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Finde tiefen Glauben in dir selbst: ZEN-Koans in heutiger Zeit
Finde tiefen Glauben in dir selbst: ZEN-Koans in heutiger Zeit
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eBook361 Seiten4 Stunden

Finde tiefen Glauben in dir selbst: ZEN-Koans in heutiger Zeit

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Über dieses E-Book

30 Zen-Vorträge, von einem authorisierten Zen-Lehrer gehalten als Motivationen in Meditationskursen und an Meditionstagen, sollen den Reichtum des Zen aufzeigen und in die "offene Weite" seiner Praxis, geprägt von der Erlebnis- und Gedankenwelt des modernen westlichen Menschen, hineinführen. Die besondere Art der Zen-Übung und ihre Umsetzung in das tägliche Leben soll vermittelt werden. Die Kernpunkte im Zen und für die Praxis des Zazen werden angesprochen. So kann das
Buch auch für diejenigen von Wert sein, die nicht im eigentlichen Sinn Zen in der Form einer Koan-Schulung üben. Aufgezeigt wird eine Praxis des Zen, in der buddhistische und christliche Tradition sich wechselseitig zu einem Weg offener Orientierung und Erfahrung für jeden Einzelnen in gerade seiner Verwurzelung und Motivation inspirieren.
17 Aquarellmalereien einer langjährigen Zen-Schülerin ergänzen die Texte.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum28. Feb. 2018
ISBN9783746910376
Finde tiefen Glauben in dir selbst: ZEN-Koans in heutiger Zeit
Autor

Klaus Fahrendorf

ZUM AUTOR: Klaus Fahrendorf, geb. 1947 in Gelsenkirchen-Buer. Studium der Rechtswissenschaft, Dr. jur., Richter, Ruhestand 2012. Verheiratet, zwei Söhne. Zen- Praxis seit 1989. 1990 Schüler bei P. Johannes Kopp (Hôun-ken Roshi). 2008 Ernennung zum Zen-Lehrer (Cloud of Merciful Awareness) im „Programm Leben aus der Mitte – Zen-Kontemplation im Bistum Essen“ zusammen mit Marlis Fahrendorf (Cloud of Infinite Beginning; verst. 9. 12. 2008). 2009 Gründung der Regionalgruppe Bochum. Seit 2015 auch Zen-Kurse im Kardinal-Hengsbach-Haus in Essen-Werden. Nach Schließung des Kardinal-Hengsbach-Hauses Kurse in verschiedenen anderen Häusern.

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    Buchvorschau

    Finde tiefen Glauben in dir selbst - Klaus Fahrendorf

    Kapitel 1

    BEGINN

    Shôyôroku Nr. 94: Tôzan ist krank

    I.

    Wir alle üben Zen. Jeder auf seine Weise. Ja, jeder auf seine Weise. Damit ist nicht nur die Sitzposition auf dem Meditationskissen, dem Meditationsbänkchen, Hocker oder Stuhl gemeint, sondern auch die Art und Weise der sog. inneren Haltung: Atem zählen, ihn verfolgen oder begleiten, das Sitzen mit dem Koan „Mu", sonstige Koan-Schulung oder bloßes absichtsloses Sitzen (jap. Shikantaza).

    Und mehr noch! Es gibt eine Verschiedenheit der Ziele, besser: der Zielvorstellungen und/oder der Motivationen. Und diese wiederum kann die Art des Übens beeinflussen:

    Es mag sein, dass einige von euch, insbesondere die, die den Atem zählen oder diesem folgen oder ihn begleiten, Zen ohne religiöse oder philosophische Elemente üben, weil sie – auf das Gesetz von Ursache und Wirkung vertrauend – durch die Zen-Praxis auf gute Wirkungen für ihre seelische/psychische und/oder physische Gesundheit hoffen und diese für sich spüren.

    Das kann und wird vielfach der Ausgangspunkt für ein darüber hinaus zielendes Zen sein, ein Zen, das auf die Lösung des Problems des Lebens an sich, auf die damit zusammenhängenden Sinnfragen, auf die wahren Dimensionen unserer Existenz und die der Welt und des Universums ausgerichtet ist.

    Das ist dann Zen im eigentlichen Sinne, aus der Mahayana-Tradition des Buddhismus kommend, und - anders als das zuvor angesprochene gewöhnliche Zen, jap. Bompu-Zen genannt - auf das Erreichen von Wesensschau/Erleuchtung (jap.: Satori; Kensho) ausgerichtet, auf ein Erwachen aus dem gewöhnlichen Bewusstsein hin zu der Erfahrung des – wie wir es zu umschreiben versuchen – wahren Selbst.

    Obwohl also nicht jeder von Euch, die ihr mir heute zuhört, im letzteren Sinne übt, ist jedes Teisho als Darlegung des sog. Dharma, d. h. der tiefsten Wahrheit, auf die Kernaspekte des Mahayana-Zen gerichtet. Es muss dies sein, denn sonst würde ein Zen-Lehrer seine Berufung verraten.

    II.

    Ich schicke dies alles voraus, weil ich kurz ein Koan behandeln will, in dem es sehr dezidiert um diesen Wesensaspekt geht. Und ich wähle dieses Koan heute aus aktuellem Anlass, dem ich vorhin schon zu Beginn diesen Zazenkai (Meditationstag) gewidmet habe: dem sich anbahnenden Dahinscheiden meines Meisters P. Johannes Kopp S.A.C., Hôun-ken-Roshi.

    Das Koan (Shôyôroku Nr. 94) lautet:

    „Tôzan war krank. Ein Mönch fragte ihn: „Ihr, Meister seid krank. Gibt es denn jemand, der nicht krank wird? Tôzan sagte: „Den gibt es. Der Mönch sagte: „Pflegt euch, Meister, derjenige, der nicht krank wird? Tôzan sagte: „Der alte Mönch pflegt den anderen wahrhaft gut. Der Mönch sagte: „Wie ist es, wenn ihr, Meister, den anderen pflegt? Tôzan sagte: „Der alte Mönch sieht keine Spur von Krankheit.

    Tôzan ist krank, krank im herkömmlichen Sinne, vielleicht – wie Meister Ba in einem anderen Fall (Hekiganroku Nr. 3) – sogar sterbenskrank. Der Mönch, der wohl sein Diener ist und ihn pflegt, stellt ihm Fragen, die man nicht als Herausforderungen des Meisters, nicht als Prüfungsfragen und wohl auch nicht, jedenfalls nicht direkt, als Fragen auffassen kann, die der Mönch für sich stellt, weil er größere, endgültige Klarheit auf dem Weg erhalten will. Der Mönch wusste von einer „anderen Realität des Absoluten, der Leerheit der Wesenswelt, in der es „kein Gehen und Kommen, kein Gesund und Krank in unterscheidender Gegensätzlichkeit gibt. Er zielte wohl darauf, den Meister so auf diese auch von jenem erfahrene Wirklichkeit zu erinnern, um ihn auf den Trost und den Frieden auszurichten, „den die Welt nicht gibt (Joh 14,27, Einheitsübersetzung), „den die Welt nicht geben kann (a.a.O, Neue Genfer Übersetzung (NGÜ)). Und so kommt die Antwort des Tôzan: „Ja, den gibt es!", nicht überraschend.

    Die nachfolgende Frage: „Pflegt euch derjenige, der nicht krank wird?", folgt weiter einem uns aus religiösen Zusammenhängen landläufig wohlbekanntem Muster: Die geheimnisvolle Wirklichkeit des Absoluten, christlich artikuliert: Gott(-Vater), Jesus Christus, Heiliger Geist, soll im Leid den Trost bringen als etwas, das von Krankheit und Tod nicht tangiert ist. Aber das ist dann eine getrennte Welt, eine dualistisch aufgeteilte Welt von relativer (phänomenaler) und absoluter Wirklichkeit.

    Tôzan hat aber als Zen-Meister schon tief erfahren, dass beide Realitäten in Wirklichkeit nur eine sind, dass die phänomenale und oft durch erbärmliche Gebrechlichkeit, Schmerz und Leid gekennzeichnete Welt und die unendliche, schmerz- und leidlose Welt nicht getrennt sind. Erfahren als unmittelbare Wirklichkeit, nicht als Denkoder Glaubensmodell.

    Deswegen kann Tôzan die Sache umdrehen, und tut dies, indem er sagt: „Ich, der alte Mönch, pflege den anderen gut." Das klingt zunächst nur wie eine Umkehrung der Dualität, ohne diese aber zu verlassen. Es hört sich an wie etwas Heroisches: Der leidende, sterbenskranke Mensch, überwindet sich, opfert sich, indem er sich ganz auf Jenseitiges ausrichtet – und das Diesseitige außeracht lässt und vernachlässigt. Aber so ist es nicht!

    So auch nicht, wenn Tôzan abschließend sagt, in der Pflege des anderen „keine Spur von Krankheit" zu sehen.

    Wie das?

    Tôzan ist zwar total ausgerichtet auf die Welt des Unendlichen, aber die leidvolle Situation wird nicht kaschiert. Die Schmerzen und die eigene Sterblichkeit werden nicht verdrängt, können es letztlich auch gar nicht. Die Grenze zwischen Gesundheit und Krankheit ist in der Pflege des anderen aufgehoben! Der alte Meister ist in der Berührung mit der absoluten, der göttlichen Wirklichkeit mitten in der Krankheit und dem Schmerz zutiefst gesund: „Au, oh tut das weh! Au!!"

    Die eigentliche Krankheit ist nicht die Krankheit als Gegensatz zur Gesundheit, sondern die Ablösung beider von, die Trennung, die Heraustrennung von Gesundheit und Krankheit aus der absoluten Wirklichkeit. Die eigentliche Krankheit ist die Trennung!

    So gibt der kranke Tôzan dem scheinbar gesunden Mönch eine Unterweisung!

    So auch mein Meister, der die letzten Monate einzig allein und völlig darauf ausgerichtet war und ist auf „diese Pflege des anderen", auf diese Erfahrung, die die dualistische Trennung von Gesundheit und Krankheit, von Leben und Tod, von uns und anderen aufhebt, auf diese Erfahrung, wo von Trennendem keine Spur mehr zu sehen ist.

    „Zazen zu praktizieren, bedeutet, immer mehr zu erfahren, dass Du nahtlos mit dem ganzen Universum verbunden bist." (Kodo Sawaki)

    Helfen wir P. Johannes und helfen wir uns, dass wir uns dessen immer mehr bewusst werden und zu dieser Erfahrung vorstoßen. Denn wenn wir nicht im Einklang mit uns sind, wie sollten wir dann pflegen und helfen können?

    Wir haben ein wichtiges Erbe fortzusetzen! Danke!

    (Zazenkai, 18. 6. 2016 in Bochum)

    Immer ein Fragender sein

    „Alles, was wir erkennen und besonders große Erkenntnisse, empfangen wir als eine Frage. Es ist die Frage, ob wir selbst das verwirklichen, was wir erkennen. Und eine solche Erkenntnis ist, dass wir selbst uns empfangen haben. Doch die Frage ist, ob wir bereit sind, was wir empfangen haben in Dank und Liebe zurückzugeben. In diesem Geben verwirklichen wir unsere Freiheit. Und das ist nichts anderes, als dass wir die Situation annehmen, wie sie ist, ohne Unterscheidung, ob sie unseren Wünschen entspricht. Alles, was wir empfangen haben, haben wir empfangen zum Gebrauch unserer Freiheit. Und darin sind wir frei: dass wir geben. So sei es noch einmal gesagt: Geben heißt, die Situation annehmen – in Dank und Liebe.

    Das ist unser Grundverständnis, die Erkenntnis über allen Erkenntnissen: alles ist uns gegeben im Leben. Wir sind in Zeit und Raum geformte Liebe.

    Es kann … geschehen in einer Prognose, in der uns ein jahrelanger Sterbeprozess angezeigt ist. Und dann verdeutlichen sich die Zeichen. Und es verdeutlicht sich die Frage, ob wir bereit sind, in Liebe zurückzugeben, was wir in Liebe empfangen haben. Und ob wir unsere Freiheit gebrauchen im o. k. dessen, was sich immer deutlicher zeigt.

    Es ist die Frage, ob wir im Gleichen bleiben. Im Gleichen zu bleiben: im Geben, was wir empfangen. Geben, was wir empfangen, das heißt: in der Wellenlänge des unendlichen Lebens zu bleiben."

    Worte von P. Johannes Kopp S.A.C., Hôun-ken-Roshi, gesprochen und aufgezeichnet am 6. 10. 2015, dem Tag, an dem er die Teilnahme am monatlichen Zazenkai im Kardinal-Hengsbach-Haus in Essen-Werden aus gesundheitlichen Gründen abbrechen musste.

    Da hören wir den „Sound", den viele von uns über viele Jahre hinweg immer wieder vernommen haben.

    Ich möchte dem noch etwas hinzufügen, da er es nun selbst nicht mehr direkt ergänzen, verdeutlichen und aktualisieren kann, indem ich seine Worte kontrastiere mit einem Zen-Koan aus der Koan-Sammlung von Dôgen Zenji, dem Shinji Shobogenzo Nr. 135 (Übersetzung D. Roloff, Eine Zen-Weisheit für jeden Tag des Jahres, 1. Juli; vgl. auch Gudo Wafu Nishijima, Die Schatzkammer der wahren buddhistischen Weisheit,S. 222).

    „Meister Jôshû sagte zu seinen Mönchen: „Dieser alte Mönch hier will Euch Antwort geben, falls jemand es versteht eine Frage zu stellen. Also stellt eine Frage." Da trat ein Mönch hervor und verbeugte sich in Verehrung.

    Jôshû sagte: „Dieser Mönch hier hat einen Ziegel weggeworfen, um ein Stück Jade zu bekommen. Doch er hat nur einen ungebrannten Ziegel herausgezogen."

    Und damit stieg er von seinem Sitz herab."

    Soweit der erste Teil dieses Koans.

    Warum dieses Koan? Warum an dieser Stelle?

    Es geht hier genau wie bei P. Johannes um die Frage! Um die essentielle Notwendigkeit, die Frage zu stellen, die im buddhistischen Kontext in den Koans immer wieder auftaucht: „Was ist Buddha? Was ist der Sinn von Bodhidharmas Kommen aus dem Westen?" bis hin zu der Frage: „Wer ist jener Eine, von dem selbst Shakyamuni Buddha und Maitreya Buddha nur seine Diener, seine Knechte sind?" (Mumonkan, Nr. 45)

    Wer ist jener Eine? Wie erwidere ich „Deine unendliche Liebe"?

    (Vinzenz Pallotti) Wie verwirkliche ich das, was ich glaube, wie das, was mir im Kleinen wie im Großen an Einsicht, Erkenntnis und Erfahrung geschenkt wird? Wie bleibe ich „im Gleichen"?

    Wie geben wir, was wir empfangen?

    Indem wir immer Fragende bleiben, immer wieder die Frage nach Verwirklichung stellen. Niemals die Versuchung durchgreifen lassen, wir hätten Es erreicht. Niemals uns mit vorläufiger Ruhe begnügen – auch wenn wir dankbar dafür sein dürfen - sondern eine heilsame Unruhe zulassen im Sinne eines „Weiter" des Großen Entschlusses, besser: der Großen Entschlossenheit, von der im Zen die Rede ist.

    Der Weise, der Erfahrene ist ein Fragender. Fragen bedeutet, nicht stehen zu bleiben und zuzugestehen: „Ich weiß es nicht. Ich habe es nicht. Ich bin immer auf dem Weg!"

    Diese Haltung ist das, was der Mönch bei Jôshû vermissen lässt. Er imitierte. Er ging nur mit dem Kopf und mit Berechnung heran. Er wollte eine große Vollendung zeigen und den Meister durch seine Verehrung quasi irreführen. Aber Jôshû durchschaute dies. Jôshû war in seiner Fragehaltung so tief vollendet, wie es uns das berühmte Koan MU zeigt.

    Diese Haltung ist die, die P. Johannes in einem Moment, in dem ihm die Zerbrechlichkeit des menschlichen Körpers so schmerzlich demonstriert wurde, aufleuchten ließ, indem er sich „mehr denn je" der Frage stellte, ob wir das verwirklichen, was wir erkannt haben, ob wir geben, was wir empfangen haben, und zwar in jedem Moment, - und sich so motivierte, immer weiter zu fragen.

    Ich möchte uns alle ermutigen, die Fragen, wie sie uns jeweils bewegen, zuzulassen. Unsere Frage, nicht eine vorgefertigte. Dieses Fragen ist es schon! Denn nur wer fragt, bekommt Antwort, die ihn tiefer in die Frage führt, und kann die nächste Frage stellen. Und letztlich geht es dabei um die Integration all dessen, was jeden von uns als Mensch, als Person ausmacht, in authentischer und origineller Weise.

    Jeder von uns ist da gefragt!

    Jeder von uns ist gefragt, sich auf sich selbst einzulassen!

    Danke!

    (Abendmeditationen in Bochum am 4. 7. 2016, in Dortmund-Lütgendortmund am 5. 7. 2016 und in Essen-Werden am 7. 7. 2016)

    Auch jetzt – Immer im Beginn

    Ein Mensch im Sterben. Was kann man da tun?

    Was konnten wir Mitarbeiter da tun, die wir dort waren an der Seite von P. Johannes?

    Ja, was kannst du da tun, wenn du dabei bist, an der Seite des Dahin-Gehenden, des sich immer mehr diesem Prozess hingebenden, immer mehr dort hineingezogenen Sterbenden? Du kannst dich in diese Präsenz und Transparenz des Unendlichen hineinbegeben, hineinziehen lassen und sie verstärken. Zu glauben: „Ach, was soll ich da schon tun, wenn ein Mensch verstummt, in seinem Bewusstsein versinkt oder besser: dieses sich weitet, wäre hingegen eine große Versuchung.

    „Alles, was wir letztlich nur geben und nur empfangen können, ist: un- ser Zustand," sagte P. Johannes mir einmal vor nicht allzu langer Zeit.

    Ein Mensch ist gestorben. Gestern Nachmittag, P. Johannes Kopp S.A.C., Hôun-ken-Roshi.

    Und wieder die Frage: „Was können wir tun? Wie damit umgehen? Wie ist das mit Leben und Tod?"

    Was können wir tun? Wir können anstelle der individuellen Dokusans, die normalerweise für einige von Ihnen angestanden hätten, jeder von uns gleich in der Stille des Zazen Dokusan haben mit P. Johannes. Dokusan ist ja eine Begegnung „im Heiligen Geist", wie es an der Eingangstür zum Dokusan-Raum erbeten wird, also eine Begegnung im Wesensraum, im Kern nicht gebunden an Zeit und Raum. Und es ist eine Begegnung von Zustand zu Zustand, von So-Sein im Da-Sein.

    Meine Bitte ist für heute Abend, dass sich jeder von Ihnen gleich in dieses Dokusan einreiht, mit allen seinen Kräften, mit seinem ganzen Gemüt und mit seiner ganzen Liebe, Dankbarkeit und ja, dies auch, mit seiner Trauer. In dieser Stille, die eingetreten ist und die mich erinnert an die Stille, wie sie traditionell in der Katholischen Kirche zwischen Karfreitag, zwischen Kreuzestod und Ostern, Auferstehung, gehalten wird.

    In einem Koan (Hekiganroku Nr. 55: Dôgos Kondolenzbesuch) sagt ein Zen-Meister an einem Sarg mit einem Verstorbenen: „Nicht lebendig, nicht tot." Und auf die Frage seines Schülers: „Warum das?" sagte er: „Ich sage es nicht, ich sage es nicht." Und am Ende dieses langen Koans sagt ein anderer Zen-Meister: „Die heiligen Gebeine des verstorbenen Meisters sind noch immer da."

    Auch ich will und kann Ihnen nichts sagen. Wir müssen es selbst realisieren: Das wahre Faktum von Leben und Tod, das Nichtwissen darüber, dass auch dann, wenn der Körper nicht mehr da ist, eigentlich nichts fehlt.

    In Dankbarkeit, Liebe und Zuversicht in der Trauer lasst uns Nichtwissende nun ins Dokusan gehen.

    Ich habe hier das gedruckte Heft in der Hand, was ich hiermit hochhalte: „Immer im Beginn – ein Gespräch mit P. Johannes Kopp", so lautet der Titel.

    Ja, das ist gut so!

    Auch jetzt: IMMER IM BEGINN!

    Danke!

    (Abendmeditation am 23. 6. 2016 in Essen-Werden)

    Kapitel 2

    TI LOU JIN FENG

    Hekiganroku Nr. 7: Echô fragt nach Buddha

    Engos Einführung

    Das eine Wort, das der Stimme vorausgeht,

    selbst tausend heilige Weise könnten es nicht übermitteln.

    Seid ihr nicht persönlich damit vertraut,

    bleibt ihr dreitausend Welten davon entfernt.

    Doch selbst dann, wenn ihr das kennt, was der Stimme vorausgeht,

    und allen Menschen unter dem Himmel

    die Zunge herausgeschnitten ist,

    seid ihr immer noch nicht leuchtend klar.

    Darum heißt es: „Der Himmel kann es nicht bedecken,

    die Erde nicht umfassen, der leere Weltraum nicht enthalten,

    Sonne und Mond können es nicht erhellen."

    Könnt ihr euch auf buddhalosem Platz

    als einzig Welt-Erhabener erkennen,

    dann habt ihr es zum ersten Mal ein bisschen berührt.

    Wer diesen Zustand noch nicht erreicht hat,

    muss ihn durch eine Haarspitze von Grund auf erfahren

    und in alle Richtungen ein großes Licht ausstrahlen.

    Seid ihr in Bezug auf den Dharma absolut frei,

    dann wird niemals etwas, was ihr anpackt, unpassend sein.

    Aber sagt mir:

    Was müsst ihr erlangen, um derart außergewöhnlich zu sein?

    Wieder frage ich: Hat das jeder verstanden?

    Niemand kennt den Schweiß der Rösser vergangener Zeiten;

    der epochale Sieg muss neu erörtert werden.

    Doch, dies mal beiseite gestellt,

    was sagt ihr zu Setchôs Koan? Schaut, was folgt!

    Der Fall

    Ein Mönch namens Echô fragte Hôgen: „Echô fragt Euch, Meister, was ist Buddha?

    Hôgen antwortete: „Du bist Echô."

    Setchôs Vers

    Im Land des großen Jangtse-Flusses

    weht kaum ein Frühlingswind.

    Die Rebhühner tschilpen

    Mitten unter Blumen.

    Am dreistufigen Wasserfall gehen die Wellen hoch.

    Karpfen werden zu Drachen und steigen zum Himmel auf.

    Törichte suchen noch in der Dunkelheit

    nach ihnen im Teichwasser.

    Teisho

    Wie ich jetzt so vor Ihnen sitze, die Erwartung spüre und ich nun etwas sagen soll, so lässt es mich zögern, damit zu beginnen. Denn alles, was wir sagen, trifft letztlich nicht das Gemeinte, bleibt immer unvollständig, ist möglicherweise missverständlich, jedenfalls dann, wenn wir es mit einem unterscheidenden Geist hören. „Zen ist der größte Betrug aller Zeiten", sagte provokativ Kodo Sawaki.

    Aber wir sind in einem Sesshin! Und in dem Programm des Sesshins steht: „10 Uhr: Motivation". Und so seien wir motiviert, uns motivieren zu lassen!

    In der heutigen Motivation, der ersten in diesem Sesshin, geht es um ein ganz kurzes Koan mit einer sehr langen Einführung. Ich habe Ihnen Einführung, Fall und Vers gerade vorgelesen, obwohl Sie den Text ausgedruckt vor sich haben, damit wir auf diese Weise ungefiltert seinen poetischen und spirituellen Gehalt auf uns wirken lassen können.

    Warum habe ich dieses Koan für heute ausgewählt? Genau kann ich dies nicht beantworten. Aber es hängt zusammen mit dem Datum: 8. 12. Denn dieser Tag ist sowohl für die buddhistische wie auch für die christliche Tradition von Bedeutung.

    Es ist der Tag, an dem nach der buddhistischen Überlieferung Shakyamuni Buddha in den frühen Morgenstunden beim Aufleuchten des Morgensterns seine tiefgreifende Erleuchtungserfahrung gemacht hat.

    Es ist in der katholischen Kirche der Feiertag der unbefleckten Empfängnis Mariä. Unbefleckte Empfängnis hat – entgegen einem weit verbreiteten Missverständnis – nichts mit der Jungfrauengeburt zu tun, wie es als katholisches Dogma gelehrt wird, sondern damit, dass Maria als Mutter Jesu frei vom Makel der Erbsünde gewesen sei.

    Beide Überlieferungen bringen – obwohl nicht ohne weiteres erkennbar – in einem Punkt etwas Gemeinsames zum Ausdruck: Es gibt reines Sein. Und: Es kann zum Zuge kommen, es kann sich manifestieren – in dieser Welt. Es gibt die absolute Wirklichkeit, an der wir alle Anteil haben, ja mehr noch, die in uns ist, die wir sind:

    „Alle Lebewesen haben Buddhanatur", so lehrt es Buddha. Und Paulus sagt: „Christus ist in euch, die Hoffnung auf die Herrlichkeit". (Kol 1, 27) Und Jesus selbst sagte: „Niemand kommt zum Vater, denn durch mich". (Joh 14, 6)

    Und nun Echô in unserem Fall. Er ist Mönch. Er weiß ganz sicher, dass nach der Lehre Buddhas alle Lebewesen ihrer Natur nach Buddhas sind, die Buddhanatur haben. Was also soll die Frage an Hôgen, seinen Zen-Meister: „Was ist Buddha?"

    Immer und immer wieder geht es in vielen Koans um diese Frage. In allen möglichen Variationen wird sie den Zen-Meistern gestellt und in vielfältigster Art und Weise „beantwortet".

    Hier nun haben wir es mit Hôgen Zenji zu tun, der im 9. Jahrhundert nach Christus in China lebte und eine der damaligen Hauptlinien des Zen begründete, eine bedeutende Zenpersönlichkeit also. Und noch einmal: Was soll diese Frage? Und was soll diese Antwort? Der Mönch ist auf der Suche nach Wahrheit, nach Erkenntnis. Und was erhält er? Eine Antwort, die nach normalem Verständnis, nach Alltagsverständnis an der Frage vorbeigeht und ratlos macht. Wir alle kennen solche an Fragen vorbeigehende Antworten. Ist dies aber hier auch so? Nein, natürlich nicht. Hôgen hatte nicht etwas Anderes, vermeintlich Wichtigeres als die Frage im Sinn. Er wollte auch nicht ausweichen. Nein, ganz im Gegenteil!

    Wie fragen wir als Christen an der Stelle des Mönchs? „Was ist (mit) Gott? Was ist (mit) Christus? Besser noch: „Wer ist Gott, wer ist Christus? Wer bin ich? So müsste die Frage ja wohl lauten.

    Wir alle wollen geliebt und gesehen werden. Geht es darum in der Frage dieses Koans? Geht es um die Erlangung von Hilfe, Trost und Erfülltsein im Sinne eines „heilsegoistischen" Strebens? Ist das die Botschaft des Koans? Oder ist es etwas anderes, nämlich die Suche nach der Buddhanatur als Wahrheit an sich, christlich gesprochen, nach Gott an sich, so wie er in Jesus Christus Gestalt angenommen hat? Wir dürfen annehmen, dass es dem Mönch hierum ging, um die Realisierung einer solchen Wahrheit also in sich.

    Wenn nun Hôgen ernsthaft als Meister antwortet, wie er es tat, was wollte er sagen? Was hat er gesagt? Hat er vielleicht gesagt: „Du bist Echô in dem Sinne. „Du bist nicht Buddha? Dann wären wir in einem ähnlichen „Strickmuster wie bei Jôshûs MU, was ja eine Verneinung bedeutet, „Nein bzw. „Hat nicht" heißt.

    Eine derart zu verstehende Antwort wäre eine blanke Verhöhnung/Verneinung des Kerns der Buddhalehre und der Frage des Mönchs. Es ist doch gerade die Verfasstheit des Mönchs, sich getrennt zu erleben, Erleuchtung für schwer erreichbar zu halten, weil er den Gedanken hegt, der lautet: „Ich bin gewöhnlich, und er deshalb fragt: „Was ist dann Buddha?

    „Wir sind Unendlichkeitswesen, hörte ich aber oftmals von P. Johannes Kopp. „Jeder ist vollkommen, so sagte es der japanische Zen-Meister Bassui Zenji aus dem 14. Jahrhundert (Bassui Tokushô, Den Menschen befreien, Gespräche eines Zen-Meisters, 2001, S. 19).

    Hôgen hat genau zugehört. Er hat sogar so genau und auf eine Weise zugehört, dass er zu dieser Antwort kam: „Du bist Echô". Um es in der Sprache des Zen zu erläutern: Er hat nicht nur Ohren und Zunge benutzt. Er sieht die Ernsthaftigkeit des Fragenden, die existentielle Bedrängnis, dass da jemand ist, der - wie es oft formuliert wird – die große Angelegenheit von Leben und Tod verstehen will. Er sieht Echô voll und ganz. Keine Trennung ist zwischen ihm und Echô. So schleudert Hôgen aus der zweigeteilten dualistischen Frage einen Teil „Echô fragt Euch dieses „Ich, Echô wie einen Bumerang postwendend zurück: „Ja, du bist Echô." Und dieser Bumerang trifft präzise. Aufgrund des Kommentars von Setchô dürfen wir davon ausgehen, dass Echô so Erleuchtung erfuhr.

    Der Bumerang wird prompt und präzise geworfen, und mit der Antwort kann eigentlich nichts angefangen werden, kein weiterer Inhalt, keine Bedeutung. Aber: „PLONG!" Was ist meine wahre Existenz, meine eigentliche Identität? „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen," heißt es bei Jesaja (Jes. 43, 1).

    Es gibt eine ähnliche Koangeschichte über Hôgen und diese Art seines Lehrens, nämlich die Geschichte vom „Lampenträger der nach dem Feuer fragt" (Keitoku Dentôroku). Diese Geschichte fasziniert mich immer wieder neu. Sie geht so:

    „Der Lampenträger fragt nach dem Feuer!

    Meister Hôgen fragte den Mönch Soku: „Warum kommst Du eigentlich niemals zu mir ins Zimmer, um nach der Buddha-Natur zu fragen?"

    Soku antwortete: „Ich habe diese Frage bereits meinem ersten Lehrer ge- stellt, der mir daraufhin den Satz: „Der Lampenträger fragt nach dem Feuer! zur Antwort gegeben hat.

    „Eine gute Antwort, räumte Hôgen ein, „nur glaube ich, dass Du sie nicht richtig verstanden hast. Erkläre sie mir doch einmal!

    Soku erwiderte: „Nun, der Lampenträger fragt nach etwas, das er ja schon die ganze Zeit mit sich herumträgt. Und genauso ist es mit der Buddha-Natur; auch ich trage sie schon fortwährend mit mir herum."

    „Das habe ich mir doch gleich gedacht, hielt ihm Hôgen entgegen, „Du hast es völlig missverstanden!

    Soku ging daraufhin enttäuscht und wütend davon, fest entschlossen, dem Kloster von Hôgen für immer den Rücken zu kehren. Aber kaum war er unterwegs, wurde er nachdenklich, denn schließlich war doch Hôgen ein hochgeachteter Meister mit Hunderten von Schülern. „Vielleicht", so dachte er sich, ist an den Worten des Meisters doch etwas Wahres dran. Beschämt kehrte er zu Hôgen zurück, entschuldigte sich und bat um Unterweisung.

    Hôgen willigte ein und sagte: „Frage nur zu, ich werde Dir antworten."

    Und Soku fragte: „Was hat es mit der Buddha-Natur auf sich?"

    Hôgen antwortete: „Der Lampenträger fragt nach dem Feuer!"

    Bei diesen Worten erfuhr Soku ganz plötzlich große Erleuchtung."

    (Keitoku Dentôroku; vgl. auch Yamada Kôun, Hekiganroku, S. 97; Dôgen Zenji, Shobogenzo, „Bendôwa", Bd. I, S. 42 f.; Dôgens Extensive Records, 2010, Vol. 1 Nr. 15, S. 86 ff.)

    Du hast es völlig missverstanden. Und dann

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