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Dinotherium bavaricum vs. Predator
Dinotherium bavaricum vs. Predator
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eBook331 Seiten4 Stunden

Dinotherium bavaricum vs. Predator

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Über dieses E-Book

Eine Stadt im Ausnahmezustand: Wölfe strömen unkontrolliert in unsere Wälder - aber der Bioförster sagt, wir schaffen das. Haustiere werden aufgespießt, Horrorclowns und Werwölfe treiben nachts ihr Unwesen - Ehebruch, Mord und Bluttaten stehen an der Tagesordnung. Und das Schlimmste: Dacia, die ich liebe, Maria, die ich begehre, und Sophie, mit der ich zusammen bin, tummeln sich auf ein und derselben Hausparty! Und doch ist die Welt noch nicht verloren: Denn es gibt jemanden, der dem Ganzen … Moment, Cleo ist grad reingekommen. Hm … er meint, ich hätte jetzt genug Belanglosigkeiten von mir gegeben. Sinnvoller wäre es, an dieser Stelle sein neustes Gedicht zu platzieren. Na gut, wenn's weiter nix ist. Es fragt die holde Ambar, warum das Petting lahm war und ich nicht anschmiegsam war. Ich sag: "Dein rotes Schamhaar war vorher ja nicht ahnbar." In diesem Sinne: Viel Spaß beim Mitleiden! Euer Hugo
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum25. Aug. 2021
ISBN9783347381803
Dinotherium bavaricum vs. Predator
Autor

Lukas Wolfgang Börner

Am 30. Mai 1987 wurde Lukas Wolfgang Börner in Leipzig geboren, um bald darauf, noch vor dem Mauerfall, mit seiner Familie ins Allgäu zu gelangen. In der Ganghofer-Stadt Kaufbeuren vis-à-vis des Familienhauses Enzensberger verbrachte er seine Jugend mit Naturexkursionen, Gedichten und allerhand Bubenstreichen, die seine Geschichten, insbesondere die Endzeitjugend-Romane, fortan prägen sollten. Nach seinem Wehrdienst als Gebirgsjäger studierte er Germanistik, Geographie und Europäische Ethnologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Börner ist Übersetzer/Nachdichter diverser internationaler Gedichtklassiker („Tomten“, „Befana“) sowie des toskanischen Volksmärchens „Fantaghirò Persona Bella“, das durch die Märchen-Filmreihe „Prinzessin Fantaghirò“ Berühmtheit erlangte. Inhalt seiner Geschichten und Dichtungen sind Freiheits- und Sinnsuche, Liebe, Lust und die volle Palette menschlicher Abgründe, wobei der Humor ebenso allgegenwärtig ist wie die Umwertung aller Werte à la Nietzsche. Das Selbstverlegen sieht Börner als willkommenes Mittel, „auch heute noch literarisch anspruchsvolle Kunst zu schaffen, ohne auf die kurzen Aufmerksamkeitsspannen des Mainstreams oder die Befindlichkeiten der Dauerempörten Rücksicht zu nehmen.“

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    Buchvorschau

    Dinotherium bavaricum vs. Predator - Lukas Wolfgang Börner

    Das Detektiv-Casting

    „Bist du jetzt endlich fertig?"

    „Hm."

    „Was hm?"

    „Hm, hm."

    „Hallo! Rindenmulch an Hugo!"

    „Wie?"

    „Du liest jetzt seit neuneinhalb Minuten die letzte Buchseite. Hast du die Buchstaben schon auswendig gelernt?"

    „Nein … nein …"

    „Huuugo?"

    „Hm?"

    „Ist dir klar, dass draußen eine Schlange von Bewerbern steht? Dass heute der Tag ist, an dem die Weichen für unsere Karriere gestellt werden?"

    „Ja doch."

    „Dann erklär mir bitte, was du da so lange rumliest!"

    Ich klappte das Buch geräuschvoll zu. Ein nicht unerfolgreicher Jugendkrimi war es. Mit verschleiertem Blick musterte ich meinen Freund. „War die letzte Seite chinesisch?", fragte Cleo.

    „Nein", murmelte ich.

    „Eine unvermutete Wendung?", hakte Cleo nach.

    „Nein, gab ich zurück. „Es war … es war einfach total beschissen.

    „Ach ja?"

    Ich schüttelte den Kopf: „Ich kann es echt nicht begreifen, warum der noch ‘nen zweiten Teil geschrieben hat. Warum konnte er die Charaktere nicht einfach in Frieden ruhen lassen? Die erste Geschichte war so genial, so einfallsreich, so lustig – ich hab sie bestimmt viermal gelesen."

    Cleo grinste: „Das wundert mich nicht. Dass der eine Fortsetzung geschrieben hat, meine ich. Ich habe festgestellt, dass Schriftsteller einen Geltungsdrang haben wie kein anderer Mensch. Das kannst du übrigens alles in meinem Blog von letzter Woche nachlesen."

    Ich: „Aber er hat hier nicht nur eine entsetzliche Geschichte abgeliefert, er hat mir auch nachhaltig die Charaktere besudelt. Ich habe jetzt überhaupt keine Lust mehr, den ersten Teil wieder zu lesen. Die sind alle drei einfach solche Pfosten!"

    Cleo: „Drei? Waren das nicht nur zwei Typen?"

    Ich: „Sie haben eine weitere Freundschaft geschlossen und hängen ab jetzt zu dritt rum."

    Cleo: „Das ist immer ein schlechtes Zeichen. Wurscht jetzt, vergiss unsere Bewerber nicht! Ein Detektivbüro mit zwei Detektiven ist ja doch ein wenig mager."

    Lieber Leser, es freut mich, dass du hier bist und meine Gedanken liest, die ich gerade Revue passieren lasse. Das ist viel einfacher und mir persönlich auch viel lieber, als wenn ich erst davor ein Buch schreiben müsste. Das kann ich nämlich nicht.

    Also ich könnte es schon, aber das würdest du nicht lesen wollen, denn der Text würde nur so vor Schreib- und Kommafehlern strotzen. Aber vermutlich würde dir das gar nix ausmachen, denn keinen Menschen, der ein bissel bei Verstand ist, stören Schreib- und Kommafehler. Und du bist ja ganz sicher bei Verstand. Du bist total verständig und ziemlich cool, das weiß ich gewiss. Sonst würde ich dich nämlich niemals in meinen Gedanken herumschnuppern lassen.

    Vielleicht hätte ich Cleo bitten sollen, diesen Abenteuerkrimi wahrheitsgetreu niederzuschreiben – dann könnten wir mit dem Buch ein Heidengeld verdienen.

    Aber die Tatsache, dass er auf verschiedene „überflüssige" Buchstaben im Alphabet verzichtet und seit Neuestem nur noch Kleinbuchstaben verwendet – er findet, dass nicht nur alle Menschen auf der Welt gleichbehandelt werden sollten, sondern auch alle Buchstaben …

    … ach, es ist echt wurscht. Reden wir nicht mehr davon, sonst kriege ich noch Arthrose im Gehirn.

    Was würde das Heidengeld überhaupt nützen, frage ich dich? Ist uns denn nicht allen klar, wie das am Ende abläuft?

    Stell dir mal vor, ich und Cleo wären stinkreich, hätten für unser Leben ausgesorgt und aller Ruhm der Welt würde uns auf unseren Tourneen entgegenwehen.

    Dann wäre das Leben ein Kinderspiel: Will ich Freunde haben, kaufe ich sie. Will ich Freundinnen haben, kaufe ich sie. Will ich einen Nachweis vom Doktor haben, dass ich krank bin und nicht in die Schule gehen kann, kaufe ich ihn. Den Nachweis oder den Doktor. Mir ist das gleich. Dann habe ich eine Chauffeuse für meinen Sportwagen, eine Masseuse für meinen Sportkörper und eine Fritteuse für meine Haare.

    Ach, das wäre der Hammer! Aber leider gibt es auf der Welt jene summenden Kreaturen, die nur dafür geschaffen wurden, uns Tropfen für Tropfen die Lebensfreude aus dem Leib zu melken – Eltern.

    Und wenn man auch wirklich einmal etwas geleistet hätte und wenn man auch wirklich zu Geld und Ruhm gekommen wäre – halt, halt, halt und nicht so schnell und komm mal runter, wird gesagt. Und dann wird dein sauer verdientes Geld genommen und auf ein Konto überwiesen, auf das du frühestens mit achtzehn Jahren zugreifen kannst. Und kommen wirklich einmal Anfragen von Zeitungen oder Fernsehsendern, dann schreiben die Eltern gebieterische Absagen zurück: „Es sind noch Kinder – wir bitten Sie, sie künftig nicht mehr zu belästigen."

    „Ein Konto, auf das man erst in sechs Jahren zugreifen kann, ist so sinnvoll wie ein Kühlschrank in der Antarktis. In sechs Jahren werden alle Konten von Hackern online ausgeraubt worden sein, meint Cleo immer, wenn wir darauf zu sprechen kommen. „Gott sei Dank hab ich einen Plan, wie ich in nur wenigen Jahren zum großen Geld kommen werde.

    „Wie denn?"

    „Ich werde eine alternative Energiequelle erschließen und das Patent teuer verkaufen."

    „Was für eine Energiequelle?"

    „Stell dir mal gigantische Hamsterräder vor, die von Joggern angetrieben werden. Das wäre Hundertprozent Ökostrom und Jogger gibt es ja eh wie Sand am Meer."

    „Meinst du, dass die sich wirklich bereit erklären, in einem Hamsterrad zu joggen?"

    „Das wird man für einen gesunden Planeten wohl erwarten dürfen. Zur Not muss die Polizei halt für Recht und Ordnung sorgen und den gewissenlosen Straßenjoggern die Beine brechen."

    Klingt gut. Aber lass mich jetzt die Geschichte beginnen:

    Es war einmal an einem Samstagvormittag zur Sommerzeit – natürlich, wann sonst? Jugendgeschichten spielen fast ausschließlich zur Sommerzeit, weil da die Sommerferien sind und man in der Schule ja keine Abenteuer erleben kann. Da kann man höchstens den superduperspannenden Abenteuern von Herrn Perikles lauschen oder von König Echnaton und seiner Frau … ähm … seiner Frau … ich komme jetzt nicht auf den Namen. Klingt so ähnlich wie „Noch Früchtetee!".

    Kotz!

    Das werde ich ab jetzt so machen, das spart Zeit. Wenn mich etwas anwidert oder sonstige Gefühle in mir weckt, drücke ich das mit einem schlichten Kotz! aus. Oder mit Würg! vielleicht. Oder mit Kotzwürg!

    Es war also an einem Samstagvormittag zur Sommerzeit, aber es war erst Anfang Juli und noch Schulzeit. Kotz! In zwei Wochen würde es Zeugnisse geben. Kotzkotz! Und mein Zeugnis würde fast ausschließlich Vierer enthalten. Kotzwürgwürg! Und meine Eltern würden sehr sauer darüber sein. Kotzko… ach, jetzt mag ich nimmer. Das ist echt zu albern. Vor Cleos Haustür stand eine kleine Schlange von Bewerbern. Wir hatten vor wenigen Tagen in unserer Klasse verkündet, dass wir ein Detektivbüro eröffnen wollen, dafür aber einen dritten Detektiv bräuchten. Jeder, der über besondere kriminalistische Fähigkeiten verfügte, dürfte am Samstag bei uns vorsprechen und sich bewerben. Er müsse sich aber der Gefahren bewusst sein.

    Schließlich würden wir nicht kleine, unbedeutende Kinderdetektivfälle aufklären, wo etwa die Cookies hinverschwunden sein könnten oder warum Dieben nachgestellt wird, während Laubsaugbläser ungestraft ihr Unwesen treiben dürfen. Nein! wir würden es mit echten Verbrechern zu tun haben: Räubern, Mördern und Werwölfen!

    Jetzt habe ich vielleicht schon zu viel verraten – versuch, das letzte Wort vorsichtshalber wieder zu vergessen, lieber Leser. Das war an der Stelle nicht wirklich intelligent platziert.

    Auf jeden Fall würde es heiß hergehen in diesen Sommerferien, das sollten die Mitschüler schon genau wissen und sich in Acht nehmen. Wir konnten schließlich nur die Besten der Besten in unserem Team gebrauchen.

    „Es sind zwölf Bewerber, meinte Cleo, der von seinem Zimmerfenster aus hinunterschaute. „Manche kenne ich gar nicht.

    „Na, umso besser, erwiderte ich. „Dann hat sich das Casting offenbar gut rumgesprochen. Wollen wir sie reinlassen?

    „Es sind noch zwei Minuten, sagte Cleo mit einem Blick auf sein Handy. „Hä? Wir sind doch schon dreizehn Minuten drüber, sagte ich.

    „Schon, aber wir müssen auch ihre Geduld prüfen, erklärte mein Freund. „Stell dir mal vor, man hockt bei einem Mörder im Kühlschrank und muss warten, bis der sich ins Bett legt und einschläft, hat aber keine Geduld dazu.

    „Ich habe eigentlich nicht vor, bei einem Mörder im Kühlschrank zu hocken." Ich fragte mich insgeheim, ob ich nicht doch lieber das Geheimnis der verschwundenen Cookies lösen wollte.

    „Vielleicht muss man sich auch unter der Leiche verkriechen und dort mehrere Stunden ausharren, fügte Cleo nachdenklich hinzu. Dann klatschte er vergnügt in die Hände. „Na gut, dann lassen wir sie halt rein.

    Der erste Bewerber war der Korbi, ein relativ sympathischer, sonst eher stiller Klassenkamerad. Hier aber war er gar nicht still, sondern redete wie ein Wasserfall: Er habe schon früher einwandfrei Rätsel geknackt und verstehe sich auch auf die Um-die-Ecke-denk-Rätsel in der Zeitung und Vier-mal-vier-Sudokus und überhaupt habe er das neuste Smartphone, mit dem er innerhalb von zweieinhalb Sekunden das halbe Internet durchforsten könnte.

    Cleo drehte sich auf seinem Schreibtischstuhl nachdenklich im Kreis, seine Hände mit ausgestreckten Zeigefingern gefaltet, dass es aussah, als würde er sich mit einer Hände-Pumpgun in die Nase schießen wollen. „Wir werden in Situationen kommen, wo uns die Technik nicht weiterhilft", knirschte er unbeeindruckt.

    Korbi wartete beklommen ab.

    „Kannst du schwimmen?", fragte Cleo.

    „Ja", sagte Korbi.

    „Tauchen auch?", fragte Cleo.

    „Ja", sagte Korbi.

    „Wie lange?", fragte Cleo.

    „Ähm, ich … ", stotterte Korbi.

    „Was?", fragte Cleo.

    „… vielleicht so dreißig Sekunden …", stotterte Korbi.

    „Zu kurz!, donnerte Cleo. „Der Nächste!

    Korbi suchte bestürzt das Weite.

    Es folgte ein weiterer Klassenkamerad, der David. Er hatte offenbar an der Tür gelauscht, denn er beteuerte gleich, dass er eine volle Minute die Luft anhalten und super schwimmen könne.

    „Wir wollen nicht den Chiemsee überqueren, sondern ein Detektivbüro gründen!", rief mein Freund und wollte ihn schon die Treppen hinunter und zur Haustür hinausjagen – aber ich hielt ihn zurück.

    „Was kannst du denn sonst so?", fragte ich gutherzig.

    Etwas eingeschüchtert erwiderte er: „Ich bin sehr sportlich, kann schnell laufen und … bin mutig."

    „AAAAAAH!, brüllte Cleo und sprang von seinem Stuhl auf. David zuckte erschrocken zusammen. „Erstaunlich mutig!, kommentierte Cleo. „Der Nächste!"

    Ich warf meinem Freund einen wütenden Blick zu und wollte ihn gerade zurechtweisen und sagen, dass beide Mitschüler doch keinen schlechten Eindruck gemacht hätten und man überdies mit seinen Bewerbern anders umgehen müsse. Bevor ich aber den Mund öffnen konnte, trat Sophie herein – ein endpenetrantes Mädchen, das in mich verliebt ist.

    „Keine Mädchen!, rief ich. „Wir gründen ein Detektivbüro und keinen Waschsalon!

    Sophie machte auf dem Absatz kehrt und suchte das Weite, nicht ohne zwei anderen Mädchen, die im Hausgang standen, auszurichten, dass wir widerliche Frauenfeinde und Machos wären.

    Verleumdungen dieser Art musst du aber nicht erst nehmen, lieber Leser – ich bin kein Macho, das ist alles erstunken und erlogen. Mädchengeschwätz sollte man generell nicht ernst nehmen.

    Leider bemerkte ich erst zu spät, dass auch die wunderbare, dickbusige Maria in der Schlange gestanden war. Ich wollte ihr – der Schönsten unserer Mitschülerinnen – noch entschuldigend zulächeln, da war sie aber schon mit den anderen davongetrampelt.

    Der nächste Interessent an unserem Casting war Irg.

    Wie heißt du?, fragte ich. Meine Aufgabe war es, Protokoll zu führen. „Irg, wiederholte der Kerl wie eine Maschine. Er war nur wenig größer als ich, aber ungefähr doppelt so breit und auf ungute Weise kastenförmig. Seine Haare waren höchstens einen Millimeter lang und seine Stirn war kurz wie bei einem Neandertaler. Wir hatten Irg noch nie gesehen.

    „Woher weißt du von diesem Casting?", fragte Cleo.

    „Voem Junggen", sagte Irg.

    „Von wem?", fragte Cleo.

    „Voem Junggen", sagte Irg.

    „Aha …, meinte Cleo. Beim Anblick Irgs wagte er es nicht, sich mit dem Stuhl herumzudrehen. „Was kannst du denn?

    „Vaprügeln", sagte Irg.

    „Verprügeln?", fragte Cleo.

    „Vaprügeln, wiederholte Irg und knackte mit den melonengroßen Fäusten. „Und sonst so?, fragte Cleo.

    „Vaprügeln", sagte Irg.

    „Na … gut. Dann lass uns doch mal deine Nummer da, antwortete Cleo mit seltsam grauem Gesicht. „Wir werden uns schnellstmöglich bei dir melden.

    Als Irg das Zimmer verlassen hatte – nicht ohne im Vorbeigehen mit der Faust gegen die Wand zu schlagen –, mussten wir eine kurze Kaffeepause einlegen.

    Es folgten noch ein paar Kandidaten, die zwar keine schlechten Detektive abgegeben hätten, aber Cleo nicht im Geringsten zusagten. Ich buche es meinerseits als Erfolg ein, dass ich ihn wenigstens daran hinderte, sie niederzuschreien. Ohne mein Zutun wären wir am folgenden Montag wohl die verhasstesten Buben der Schule gewesen.

    Der letzte Bewerber war jemand aus der Parallelklasse, den wir nur vom Sehen her kannten. Er hieß Jean-Claude, kaute Kaugummi, hatte glattgekämmtes Haar und zwei unterschiedlich lange Arme. Überdies führte er einen schwebenden gelben Luftballon an einer Schnur mit sich. Ich und Cleo tauschten einen enttäuschten Blick, weil wir die Chancen auf einen angemessenen dritten Detektiv endgültig verbaut sahen.

    „Ich grüße euch", nuschelte Jean-Claude.

    „Und ich stelle mich mit meinem Namen vor", erwiderte Cleo zynisch. Redensarten wie Ich grüße dich oder Ich bedanke mich oder Ich entschuldige mich hasst Cleo wie die Pest. „Wenn man so etwas sagt, tut man ja eben gerade nicht das, was man vorgibt zu tun!", schimpft er zuweilen.

    „Was kannst du?", fuhr er fort, nachdem ich dem Bewerber gequält zugelächelt hatte.

    „Das hier", erwiderte Jean-Claude, löste vorsichtig den Knoten vom Luftballon und atmete das Helium ein. Wir dachten, dass er gleich wie ein Schlumpf sprechen würde. Aber Jean-Claude sprach nicht, sondern erschuf pustend eine Kaugummiblase, die sofort zur Zimmerdecke aufstieg und zerplatzte.

    „Das … das …, stammelte Cleo, während Jean-Claude fröhlich eine Kaugummiblase nach der anderen aufsteigen ließ. Die Decke sah bereits wie ein Bahnhofsfußweg aus, nur halt andersrum. „Das ist ja grandios! Das ist phänomenal! Ich glaube, wir haben unseren Dritten, Hugo! „Phänomenal?!, wiederholte ich, während Cleo und Jean-Claude sich herzlich die Hände schüttelten. „Und wie soll uns das bei der Verbrechensbekämpfung helfen?

    Niemand beachtete mich.

    „Hey! Cleo!, rief ich zuletzt und packte meinen spinnerten Freund an der Schulter. „Ich will das nicht! Nichts gegen dich, Jean-Claude, aber da waren heute deutlich bessere Kandidaten dabei!

    „Ach ja?, erwiderte Cleo, plötzlich kalt wie Eis. „Und was kannst du eigentlich, was uns bei der Verbrechensbekämpfung helfen könnte?

    „Ich … ich …, erwiderte ich stotternd, denn ich war von der Frage ganz und gar überrumpelt. „Das ist doch … das ist doch wohl egal. Ich bin ja der Mitbegründer unserer Detektei!

    „Das Detektivbüro war meine Idee, erklärte Cleo. „Damit bin ich der erste Detektiv und der, der die Entscheidungen fällt. Und ich habe meine Entscheidung gefällt. Jean-Claude hier wird der zweite Detektiv und Irg der dritte!

    Vor meinen Augen verschwamm alles, mein Herz tat einen schmerzhaften Hüpfer. „Jean-Claude der zweite Detektiv?, lallte ich. „Und Irg der dritte?

    Dann aber schrie ich aus Leibeskräften: „ICH BIN VON ANFANG AN DABEI!! DU KANNST DAS DOCH NICHT OHNE MICH MACHEN!! UND NOCH DAZU MIT DIESEN ZWEI PFEIFEN, DU PAVIANGESICHTIGER HIRNZWERG!!!"

    „Irg!, schrie Cleo aus dem offenen Fenster und ich bemerkte mit Schrecken, dass der Neandertaler noch in der Nähe war. „Erster Auftrag: Schaff mir den Typen hier vom Hals!

    „Vaprügeln!", donnerte Irg, doch bevor ihn Cleo einlassen konnte, hatte ich mich bereits über die Terrassentür in Sicherheit gebracht.

    Gott, wie ich Cleo verabscheue!

    *

    Maria, gebenedeit seien die Früchte deines Leibes

    Ich möchte diesen Cliffhanger nutzen, um dir kurz eine Übersicht über mich und mein Leben zu geben, hochgeschätzter Leser. Am wichtigsten für solche Zwecke ist der Name. Und mein Name ist Hugo Ramsauer. So heiße ich schon, so weit ich mich zurückerinnern kann. Ich besuche momentan – also nicht wirklich momentan, denn die Geschichte, die ich dir gerade erzähle, findet eigentlich in der Vergangenheit statt – momentan stehe ich nämlich im Badezimmer und warte sehnsüchtig auf die Ermattung meiner Morgenlatte, denn ich muss echt dringend bieseln, aber ich möchte, dass es für dich so wirkt, als ob wir uns in der Gegenwart befänden. Also nochmal: Ich besuche momentan die sechste Klasse des Ganghofer-Gymnasiums, das nach Ludwig Ganghofer benannt wurde – einem talentfreien Heimatkünstler, den niemand kennt und dem die Welt nichts und rein gar nichts zu verdanken hat.

    Besuchen ist vielleicht nicht das richtige Wort, denn das würde ja voraussetzen, dass man freiwillig in die Schule ginge. Und das tut man natürlich nicht. Das wäre genauso, wie wenn ein Knasti sagen würde, er besuche das Gefängnis Stadelheim, zweite Etage, siebenunddreißigste Zelle, immer den Kakerlaken nach. Nein, nein, nein, ein Besuch ist und bleibt freiwillig.

    Andererseits muss man ja auch seine Verwandten hin und wieder besuchen und das ist doch in den wenigsten Fällen freiwillig. Vor allem, wenn die Verwandten in einem fremdsprachigen Dritte-Welt-Land nahe der russischen Grenze wohnen. In Sachsen nämlich.

    Aber genug zu mir und meinem Leben. Du kennst meinen Namen und meine Schulbildung, alles andere ist nicht von Bedeutung. Ob ich nun blond bin oder brünett, ob Rapper oder Metaller, ob schwarz oder weiß oder eigenartig curryfarben, ob trendig oder schimmelig, ob Mann oder Frau – das sind doch alles Oberflächlichkeiten. Bastle dir einfach den Hugo zurecht, den du am liebsten haben willst.

    Nur bitte keinen Hugo mit rosa Dreadlocks, gescheckter Orangenhaut und behaarten Brüsten im Jutesack. Das würde dann doch ein falsches Licht auf mich werfen.

    Apropos Brüste. Jetzt möchte ich dir von Maria erzählen.

    Am Samstag – also dem Samstag, an dem sich Cleo einmal mehr danebenbenommen und mir Irg auf den Leib gehetzt hat – bin ich noch einige Zeit wütend und fassungslos in der Stadt herumgetigert. Ich hatte eigentlich nix zu tun und auch nur wenig Geld bei mir, aber ich ging trotzdem in jedes Geschäft und starrte die Kaufartikel an, die ich mir nicht leisten konnte. Und auch nicht mehr hätte kaufen können, selbst wenn ich genügend Geld bei mir gehabt hätte.

    Ich spreche von Spielzeug. Die sechste Klasse, vor allem, wenn sie fast vorbei ist, ist eine Lebensphase, die man nicht mehr mit Spielsachen verbringen darf. Selbst wenn man das eigentlich noch möchte. So wie ich insgeheim.

    Ich gehe durch die Regale, starre versonnen Lego- und Playmobilkartons an, während mein Blick immer wieder verstohlen nach eventuellen Beobachtern schielt, die „Haha, seht nur! Der Jugendliche da spielt noch mit Playmo-Tierchen!" rufen könnten.

    Und dann gibt es Läden, wo es Filme oder Zeitschriften gibt, die – wie sage ich es am besten? – explizit erotische Darstellungen bieten. Wenn ich mich durch solche Regale schleiche, muss ich nicht weniger auf der Hut sein als beim Spielzeug. Das ist für einen Sechstklässler ebenso verboten. Im Grunde ist mein ganzes Leben eine einzige Verfolgungsjagd geworden. Immer muss ich fürchten, entdeckt zu werden, immer fürchten, ausgelacht oder angemotzt zu werden. Immer stehe ich nur einen Fingerbreit von einem Fettnäpfchen entfernt.

    Und gehe ich mal in einen Süßigkeitenladen, der einzige Laden, in dem man unbehelligt aufatmen kann, die einzige Ticke in diesem schrecklichen Versteckspiel, kommen irgendwelche arschgeborenen Mitschüler herein und meinen gehässig, dass es ja logisch wäre, dass man mich in einem Süßigkeitenladen antreffen würde, quasi an der Quelle – dabei bin ich gar nicht dick … ein bissel kräftig vielleicht. Ach was: Ein gestandnes Mannsbild bin ich, verdammt nochmal!

    Ja, so trist ist das Leben eines Teenagers. An keinem Ort darf er sich aufhalten, überall lauert Gefahr, immer muss er auf der Hut sein. Einmal wöchentlich werde ich von Kaufhausdetektiven geschnappt, weil die immer denken, dass ich was gezwickt hätte. Aber das habe ich nicht. Einer sagte einmal, ich würde so auffällig unauffällig durch den Laden huschen, dass er seinen Hintern darauf verwettet hätte, ich wäre ein Dieb. Unterdessen kenne ich alle Kaufhausdetektive der Stadt. Vielleicht sollte ich wirklich mal was stehlen, jetzt wo ich weiß, auf welche Personen ich achten muss. Dann stehle ich einen motorisierten T-Rex und einen Erotikfilm. Und gleich noch ein paar gebrannte Erdnüsse dazu, zefix!

    Apropos Erotik. Jetzt möchte ich dir von Maria erzählen.

    Ich war also am Samstag unterwegs und stand gerade vor den Zeitschriften. Ich hatte mir in einem unbeobachteten Moment ein Herrenmagazin gegriffen und eine Micky-Maus-Zeitschrift darüber ausgebreitet, um ab und zu einen heimlichen Blick auf nackte Frauenhaut werfen zu können, während ich die witzigen Zwistigkeiten von Donald Duck und Zacharias Zorngiebel las. In dieser misstrauischen Seligkeit stand ich lange, während ich mich in Gedanken vom Detektivdasein verabschiedete. Ich stellte mir vor, dass man zuletzt sicherlich als unterbezahlter Kaufhausdetektiv enden würde, dessen ganze Bestimmung es ist, spielzeug- und busengeile Teenys zu filzen. Was für ein bejammernswertes Dasein!

    Plötzlich stand Maria neben mir.

    Ich blickte auf, sah sie, blickte wieder auf die beiden Zeitschriften, begriff endlich, was ich da gesehen hatte, blickte wieder auf, sah sie und wurde beinahe ohnmächtig.

    Noch hatte sie mich nicht erkannt, gerade noch ließ sie den Blick zu mir herüberschweifen, es war noch exakt eine Sekunde, bevor sie mich erkennen würde. Noch exakt eine Sekunde, bevor sie mich und die beiden Zeitschriften in meinen schweißnassen Händen erkennen würde. In der einen Hand eine Heftseite mit einem aufreizenden weiblichen Geschöpf, das gerade oben ohne durch die Wüste Gobi spazierte unter der Headline Heiße Begegnungen, in der anderen Hand die aufgeschlagene Pupskissen-Seite der Micky Maus. Wie schnell kann der Mensch reagieren? Wie schnell kann er seinen Kopf aus der Schlinge ziehen, frage ich dich.

    Sehr schnell, lieber Leser. Sehr schnell, wenn er so schlau und gewieft ist wie Hugo Ramsauer.

    Ich ließ blitzartig meine Hände von den Zeitschriften, packte ein Magazin von oben und schlug es über den anderen auf. Gerade noch rechtzeitig.

    „Oh, Hugo", sagte Maria. Sie war nicht freundlich, nur überrascht. Unwillkürlich stieg mir der Duft ihres schwarzen Lockenhaars in die Nase. Es war ein Gemisch aus Rosenshampoo und Liebreiz. Ich roch nur nach Schweiß und Angst. „Ist das Casting schon gelaufen?"

    „Das Casting?, keuchte ich. Sie war immer noch wegen der Macho-Geschichte beleidigt. Das hätte selbst ein Blinder herausgehört. „Ach so, jaja, aber das wird nichts.

    „Wieso nicht?"

    „Keine geeigneten Kandidaten."

    Ich musste mich zwingen, nicht nervös zu wirken und ihr fest in die Augen zu sehen. Augen, die nicht

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