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Mokume und die Kunst des Reisens: Mokume and the art of travelling
Mokume und die Kunst des Reisens: Mokume and the art of travelling
Mokume und die Kunst des Reisens: Mokume and the art of travelling
eBook375 Seiten3 Stunden

Mokume und die Kunst des Reisens: Mokume and the art of travelling

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Über dieses E-Book

The book is in German and English language.

Am Mai 2016 fuhr ich das erste mal nach Japan. Allein. Keine Sprachkenntnisse. Geplant hatte ich eine Reise aus beruflichen Gründen. Mir wurde jedoch schnell klar, dass mich diese Reise mit ganz anderen Themen als erwartet konfrontierte. In meinen Tagebuchaufzeichnungen schreibe ich über spontane Begegnungen, Anekdoten, Charaktere, Biografien. Von Verlorengehen, verrückten Situationen, Hilfsbereitschaft. Über Politisches, Historisches, Gesellschaftliches. Über alles, was mir die Menschen, denen ich begegnete, erzählten. Über Kunst, Kultur, Architektur, aufregende Städte, beschauliches Landleben. Von spirituellen Erlebnissen an Sehenswürdigkeiten wie dem Steingarten Ryoanji in Kyoto oder dem Tempel in Nagano. Über Natur, Laute und Farben.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum11. Aug. 2021
ISBN9783347328112
Mokume und die Kunst des Reisens: Mokume and the art of travelling

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    Buchvorschau

    Mokume und die Kunst des Reisens - Sabrina d' Agliano

    VORAB

    Die Reise führte mich zwar durch Japan – der Bericht ist jedoch eher eine allgemeine Beschreibung höchst unterschiedlicher Erfahrungen und Erlebnisse: von spontanen Begegnungen, Anekdoten, Charakteren, Biografien; von Verlorengehen, verrückten Situationen, Hilfsbereitschaft; von Politischem, Historischem, Gesellschaftlichem; von Allem, was mir die Menschen, denen ich begegnete, erzählten; von Kunst, Kultur, Architektur, aufregenden Städten, beschaulichem Landleben; von spirituellen Erlebnissen an Sehenswürdigkeiten wie dem Zengarten Ryoanji in Kyoto oder dem Tempel in Nagano; von Natur, Wärme, Lauten und Farben; von all dem, was die meisten Reisenden gar nicht wahrnehmen, weil sie nur auf die spektakulären Dinge achten; von eigenen Befindlichkeiten und Stimmungen.

    Seit vielen Jahren arbeite ich mit der japanischen Schmiedetechnik Mokume Gane¹, welche die Grundlage meines künstlerischen Schaffens geworden ist. 2015 entschied ich, das Ursprungsland des Mokume Gane zu bereisen, zu versuchen, einige Meister, Akademien und Studios, zu besuchen, um das traditionelle Umfeld, die Arbeitsweise, die Atmosphäre, den Geist zu atmen. Die schwierige Suche nach Kontakten begann. Nach Monaten der Vorbereitung ging es am 26. Mai 2016 los.

    Ich fuhr alleine, hatte keine Sprachkenntnisse.

    Geplant hatte ich eine Reise aus beruflichen Gründen. Mir wurde jedoch schnell klar, dass diese Reise mir noch weitere Aufgaben stellte, mich mit ganz anderen Themen als erwartet konfrontierte – emotionaler Art, Beziehungen, Lebensweise und Sinn hinterfragend.

    Es wurde eine Reise voller Neugier, Sehnsucht, Lust auf das Unbekannte, sich einlassen auf unerwartete Situationen.

    Ich ließ viel Raum für Unerwartetes, Spontanes, überlies mich dem Lauf der Dinge.

    In meinen Tagebuchaufzeichnungen wird die Subjektivität und Spontaneität meiner Erfahrungen deutlich. Die englischen Texte sind meine Facebook Eintragungen, die ich zusammen mit Fotos gepostet habe. Sie fassen unmittelbar und prägnant meine Erlebnisse und Besichtigungen zusammen.

    Viel Vergnügen beim Lesen!

    Sabrina d’Agliano

    1 Die Schweiß- und Schmiedetechnik Mokume Gane wurde im 17. Jhdt. von Denbei Shoami erfunden. Es ist eine japanische Variante des Damast. Übersetzt bedeutet es in etwa: Metall wie Holz. Ich verschweiße meist 15 Lagen unterschiedlicher Edelmetalle. In dieses Lagenpaket fräse ich einfache, archaisch anmutende Zeichen. Anschließend wird das Mokumepaket dünn ausgeschmiedet. Immer wieder gefräst, erhitzt, gehämmert. Durch die Verarbeitung entstehen dekorative Muster ähnlich wie Baummaserung, amorphe wie in Bewegung festgehaltene Linien und Flächen. In Japan wurden in dieser Technik zuerst Beschläge für Schwertgriffe (Tsuba) hergestellt. Ich nehme das Mokume Gane Material als Ausgangspunkt für Schmuckstücke oder Wandobjekte.

    VORBEREITUNGEN

    Im Herbst 2015 begann ich mit meinen Vorbereitungen. Wochenlang versuchte ich beinahe täglich über offizielle Einrichtungen, wie Konsulate, Botschaften, Goethe Institute, deutsch-japanische Kultureinrichtungen, Kontakte zu knüpfen. Niemand hatte je etwas von Mokume Gane gehört, niemand konnte helfen. Ich war ganz frustriert und kurz davor, die ganze Unternehmung „Japan" aufzugeben.

    Da bekam ich eines Tages per Mail eine Einladung zu einem japanischen Abend mit Lesung aus einem Gedichtband von Bashō² und Flötenmusik im „Kunstraum" in einem winzigen Dorf in der Nähe, am Rande der Eifel. Ich kannte diesen Ort nicht, wohl aber ein wenig die Organisatorin. Es interessierte mich und so fuhr ich an einem Freitagabend dorthin. Jeanne Lessenich las aus der deutschen Übersetzung dieses ungewöhnlichen Reiseberichtes vor, einer Vermengung von Prosa und Poesie, in der Bashō seine tiefe Hochachtung vor der Natur ausdrückte und er das Wandern, Reisen als Symbol des Lebens beschrieb.

    Ein Musiker spielte meditative Stücke auf einer traditionellen japanischen Flöte. In der Pause konnte ich mich mit meiner Nachbarin, die ich zuvor nicht gekannt hatte angeregt darüber unterhalten. So kam natürlich auch die Rede auf meine Japan Reisepläne. Sie erzählte von ihrem Onkel, Bernhard Naab, der in München lebt und Japanisch für Deutsche unterrichtet und umgekehrt.

    Sie bot an, ihn zu fragen, ob sie den Kontakt herstellen dürfe. Nach Ende der Veranstaltung nahm ich mir ein Herz und sprach die Vorleserin an, erzählte ihr, dass ich erfolglos seit Wochen versucht hatte, Kontakte zu Mokume-Gane-Meistern zu knüpfen und fragte sie, ob sie wohl eine Idee habe, an wen ich mich wenden könne. Sie erzählte, dass sie viele Jahre immer wieder längere Zeit in Japan gelebt hatte, noch Kontakte dorthin habe. Eine Freundin von ihr, Miho, die auf einer Südinsel in Japan lebt, wollte sie kontaktieren und fragen, ob sie etwas darüber wisse.

    Bei meinem nächsten Aufenthalt in München, wo ich öfters Goldschmiede- und Mokume-Gane-Workshops gebe, durfte ich Ursels (die ich bei der Lesung kennen gelernt hatte) Onkel besuchen. Er war vor einigen Jahren in Japan gewesen und gab mir viele Tipps für die Reise. Was man als Gastgeschenke mitnimmt. Dass die Verpackung für Geschenke oder Geld für einen Workshop genauso wichtig ist wie der Inhalt selbst. So kaufte ich später in einem japanischen Geschäft in Düsseldorf ein paar hübsche bedruckte Briefkuverts für Präsente. Jedoch überlegte ich, dass ich selbst Briefumschläge individuell bedrucken könnte. Ich begann also, Umschläge in meinem Stil, mit fließenden Linien und Formen zu bedrucken und zu zeichnen. Sie gefielen mir sehr gut und ich weitete es aus und fertigte auf schönen handgeschöpften Papieren kleine Drucke als Gastgeschenke.

    Zwischenzeitlich bekam ich Nachricht von Miho aus Japan. Sie hatte auch noch nie von Mokume Gane gehört. Tagelang recherchierte sie für mich, wollte unbedingt darüber lernen, da es ein Teil ihrer Kultur ist. Sie fand nicht nur ein paar Meister, Schulen und Institute sondern stellte auch die Kontakte für mich her. Einfach aus Hilfsbereitschaft, ohne dass wir uns kannten. Ich wäre ohne sie gescheitert, da fast alle Websites nur auf Japanisch waren. Leider habe ich sie noch immer nicht persönlich kennen gelernt, da meine Wege zu den Meistern mich nicht in den Süden des Landes führten. Es war, als sei an jenem Abend in diesem kleinen Eifeldorf der Knoten gelöst worden. Danach geschahen die erstaunlichsten Dinge und Verbindungen. Auf verschlungenen und unerwarteten Umwegen entstanden interessante Kontakte und Möglichkeiten.

    So schrieb ich Carmen, einer italienischen Malerin, die in Nizza lebt, zum Neuen Jahr 2016 die besten Wünsche und dass ich sie leider in diesem Jahr nicht sehen könne, da ich nach Japan reise. Etliche Wochen später antwortete sie, dass sie eine Freundin in Mailand habe, die wiederum eine japanische Freundin in Kyoto habe, die ein traditionelles Apartment vermiete, in dem ich wohnen könne. Und das Beste: sie sei auch Malerin, in Tuschetechnik, und freue sich auf meinen Besuch, werde sich um mich kümmern. Kurz vor meiner Abreise stellte Carmen noch einen weiteren Kontakt in Kyoto her: Tomoko, auch sie die Freundin einer Freundin aus Italien. Auch sie Malerin und Fotografin. Sie war ebenfalls bereit, sich mit mir zu treffen.

    Durch diese Erfahrungen ermutigt, beschloss ich, jedem, dem ich begegnete, von meiner bevorstehenden Reise zu erzählen. Wer weiß, welch wundersame Dinge sich ergeben? Bei einem Treffen mit Freunden in Köln fragte ich nebenbei, ob sie vielleicht jemanden kennen würden, der Kontakte nach Japan hat oder dort lebt.

    Ich wusste, dass sie vor vielen Jahren einmal kurz Japan besucht hatten. Frage doch mal Wolfgang, er hat acht Jahre in Tokyo gelebt.

    Ich war ihm zuvor schon ein paarmal auf Partys und Literatur – oder Musikabenden bei den Freunden begegnet. Wir hatten uns immer unterhalten, jedoch wusste ich nichts von seinem Japanaufenthalt. Ich konnte ihn einige Male im japanischen Viertel in Düsseldorf treffen, mit ihm japanisch essen gehen, auf diese Weise schon mal einstimmen auf die Reise. Er spricht fließend Japanisch und half mir sehr bei den Kontakten und Vorbereitungen, gab mir Tipps, was ich alles ansehen solle. Wo ich in Tokyo ein Hotel finden könne. Dass ich am besten in Deutschland einen Railway Pass besorgen und mit dem Shinkansen³ fahren solle. Er erzählte begeistert von den Menschen dort. Dass ich zum Ausgehen am besten in die Izakaya⁴ (landestypische Bars) gehen solle und viele weitere nützliche Hinweise. Er telefonierte sogar für mich mit Meister Mazusawa, der abgelegen am Lake Suwa lebt und nur wenig Englisch kann. Fragte ihn, ob ich ihn besuchen dürfe, wie ich ihn finden könne. Wolfgang erzählte außerdem von einem internationalen Netzwerk, bei dem er Mitglied ist, das in vielen großen Städten weltweit Gruppen hat. Sie unternehmen gemeinsam viele Dinge, je nachdem, welche Interessen die jeweiligen Mitglieder haben, Ausgehen, Dinner, sportliche und kulturelle Aktivitäten…

    Einmal monatlich bieten alle Gruppen das „monthly meeting" an, eine Party in unterschiedlichen Clubs und Locations, an der alle Mitglieder teilnehmen können. Ich kontaktierte daraufhin die Gruppen in Osaka und Tokyo, schrieb, wann ich käme, was ich dort vorhabe, dass ich Museen, Architektur, Gärten besuchen wolle und ob jemand Lust hätte, mich zu begleiten. Einige antworteten und wollten sich mit mir treffen. Oder schrieben von den bevorstehenden Events. An meinem ersten Abend in Osaka fand das monatliche Treffen statt. Ich konnte quasi vom Flughafen zur Party gehen. Auch in Tokyo konnte ich am 2. Abend am monthly meeting teilnehmen.

    Auf „arte sah ich zufälligerweise eines Abends einen Beitrag über den Künstler Sumusu Shingu⁵ und seine Frau. Ich hatte zuvor noch nie von ihm gehört, war aber sofort fasziniert von der Kunst und ihrer Lebenseinstellung, ihrer gemeinsamen Geschichte und Arbeit als Paar. In der Gegend von Kobe, abseits auf dem Land gibt es einen „Windpark mit ihren beweglichen Objekten. Das wollte ich mir unbedingt anschauen.

    Ein Freund aus meiner fränkischen Heimat, Harri, war im Oktober das erste Mal in Kyoto gewesen. Bei einem Treffen berichtete er von den Gärten, Tempeln, Museen. Er empfahl mir, auf jeden Fall auf die Kunst-Inseln Naoshima⁶ und Teshima zu fahren. Dort gäbe es einzigartige Museen, die er gesehen hatte. Seine Begeisterung steckte an. Seine frischen Eindrücke ließen die Reise schon realer werden, schon etwas vom Geschmack dieses Landes spüren.

    Ich plante jetzt, von Osaka aus zuerst auf diese Inseln zu fahren. Er nannte mir ein Hostel auf Naoshima, in dem ich eine Übernachtung buchen konnte. So erweiterten sich die Reisepläne und wurden gleichzeitig konkreter. Noch waren nur die ersten und letzten Tage und Übernachtungen festgelegt, der Rest sehr vage. Ich wollte alles um den Workshop bei Meister Mazusawa organisieren, der mir aber noch keinen festen Termin geben konnte. Unterkünfte wollte ich so oft als möglich privat buchen, um die Menschen dort näher kennen zu lernen. Über eine Website, von der ich kürzlich erfahren hatte, konnte ich die ersten Nächte in Osaka bei Chie wohnen. Zwei Wochen vor Abreise nahm ich noch an einem vier Tage Crash-Kurs für japanische Sprache in Bonn teil. Wenigstens ein Gefühl für den Klang der Sprache bekommen, ein paar Begrüßungsvokabeln, Höflichkeitsfloskeln lernen.

    In dem Kurs erhielt ich Informationen für einen Taiko⁷- Trommelkurs in der Nähe. Das interessierte mich schon lange. Ich konnte spontan am Wochenende vor Abflug in der Nagare Daiko Schule von Jürgen Klatt bei einem Workshop die Grundlagen lernen. Machte viel Spaß. So war ich schon gut eingestimmt. Im Laufe der Vorbereitungen hatte ich so freundliche und hilfsbereite Menschen kennengelernt, wie eine Art Netz spannten sich die Informationen und Kontakte. Es war, als ob die Reise unter einem Zauber läge. Dennoch hatte ich zwei Tage vor Abflug eine Panikattacke. Fünf Wochen als Frau allein reisen? In ein mir unbekanntes Land. Ohne Sprachkenntnisse. Großraum Tokyo mit ungefähr 42 Millionen Einwohnern größte Stadt der Welt. Ich zweifelte an meiner Zurechnungsfähigkeit und spielte ernsthaft mit dem Gedanken, diese Unternehmung abzubrechen. Da aber schon so viele Menschen für mich tätig waren, dachte ich dann doch: OK – kein Zurück mehr. Mach das Beste draus.

    Ich habe mich entschieden, diese Reise wie ein Kunstwerk von Mokume Gane zu machen. In meiner Kunst ein Dialog zwischen Idee, Metall, Werkzeugen, Zufall. Die Reise ein Dialog zwischen mir, vagen Strukturen, Ideen, Begegnungen, Situationen, Kunst, Architektur, Zufall.

    Eine Nacht Schlaf, morgen Abflug nach Osaka

    How will it be?

    I am excited. I have decided to make this trip like an artwork of Mokume Gane. In my art works a dialogue between idea, metal, tools, coincidence. Traveling a dialogue between me, rough structures, ideas, encounters, situations, art, architecture and coincidence.

    One night of sleep – tomorrow leaving to Osaka!

    2 Bashō lebte im 17. Jhdt. Und ist einer der bedeutendsten Vertreter der japanischen Versform Haiku. Die Struktur seiner Haiku spiegelt die Einfachheit seiner meditativen Lebensweise wider. Er versah viele seiner Verse mit einer mystischen Qualität und versuchte, die großen, weltbewegenden Themen durch einfache Naturbilder auszudrücken. Er gab dem Haiku eine ganz neue Anmut und vertiefte im Haiku den Zen-Gedanken. Er begriff Poesie als einen eigenen Lebensstil. Bashō war der festen Überzeugung, Poesie könne eine Quelle der Erleuchtung sein. „Erlange Erleuchtung, dann kehre zurück in die Welt der normalen Menschlichkeit, riet Bashō. Und weiter: „Tritt nicht in die Fußstapfen der alten Meister, aber suche, was sie suchten.

    3 Shinkansen sind die legendären Hochgeschwindigkeitszüge, die bis zu 320 km/h fahren.

    4 Izakaya bedeutet so viel wie „Sake-Laden zum Sitzen". Sie bieten immer eine Auswahl von Speisen oder sogar eine umfangreiche Speisekarte, da Japaner üblicherweise immer auch zumindest eine Kleinigkeit essen, wenn sie Alkohol trinken.

    5 Susumu Shingu ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen japanischen Künstler. Er liebt die Natur, spricht von seiner „langen Freundschaft mit dem Wind". Shingu und seine Frau arbeiten kinetische Skulpturen mit Naturkräften, sei es Wind oder auch Wasser. Berühmt sind seine kleinen und großen Windskulpturen, die nur von natürlicher Energie angetrieben werden.

    6 „Benesse Art Site" ist der Sammelbegriff für alle kunstbezogenen Aktivitäten der Benesse Holdings Inc. und der Fukutake Foundation auf den Inseln Naoshima, Teshima und Inujima, deren Ziel es ist, bedeutende Räume zu schaffen, indem zeitgenössische Kunst und Architektur in Einklang mit der unberührten Natur des Seto Inland Sea gebracht werden. Bei allen Aktivitäten wird bestrebt, eine Beziehung des gegenseitigen Wachstums zwischen Kunst und Region zu fördern, um einen positiven Beitrag für die lokalen Gemein-schaften zu leisten. Quelle: www.besesse-artsite.jp

    7 Taiko, „dicke Trommel (auch „daiko ausgesprochen) bezeichnet in Japan eine Gruppe von großen, mit Schlägeln geschlagenen Röhrentrommeln.

    DIE REISE

    26. Mai

    The adventure „Japan" begins.

    27. Mai

    Just at the start of my trip at Kansai Airport in Osaka a very fine art work of Sumusu Shingu. In the evening then a warm and friendly welcome from InterNations members.

    On the way home a nice bar with livemusic and crazy atmosphere.

    What a beginning…

    28. Mai, morgens

    Erster Morgen in Osaka.

    Gestern war eine wunderschöne Nacht. In Downtown mit den InterNations gefeiert. Ezza, mit der ich erst seit kurzem Mail Kontakt habe, war so nett und holte mich am S-Bahnhof Fukushima Station ab. Ich wäre verloren gegangen ohne sie. Sie zeigte mir, wie man Tickets in der S-Bahn zieht, wieviel eine Fahrt kostet. Die Bahnhöfe sind riesig, viele Bahnsteige, Ausgänge. Während der Fahrt erklärte sie mir das Bahnsystem. Was man in welchem Stadtteil findet – nützliche Tipps. Auf dem Weg zur Party erzählte sie, dass sie ursprünglich aus Kanada kommt, ein paar Jahre hier und dort lebt. Sie hat keinen festen Freund, aber doch hat sie Sehnsucht, eine Liebe zu finden. Sie war direkt, sehr offenherzig.

    In der Bar des Swissotel, in der die Party stattfand, stellte sie mich Steve vor, der mich herzlich begrüßte. Mit ihm hatte ich schon ein paar Monate gemailt. Er hatte mich zu diesem Treffen eingeladen. Ich fühlte mich dennoch ein wenig fremd. Die Musik war laut, die Unterhaltung ein bisschen schwierig. Wir tanzten ein wenig. Ich konnte eine Japanerin, Chieko, etwa in meinem Alter, kennenlernen. Wir mochten uns vom ersten Augenblick an. Um uns besser unterhalten zu können, gingen wir raus auf die Terrasse. Herrliche Aussicht hier auf der 10. Etage über das Lichtermeer der Stadt. Sie und einige andere, zu denen wir uns gesellten, wollte wissen, was mich nach Japan führte, ob ich das erste Mal hier sei. Ja, das erste Mal hier, alleine, ohne Japanisch Kenntnisse.

    Ich wollte Kunstwerke von Sumusu Shingu sehen, Architektur von Tadao Andō⁸, die Kultur, Kunst, dieses Landes. Vor allem aber kam ich, um Meister und Schulen, Ateliers für Mokume Gane, eine japanische Metalltechnik, die ich selbst seit vielen Jahren praktiziere, zu besuchen, das traditionelle Umfeld erleben, den Geist dieser Technik atmen. Das öffnete das Gespräch, die Herzen, sie waren beeindruckt, dass ich diesen Weg auf mich nehme, mit einer solchen Technik arbeite und alles darüber wissen möchte, bei den Meistern studieren. Sie wollten mehr von dieser Technik und meiner Kunst erfahren. Chieko hatte schon hobbymäßig Schmuck angefertigt, und bot an, mich zu Meister Masuzawa, weit entfernt am Lake Suwa, als Übersetzerin zu begleiten. Heute Abend treffe ich mich mit ihr zum Dinner.

    Etwas später kam Alain hinzu. Er war auch das erste Mal bei einem Treffen dieser Gruppe. Wir unterhielten uns lange. Er lebt schon seit elf Jahren in Osaka. Kam, um in Japan zu studieren, ohne ein Wort Japanisch zu können. Ohne genaue Vorstellung, was ihn erwartet, was er dort suchte – einfach nur das vage Gefühl, das sei der richtige Platz für ihn – und wagte den Schritt, zog es durch. Er taucht ganz in die Geschichte und Kultur hier ein, hat fundierte Kenntnisse, ist begeistert, vor allem von den Matsuri⁹, den Festivals, die er der Reihe nach alle besucht, dokumentiert; in der Saison fährt er jede Woche, neben seiner Arbeit, zu einem oder auch mehreren Festivals. Manches Mal fährt er einen ganzen Tag über die Dörfer für 10 Minuten Matsuri.

    Ezza begleitete mich nicht nach Hause, da sie noch länger bleiben wollte. Aber es ging auch so. Einige Menschen in der U-Bahn waren sehr hilfsbereit und zeigten mir den Weg.

    Schon bei der Ankunft am Flughafen erklärte man mir freundlich, wie ich in die Stadt kommen kann, an welcher Station ich aussteigen musste, eine Angestellte zog das Ticket für mich und brachte mich zum richtigen Bahngleis. Die Skulptur von Shingu konnte ich nur von weitem sehen. Sehr schön jedenfalls. Aber ich hatte zu sehr Organisatorisches, Bahnlinien und Ticket in die Stadt, im Sinn. Wie finde ich die Unterkunft? Wie hier zum Bahnhof? Wie weiter? Japanische Schriftzeichen überall. Alles fremd hier.

    Dann Quartiersuche, den richtigen Ausgang im unübersichtlichen S-Bahnhof finden, die richtige Richtung zu meinem gebuchten, privaten Zimmer. Ich musste etliche Leute fragen.

    Zuerst war ich von Chies Wohnung erschreckt. Sie lebt auf ungefähr 30 m² mit ihrem Sohn, vielleicht zehn Jahre alt -– zu zweit, so wenig Platz. Sie schlafen, leben, kochen, essen in einem Raum. Tags werden die Decken und Matratzen notdürftig weggeräumt. Der Junge spielte an seinem Handy, sie saß am Laptop. Keinerlei Privatsphäre möglich, für beide. Welch ein Luxus, Platz zu haben. Mein kleines Häuschen in Andernach erscheint riesig, luxuriös im Vergleich. Chie ist freundlich und geduldig, liebenswert, machte keinen unzufriedenen Eindruck.

    Nachdem ich mein Gepäck dort abgestellt hatte, machte ich mich auf den Weg nach Downtown. Die Stadt selbst gefällt mir bisher nicht, keine auffälligen, schönen, modernen Gebäude, langweilige Architektur. Aber hier in der Umgebung von Fukushima Station sehr nette kleine Izakaya (Bars) und Restaurants. Vor dem Treffen mit Ezza hatte ich ein wenig Zeit gehabt, mich umzuschauen. Das Viertel erinnerte mich an Frankreich, mit seinen Bistros, ein wenig auch an Chinatown, mit Tarot – und Handlesern auf der Straße, Losverkäufern.

    Geschäftiges Leben, heitere Ausgehstimmung, kein bisschen Großstadthektik. Ich warf bei einigen Restaurants einen Blick auf die Speisekarten. Schwierig für Vegetarier, einkaufen und essen zu gehen. Das meiste nur auf Japanisch ausgezeichnet. Ich werde überwiegend bei Sushi und Reis bleiben müssen.

    Auf dem Nachhauseweg nach Mitternacht nahm ich an der S-Bahn Station den falschen Ausgang und kam an einer Mini Bar auf der Straße vorbei. Dort spielte Live-Musik, Blues, Jazz, Rock. Ich überlegte, ob ich mich trauen sollte, dorthin zu gehen. Es waren nur sehr junge Leute dort. Ich überwand meine Scheu und fragte, ob ich mich dazu gesellen dürfe. Klar, kein Problem.

    Lächeln, Freundlichkeit, Offenheit. Sie fragten, woher ich käme. Ein einziger Ausländer war anwesend, ein Deutscher. Sie stellten mich zu ihm. Die Stimmung war locker, Feierlaune, fröhlich. Alle unterhielten sich mit mir als gehörte ich dazu. Ich gab eine Runde Zigarillos aus. Die Freude war groß. Zum Teil waren es Arbeitskollegen des Deutschen, der vor einem Jahr schon einmal hier war. Die gleichen Leute hier wie vor einem Jahr, meinte er, sozusagen Stammgäste. Man fühlte sich heimisch und willkommen. Auch die Musiker sehr nett. Heute Abend wird Mika, mit der ich mich kurz unterhielt, Saxophon spielen.

    Ich bin sehr dankbar, dass der erste Abend so schön, so familiär war. Man wird so herzlich aufgenommen.

    Ich bin richtig erleichtert. Ich fühle mich gelassen, habe keine Angst mehr, verloren zu gehen oder einsam zu sein.

    28. Mai, abends

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