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Aktionsband 11 Strandkrimis im April 2023
Aktionsband 11 Strandkrimis im April 2023
Aktionsband 11 Strandkrimis im April 2023
eBook1.078 Seiten13 Stunden

Aktionsband 11 Strandkrimis im April 2023

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Über dieses E-Book

Dieser Band enthält folgende Krimis:





Alfred Bekker: Eis in den Bergen

Alfred Bekker: Abendessen mit Konversation

Alfred Bekker: Erwürgt!

Alfred Bekker: Central Park Killer

Alfred Bekker: Mörder Chip

Alfred Bekker: Der Mann mit der Kapuze

Alfred Bekker: Der Killer wartet...

Alfred Bekker: Das linke Bein

Alfred Bekker: Die Tote am Strand

Chris Heller/Thomas West: Kommissar Jörgensen und die Bankräuber

Chris Heller/Thomas West: Kommissar Jörgensen und der nächtliche Albtraum

Chris Heller/Thomas West: Kommissar Jörgensen und der geplante Anschlag



Zwei Menschen werden kurz hintereinander im New Yorker Central Park ermordet. Die Opfer scheinen zunächst nichts gemeinsam zu haben. Als es weitere Tote gibt, kommen die Ermittler schließlich einer krakenhaften Organisation auf die Spur, die von Amerikanern muslimischen Glaubens Schutzgelder erpresst, um damit den heiligen Krieg islamistischer Terror-Kommandos zu finanzieren...
SpracheDeutsch
HerausgeberAlfredbooks
Erscheinungsdatum11. Apr. 2023
ISBN9783745229042
Aktionsband 11 Strandkrimis im April 2023
Autor

Alfred Bekker

Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

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    Buchvorschau

    Aktionsband 11 Strandkrimis im April 2023 - Alfred Bekker

    Alfred Bekker, Chris Heller, Thomas West

    Aktionsband 11 Strandkrimis im April 2023

    UUID: ccb9a479-dc3b-40c8-b705-6f86f9a5f2a1

    Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (https://writeapp.io) erstellt.

    Inhaltsverzeichnis

    Aktionsband 11 Strandkrimis im April 2023

    Copyright

    Eis in den Bergen

    Abendessen mit Konversation

    Erwürgt!

    Central Park Killer

    Mörder-Chip

    Der Mann mit der Kapuze

    DER KILLER WARTET ...

    Das linke Bein

    Die Tote am Strand

    ​Kommissar Jörgensen und die Bankräuber

    ​Kommissar Jörgensen und der nächtliche Albtraum: Mordermittlung Hamburg Kriminalroman

    ​Kommissar Jörgensen und der geplante Anschlag: Mordermittlung Hamburg Kriminalroman

    Aktionsband 11 Strandkrimis im April 2023

    von Alfred Bekker, Chris Heller, Thomas West

    Dieser Band enthält folgende Krimis:

    Alfred Bekker: Eis in den Bergen

    Alfred Bekker: Abendessen mit Konversation

    Alfred Bekker: Erwürgt!

    Alfred Bekker: Central Park Killer

    Alfred Bekker: Mörder Chip

    Alfred Bekker: Der Mann mit der Kapuze

    Alfred Bekker: Der Killer wartet...

    Alfred Bekker: Das linke Bein

    Alfred Bekker: Die Tote am Strand

    Chris Heller/Thomas West: Kommissar Jörgensen und die Bankräuber

    Chris Heller/Thomas West: Kommissar Jörgensen und der nächtliche Albtraum

    Chris Heller/Thomas West: Kommissar Jörgensen und der geplante Anschlag

    Zwei Menschen werden kurz hintereinander im New Yorker Central Park ermordet. Die Opfer scheinen zunächst nichts gemeinsam zu haben. Als es weitere Tote gibt, kommen die Ermittler schließlich einer krakenhaften Organisation auf die Spur, die von Amerikanern muslimischen Glaubens Schutzgelder erpresst, um damit den heiligen Krieg islamistischer Terror-Kommandos zu finanzieren...

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author /

    © dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

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    Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!Verlags geht es hier:

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    Alles rund um Belletristik!

    Eis in den Bergen

    von Alfred Bekker

    Kurz-Krimi

    Eine Villa in der Münchener Rauheckstraße, ein Ferienhaus mit Aussicht auf einen idyllischen Bergsee, nur eine halbe Stunde von der Großstadt entfernt... Dr. Anton F. Seidl fand, dass er es in den letzten Jahren zu einigem Wohlstand gebracht hatte. Und das, obwohl er keinesfalls Schönheitschirurg oder Zahnarzt war - sondern Tiermediziner. Und die standen normalerweise vom Einkommen her an unterster Stelle der medizinischen Zunft, es sei denn, sie hatten sich auf das Kurieren kleinerer Wehwehchen von millionenschweren Rennpferden spezialisiert. Aber zu diesen Kreisen hatten Seidl die Beziehungen gefehlt.

    Er atmete tief durch, blickte über den mustergültig gepflegten Garten seiner Villa.

    Hier war kein Grashalm an der falschen Stelle. Ein Gärtner kam regelmäßig dreimal die Woche, um alles in Ordnung zu halten und darüber hinaus die zahlreichen und häufig wechselnden gärtnerischen Sonderwünsche von Frau Seidl zu erfüllen.

    Alles, was du hier siehst, wird dir vielleicht schon bald buchstäblich unter den Fingern zerrinnen!, ging es Seidl grimmig durch den Kopf. Der Puls schlug ihm bis zum Hals. Nein, du hast einfach zu lange dafür gekämpft, um jetzt aufzugeben! Jetzt musst du dir etwas überlegen, dich vielleicht sogar mit sehr harten Bandagen durchzukämpfen.

    Seidl zuckte zusammen, als ihn von hinten eine Hand an der Schulter berührte.

    Was ist?, drang die Stimme seiner zweiten Ehefrau Veronika in sein Bewusstsein.

    Seidl drehte sich ruckartig zu ihr herum. Sie war Anfang dreißig, er Anfang fünfzig. Ihr Gesicht war feingeschnitten mit hohen Wangenknochen. Das dunkle Haar fiel ihr bis weit über die Schultern. Zwei feste Brüste pressten sich gegen den enganliegenden Stoff ihres Pullovers. Manchmal musste er aufpassen, um sie nicht mit 'Franziska' anzureden - dem Namen seiner ersten Frau. Im Grunde war Veronika eine Art verjüngte Ausgabe seiner ersten Frau.

    Es ist nichts, behauptete Seidl.

    Du schwitzt ja!

    Ja, mein Gott...

    Mei, du siehst ja ganz blass aus!

    Eine der wenigen Dinge, die Seidl an seiner zweiten Frau störten war, dass sie unentwegt mei zu sagen pflegte. Während er selbst sich den niederbayrischen Dialekt, mit dem er aufgewachsen war, mühsam abgewöhnt hatte und spätestens seit seinem Studium in Hamburg nur noch 'nach der Schrift' redete, konnte Veronika ihre sprachliche Herkunft einfach nicht verleugnen.

    Mei, warum sagst denn nix? Hängt das vielleicht mit dem Reporter zusammen, der vorhin hier war?

    Seidl lächelte breit. Das war nur ein Wichtigtuer!, meinte er. Der ist nur auf Skandale aus.

    Skandale? Mei, was will er denn dann von dir?

    Ach, du kennst das doch. Da ist irgendwo mal wieder hormonverseuchtes Fleisch aufgetaucht und jetzt wollte dieser Kerl meine Meinung dazu wissen.

    Das war alles?

    Ja, verdammt nochmal.

    Geh, Anton! Nun hab dich doch net so! Man wird ja wohl mal nachfragen dürfen.

    Seidl atmete tief durch. Mir geht es heute nicht besonders gut. Muss wohl am Fön liegen. Ich glaube, ich lege mich ein bisschen hin. Nachher habe ich nämlich noch einen wichtigen Termin...

    Wollten wir heut' Abend net in die Oper?

    Ja schon, aber...

    Das wird also nix!

    Nicht traurig sein. Geh ruhig allein hin oder nimm deine Freundin Karin mit, damit die Karte nicht verfällt!

    Seidl ging an ihr vorbei, trat dann durch die Terrassentür ins Haus.

    In seinem Hirn arbeitete es fieberhaft.

    Ich lasse mir meine Existenz nicht zerstören!, hämmerte es in ihm. Um keinen Preis...

    *

    Zwei Stunden später wählte Seidl vom Anschluss im Schlafzimmer aus eine Handynummer, die er von einer Visitenkarte ablas.

    Es war die Karte des Journalisten.

    Hier Tom Dremmler, meldete sich eine sonore Stimme.

    Tom Dremmler, freier Mitarbeiter verschiedener Boulevardblätter und neuerdings Erpresser, so ging es Seidl zynisch durch den Kopf. Aber in dem Job bist du ein Anfänger, Dremmler! Also sieh dich vor!

    Ich bin's, Dr. Seidl, meldete sich der Veterinär.

    Sie haben sich die Sache also überlegt!, stellte Dremmler fest. Er lachte heiser. Seine Stimme war rau vom übermäßigen Alkoholgenuss. Auf den Parties, die er besuchte, nahm er beinahe jedes volle Glas mit, das ihm hingehalten wurde. Seine Leberwerte mussten entsprechend sein. Und die Zahl der abgestorbenen Hirnzellen hatte mit Sicherheit jenen Wert überschritten, der ihn noch hätte hoffen lassen können, dass aus ihm eines Tages doch noch ein seriöser Feuilletonist wurde.

    Hören Sie, Dremmler...

    Ich will eine Million! Darüber lasse ich auch nicht mit mir handeln. Andernfalls können Sie auf den Titelseiten Ihren Namen und Ihr Bild sehen. Vielleicht mit folgender Überschrift: DER HORMON-DOKTOR ENTLARVT! NEUER SKANDAL IN DER SCHWEINEMAST!

    Woher soll ich eine Million nehmen?

    Beleihen Sie Ihre Villa oder verkaufen Sie Ihr Ferienhaus in den Bergen...

    Sie sind gut informiert.

    Vergessen Sie das nie, Dr. Seidl. Vergessen Sie das nie....

    Angenommen ich zahle Ihnen eine Million. Wer garantiert mir, dass Sie nicht weitere Forderungen stellen.

    Was haben Sie nur für eine schlechte Meinung von mir.

    Ja wohl nicht ganz unbegründet, oder?

    Seidl, Sie können von Glück sagen, wenn Sie aus dieser Sache mit einigermaßen heiler Haut herauskommen. Jahrelang sind Sie von Bauernhof zu Bauernhof gereist und haben Ihre illegalen Medikamentencocktails verkauft. Eine Art Dealer für Junkie-Schweine... Er kicherte. Ich kann alles belegen. Ich habe Unterlagen, Fotos, Proben...

    Ich muss dieses Beweismaterial haben, wenn ich Ihnen eine derart große Summe zahle.

    Dann legen Sie noch eine halbe Million drauf und wir sind handelseinig.

    Sie sind unverschämt.

    Ich kann rechnen, Dr. Seidl. Sie haben mit Ihren Wundermitteln in den letzten Jahren ein Mehrfaches davon eingenommen. Alles, was ich verlange ist ein gerechter Anteil.

    Innerlich kochte Seidl.

    Alles in ihm krampfte sich zusammen. Er bemerkte, dass seine Hand zu zittern begann. Wenn er jetzt vor mir stünde!, durchzuckte es ihn. Er hätte dann für nichts garantieren können... Durch regelmäßiges Atmen versuchte er, sich wieder zu beruhigen.

    Er musste einen kühlen Kopf bewahren.

    Eiskalt reagieren.

    Nur dann hatte er eine Chance, den Hals aus der Schlinge zu ziehen.

    Ich bin mit Ihren Bedingungen einverstanden, brachte er schließlich über die Lippen.

    Freut mich, das zu hören.

    Aber Sie dürfen mich nie wieder in meiner Villa an der Rauheckstraße besuchen! Haben Sie gehört?

    Sorry, Doc. Tom Dremmler lachte heiser, hustete dann. Vermutlich Raucherhusten, diagnostizierte Seidl.

    Wir müssen uns treffen. Sie bringen die Beweismittel mit und ich...

    Die anderthalb Millionen, schnitt Dremmler ihm das Wort ab.

    In bar, nehme ich an.

    Wäre mir lieb.

    Samstag in einer Woche. Vorher kriege ich das mit meiner Bank nicht zurecht.

    Gut. Aber keinen Tag länger.

    Nun zum Treffpunkt. Mein Ferienhaus in Kayserstein kennen Sie ja bereits.

    Ja.

    Kommen Sie nächsten Samstag gegen 17.00 Uhr dort hin. Dort sind wir ungestört.

    Einverstanden.

    *

    Dr. Anton Seidl fuhr die schmale, in Serpentinen den Berghang hinaufführende Straße mit geradezu halsbrecherischem Tempo entlang. Es war Samstag Mittag. Veronika hatte etwas herumgemeckert, als er ihr offenbart hatte, dass er das Wochenende im Ferienhaus verbringen wollte. Schließlich war er sogar das Risiko eingegangen, ihr anzubieten, ihn doch zu begleiten. Das hatte sie während ihrer bislang vierjährigen Ehe nur ein einziges Mal getan und sich dabei schrecklich gelangweilt. Bergwandern und die stundenlange Angelei im nahegelegenen See - das war alles nicht ihr Fall. Ihrer dialektbeladenen, sich eher erdverbunden anhörenden Sprache zum Trotz war sie doch ganz eindeutig eine Stadtpflanze und kein Landei.

    Aber Anton Seidl brauchte ab und zu diese Einsamkeit und Ruhe hier oben.

    Er erinnerte sich noch ganz genau, wie er das Haus zum ersten Mal gesehen hatte. Er war auf dem Weg zu einem Kunden gewesen, dessen Viehbestand er mit einem Koffer voller wachstumsfördernder Mittel versorgt hatte. Für viele der Bergbauern war die Situation prekär. Mit den großen Agrarfabriken andernorts konnten sie nicht mithalten, weder im Preis noch in der Menge. So mussten die Tiere eben schneller wachsen und dabei immer noch nach Möglichkeit den Eindruck machen, als ob sie unter glücklichen Umständen ihr kurzes leben gefristet hatten. Verluste waren tabu. Es wurde gespritzt, was das Zeug hielt, beziehungsweise der Koffer des Hormon-Dealers hergab.

    Von einem seiner Kunden, dem Wendinger-Klaus, dem einer der größten Höfe in der Umgebung gehörte, hatte Seidl seinerzeit den Tipp bekommen, sich das Haus mal anzusehen. Es hatte kurz vor der Zwangsversteigerung gestanden. Den Preis, den Seidl dafür hatte ausgeben müssen, war geradezu lächerlich, wenn man bedachte, dass die Gegend touristisch gut erschlossen war.

    Seidl hing seinen Gedanken nach, blickte zwischendurch immer wieder nervös auf die Uhr.

    Er hatte einen Plan.

    Einen Plan, der mit Tom Dremmlers Tod enden würde. Aber bevor er das Ferienhaus erreichte, gab es noch einiges, was Seidl vorzubereiten hatte.

    Plötzlich musste Seidl mit aller Gewalt in die Bremse seines champagnerfarbenen Mercedes SLK treten. Die Reifen quietschten. Von der Seite ergoss sich ein Strom von hunderten von Schafleibern auf die Fahrbahn. Sie blökten durcheinander. Einige wichen vor dem SLK erschrocken zurück und stießen dabei ihre Artgenossen um. Ein Chaos entstand. Mittendrin, wie ein Fels in der Brandung stand der Schäfer mit hochrotem Kopf und wütendem Gesicht.

    Er nahm seinen Filzhut ab, knitterte ihn in der Faust zusammen und brüllte Seidl wütend an. Da der Tierarzt das Verdeck seines SLK auf Grund des sonnigen Frühlingswetters zurückgeklappt hatte, konnte er jedes Wort verstehen. Und das, obwohl ein Hirtenhund andauernd dazwischen bellte.

    Mei, was fällt Ihnen ein! Kruzifix noch einmal! Wie kann einer nur so narrisch sein und net aufpassen, was über die Straße herüberkommt!

    Hätten Sie nicht aufpassen können!, rief Seidl zurück.

    Er kannte den Hirten.

    Corbinian Anzengruber hieß er und war in der gesamten Gegend als eine Art Faktotum bekannt. Allerdings auch als Verbreiter von Neuigkeiten und Gerüchten.

    Das hat mir gerade noch gefehlt, dass mir der über den Weg läuft!, ging es Seidl ärgerlich durch den Kopf. Dieser Quasselkopf würde überall herumerzählen, dass der allseits bekannte Tierarzt mal wieder in der Gegend war und das Wochenende in seinem Ferienhaus verbrachte.

    Einige Sekunden lang dachte Seidl darüber nach, ob er das ganze Unternehmen nicht abblasen sollte.

    Er dachte an die Polizei, an die Fragen, die sich zwangsläufig ergeben, wenn...

    Nein, du stehst das jetzt durch!, forderte er sich dann selbst auf. So etwas wie absolute Sicherheit gibt es nicht, Anton Seidl! Auch für dich nicht! Du musst das Risiko eingehen, wenn du nicht sehenden Auges in den Abgrund springen willst!

    Geht das nicht ein bisschen schneller?, schrie Seidl dem Hirten dann entgegen.

    Dann hupte er, worauf die Schafe aufgeregt blökten und der Hirtenhund sich in seiner bis dahin unumstrittenen Autorität bedroht fühlte.

    Ja, ist dieser großkopferte Herr Veterinär jetzt vielleicht vollkommen narrisch geworden?, brüllte der Anzengruber jetzt zurück. Macht mir die Tiere auch noch verrückt!

    Ich hab's eilig!

    Mei, das dauert halt ein bisserl!

    Fast eine Viertelstunde dauerte es, bis alle Tiere endlich über die Straße gelangt waren.

    Seidl ließ den Motor des SLK aufheulen und brauste davon. Wenig später erreichte er das schmucke Holzblockhaus. Er parkte den SLK und stieg aus.

    Tief sog er die klare Bergluft in sich auf. Man hatte eine fantastische Aussicht von hier aus. Reste des Morgennebels hingen noch über dem leuchtend blauen See, auf den man von hier aus eine vollkommen freie Sicht hatte.

    Ein Ort wie aus dem Paradies, dachte Seidl. Aus meinem Paradies. Und davon wird mir niemand etwas wegnehmen.

    Er sah kurz auf die Uhr (er wusste selbst nicht mehr, zum wievielten Mal an diesem Tag schon) und griff dann zum Handy.

    *

    Wo soll ich das Zeug hinbringen?, fragte der Eismann, der seinen Lieferwagen etwa eine Stunde später vor Seidls Ferienhaus geparkt hatte. Er wollte sich schon mit einer Eisstange in der Hand an Seidl vorbei zum Haus hinbewegen, aber Seidl schüttelte den Kopf.

    Im Haus konnte er das Eis nicht gebrauchen.

    Dort hinein!, forderte er und deutete dabei auf den Kofferraum seines SLK.

    Der Eismann sah ihn ziemlich verdutzt an.

    Ist das Ihr Ernst?

    Mein voller!

    Zur Bekräftigung öffnete Seidl den Kofferraum. Der Eismann kam herbei und lud die Stange dort ab. Er wischte sich anschließend mit dem Ärmel über die Stirn. Die anderen auch in den Kofferraum?, vergewisserte er sich.

    Seidl nickte kühl.

    Ja.

    Insgesamt drei, dicke, quaderförmige Stangen Eis brachte der Eismann dann noch in den Kofferraum des SLK.

    Sie werden sich den Wagen damit verderben, prophezeite der Eismann.

    Das lassen Sie mal meine Sorge sein, erwiderte Seidl kühl.

    Der Eismann hob beschwichtigend die Hände. Ist ja schon gut, ich wollte Ihnen wirklich net reinreden, Herr Doktor...

    Dann lassen Sie es bitte auch!

    Mei, muss man denn da gleich so grantelig werden? Ich hab's ja nur gut gemeint.

    Seidl schloss den Kofferraum und bezahlte dann. Der Eismann blickte nachdenklich auf den SLK. Sie haben 'ne Riesenparty vor sich, was?

    Seidls Lächeln war dünn. Sein Mund wirkte in diesem Moment fast wie ein Strich. Ja, so könnte man es bezeichnen...

    Warum haben Sie keine Getränke bei uns bestellt? Sie hätten dann Rabatt gekriegt.

    Auf Wiedersehen.

    Augenblicke später fuhr der Eismann davon. Seidl sah dem Lieferwagen nach, bis er so weit die Serpentinen hinuntergefahren war, dass man ihn vorübergehend nicht mehr sehen konnte. Später, das wusste Seidl, würde er wieder auftauchen und man konnte seinen Weg dann noch eine ganze Weile beobachten.

    Seidl griff zum Handy.

    Er wählte die Nummer von Tom Dremmler.

    Hier ist Seidl.

    Nanu, wir waren doch erst später verabredet, wunderte sich der Journalist.

    Ich weiß. Aber es hat sich einiges geändert. Wir müssen den Termin etwas vorverlegen. Und der Treffpunkt ist auch nicht mehr derselbe.

    Wenn Sie glauben, Sie können mit mir irgendwelche Tricks versuchen, dann...

    Das würde ich mir nie erlauben!, versuchte Seidl den Erpresser zu beschwichtigen.

    Sie wissen, was dann passiert.

    Natürlich.

    Also?

    Sie fahren nicht erst heute Abend um fünf zu mir in die Berge, sondern jetzt. Kurz vor Kayserstein befindet sich ein Parkplatz mit hervorragender Aussicht. Liegt etwas abseits. Aber wenn Sie nach dem Hinweisschild 'Kayserstein 7 Kilometer' die nächste links nehmen, kommen Sie direkt dort hin.

    Gibt es kein Hinweisschild?

    Nein.

    Ich glaube nicht, dass ich schonmal dort war.

    Wenn Sie Schwierigkeiten mit dem Weg haben, rufen Sie meine Handynummer an. Fragen Sie auf keinen Fall irgend jemanden. Ich bin in der Gegend bekannt wie ein bunter Hund.

    Dremmler lachte.

    Ich weiß.

    Kommen Sie zum Treffpunkt. Ich werde Ihnen die anderthalb Millionen übergeben, sofern Sie das belastende Material bei sich haben. Aber beeilen Sie sich!

    Gut, kam es nach einigem Zögern von der anderen Seite der Leitung.

    Seidl triumphierte innerlich.

    *

    Anton Seidl war als erster auf dem Parkplatz. Er sah ungeduldig auf die Uhr. Das Eis machte ihm sorgen. Wenn Dremmler zu spät kam, wäre es geschmolzen. Aber das Eis spielte in dem Mordplan, den er sich zurechtgelegt hatte, eine entscheidende Rolle. Es gibt keinen anderen Weg, sagte er zu sich selbst. Du hast es oft genug hin und her überlegt. Du oder er, das ist die Alternative. Nein, die Sache musste beendet werden. Ein für allemal. Seidl zog sich seine dünnen Lederhandschuhe an. Ein Motorengeräusch brauste auf. Das war Dremmler. Er parkte seinen roten Ford und stieg aus. Dremmler strich sich das etwas zu lange, fettig wirkende Haar zurück. Der Fotoapparat baumelte ihm am Hals. Er ging auf Seidl zu und kam gleich zur Sache. Wo ist das Geld?, fragte Dremmler.

    Seidl ging ein paar Schritte auf ihn zu. Hören Sie, Dremmler..., begann er. Er hatte Dremmler fast erreicht, da erstarrte der Tierarzt mitten in der Bewegung. Er blickte abwärts in Höhe seines Bauches und bemerkte den blanken Lauf eines Kleinkaliber-Revolvers in Dremmlers rechter Hand. Der Reporter hatte die Waffe blitzschnell unter seiner Jacke hervorgezogen.

    Offenbar war er misstrauisch geworden.

    Bleiben Sie, wo Sie sind, sagte der Reporter.

    Dremmler, was soll das? Wir wollten uns doch einigen!

    Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme, Herr Dr. Seidl! erklärte er mit hochrotem Kopf, wobei er das 'Herr Dr. Seidl' eigenartig betonte. Ich weiß, dass Sie mit allen Wassern gewaschen sind und Ihnen kein Trick zu schmutzig wäre...

    Seidl lächelte schwach. Dremmler...

    Keine Tricks! Ich will das Geld.

    Es ist im Wagen!

    Dann holen wir es jetzt... Dremmler bedeutete Seidl mit einem Handzeichen, sich umzudrehen. Mit Dremmlers Waffe im Rücken ging er dann vor dem Reporter her und fragte sich, was er tun konnte. Seidl hatte kein Geld für Dremmler und außerdem drohte sein ganzer Plan den Bach hinunter zu gehen. Seidl öffnete den Kofferraum seines Wagens. Dremmler stand hinter ihm und sah auf die Eisstangen.

    Was soll das?, murmelte er.

    Jetzt oder nie!, dachte Seidl. Diesen Moment der Überraschung nutzte er und wirbelte herum. Der Handkantenschlag traf Dremmlers Kehle und ließ ihn augenblicklich in sich zusammensacken. Die Waffe hielt Dremmler fest umklammert, aber er kam nicht mehr dazu, sie abzudrücken. Seidl sah zufrieden auf den Reporter herab. Er war tot. Ein zynisches Lächeln umspielte Seidls Lippen. Einer wie er, der sich seit Jahren mit Karate fit hielt, brauchte keine Waffe. Zumindest nicht, wenn er nahe genug an seinen Gegner herankam.

    Jetzt durfte er keine Zeit verlieren.

    Er durchsuchte den Wagen, fand eine Tasche, in der sich Fotomaterial und andere Unterlagen befanden.

    Seidl sah es kurz durch.

    Dremmler muss mich geradezu beschattet haben, durchfuhr es ihn dabei.

    In Zukunft musste er vorsichtiger sein, um etwas Ähnliches zu verhindern.

    Seidl nahm das Material an sich, verstaute es im Handschuhfach seines SLK.

    Und wenn der Hund noch mehr gesammelt und irgendwo anders deponiert hat?, überlegte er. Er musste davon ausgehen. Aber er würde deswegen nichts unternehmen. Mochte das Zeug irgendwo in Frieden auf einer Festplatte schlummern. Wenn Seidl anfing, danach zu suchen, würde er sich nur in Verdacht bringen.

    Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte Ihren Strafverteidiger!, dachte Seidl.

    Es gab jetzt kein Zurück mehr.

    Und das Risiko, dass das doch etwas von dem belastenden Datenmaterial an die Oberfläche gespült wurde, war vertretbar.

    Wenig später packte Seidl Dremmlers Leiche und trug sie zu dessen Wagen.

    Dann setzte er den Toten ans Steuer. Nun schob er den Ford an den Rand des Parkplatzes. Dort ging ein Hang recht steil hinab. Seidl schob den Wagen so weit es ging dorthin und zog die Bremse. Anschließend holte Seidl aus seinem Wagen die erste Eisstange. Er legte sie so unter die Vorderräder von Dremmlers Sportwagen, dass das Eis wie ein Bremsklotz wirkte. Die beiden anderen Stangen platzierte er ähnlich. Dann löste er sehr vorsichtig die Handbremse und lächelte. Das Eis würde schmelzen und der Wagen in die Tiefe rasen. Etwas weiter unterhalb kam ein Plateau und dann ging die Felswand fast senkrecht in die Tiefe. Der Wagen würde vielleicht explodieren und wenn nicht, dann würde man die Verletzung an Dremmlers Kehle als Unfallfolge deuten. Schließlich konnte die Kehle auch durch das Lenkrad eingedrückt worden sein.

    Wahrscheinlich konnte man in der Umgebung den Aufprall weithin hören.

    Gut so, dachte Seidl.

    Denn wenn es so weit war, würde er sich viele Kilometer entfernt befinden und dafür sorgen, dass sich genügend Zeugen an ihn erinnerten... Seidl stieg in den Wagen und brauste davon.

    *

    Seidl überlegte, was er tun sollte. Vielleicht war es das Beste, jetzt einfach nach Hause zu fahren. Nach München. Warum sich länger als unbedingt notwendig in der Gegend aufhalten, zumal er in seinem Ferienhaus kein richtiges Alibi hatte.

    Er war innerlich stark aufgewühlt, überlegte hundertmal, ob er nicht irgendeinen Fehler gemacht, irgend etwas übersehen hatte.

    Ganz ruhig bleiben!, forderte er sich selbst auf. Du kannst jetzt nichts weiter tun, als abwarten, dass es irgendwo einen lauten Knall gibt. Nichts wird in deine Richtung deuten. Fahr nach München. Veronika wird fragen, warum ich so früh zurückkehre, sie wird sich etwas wundern und ich werde irgendeine Ausrede erfinden. Es wäre das erste Mal, dass sie an irgend etwas zweifelt.

    Seidl drehte leise das Radio an, während er mit - wie üblich überhöhter Geschwindigkeit - die schmale Bergstraße entlangbrauste.

    Er blickte kurz in Richtung des Sees. Das Sonnenlicht spiegelte sich darin, ließ ihn leuchtend blau erscheinen. Dahinter die schneebedeckten Gipfel. Eine Postkartenkulisse.

    Dann erreichte er die Tankstelle vom Krainacher. Eine kleine, freie Tankstelle, die sowohl von ihrer tatsächlichen Lage als auch von ihrer wirtschaftlichen Situation her nahe am Abgrund stand.

    Die Tankanzeige zeigte an, dass der SLK eigentlich noch nicht wieder neuen Kraftstoff brauchte, aber Seidl kam der Gedanke, dass ein Besuch beim Krainacher eine gute Gelegenheit war, sich in Erinnerung zu bringen.

    Für den Fall, dass es doch Ermittlungen gab, die ihn in den Kreis der Verdächtigen mit einbezogen.

    Er fuhr vor die Zapfsäule, stieg aus, tankte den SLK bis oben hin voll.

    Dann ging er zum Krainacher herein, der mit ölverschmierter Latzhose hinter der Kasse stand. Seidl nahm noch eine Zeitung, damit die Rechnung nicht so lächerlich gering blieb.

    Servus, Herr Doktor!, sagte der Krainacher. Sie sind schon wieder auf dem Rückweg?

    Natürlich hatte der Krainacher mitbekommen, in welcher Fahrtrichtung Seidl unterwegs war. Schließlich bestand seine Hauptbeschäftigung darin, aus dem Tankstellenfenster auf die Straße zu blicken.

    Ja, ja, murmelte Seidl.

    Aber am Wetter kanns net liegen! Das ist doch heute ausgezeichnet für die Jahreszeit!

    Ich brauche den Sonntag noch, um meine Steuersachen zu ordnen.

    Mei, da woaß i, wovon Sie red'n!, nickte der Krainacher mitfühlend. Wenn Sie mich fragen, dann nimmt die Bürokratie auch wirklich überhand! Finden's net auch?

    Sicher.

    In diesem Moment fuhr ein Traktor vor eine der Zapfsäulen. Der Fahrer stieg ab, tankte nach.

    Seidl verabschiedete sich vom Krainacher und ging hinaus.

    Den Traktorfahrer kannte er. Es war der Bernrieder-Bauer.

    Servus! Gut, dass ich Sie treffe!, rief der Bernrieder und kam auf ihn zu. Meine Mathilda steht kurz vom Kalben und ich hab das Gefühl, da stimmt was net...

    Sie wissen, dass ich...

    Ja, i woaß! Sie sind mehr für den medikamentösen Aspekt der Tiermedizin zuständig! Seidl zuckte zusammen. Der Krainacher sprach das aus, als handelte sich um eine ganz normale Dienstleistung. Schon Jahrelang sorgte Seidl dafür, dass das Vieh des Krainachers etwas schneller wuchs, als die Natur das eigentlich vorgesehen hatte.

    Ich würde Sie net fragen, wenn der Huber da wär!

    'Der Huber', das war der hiesige Tierarzt. Ein Mann mit Prinzipien und ein Tierarzt im klassischen Sinn. Dafür aber auch ein vergleichsweise armer Hund!, ging es Seidl durch den Kopf.

    Ich sehe mir Ihre Mathilda an!, versprach Seidl.

    Warum nicht?, überlegte er. Eigentlich müsste ich dem Krainacher dankbar sein - bietet er mir doch ein perfektes Alibi an.

    *

    Seidl blieb den ganzen Nachmittag auf dem Krainacher-Hof. Mit der Kuh Mathilda war alles in Ordnung - es waren die Nerven des Bauern, die blank lagen. Aber Seidl sorgte dafür, das sein Aufenthalt auf dem Hof sich etwas in die Länge zog.

    Zwischendurch war in der Ferne ein lauter Knall zu hören. Dann, kurze Zeit später ein weiterer.

    Seidl horchte auf.

    Einige der Kühe wurden unruhig.

    Was war das denn?, fragte Seidl.

    Mei, das muss aus dem Nachbartal kommen. Da wird seit kurzem nämlich Basalt abgebaut! Wir haben alle dagegen protestiert und sogar beim Landrat vorgesprochen, aber da war nix zu machen!

    Auch am Samstag?

    Die holen sich einfach eine Sondergenehmigung!

    Seidl nickte verständnisvoll.

    Hauptsache, er erinnert sich später noch an die Explosion, denn der Tierarzt war sicher, dass dieser Knall nichts mit dem Basaltabbau in der Nähe zu tun hatte.

    Später saß Seidl noch bei einer Brotzeit in der guten Stube des Krainachers. Ich habe es geschafft!, dachte der Tierarzt. Das Alibi ist perfekt.

    *

    Es wurde spät und Seidl entschied sich dafür, doch nicht nach München zurückzukehren. Wozu auch? Ihm konnte nichts passieren, die gesamte Familie des Krainachers konnte bezeugen, dass er zu dem Zeitpunkt, da Dremmlers Ford in die Tiefe gestürzt war, sich auf dem Hof befunden hatte. Jetzt wollte er in der Nähe bleiben, um besser beobachten zu können, was sich tat...

    Auf dem Rückweg zum Ferienhaus fror Seidl ganz erbärmlich, obwohl er sich den Mantel angezogen hatte.

    Es war verflucht kalt geworden.

    Schon während seines Auenthalts auf dem Krainacher Hof war ihm der eisige Wind aufgefallen, der plötzlich von den Bergen blies.

    Er kehrte erst spät in sein Haus in den Bergen zurück und war ziemlich überrascht, als jemand vor der Haustür auf ihn wartete. Ich bin Kriminalhauptkommissar Niedermayer , sagte der etwas beleibte Mann und zeigte Seidl seine Marke. Ich habe es schon einmal versucht, aber da waren Sie nicht zu Hause...

    Kommen Sie herein, sagte Seidl und rieb sich die Hände. Es war ziemlich kalt geworden. Was ist denn passiert?

    Kennen Sie Herrn Tom Dremmler?

    Warten Sie, ich mache die Heizung an...

    Er ist hier in der Nähe ermordet worden.

    Ermordet?, fragte Seidl. Etwas musste schief gelaufen sein und er fragte sich verzweifelt, was es wohl war. Der Kommissar nickte. Von Ihnen, Herr Seidl. Sie hatten einen genialen Plan. Eigentlich hätte man von dem Eis keinerlei Spuren finden dürfen und wir hätten dann auch niemals bei den Eislieferanten der Umgebung nachgefragt, wer sich heute vier große Stangen hat liefern lassen... Wir wären nie auf Sie gekommen, Herr Seidl, wenn Sie das Wetter hier in den Bergen in Ihre Überlegungen mit einbezogen hätten. Drastische Temperaturschwankungen sind hier nichts Ungewöhnliches und heute hat es so einen Temperatursturz gegeben. Das Eis ist noch immer nicht geschmolzen... Sie sind übrigens verhaftet!

    ENDE

    Abendessen mit Konversation

    von Alfred Bekker

    Es ist eine traurige Sache.

    Warum bleiben sie nicht?

    Warum erschrecken sie, wenn sie das Haus betreten? Weshalb beklagen sie alle sich über einen bestimmten Geruch, von dem sie nicht sagen können, wodurch er verursacht wird?

    Sie wollen nicht bleiben und mit mir reden.

    Ich weiß nicht warum.

    Ist es zuviel, was ich verlange?

    Das kann ich mir nicht vorstellen. Und doch, es ist immer dasselbe. Sie wollen nicht bleiben. Ich kann von Glück sagen, wenn sie sich wenigstens mit mir an den gedeckten Tisch setzen.

    Ich zünde die Kerzen an.

    Der Schein des Lichts fällt auf ihre ebenmäßigen Züge und taucht sie in ein diffuses Licht.

    Ich konnte sie nicht gehen lassen.

    Ich konnte einfach nicht.

    Sie wollen wirklich schon gehen?

    Ihr Gesicht wirkt verlegen.

    Ja.

    Aber...

    Ich muss mich auf den Weg machen. Verstehen Sie mich doch, es ist höchste Zeit...

    Ich habe den Tisch gedeckt!

    Hören Sie, ich will Sie nicht kränken, aber...

    Aber?

    Ich weiß nicht, ob es richtig war, Ihre Einladung anzunehmen... Was ich sagen will ist...

    Sie können mir das nicht antun! Ich habe für Sie gekocht!

    Das ist sehr nett, aber -

    Alles ist vorbereitet...

    Sie runzelt genau in diesem Moment die Stirn.

    Vorbereitet?

    Viele von ihnen haben genau in diesem Moment die Stirn gerunzelt.

    Ich kann es unmöglich erklären, aber es ist so.

    Ich habe kein gutes Gefühl.

    Es gibt Lachs in Kräuterbutter. Dazu einen guten Wein. Es wird Ihnen schmecken...

    Ich habe etwas Scheußliches getan.

    Naja, das haben die meisten vielleicht irgendwann schonmal in ihrem Leben. Aber das, was ich getan habe, ist von besonderer Scheußlichkeit. Ich weiß es, aber ich kann es nicht ändern.

    Ich empfinde auch keine Schuld.

    Es ist so gekommen.

    Aus.

    Fertig.

    Reden wir über etwas anderes.

    Ich sehe ihr in die Augen, diese leuchtend blauen Augen, die mich eigentlich ganz friedlich anblicken.

    Sie sitzt mir gegenüber, mit diesen Augen, mit ihrem schmalen Mund, mit ihrem feingeschnittenen Gesicht. Ihr Mund lächelt nicht mehr. Er ist vielmehr unbeweglich, etwas starr, ich weiß auch nicht.

    Ich hebe mein Glas und proste ihr zu.

    Sie schweigt.

    Ich rede mit ihr. Oder besser: Ich erzähle ihr alles mögliche. Über mich. Über meine Ansichten. Über Gott. Und die Welt.

    Nein, vielleicht doch nicht über Gott. Was ich damit sagen will ist folgendes: Gott hat in dieser Geschichte eigentlich nicht allzuviel verloren.

    Ich sollte ihn aus dem Spiel lassen.

    Um seinetwillen.

    Mein Mund produziert Worte. Eins nach dem anderen, ohne Unterlass. Eigentlich bin ich ein schweigsamer Mensch, vielleicht sogar schüchtern. Ich lebe zurückgezogen mit meinen drei Katzen. Das Haus, in dem ich wohne, liegt etwas abseits, nicht weit von der Steilküste entfernt.

    Ich habe es für mich allein und das ist gut so.

    Oft bin ich oben bei den Klippen.

    Es herrscht immer ein starker Wind dort.

    Man trifft Leute dort. Touristen. Manchmal komme ich mit ihnen ins Gespräch und lade jemanden zu mir nach Hause ein.

    Zum Essen.

    Die meisten wollen nicht, aber bei einigen gelingt es mir.

    Kein Mensch kann immer allein sein. Kein Mensch. Auch ich nicht.

    Ein Tag vergeht. Und ein weiterer.

    Ich lasse sie am Tisch sitzen. Sie blickt mich starr an, wenn wir uns unterhalten.

    Hätte ich sie doch gehen lassen sollen?

    Vielleicht.

    Ich konnte es nicht.

    Es war einfach unmöglich.

    Ich brauchte sie.

    Und ich hoffe nur, dass ich ihr nicht allzu sehr wehgetan habe. Jedenfalls hat sie nicht geschrien. Sie war wohl sofort tot. Ganz bestimmt.

    Am vierten oder fünften Tag nahm ich sie über die Schulter und setzte sie in einen der großen Ohrensessel, die bei mir im Wohnzimmer stehen. Wir saßen beieinander. Es war schön.

    Jedenfalls besser, als wenn man alleine dasitzt.

    Von Tag zu Tag gab es mehr Fliegen im Haus und mir war klar, woher das kam.

    Ich betrachtete wehmütig ihr Gesicht.

    Schade, aber ich würde mich von ihr verabschieden müssen.

    Ich schob es noch ein paar Tage vor mir her. Schließlich hatte ich mich an ihre Gesellschaft gewöhnt.

    Dennoch, es war unvermeidlich.

    Ich löste ein paar Fußbodenbretter, unter denen ich eine Art Grube angelegt hatte, und legte sie zu den anderen.

    Erwürgt!

    von Alfred Bekker

    Der Umfang dieses Buchs entspricht 140 Taschenbuchseiten.

    Drei Männer werden ermordet – und immer wird ein Springseil um ihren Hals zu einer Schlinge drapiert. Die Ermittler stehen vor einem Rätsel...

    Ein packender Thriller von Alfred Bekker.

    Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

    © by Author

    © dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

    Alle Rechte vorbehalten.

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    postmaster@alfredbekker.de

    1

    George Rizzo stellte sein Cabriolet an den Straßenrand und stieg aus. Er nahm die Sonnenbrille ab und blickte sich um. Eine Rolex blitzte am Handgelenk auf. Der dunkle Ledermantel reichte bis zum Boden. Die Häuserzeile mit den Brownstone-Bauten wirkte wie ausgestorben. Eine Mülltonne war umgeworfen worden. Der Inhalt lag zur Hälfte auf der Straße. Einige Fahrzeuge standen am Straßenrand. Bei manchen fehlten Reifen. Rizzo blickte auf die Uhr. Komm schon, lass dir nicht so viel Zeit!, dachte er. Plötzlich hörte Rizzo ein Stöhnen. Augenblicklich war er alarmiert und hatte die Hand an der Waffe, die er im Hosenbund trug.

    Ein Mann taumelte aus einem der Hauseingänge hervor. Sein Gesicht war blutüberströmt. Er wollte etwas sagen, brachte aber nur unverständliche Laute hervor und strauchelte zu Boden. George Rizzo riss die die Waffe hervor.

    Von allen Seiten tauchten nun plötzlich in Leder gekleidete, bewaffnete Gestalten auf. Automatische Pistolen, Baseballschläger, Schlagringe und sogar MPis gab es bei ihnen. Das ratschende Geräusch eines durchgeladenen Pump Action Gewehrs ließ Rizzo herumwirbeln. Ein Mann mit gelockten Haaren und kantigem Gesicht grinste schief.

    „Wer nicht hören will, muss fühlen, George!"

    „Monty!", stieß Rizzo hervor. Seine Augen waren schreckgeweitet. Er riss die Waffe hoch, aber noch ehe er abdrücken konnte, hatte sein Gegenüber gefeuert. Rizzo machte drei taumelnde Schritte zurück und rutschte am Kotflügel seines Cabriolets zu Boden.

    2

    Die in Leder Gekleideten kamen näher heran.

    „Schön, dass du mich noch wieder erkennst!", sagte Monty und verzog dabei das Gesicht.

    Er war zweifellos der Anführer der Gruppe.

    Rizzos rechter Arm, mit dem er die Waffe hielt, gehorchte ihm nicht mehr. Mit der Linken versuchte er die Blutung an der Schulter zu stoppen. Aber das war aussichtslos. Rot rann es ihm zwischen den Fingern hindurch.

    Rizzo atmete flach. Sein Gesicht war zu einer Maske des Schmerzes geworden.

    Monty nahm ihm die Waffe ab.

    „Kaliber .45 – eine viel zu wuchtige Waffe für ein Spielkind wie dich!"

    „Monty, ich…"

    „Halt ja das Maul! Monty erhob sich und warf einem seiner Leute die .45er zu. „Stellt ihn auf die Füße!, befahl er anschließend. Zwei seiner Männer packten George Rizzo grob und rissen ihn hoch.

    Monty spuckte verächtlich aus.

    Dann stieß mit dem Lauf seines Pump Action-Gewehres gegen Rizzos verletzte Schulter, sodass dieser vor Schmerzen aufstöhnte.

    Monty grinste. „Wieso plötzlich so sensibel, George? Er tätschelte Rizzo in gespielter Gönnerhaftigkeit die Wange. „Weißt du, George, du hast mich auch verletzt. Nicht körperlich, aber… Er zog die Hand zurück, ballte sie zu Faust und drückte sie auf die linke Brust. „Hier drinnen, verstehst du? Ich habe gedacht, du würdest mein Wort respektieren! Ich dachte, du hättest begriffen, dass du hier nicht mehr zu suchen hast und ausschließlich wir in diesen Blocks die Geschäfte abwickeln. Aber du scheinst mich nicht ernst genommen zu haben und das trifft mich tief."

    Rizzo schluckte. Er zitterte leicht.

    „Monty, wir können doch reden!"

    Montys Faust sauste George Rizzo mitten ins Gesicht. Er musste festgehalten werden, um nicht zu Boden zu rutschen. Rizzos Mund wurde zu einer blutigen Höhle, der sich ein schmerzvolles Stöhnen entrang.

    Monty grinste zynisch.

    „Reden? Er lachte heiser. „Du wohl kaum noch, George!

    Die Anderen lachten heiser.

    3

    Inzwischen hatten zwei von Montys Leuten den verletzten Mann, der George Rizzo aus einem der Hauseingänge entgegen getaumelt war, grob an den Schultern gepackt. Der Mann trug einen Parka mit der Aufschrift ADVENTURER an Brust und Schulter. Die Aufschrift in Brusthöhe konnte man kaum noch lesen, denn der Parka über und über mit Blut besudelt. Das Gesicht war eine einzige Wunde, die Augen so stark angeschwollen, dass er kaum noch sehen konnte. Mit dem rechten Bein konnte er offenbar nicht mehr auftreten und der linke Arm hing schlaff von der Schulter. Er zitterte. Die blauen Augen flackerten unruhig.

    Es war offenkundig, dass er äußerst brutal verprügelt worden war.

    „Was sollen wir mit dem Kerl machen?", fragte einer der Männer, die ihn an den Armen hielten.

    Monty grinste schief.

    „Du bist doch hier gewesen, um deinen Stoff zu kaufen, nicht wahr?", sprach er den Mann mit der Adventurer-Jacke an. Dieser war jedoch unfähig, etwas sagen.

    Monty deutete auf Rizzo. „Durchsucht ihn nach Stoff – und dann stopft das Zeug seinem Kunden ins Maul. Der Munde ist dich König und sollte bekommen, was er wollte!"

    Gelächter brandete auf.

    Ziemlich grob durchsuchten Montys Männer George Rizzo und förderten einiges an Crack zu Tage. Das mit Backpulver verkochte Kokain lag in würfelförmigen Stücken vor – ‚Steine’ genannt. Rizzo hatte jeweils fünf davon in Cellophan eingepackt. Vier solcher Päckchen trug er in den Taschen. Daneben tauchten noch einige Briefchen reines Kokain auf.

    Der Mann mit der Adventurer-Jacke wurde festgehalten. Jemand hielt ihm die Nase zu, damit er den Mund öffnete, aus dem Blut rann. Monty stopfte dem Kerl eigenhändig einen Crack-Würfel nach dem anderen in den Mund, bis nichts mehr hineinpasste. Der Adventurer musste würgen, röchelte, spuckte die Würfel wieder aus.

    „Lasst ihn los!, befahl Monty. Dann wandte er sich an den Adventurer-Mann. „Du weißt in Zukunft, wo du die Steine kaufst, klar?

    Der Angesprochene stieß nur einen unartikulierten Laut hervor.

    „Betrachte alles, was du noch im Mund hast als Probelieferung und verschwinde. Aber sollten wir dich je wieder dabei erwischen, wie du dein Crack bei jemand anderem als bei uns kaufst, dann kommst du nicht mehr so preiswert davon. Verstanden?"

    „Er kann doch nichts sagen, Monty! Schließlich hat er die Schnauze voll!", lachte eines der Gangmitglieder, die Rizzo festhielten.

    „Verschwinde!", zischte Monty.

    Seine Leute ließen den Mann mit der Adventurer-Jacke los. Er wankte davon, zog das Bein dabei nach.

    Wenig später verschwand er in einem Hauseingang.

    Jetzt wandte sich Monty an George Rizzo. „Du kommst allerdings nicht so leicht davon! Er machte seinen Leuten ein Zeichen, woraufhin sie Rizzo losließen. Monty lud die Pump Gun durch. „Hör zu, ich gebe dir fünf Minuten Vorsprung. Lauf, so schnell du kannst – und falls wir dich einholen und noch in unserem Distrikt erwischen, hast du heute zum letzten Mal deine Steine angeboten!

    4

    George Rizzo hetzte die Straße entlang, bog in eine enge Gasse, die zwischen zwei Brownstone-Häusern geblieben war und gelangte in einen Hinterhof. Ein Stapel alter Autoreifen und mehrere ausgeschlachtete Pkw-Wracks waren hier zu finden. Viele der Fenster in den umliegenden Häusern waren zerschlagen. Manche mit Brettern vernagelt. Ein paar Obdachlose wärmten sich an einem Feuer.

    „Hey, was ist denn mit dem da?", rief einer von ihnen.

    Rizzo nahm die heisere Stimme nur wie aus weiter Ferne war. Ihm war schwindelig. Der Puls raste.

    Schweißperlen glänzten auf George Rizzos Stirn. Er hetzte weiter. Er wusste in der South Bronx Bescheid. Rizzo war hier aufgewachsen und kannte jeden Schleichweg.

    Seine Schulter schmerzte höllisch – ebenso wie sein Unterkiefer.

    George Rizzo war kaum noch in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Immer wieder hinterließ er Blutspuren auf dem Asphalt. Schließlich erreichte er die Ausfahrt des Hinterhofs und gelangte in eine Seitenstraße. Er überquerte sie. Auf der anderen Seite befand sich eine stillgelegte Lagerhalle. Das Gründstück war mit einem hohen Maschendrahtzaun umgeben. Es gab jedoch mehrere Stellen, an denen der Draht aufgeschnitten und zur Seite gebogen worden war.

    Rizzo zwängte sich durch eines der Löcher. Er verfing sich mit seiner Kleidung im Draht.

    Den Wagen, der am Straßenrand hielt, bemerkte er zunächst nicht. Die Tür wurde geöffnet, jemand stieg aus.

    Die Schritte auf dem Asphalt waren fast lautlos.

    Rizzo drehte sich herum und zuckte förmlich zusammen.

    Zweimal ertönte ein Geräusch, das wie ein heftiges Niesen klang. Eine Pistole mit Schalldämpfer. Die Projektile trafen George Rizzo in der Brust und im Kopf.

    Mit starren, toten Augen sackte in sich zusammen.

    5

    Der Tatort war mit Flatterband abgesperrt worden. Kein Mensch konnte genau sagen, wie die Straße hieß, denn irgendwelche Witzbolde hatten sich einen Spaß daraus gemacht, die Schilder abzumontieren. Laut der letzten Version des Stadtplans handelte sich um die George Washington Lane.

    Mein Kollege Milo Tucker und ich befanden uns in einer der übelsten Gegenden der South Bronx. Die City Police traute sich nur in Mannschaftsstärke und mit angelegten Kevlar-Westen hier her. Dementsprechend waren diesmal auch ungewöhnlich viele Sicherheitskräfte an dem Einsatz beteiligt, bei dem es eigentlich nur darum ging, den Tatort vor dem Betreten Unbefugter zu schützen.

    Ich parkte den Sportwagen bei den anderen Einsatzfahrzeugen. Abgesehen von den Einsatzkräften der City Police waren auch bereits die Kollegen der Scientific Research Division und der Homicide Squad des zuständigen Polizeireviers vor Ort.

    Dr. Brent Claus von der Gerichtsmedizin traf gerade ein.

    Wir warteten auf ihn und er begrüßte uns freundlich.

    „Haben Sie schon eine Ahnung, was uns hier erwartet, Agent Trevellian?", fragte er.

    Ich schüttelte den Kopf. „Wir kommen von einer Zeugenvernehmung auf Rikers Island und waren gerade in der Nähe, als uns der Anruf aus der Zentrale erreichte, berichtete ich. „Das Opfer ist ein Drogendealer und hat einen Strick um den Hals. Damit gehört er vermutlich in die Serie, mit der wir gerade zu tun haben.

    „Drei ähnliche Fälle in vier Wochen, ergänzte Milo. „Da will einer die Szene ganz gehörig aufräumen.

    Ein uniformierter Kollege hielt uns an. Wir zeigten ihm unsere Dienstausweise.

    „Lieutenant Alexander wartet schon auf Sie!", sagte der Officer.

    Wir erreichten schließlich den Tatort.

    Ein Toter lag auf dem Bürgersteig. Zwei Schusswunden in Kopf und auf der Brust waren unübersehbar. Außerdem gab es noch eine Wunde an der Schulter, die sehr viel größer war und sehr stark geblutet haben musste. Darüber hinaus hatte der Tote allerdings noch weitere Verletzungen. Man hatte ihm brutal die Zähne eingeschlagen.

    Lieutenant Barry Alexander von der Homicide Squad des zuständigen NYPD-Reviers war gerade in ein Gespräch mit einer Mitarbeiterin der Scientific Research Division verwickelt, die sofort durch die weißen Schutzoveralls auffielen.

    „Zwei Hülsen lagen hier herum, sagte die SRD-Kollegin. Sie hieß Sandra Dominguez. Ich kannte sie flüchtig von anderen Tatorten. „Alles spricht dafür, dass der Mord mit einer Waffe verübt wurde, mit der Projektile vom Kaliber 9 mm verschossen werden.

    Lieutenant Alexander drehte sich zu uns herum. Wir grüßten knapp.

    „Ich habe Sie sofort rufen lassen, denn ich nehme an, dass dieser Mord etwa mit Ihrer Serie zu tun hat."

    Ich blickte auf den Toten. Er trug einen bis zu den Knöcheln reichenden Ledermantel. Die Augen starrten ins Nichts.

    Ein fingerdickes Seil hing ihm locker um den Hals. Es war zur Schlinge geknüpft – wie bei einem Galgen.

    „Der Mann hieß George Nelson Rizzo, berichtete Lieutenant Alexander. „Er trug einen Führerschein bei sich. Laut Computer ist er mehrfach wegen Drogendelikten, Körperverletzung, Hehlerei und ähnlichem verurteilt worden und hat ein paar Jahre auf Rikers Island verbracht.

    „Ein Drogendealer, dem symbolisch ein Strick um den Hals gelegt wurde, sagte Milo. „Da scheint es jemand auf die kleinen Crack-Verteiler abgesehen zu haben.

    Lieutenant Alexander deutete auf die Straße. „Hier soll angeblich die Grenze zum Gebiet der ‚Spiders’ sein. Zumindest, wenn man unseren Informanten Glauben schenkt."

    Die ‚Spiders’ waren eine Drogengang, die sowohl uns, als auch den Kollegen der örtlichen Polizeireviere und der DEA zunehmend Sorgen bereitete. Sie hatten ihr Gebiet innerhalb eines Jahres verdreifacht und wir vermuteten, dass sie von einem der großen Syndikate als Verteiler eingesetzt wurden.

    „Ich nehme an, dass da irgend eine große Nummer im Hintergrund das Verteilersystem für Drogen unter seine Kontrolle bringen will, glaubte Lieutenant Alexander. „Aber das herauszufinden ist Gott sei Dank nicht mein Job, sondern Ihrer.

    „Hatte Rizzo Drogen bei sich?", fragte ich.

    „Nein", sagte Alexander.

    Inzwischen nahm Dr. Brent Claus seine Erstuntersuchung des Toten vor. „Drei Schusswunden, erklärte er. „Tödlich war der Treffer im Kopf, vielleicht auch der Schuss in die Brust. Das kann ich aber erst nach der Obduktion sagen.

    Nur das Projektil im Kopf befand sich noch im Körper, da es keine Austrittswunde gab. Das Projektil, das durch die Brust gegangen war, steckte im Asphalt und wurde von Sandra Dominguez eingesammelt.

    Aber die Kugel, die George Rizzo durch die Schulter gefahren war, fehlte.

    So sehr die Kollegen der SRD auch in unmittelbarer Nähe danach suchten, sie tauchte einfach nicht auf.

    „Eigentlich ist das nur so zu erklären, dass diese Verletzung nicht hier erfolgte, stellte Sandra Dominguez klar. „Außerdem bin ich mir ganz sicher, dass es ein größeres Kaliber gewesen ist!

    „Dann wurde Rizzo angeschossen, flüchtete hier her und wurde kurz bevor er das Gebiet der ‚Spiders’ verlassen konnte von zwei weiteren Kugeln aus einer anderen Waffe niedergestreckt", fasst Milo den vermuteten Tathergang zusammen.

    Lieutenant Alexander zeigte uns noch, was man bei dem Toten gefunden hatte: Ein Handy, ein Notizbuch und eine Brieftasche mit insgesamt 5000 Dollar, mehreren Kreditkarten und einem Führerschein.

    Daneben gab es auch eine Visitenkarte einer Hilfsorganisation für Drogenabhängige. HELP nannte sich die.

    „War Rizzo selbst süchtig?", fragte ich an Dr. Claus gewandt.

    „Definitiv kann ich das erst nach der Obduktion sagen, lautete die Antwort des Gerichtsmediziners. „Allerdings muss er zumindest gekokst haben. Die Nasenschleimhäute sind völlig ruiniert.

    „Die meisten Kleindealer sind selbst mehr oder minder schwer abhängig, meinte Lieutenant Alexander. „Auf diese Weise fangen die meisten mit diesem Teufelsbusiness an. Ein bisschen Stoff für einen Kumpel kaufen und etwas mehr nehmen, als man selbst bezahlt hat…

    Außerdem fand sich noch ein Schlüsselbund in seiner Hosentasche.

    Das Notizbuch enthielt Abkürzungen und Zahlen.

    „Vielleicht die Telefonnummern seiner Kunden?", vermutete Milo.

    „Mit etwas Glück vielleicht die seines Lieferanten."

    Ein Handy klingelte mit der Melodie von ‚Take Five’. Es war Lieutenant Alexanders Apparat. Er sagte dreimal knapp: „Ja! Dann beendete er das Gespräch und wandte sich an mich. „Auf Mister Rizzos Namen ist ein Cabriolet zugelassen. Kollegen haben den Wagen ein paar Straßen weiter gefunden.

    „Ich schlage vor, wir sehen uns den auch mal an", sagte Milo.

    Ich hatte nichts dagegen einzuwenden.

    6

    Die Straße, in der das Cabriolet gefunden war, hatten wir schnell erreicht. Uns fiel gleich der Einsatzwagen der Police auf. Er stand mit blinkenden Rotlichtern am Straßenrand.

    Zwei Uniformierte durchsuchten gerade einen jungen Mann, höchstens Mitte zwanzig.

    Ich fuhr den Sportwagen an den Straßenrand.

    Wir stiegen aus.

    Milo deutete auf die Reihe der auf der gegenüberliegenden Straße abgestellten Fahrzeuge, denen zum Teil die Reifen abmontiert worden waren. „Hier lässt man besser seinen Wagen nicht länger stehen, als unbedingt nötig, was?"

    „Selbst, wenn die Polizei daneben steht", nickte ich.

    „Wenn George Nelson Rizzo seinen Wagen hier stehen ließ, hat die Tragödie, die zu seinem Tod führte, vermutlich auch hier begonnen!"

    „Er bekam einen Schuss ab, flüchtete, wurde verfolgt und bekam dort, wo er gefunden wurde, den Rest."

    „Es sind zwei gewesen, Jesse. Zwei Waffen – und daher wohl vermutlich auch zwei Personen."

    Wir erreichten das Cabriolet. Unsere Vermutung bestätigte sich. Einer der Kotflügel war Blut besudelt. Der Wagen musste unbedingt von den Kollegen der SRD unter die Lupe genommen werden.

    „Hey, nichts anrühren!, rief uns einer der Cops entgegen. Ich ging auf ihn zu und hielt ihm meinen Ausweis entgegen. „Jesse Trevellian, FBI. Dies ist mein Kollege Milo Tucker.

    „Entschuldigen Sie, erwiderte der Polizist, ein groß gewachsener, breitschultriger Mann mit rötlichem Haar. „Ich bin Sergeant McGhee und mein Kollege ist Sergeant O’Leary. Lieutenant Alexander hat uns gebeten, in der Gegend nach dem Wagen von diesem Rizzo zu suchen. Hier ist er! Und der Kerl hier hat sich daran zu schaffen gemacht!

    Der junge, lockenköpfige Mann stand breitbeinig an Wand, während Sergeant O’Leary ihn abtastete.

    Ein Schlagring, ein Springmesser und ein langläufiger Revolver vom Kaliber .45 kamen zum Vorschein. Der Revolver glänzte metallisch und war offenbar auf Hochglanz poliert. Der Griff war aus Perlmutt und wies ein paar charakteristische Verzierungen auf. Unter anderem war der Kopf eines Cowboys zu sehen.

    „Sehr geschmackvoll", meinte Milo.

    Er nahm Sergeant O’Leary die Waffe ab und tütete sie in Cellophan ein.

    „Das könnte die Waffe sein, aus der Rizzo zum ersten Mal getroffen wurde", schloss ich.

    Inzwischen war auch ein Führerschein sichergestellt worden. Ich sah mir das Dokument an. Das Gültigkeitsdatum war ziemlich plump gefälscht. Der junge Mann hieß Wayne Smith und er wohnte nur ein paar Blocks weiter.

    Handschellen klickten.

    Ich trat näher an ihn heran. „Wissen Sie, wessen Cabriolet das ist?"

    „Keine Ahnung."

    „Sie brauchen nichts zu sagen, aber wenn Sie sich dazu entschließen, auszusagen, kann alles vor Gericht gegen Sie verwendet werden", belehrte Milo ihn.

    Sergeant O’Leary packte den Gefangenen bei den Schultern und drehte ihn herum. Er lehnte gegen die Wand. „Ich hatte ihn bereits belehrt, Agent Tucker. Aber einmal mehr kann ja kaum schaden."

    „Für meine Begriffe sah das so aus, als wollte er den Wagen kurz schließen", sagte Sergeant McGhee.

    „Ihr Cops könnt mich mal kreuzweise!", rief er.

    „Wir suchen den Schützen, der auf den Besitzer des Cabriolets geschossen hat, erklärte ich ihm. „Aus Ihrer Waffe wurde vor kurzem noch geschossen, das kann man riechen. Wenn wir Sie mit zur Federal Plaza nehmen, kann man an Ihren Händen nach Schmauchspuren suchen und einwandfrei feststellen, ob Sie innerhalb der letzten Tage eine Waffe benutzt haben.

    „Ja, ich habe mit der Waffe geschossen und ich weiß auch, dass das öffentliche Tragen von Schusswaffen in New York nicht gestattet ist! Aber verdammt noch mal mit dem Mord an diesem Typen habe ich nichts zu tun!"

    „Wahrscheinlich haben Sie ihn nur verletzt, aber ein paar Straßen weiter hat ihm jemand den Rest gegeben, sagte ich. „Der Kerl hieß George Nelson Rizzo. Er hat mit Drogen gedealt. Kennen Sie ihn?

    „Nein."

    „Jetzt machen Sie schon den Mund auf. Kooperation kann man das bis jetzt wirklich nicht nennen!"

    „Verdammt!"

    „Na los!"

    Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse.

    „Was interessiert mich dieser Mist, ich wollte nur den Wagen haben. Aber das verdammte Ding hat irgend so eine Sicherheitssperre oder etwas in der Art. Das kann man nicht einfach kurzschließen." Er atmete tief durch.

    „Rizzo hatte ein Buch mit vielen Nummern darin. Wenn Sie sein Kunde waren, dann sagen Sie uns das besser jetzt!", verlangte ich.

    „Ich war nicht sein Kunde!"

    Ich ließ nicht locker. „Was war los? Hat es Streit gegeben wegen einer Lieferung? Enthielten die Crack-Steine nur noch Backpulver und kaum noch Kokain?"

    „Das ist doch Unsinn, Mann!"

    „Oder ist Rizzo einfach nur in ein Gebiet eingedrungen, in dem er keinen Zutritt hatte?"

    „Verdammt, hast du keine Ohren, G-man? Ich habe den Typen nicht gekillt! So wahr ich hier stehe!"

    „Haben Sie irgendetwas gesehen?"

    Auf einmal starrte der Lockenkopf mit vor Schreck geweiteten Augen an mir vorbei. Die Pupillen waren ziemlich stark vergrößert. Ein Indiz dafür, dass er irgendetwas genommen hatte.

    „Nein!", schrie er.

    Im nächsten Moment peitschten Schüsse. Der erste traf Wayne Smith mitten in den Kopf. Er taumelte zurück, schwankte kurz und ging dann wie ein gefällter Baum zu Boden.

    Sergeant O’Leary griff zur Waffe an der Hüfte, aber er kam nicht mehr dazu, die Dienstwaffe aus dem Holster zu reißen. Eine Kugel traf ihn in die Brust, riss das Hemd auf und blieb in der, in dieser Gegend für alle Cops, obligatorischen Kevlar-Weste hängen. Er wurde zu Boden gerissen. Der zweite Schuss traf ihn am Hals. Blut trat aus. Er versuchte, die Blutung mit der Hand zu stoppen. Vergeblich. Das Blut rann ihm zwischen den Fingern hindurch. Er sank zu Boden. Milo und ich gingen in Deckung, während wir unsere Dienstwaffen zogen und auf jenes Fenster im fünften Stock schossen, aus dem man auf uns angelegt hatte. Ein Schattenriss war dort an einem offenen Fenster zu sehen. Der Gewehrlauf mit dem aufgesetzten Schalldämpfer reichte ziemlich weit hinaus.

    „Kümmern Sie sich um O’Leary!", wandte ich mich an McGhee.

    Milo und ich schnellten aus unsere Deckung. Wir rannten schräg über die Straße und näherten uns jenem Gebäude, aus dem die Schüsse abgegeben worden waren.

    Die Haustür war ausgehängt.

    Der Flur mit Graffiti besprüht. Ein Mann saß in sich zusammengesunken in einer Ecke. Seine Augen waren geschlossen. Ein Spritzbesteck lag auf dem Boden verstreut. Er atmete ruhig und regelmäßig. In der Lunge rasselte es dabei erschreckend geräuschvoll.

    „Haben Sie hier jemanden gesehen?", fragte Milo. Er musste seine Frage noch einmal wiederholen, damit sein Gegenüber sie überhaupt zur Kenntnis nahm.

    Der Mann riss die Augen auf, sah meinen Kollegen an und schloss sie sofort wieder. Es hatte keinen Sinn, ihn anzusprechen.

    Wir erreichten den Lift, aber dort gab es nichts weiter als leere Schächte. Außerdem stellten wir fest, dass zumindest im Erdgeschoss sämtliche Türen ausgehängt worden waren. Ich bezweifelte, ob hier überhaupt noch jemand wohnte – von den Ratten, die ab und zu über den Flur huschten mal ganz abgesehen.

    Wir nahmen das Treppenhaus, pirschten uns Absatz für Absatz nach oben. Dabei hielten wir uns immer schön außen, weil man nur von dort einigermaßen die Übersicht behalten kann. Mit der Waffe im Anschlag arbeiteten wir uns voran. Wenn der Schütze, der den jungen Mann namens Wayne Smith auf dem Gewissen hatte, sich noch im Haus befand und verschwinden wollte, musste er uns eigentlich entgegen kommen.

    Beinahe lautlos brachten wir die Treppen bis zum fünften Stock hinter uns.

    Ein Luftzug wehte durch das gesamte Gebäude. Es musste Dutzende von Fenstern hier geben, die seit einem Jahr oder länger ohne Glas waren.

    Die Wände waren kahl, der Putz blätterte ab.

    Wir schlichen durch einen langen, breiten Korridor. Rechts und links schlossen sich die Wohnungen an. Auch hier waren überall die Türen ausgehängt worden. Offenbar hatte man alles dem Haus geholt, was noch irgendwie Wert besaß.

    Ein Geräusch ließ uns aufhorchen. Ich rannte diesem Geräusch nach, bis ans Ende des Korridors. Milo folgte mir. Ein großer Raum von mindestens zwanzig Quadratmetern lag vor uns. Ich war mit ein paar Sätzen bei der Fensterfront. In etwa der Hälfte der Fenster war noch Glas.

    Ein Schuss zischte in eines der Fenster hinein und zerstörte es vollkommen.

    Ich duckte mich, als ich draußen Schritte hörte. Mit beiden Händen fasste ich die Waffe und tauchte aus meiner Deckung hervor.

    Ein Mann mit Lederjacke und Piratentuch rannte über das Flachdach des angrenzenden Nachbarhauses davon. THE HELL’s FINEST stand in verschnörkelten Fraktur-Lettern auf seiner Jacke.

    Er drehte sich um, riss sein Gewehr in meine Richtung und feuerte sofort, ohne zu zielen. Es handelte sich um ein Sturmgewehr, wie es bei der Army Standard war. Der Mann mit dem Piratentuch hatte es auf Dauerfeuer geschaltet. Ich duckte mich. Die Schüsse fraßen sich überall im Raum in den Beton der gegenüberliegenden Wände. Die wenigen noch intakten Fensterscheiben zersprangen.

    Milo blieb bei der Tür und sprang zur Seite, um nichts abzubekommen.

    Ich tauchte aus der Deckung hervor, nachdem der Geschosshagel verebbt war.

    Der Kerl lief weiter über das Flachdach.

    Ich kletterte durch eines der Fenster und folgte ihm.

    „Stehen bleiben! FBI!", rief ich und gab einen Warnschuss ab. Er reagierte darauf nicht. Schließlich erreichte er das Ende des Flachdachs. Zum Nachbargebäude gähnte ein Abgrund von zweieinhalb Yards. Er sprang, rollte sich auf der anderen Seite auf dem Boden ab und feuerte anschließend in meine Richtung. Die Kugeln zischten an mir vorbei. Ich duckte mich und schoss zurück.

    Der Kerl rappelte sich auf und lief weiter.

    Ich gab erneut einen Warnschuss ab. Dann zielte ich auf seine Beine und erwischte ihn an der Wade.

    Er schrie auf und verlangsamte das Tempo etwas.

    Ich sprang unterdessen über den zweieinhalb Yards breiten Abgrund und holte auf.

    Der Kerl mit dem Piratentuch hatte inzwischen den Dachausstieg erreicht und war wenig später verschwunden. Ich hetzte ihm hinterher.

    Am Boden war etwas Blut. Also hatten wir auf jeden Fall einen genetischen Fingerabdruck von ihm, wenn er uns durch die Lappen ging.

    Der Dachausstieg bestand aus einem kleinen Gebäudeaufbau von ungefähr drei mal vier Yards.

    Die feuerfeste Stahltür musste irgendwann einmal gewaltsam geöffnet worden sein und ließ sich nicht mehr schließen. In Höhe des Schlosses war sie stark verbogen.

    Milo holte mich ein.

    Ich riss die Tür vollends auf, Milo hob die Dienstwaffe. Aber es war natürlich niemand mehr dort.

    Eine Treppe führte hinab.

    Milo nahm sein Handy ans Ohr und rief Verstärkung. Auf dem Boden waren erneut Blutspuren. Wir gelangten über die Dachtreppe ins Treppenhaus. In der Tiefe waren Schritte zu hören. Jemand lief eilig nach unten.

    Wir folgten Absatz für Absatz und sicherten uns gegenseitig dabei. Schließlich gelangten wir ins Erdgeschoss, das offenbar bewohnt wurde. Immerhin standen an den meisten Briefkästen der unteren Reihe Namen. Der Aufzug war allerdings stillgelegt.

    Wir hörten Schritte.

    Eine junge Frau trat aus dem Korridor und erstarrte, als sie unsere Waffen sah.

    „Trevellian, FBI!, stellte ich mich vor und hielt ihr meine ID-Card entgegen. „Hier muss gerade ein Mann mit Piratentuch und Lederjacke hergelaufen sein.

    „Ich habe niemanden gesehen!", behauptete sie.

    „Er trägt eine Jacke mit der Aufschrift ‚Hell’s Finest’!"

    „Wie ich schon sagte, hier war niemand."

    „Wie ist Ihr Name?"

    „Susan Cabanez, Apartment 1.08."

    „Sie muss jemanden gesehen haben, stellte Milo klar. „Hier ist nämlich Blut. Er stand ein paar Schritte weiter im Korridor und deutete auf den Boden.

    Von draußen war jetzt das Geräusch eines startenden Motorrads zu hören.

    „Gibt es hier einen Hinterausgang?", fragte Milo.

    „Ja, den Korridor entlang und dann gleich links."

    „Danke."

    7

    Wir erreichten einen Hinterhof.

    Ein Motorrad heulte auf.

    Die Maschine war aufgebockt. Zwei junge Männer standen daneben. Einer betätigte das Gas, der andere schraubte am Motor herum.

    Die beiden erstarrten, als sie uns sahen. Der Motor wurde abgestellt.

    „Fehlanzeige, Milo. Das sind die Falschen", murmelte ich.

    Milo suchte auf dem Boden nach Blutspuren. Es lag eigentlich nahe, dass der Flüchtige diesen Weg genommen hatte.

    Wir gingen auf die beiden jungen Männer zu und zogen unsere Ausweise.

    „FBI", konnte ich gerade noch sagen, bevor der Größere der beiden die Hände hob und damit begann, sich zu verteidigen, noch bevor ihm etwas vorgeworfen worden war.

    „Wir sind sauber, Mann! Keine Drogen! Gar nichts!"

    „Wir haben Sie gar nicht verdächtigt, erklärte ich. „Wir suchen einen Kerl mit einer Schusswunde am Bein. Ich gab ihnen eine kurze Beschreibung. Die äußere Erscheinung des Flüchtigen Killers war eigentlich so prägnant, dass jede Verwechslung ausgeschlossen war.

    „Wir haben hier niemanden gesehen", versicherten beide unisono.

    „Und von den Schüssen haben Sie wahrscheinlich auch nichts gehört?"

    „Hier in der Gegend haben alle schon mal ein paar Schüsse gehört", meinte der Größere.

    Und der Andere ergänzte: „Meistens ist das harmlos."

    „Wieso ist es harmlos, wenn geschossen wird?", fragte ich.

    „Oft schießt ja doch nur jemand auf ein paar Blechdosen."

    „Verboten ist es trotzdem."

    „Wenn Sie hier leben würden, dann würden Sie auch zusehen, nur gut bewaffnet durch die Straßen zu gehen."

    „Gut bewaffnet oder unter dem Schutz guter Freunde", ergänzte der Andere.

    Ich verstand, was er meinte. Den Schutz einer Gang.

    Blut konnten wir nirgends entdecken – aber dazu war angesichts des fleckigen, mit Öllachen übersäten Bodens wahrscheinlich ohnehin nur ein Spurensicherer in der Lage.

    Milo ließ den Blick schweifen. „Der Kerl ist auf und davon", glaubte er.

    Ich wandte mich noch einmal an die beiden jungen Männer. „Sagt Ihnen der Name George Nelson Rizzo etwas? Er handelte mit Crack."

    „Nein."

    „Ein Typ mit einem Ledermantel bis zu den Knöcheln."

    Jetzt klingelte es bei den beiden.

    „Ach, Sie meinen Neo George!", meinte der Größere.

    „Neo George?", echote ich.

    „Ja, Sie erwähnten dich gerade seinen Ledermantel. Er sah aus wie Neo aus den Matrix-Filmen. Fand er wohl cool."

    „Er wurde hier in der Nähe angeschossen, flüchtete anschließend und bekam dann noch mal zwei Kugeln ab."

    „Kein Wunder", sagte der Kleinere.

    „Wieso?", wollte ich wissen.

    „Weil er ein mieses Arschloch war. Er hat gepanschten Stoff verkauft und in seinem Crack war kaum noch Kokain, sondern irgend ein anderes Zeug, dass ziemlich ungesund sein muss!"

    „Quatsch nicht so viel, Ricky!", wies ihn der Größere zurecht.

    Ricky verzog das Gesicht „Wieso, es weiß doch sowieso jeder, was mit Neo George los war! Die mieseste Ratte der South Bronx! Und Carla würde noch leben, wenn diesem Dreckskerl früher jemand gezeigt hätte, wo die Grenze ist!"

    „Meinen Sie die Grenze des Gang-Territoriums der ‚Spiders’?", fragte ich.

    Das verschlug beiden erstmal die Sprache. „Jedenfalls dürfte es hier in der Gegend nicht viele geben, die den Tod von Neo George bedauern!", fuhr er schließlich fort.

    „Wer ist diese Carla?", hakte ich nach.

    „Carla McGray, starb vor vier Wochen. Ich mochte sie ganz gerne und hatte auch mal was mit ihr, aber wenn sie auf Crack war, hatte sie nichts anderes als den Stoff im Hirn. Dann war sie ungenießbar."

    „Und ihr nehmt nichts?", fragte Milo.

    Der Größere grinste. „Unsere Droge heißt Benzin!"

    8

    Wir nahmen die Personalien der beiden jungen Männer auf. Sie hießen Ricky Spalding und Jay Beltran.

    „Die Sache mit Carla McGray sollen wir überprüfen, fand Milo. „Am Ende haben wir es nur mit einem einfachen Rachedrama zu tun - und nicht mit den Ausläufern eines Drogenkriegs um Verteilernetze für Crack.

    „Du vergisst das Seil, das man Rizzo um den Hals gehängt hat", gab ich zu bedenken.

    „Das war ein Allerweltsseil, Jesse. Es könnte sich jemand an diese Serie als Trittbrettfahrer drangehängt haben."

    „Dazu passt Rizzo wiederum zu perfekt ins bisherige Opfer-Profil!"

    „Eben deshalb!"

    „Aber vorher befragen wir noch einmal die Lady, die uns auf den Hof geschickt hat."

    „Wieso?"

    „Sie hat uns angelogen, Milo und ich möchte

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