kämen noch der Systemadministrator unseres internen Datennetzes und seine Mitarbeiter. Insgesamt etwa fünfundzwanzig Personen. Ich werde in der Personalabteilung Bescheid sagen, dass man Ihnen eine Liste anfertigen soll.«

    »Wissen Sie inzwischen, ob auch Präparate entwendet wurden?«, fragte Roy Müller.

    Professor Beifus’ Gesicht wurde sehr ernst. Er nickte stumm und schluckte.

    »Ja. Der Täter hat genug RCH-432 entwendet, um damit eine Katastrophe auszulösen.«

    »Was ist RCH-432?«, hakte ich nach.

    Ein Tumult entstand draußen auf dem Flur. Ein Mann ohne den vorgeschriebenen Schutzanzug ließ die Labortür zur Seite fliegen und trat zusammen mit zwei Begleitern in dunklen Anzügen ein. Er war groß, hager, hatte eine hohe Stirn und einen Knebelbart. Sein Gesicht war V-förmig, die Augen eisgrau. Er hielt einen Ausweis wie einen Bannschild vor sich.

    »Sandro Grahms, Amt für Nationale Sicherheit! Wir übernehmen jetzt!«

    »Jörgensen, Kriminalpolizei«, sagte ich.

    »Danke für Ihre Mithilfe, Herr Jörgensen. Sie können jetzt gehen.«

    »So einfach geht das nicht«, erwiderte ich. »Mein Kollege Müller und ich haben den Auftrag, hier Ermittlungen durchzuführen, und solange ich vom Chef des Präsidium Hamburg keine gegenteilige Anweisung bekomme, gilt für mich das, was unser Chef Herr Bock sagt.«

    Sandro Grahms trat nahe an mich heran.

    Wir waren etwa gleich groß.

    Der Blick seiner eisgrauen Augen bohrte sich förmlich in die meinen. Er verzog das Gesicht. Ein Lächeln konnte man das nicht nennen. Es erinnerte eher an das Zähneblecken eines Raubtiers. »Dieser Fall berührt die nationale Sicherheit und fällt daher in unser Ressort.«

    »Wenn ich das richtig sehe, sind Sie mir gegenüber keineswegs weisungsberechtigt«, erwiderte ich kühl. »Und jetzt hindern Sie mich bitte nicht daran, meine Arbeit zu tun und ein Verbrechen aufzuklären!«

    »Hier gibt es nichts zu klären, Herr Jörgensen. Jedenfalls nicht für Sie!«

    »Wenden Sie sich an Herrn Bock, den Chef unseres Präsidiums am Bruno-Georges-Platz. Sollte von ihm die Anweisung kommen, dass wir die Sache abgeben, bin ich schneller weg, als Sie glauben. Aber bis dahin werde ich meinen Job machen, und sollte dieser Job eine Anzeige gegen einen Regierungsbeamten wegen Behinderung der Justiz beinhalten, so sollten Sie sich darüber später nicht wundern, Herr Grahms!« Ich wandte mich an Professor Beifus. »Sie wollten mir gerade erklären, was RCH-432 ist.«

    »Das ist eine interne Bezeichnung für …«

    »Stopp!«, fuhr Grahms dazwischen. »Sie sind Professor Dr. Leo Beifus?«

    »Ja.«

    Er hielt ihm seinen Ausweis unter die Nase.

    »Dann sehen Sie sich diesen Ausweis gut an. Ihre Firma arbeitet im Regierungsauftrag an Abwehrpräparaten und Impfstoffen gegen biologische Kampfmittel …«

    »Das ist korrekt, aber …«

    »Sämtliche Informationen darüber, was hier hergestellt wurde und woran im Einzelnen geforscht wird, unterliegen den Bestimmungen zur Aufrechterhaltung der Nationalen Sicherheit und den damit verbundenen Geheimhaltungsrichtlinien. Alle Mitarbeiter, die an diesem Projekt teilgenommen haben, sind über diese Bestimmungen aufgeklärt worden und haben sich mit ihrer Unterschrift verpflichtet, sie auch einzuhalten. Das gilt auch für Sie, Professor Beifus. Ein unbedachtes Wort und Sie haben einen Prozess am Hals, der Sie nie wieder froh werden lässt!«

    Beifus wandte sich an mich.

    »Es tut mir leid, Herr Jörgensen, aber …«

    »Das kann nicht Ihr Ernst sein, Grahms«, mischte sich Roy ein. »Da läuft ein Kerl mit einem hochgefährlichen Präparat herum und die ermittelnde Polizeibehörde bekommt noch nicht einmal die nötigen Informationen darüber, um die Gefahren abwenden zu können.«

    »Wir werden schon die richtigen Schritte veranlassen«, versprach Grahms.

    »Aber noch ist das unser Tatort!«, wies ich ihn zurecht. »Sorgen Sie für eine rechtliche Klärung, dann sehen wir weiter! Und jetzt möchte ich wissen, was RCH-432 ist!«

    »Ich werde keine Aussage dazu machen, Herr Jörgensen, bis ein Justiziar von General Biotech anwesend ist«, erklärte Beifus. Er drehte sich herum, wandte sich den anderen anwesenden Mitarbeitern zu. »Ich werde jedem von Ihnen raten, dasselbe zu tun. Schließlich hat Kommissar Grahms recht. Wir haben alle eine Erklärung unterzeichnet, die uns zu striktester Geheimhaltung verpflichtet.«

    Sandro Grahms grinste schief.

    »Viel Spaß bei der Arbeit, Herr Jörgensen! Ich werde mich jetzt darum kümmern, dass man Ihnen im Präsidium einen besonders warmen Empfang bereitet und Sie wahrscheinlich nie wieder auf irgendeiner Beförderungsliste stehen.«

    »Überschätzen Sie sich nicht!«, erwiderte ich.

    »Ach – noch etwas, Jörgensen!«

    »Ich habe Ihre Erklärung nicht unterschrieben, Herr Grahms! – falls Sie darauf hinauswollen! Und was die nationale Sicherheit angeht, würde ich niemals etwas tun, was diese gefährdet.«

    Grahms verzog das Gesicht.

    »Absichtlich vielleicht nicht, aber wenn Sie wüssten, welche Gefahren schon durch gutmütige Trottel verursacht wurden … Wie auch immer, was ich Ihnen noch zu Ihrer Beruhigung sagen wollte, ist Folgendes: Ich weiß sehr genau, was RCH-432 ist und bin auch in der Lage diese Gefahr einzuschätzen. Wir bekommen die Sache in den Griff, seien Sie sich dessen gewiss! Falls wir dabei Ihre Hilfe brauchen, werden wir euch Ermittler schon verständigen.« Er machte eine ausholende Geste. »Wenn hier irgendeiner Ihrer Leute was am Tatort vermasselt, dann sind Sie und Ihre Vorgesetzten dran, das kann ich Ihnen flüstern.«

    Damit wandte sich Grahms um. Er machte seinen Begleitern ein Zeichen, woraufhin sie ihm folgten. Lautstark fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss.

    »Sieht nach Ärger aus, Uwe«, meinte Roy. »Was bildet dieser Kerl sich eigentlich ein?«

    Wahrscheinlich war Grahms uns bereits ein paar Schritte voraus und glaubte wohl auch deshalb, uns wie dumme Jungs behandeln und dementsprechend abkanzeln zu können.

    »Ich werde mit Herrn Bock sprechen«, kündigte ich an. Ich griff zum Handy. Wenige Augenblicke später hatte ich unseren Chef am Telefon.

    »Was gibt es, Uwe?«

    In knappen Worten schilderte ich Herrn Bock die Begegnung mit Grahms.

    »Machen Sie weiter wie bisher«, sagte unser Chef. »Das nehme ich notfalls auf meine Kappe. Es geht schließlich nicht an, dass die Bekämpfung des Verbrechens durch Kompetenzstreitigkeiten behindert wird.«

    »Ganz meine Meinung, Chef.«

    »Ein Dutzend Ihrer Kollegen sind auf dem Weg zu Ihnen, um Sie zu unterstützen«, kündigte unser Chef dann an.

    »Unterstützung haben wir hier dringend nötig – und das nicht nur wegen der Knüppel, die uns Kommissar Grahms zwischen die Beine wirft, sondern auch deshalb, weil hier wahrscheinlich mehrere Dutzend Mitarbeiter von General Biotech sowie dem Sicherheitsdienst SAFETY FIRST befragen müssen.«

    »Zwei Spezialisten in Sachen Biowaffen sind bei der BKA-Zentrale in Berlin angefragt. Gegen 11 Uhr steigen die am Hamburger Flughafen aus dem Flieger und sind dann entsprechend später bei Ihnen, Uwe.«

    »Gut. Aber vielleicht wissen wir ja bis dahin auch ohne diese Spezialisten schon etwas mehr.«

    »Ich werde mich inzwischen ganz offiziell mit den Kollegen des Amtes für Nationale Sicherheit in Verbindung setzen, um die bestehenden Kompetenzprobleme zu lösen. Bis später, Uwe!«

    »Ja, Chef.«

    5

    Später traf der Justiziar von General Biotech ein. Er hieß Georg Maurer, ein Hochschulabsolvent, der früher in einer großen Hamburger Kanzlei als Anwalt tätig gewesen war, bis er die juristische Vertretung von General Biotech übernommen hatte.

    Unglücklicherweise unterstützte er Grahms Linie, wonach keiner der angestellten Wissenschaftler zu Details der bei General Biotech Betriebsforschung Stellung nehmen sollte.

    »Diese Einschränkung betrifft wirklich nur alles das, was mit unseren Forschungen zu tun hat«, erläuterte Georg Maurer, ein kleiner, übergewichtiger Mann, der unter seinem Jackett sowohl Gürtel als auch Hosenträger trug. Er war also wohl jemand, der in jeder Hinsicht auf Nummer sicher ging. »Was den Tathergang angeht oder eventuell sonstige sachdienliche Hinweise, Aussagen zu besonderen Beobachtungen, die im Zusammenhang mit der Tat gemacht wurde und der gleichen mehr, haben die Mitarbeiter unserer Firma natürlich eine umfassende Aussageerlaubnis. Zumindest sehe ich da keinerlei juristische Probleme.«

    »Zu gütig«, knurrte Roy. Ich sah ihm an, wie sehr ihn diese Spitzfindigkeiten innerlich kochen ließen.

    Aber gegenwärtig mussten wir uns mit den Gegebenheiten abzufinden. Natürlich hätten wir formal die Möglichkeit gehabt, alle, von denen wir annahmen, dass sie sachdienliche Hinweise zurückhielten, in Gewahrsam zu nehmen und im Polizeipräsidium zu verhören. Gegebenenfalls war sogar nach richterlicher Anordnung Beugehaft möglich, um eine Aussage zu erzwingen, aber es war anzunehmen, dass sich die Betreffenden dann auf ihr Recht beriefen, gegenüber der Justiz zu schweigen, wenn er sich durch wahrheitsgemäße Aussage selbst belasten würde.

    Und so lange der Kompetenzstreit mit dem Amt für Nationale Sicherheit nicht geklärt war, hatte ein Staatsanwalt wohl auch kaum Chancen, Beugehaft für irgendeinen der wissenschaftlichen Köpfe von General Biotech bei Gericht durchzusetzen.

    Etwa gegen 10.00 Uhr traf unser Kollege Stefan Czerwinski zusammen mit seinem Einsatzpartner Ollie Medina am Tatort ein. Stefan war im Rang der zweite Mann bei uns im Präsidium, während unser Kollege Ollie Medina als bestangezogendster Ermittler im Präsidium galt. Von seinem Maßanzug war unter der Schutzkleidung, die natürlich auch er tragen musste, nichts mehr zu sehen.

    Etwas später trafen noch unsere Erkennungsdienstler Frank Folder und Martin Horster ein. Trotz der Tatsache, dass sich unsere Abteilung zumeist auf die Dienste der Abteilung Erkennungsdienst verlässt, verfügen wir darüber hinaus selbstverständlich auch noch über unsere eigenen Spezialisten, die wir gegebenenfalls hinzuziehen können.

    Von Stefan erfuhr ich, dass unsere Kollegen Tobias Kronburg und Ludger Mathies damit beauftragt worden waren, die angekündigten Biowaffenspezialisten vom Bundeswehrstandort der Baudissin-Kaserne abzuholen.

    »Ich schätze, die stecken jetzt in einem richtig schönen Stau«, meinte Ollie dazu. »Kam vorhin durch den Lokalfunk. An der Abfahrt der B4 auf die B5 staut sich der Verkehr. Man versucht ihn umzuleiten, nach dem ein Dreißigtonner beim Reinmüller-Sportplatz aus der Spur geraten ist und sich quer gelegt hat.«

    »Na, dann kann das ja noch ein bisschen dauern«, murmelte ich.

    »Ist dieser Grahms noch mal aufgetaucht?«, wandte sich Stefan Czerwinski an mich.

    Ich schüttelte den Kopf.

    »Nein. Zum Glück nicht.«

    »Wahrscheinlich werden da jetzt hinter den Kulissen die Messer gewetzt.«

    »Bin mal gespannt, wer die schärferen hat!«

    »Einfach zu dumm, diese übertriebene Geheimniskrämerei der Kollegen von der Nationalen Sicherheit.«

    »In einem anderen Fall ärgern die sich vielleicht über uns«, meinte Roy.

    Tatsache war, dass man in den vergangenen Jahren immer wieder versucht hatte, derlei Kompetenzwirrwarr zu entflechten. Trotzdem kam es immer wieder vor, dass die verschiedenen Geheimdienste und Polizeieinheiten in Einzelfällen miteinander konkurrierten, anstatt zu kooperieren.

    Kommissar Bronstein bekam in diesem Augenblick eine Meldung über Funk. Ein Beamter aus seiner Abteilung meldete sich.

    »Wir haben gerade die Überprüfung der Videoaufzeichnungen abgeschlossen«, erklärte er.

    »So schnell?«, fragte Bronstein skeptisch.

    Seine Zweifel waren berechtigt. Wenn man in Betracht zog, dass im Hauptgebäude von General Biotech sämtliche Flure sowie alle Räume im sicherheitsrelevanten Bereich videoüberwacht wurden, musste eine Unmenge von Material gesichtet werden.

    »Das Ergebnis wird Sie überraschen, Chef!«

    6

    Wir folgten Bronstein und verließen dabei den Sicherheitsbereich. Ich sah Tessa Ölrich an einem Kaffeebecher nippen. Sie wirkte nachdenklich und in sich gekehrt. Dass sie bereits vor uns das Labor 5c verlassen hatte, war mir nicht aufgefallen.

    Ich blieb stehen, während die anderen in Richtung Lift gingen.

    »Wie gefährlich ist das Zeug, das der Einbrecher gestohlen hat?«

    Sie blickte auf, sah mich etwas irritiert an und schluckte. Roy und die anderen verschwanden im Lift. Ich würde ihnen sobald wie möglich folgen. Aber irgendwie sagte mir mein Instinkt, dass es ein günstiger Zeitpunkt war, um Tessa Ölrich anzusprechen. Im Gegensatz zu Leo Beifus schien sie sich nicht ganz so sicher zu sein, dass es wirklich das Richtige war, über die Forschungen bei General Biotech zu schweigen.

    »Wir werden es doch herausbekommen«, sagte ich.

    »Ich tue einfach nur, was mir gesagt wird, okay?«, erwiderte sie gereizt. »Und wenn das juristische Gezerre zu Ihren Gunsten entschieden wurde, dann rede ich wie ein Wasserfall und über alles was Sie wollen.«

    »Das klingt gut. Aber dann kann es zu spät sein. Zeit ist ein wichtiger Faktor.«

    Sie atmete tief durch. Im Grunde war ihr klar, dass ich recht hatte.

    Sie blickte sich um und sagte dann in gedämpftem Tonfall: »Das, was ich Ihnen jetzt sage, können Sie weder vor Gericht verwenden noch sonst wo. Wenn Sie irgendwem gegenüber meinen Namen erwähnen, werde ich alles abstreiten.«

    »Klar.«

    »Überlegen Sie doch mal, Herr Jörgensen …«

    »Ich schlage vor, Sie äußern Ihre Vermutungen und wenn sie falsch sind, werde ich widersprechen.«

    »Gut.«

    »Also, bitte!«

    »Sie entwickeln Impfstoffe gegen biologische Kampfstoffe.«

    »Richtig.«

    »Ich nehme an, dass sich diese Impfstoffe nur herstellen lassen, wenn man auch mit dem Erreger experimentieren kann.«

    »Da hören Sie von mir auch keinen Widerspruch.«

    »RCH-432 ist ein Krankheitserreger, der als biologischer Kampfstoff verwendet werden kann.«

    Tessa Ölrich schwieg und nippte an ihrem Kaffee. Schließlich flüsterte sie: »Ganz grundsätzlich kann ich Ihnen sagen, dass in Labor 5c mit verschiedenen Stämmen von Pockenerregern gearbeitet wird. Man hielt diese Krankheit ja mal für ausgerottet, aber das hat sich in der Zwischenzeit als Irrtum erwiesen.«

    »Warum stiehlt jemand einfache Pockenerreger? Das macht keinen Sinn.«

    »Sie haben recht, es macht keinen Sinn«, gab sie zu. »Selbst für Terroristen gäbe es weniger risikoreiche Möglichkeiten, an einfache Pockenerreger heranzukommen, als ein Hochsicherheitslabor!«

    »Dann sind dies keine einfachen Pockenerreger?«, schloss ich.

    »Ich kann jetzt nicht weiterreden. Vielleicht in den nächsten Tagen. Aber nicht jetzt.«

    Ich gab ihr meine Karte.

    »Rufen Sie mich an!«

    Sie antwortete mir nicht.

    Ihr Blick ging plötzlich an mir vorbei. Ich drehte mich um und sah das nervöse Gesicht von Georg W. Maurer. Der Justiziar von General Biotech Inc. fixierte erst mich und dann Tessa Ölrich.

    »Hat man versucht, Sie unter Druck zu setzen, Dr. Ölrich?«, fragte er.

    »Nein, Herr Maurer.«

    7

    Während ich den Kollegen zur Zentrale des Security Service folgte, ging mir einiges durch den Kopf. Weshalb stahl jemand, bei dem es sich ganz offensichtlich um einen Profi-Einbrecher handelte, einen Behälter mit Pockenerregern? Ein terroristischer Hintergrund drängte sich da geradezu auf. Die Welle von Postsendungen mit Milzbranderregern, die es in ganz Amerika gegeben hatte, war mir noch gut in Erinnerung. Die Angst vor einer tödlichen Seuche war tief in der menschlichen Psyche verankert. Ein kollektives Trauma aus den Zeiten der großen Epidemien, die in grausamer Regelmäßigkeit die Menschheit heimgesucht hatten.

    Aber selbst mit der Biotech-Medizin des 21. Jahrhunderts war diese Gefahr nicht völlig zu bannen.

    Die Gefahr bestand immer, dass ein bisher isoliert existierender Erreger sein ursprüngliches Verbreitungsgebiet verließ und sich dann epidemisch ausbreitete. Und genauso groß war die Gefahr, dass Terroristen und kriminelle Erpresser mit der Angst der Menschen spielten.

    Ich fragte mich, was so Besonderes an dem entwendeten Pockenerregerstamm war. Möglicherweise war er gentechnisch verändert worden und hatte jetzt Eigenschaften, die ihn besonders gefährlich machten.

    Bis zur Sicherheitszentrale musste ich mich erst durchfragen und kam deshalb etwas zu spät, um das Entscheidende mitzubekommen.

    Niemand drehte sich nach mir um, als ich den Raum betrat. Ich hörte nur, wie Stefan sagte: »Das ist doch unmöglich!«

    »Leider nein«, meinte ein ziemlich kleinlaut wirkender Mann in der Uniform des SAFETY FIRST Security Service. An seinem Uniformhemd war sein Name aufgenäht. Er lautete G.P. Wahlkemeier, und er war offenbar der Chef in der Sicherheitszentrale.

    David Eichner, ein Computerspezialist des Erkennungsdienstes, stand daneben. Seine Finger klackerten über eine der Tastaturen. Auf einem Flachbildschirm erschienen Kolonnen von Daten. Eichner zuckte die Achseln.

    »Ich kann es nur bestätigen«, meinte er. »Die Sache ist äußerst raffiniert – und sehr effektiv.«

    »Was ist hier los?«, raunte ich Roy zu.

    »Es gibt keine Bilder vom Täter«, brachte es mein Kollege auf den Punkt. »Du denkst, das ist unmöglich? Hätte ich auch gedacht …«

    G.P. Wahlkemeier erklärte den Anwesenden die Sachlage noch einmal.

    »Wir speichern die Videoaufzeichnungen auf einer Festplatte. Genau zu dem Zeitpunkt, als der Einbruch stattgefunden haben muss, wurden die Bilder des Vortages auf die Monitore projiziert, so dass die diensthabende Besatzung der Zentrale keinerlei Verdacht schöpfte. Gleichzeitig wurden die Daten der aktuellen Aufzeichnung gelöscht.«

    »Lassen sie sich nicht irgendwie rekonstruieren?«, fragte Stefan.

    Wahlkemeier zuckte die Achseln.

    »Da dürfen Sie mich nicht fragen. Ich bin froh, wenn ich das System richtig bedienen kann – für Reparaturen sind wir nicht zuständig.«

    »Ich glaube, die Frage war an mich gerichtet«, sagte unser Kollege David Eichner sehr ruhig. Er wandte den Blick in Stefans Richtung und fuhr fort: »Ob eine Möglichkeit der Datenrekonstruktion besteht, müssten wir im Labor feststellen. Außerdem kann es eine Weile dauern, und eine Garantie gibt es auch nicht. Es kommt vor, dass sich Daten auf einem Rechner wiederherstellen lassen, der bei einem Hausbrand regelrecht zusammengeschmolzen wurde, während in anderen Fällen schon Stromschwankungen dafür ausreichen, an der betreffenden Stelle auf der Festplatte einen so nachhaltigen Schaden zu verursachen, dass selbst mit größtem Aufwand überhaupt nichts mehr geht.«

    »Wir werden das ganze Zeug hier mitnehmen müssen«, meinte Stefan.

    8

    Sandro Grahms blickte auf die Uhr an seinem Handgelenk. Die Ziffern leuchteten. Es war fast fünf Uhr morgens. Sandro Grahms gähnte.

    »Na, komm schon! Wo steckst du denn?«, murmelte er vor sich hin. Der Klang seiner eigenen Stimme sorgte dafür, dass er wieder etwas wacher wurde.

    Es war nicht das erste Mal, dass er eine Nacht ohne Schlaf auskommen musste. Manchmal gehörte das einfach zum Job.

    Grahms hatte seinen Wagen, einen unscheinbaren metallicfarbenen Ford, am Straßenrand abgestellt. Er hatte das Mietshaus auf der gegenüberliegenden Seite der Straße im Blick.

    Grahms gähnte erneut.

    Dann sah er auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen Mann auf den Eingang des Mietshauses zugehen.

    Für einen Moment geriet der Mann in den Schein einer Neonreklame.

    Das ist er!, dachte er.

    Der Mann hieß Lutz Rossberg und war Mitarbeiter von General Biotech. Wie jeden Mitarbeiter dieser Firma gab es auch über Rossberg ein detailliertes Dossier. Es lag auf dem Beifahrersitz. Aber Grahms hatte sich das Gesicht durch die darin enthaltenen Fotos gut genug eingeprägt, um nicht noch einmal nachsehen zu müssen.

    Grahms stieg aus, überquerte die Straße und schaffte es gerade noch, den Eingang des Mietshauses zu erreichen, bevor dort die Tür ins Schloss fiel.

    Lutz Rossberg hatte kurz zuvor das Haus betreten.

    Grahms folgte Rossberg bis zu dessen Apartment im dritten Stock. Rossberg kannte ihn nicht. Daher schöpfte der Mann, der sich sein Geld als Fahrer bei General Biotech verdiente, keinerlei Verdacht.

    In der Firma war Rossberg nicht gewesen. Er hatte Urlaub genommen, und nach Grahms Überzeugung hatte das einen Grund.

    Der Mann von der Nationalen Sicherheit wartete ab, bis Lutz Rossberg die Tür zu seiner Wohnung hinter sich ins Schloss fallen ließ.

    Grahms griff nach seiner Dienstwaffe, einer Automatic. Er überprüfte die Ladung. Dann steckte er die Waffe wieder weg und trat an die Tür.

    Er klingelte.

    Die Tür öffnete sich.

    Grahms hielt Rossberg seinen Ausweis unter die Nase.

    »Grahms, Amt für Nationale Sicherheit. Ich hätte ein paar Fragen im Zusammenhang mit dem Einbruch in das Labor 5c auf dem Firmengelände von General Biotech.«

    »Ich … wieso?«

    »Passen Sie auf, Rossberg, das Spiel geht ganz einfach: Ich stelle die Fragen und Sie beantworten Sie!«

    »Kommen Sie rein!«

    »Danke.«

    Grahms machte einen Schritt nach vorn und bemerkte in letzter Sekunde, dass das ein Fehler gewesen war. Rossberg tat zunächst so, als wollte er Grahms den Rücken zuwenden. Dann wirbelte er plötzlich herum. Blitzschnell traf Grahms eine sehr effektive Kombination von Karateschlägen.

    Grahms sackte zu Boden.

    Regungslos blieb er liegen und Rossberg zog ihn an den Schultern ein Stück weiter, damit er die Tür seines Apartments endlich schließen konnte.

    9

    Wir hatten sämtliche Computer in der Sicherheitszentrale beschlagnahmt. Darüber hinaus aber auch die aus Labor 5c, auch wenn sowohl Professor Beifus als auch der Justiziar heftig protestierten. Aber Herr Bock hatte dies in Zusammenarbeit dem zuständigen Staatsanwalt Jonas Ludwig durchgesetzt.

    Am nächsten Tag fand eine Besprechung im Büro unseres Chefs statt, an dem außer Roy und Herr Bock auch unsere Kollegen Ollie Medina, Stefan Czerwinski und Tobias Kronburg teilnahmen. Dazu kamen noch Gerd Niemann und Tom Dedmoldt, die beiden Biowaffenexperten sowie der Computerexperte von unserem Erkennungsdienst David Eichner.

    »Für mich steht außer Frage, dass General Biotech mit veränderten Pocken-Erregern experimentiert hat«, erklärte Gerd Niemann.

    »Und worin bestehen diese Veränderungen?«, fragte Herr Bock stirnrunzelnd.

    »Üblich ist beispielsweise eine längere oder kürzere Inkubationszeit. Je nachdem, ob man sehr schnell viele Menschen außer Gefecht setzen möchte oder eine schleichende, dafür umso verheerendere Epidemie im Sinn hat«, lautete Niemanns Antwort.

    »Das klingt für mich sehr beunruhigend«, bekannte Herr Bock.

    »Es gibt immerhin eine gute Nachricht«, mischte sich nun Tom Dedmoldt ein. »Die Erreger befanden sich in einem so genannten CX-Behälter und sind darin unschädlich, solange dieser nicht geöffnet wird.«

    »Ein schwacher Trost, wenn man bedenkt, dass sich dieses Teufelszeug jetzt wahrscheinlich in den Händen eines irren Kriminellen befindet«, warf Roy Müller ein.

    »Sagen Sie das nicht«, wandte Dedmoldt ein. »Es ist erst ein paar Jahre her, da transportierten Mitarbeiter eines Labors in Washington den Kadaver eines an Ebola verendeten Versuchsaffen in einer Plastiktüte. Sie legten ihn einfach in den Kofferraum ihres Dienstwagens und fuhren damit in den Straßen Washingtons herum. Es wäre nur ein ganz gewöhnlicher Verkehrsunfall nötig gewesen, um eine Katastrophe auszulösen.«

    »Was glauben Sie, was die Ziele des Täters sind?«, fragte Herr Bock.

    Dedmoldt zuckte die Achseln.

    »Das war ein Profi, der will wahrscheinlich nur Geld verdienen und handelt im Auftrag.«

    »Und wer steckt dahinter?«

    »Eine gute Frage. Abwandlungen des Pocken-Virus sind beliebte Kampfstoffe, die sich wahrscheinlich hervorragend an zahlreiche Regierungen verkaufen lassen, wenn man es darauf anlegt.«

    »Wir haben allerdings keine Hinweise darauf gefunden, dass auch ein Impfstoff entwendet wurde«, stellte ich nun fest. »Eigentlich ist der zwingend notwendig!«

    »Schließlich sollen ja nicht die eigenen Leute an einem resistenten Pocken-Erreger sterben«, ergänzte Tobias Kronburg.

    »In diesem Zusammenhang wäre es natürlich vorteilhaft, wenn wir Einzelheiten über die Forschungen von General Biotech wüssten«, meinte Stefan Czerwinski. »Leider sagte mir Herr Eichner, dass bislang auf den beschlagnahmten Rechnern nicht allzu viele Hinweise gefunden worden seien.«

    »Ich möchte, dass die Kollegen Niemann und Dedmoldt sich den Inhalt der Festplatten der Laborrechner noch einmal in aller Ruhe ansehen«, erklärte Herr Bock.

    Die beiden Angesprochenen nickten zur Bestätigung.

    In diesem Augenblick wurde die Tür mit unverhältnismäßiger Wucht zur Seite geschleudert. Gemessenen Schrittes trat Sandro Grahms ein.

    Alle Augen waren jetzt auf diesen Mann gerichtet, der die Krawatte gelockert und jetzt seine Hände in die Hosentaschen steckte. Er schien gerade etwas sagen zu wollen, als unser Chef ihm zuvorkam.

    »Mein Name ist Kriminaldirektor Jonathan Bock und ich möchte, dass Sie sich jetzt setzen und unsere Sitzung nicht weiter durch Ihre Selbstinszenierung stören, Herr ...!«

    Sandro Grahms Gesicht wurde ernst. Er nahm einen der noch freien Stühle und setzte sich.

    »Sie haben Glück«, fand Herr Bock. »Die Untersuchungsergebnisse vom Tatort haben wir ebenso wenig besprochen wie die weitere Vorgehensweise bei den Ermittlungen und die Abgrenzung der Kompetenzen. Sie haben also nichts verpasst.«

    »Tut mir leid, dass ich so spät dran bin. Aber auf den Straßen hierher ist der Teufel los und …«

    »Schon gut, Herr Grahms«, schnitt ihm Herr Bock das Wort ab. »Ich denke, es gibt gravierendere Probleme in unserer Zusammenarbeit als Unpünktlichkeit.«

    Alle Augen waren jetzt auf Grahms gerichtet. Die Arroganz, die ihn gestern noch ausgezeichnet hatte, war einer vorsichtigeren, abwartenden Haltung gewichen. Ich vermutete, dass ein Gespräch auf Vorgesetztenebene dahinter steckte.

    Herr Bock erhob sich von seinem Platz. Die Hände steckten in den Hosentaschen, das Gesicht war ernst.

    »Ich hatte mit dem stellvertretenden Direktor vom Amt für Nationale Sicherheit ein langes Gespräch, Kommissar Grahms. Es mag Ihnen oder mir nun persönlich passen oder nicht – wir werden bei diesem Fall kooperieren müssen. Und Kooperation setzt einen Austausch an Informationen voraus.«

    »Meiner Ansicht nach reicht es, wenn der Kerl mit dem CX-Behälter wieder eingefangen wird«, erwiderte Grahms.

    »Ich kenne Ihre Ansicht«, schnitt ihm Herr Bock das Wort ab. »Aber wie mir Ihr Stellvertretender Direktor Niekrenz versicherte, kennen Sie inzwischen auch die Ansicht Ihres Vorgesetzten. Also richten Sie sich danach!«

    »Ja, Herr Bock«, gab Grahms klein bei.

    »Inzwischen weiß ich auch, weshalb Sie in diesem Fall auf Geheimhaltung so großen Wert legen«, erklärte Herr Bock. »Ein mutierter Pocken-Erreger, produziert im Auftrag der Regierung – das würde unsere Regierung außenpolitisch in Erklärungsnotstand bringen.«

    »Vielleicht kann uns Kommissar Grahms darüber aufklären, was das Besondere an dieser speziellen Form des Pockenerregers ist«, schlug ich vor.

    »Sie ist unter anderem besonders ansteckend und führt sehr viel schneller zum Tod, als das bei gewöhnlichen Pocken der Fall ist. Außerdem besteht eine Resistenz gegen sämtliche bekannten Behandlungsmethoden«, berichtete Grahms. »Im Übrigen möchte ich betonen, dass unsere Regierung die Entwicklung derartiger Stoffe nicht in Auftrag gegeben hat, um sie gegen außenpolitische Feinde einzusetzen. Der einzige Zweck von Projekten wie den bei General Biotech durchgeführten Forschungen ist es, Impfstoffe und Gegenmittel zu entwickeln. Wir wissen, dass es mindestens ein Dutzend Staaten auf der Welt gibt, in denen an mutierten Krankheitserregern gearbeitet wird und befürchten schon lange, dass derartige Biowaffen auch in die Hände von Terroristen gelangen könnten.« Grahms beugte sich vor. »Der bei General Biotech entwendete Bio-Kampfstoff ist einem Präparat im chemischen Aufbau nachempfunden worden, von dem wir wissen, dass es in einem uns nicht gerade freundlich gesonnenen Staat bereits produziert wurde. Leider ist der erste Schritt zur Entwicklung eines Impfstoffs immer die Isolierung des Krankheitserregers. Da werden Ihre Biowaffen-Experten mir sicher zustimmen.«

    Niemann und Dedmoldt nickten kurz.

    »Unglücklicherweise sind auf den beschlagnahmten Laborrechnern weite Bereiche der Festplatte gelöscht worden und es ist sehr schwer, sie zu rekonstruieren«, meldete sich nun David Eichner zu Wort. »Andere Bereiche sind mit Verschlüsselungscodes so gesichert, dass ich noch Zeit brauchen werde, um sie zu knacken. Es wäre nett, wenn unser Kollege von der Aufklärungsabteilung des Verfassungsschutzes die Wissenschaftler von General Biotech die Angst vor rechtlichen Konsequenzen nehmen und sie zur Kooperation überreden könnte. Dann würde wir sicherlich schneller vorankommen.«

    »Ich glaube, das überlassen wir besser der Vorgesetztenebene«, meinte Herr Bock.

    Offenbar traute er Grahms nicht zu, dass dieser tatsächlich über seinen Schatten zu springen vermochte.

    Grahms sagte: »Ich denke, Sie wissen jetzt alles, was für die Verfolgung des Täters notwendig ist. Wir verhindern, dass die falschen Leute das Präparat im CX-Behälter in die Finger bekommen.«

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