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BALKAN BIZZNIS: Balkan Geschäftsschlüssel
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BALKAN BIZZNIS: Balkan Geschäftsschlüssel
eBook233 Seiten3 Stunden

BALKAN BIZZNIS: Balkan Geschäftsschlüssel

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Über dieses E-Book

Balkan Bizznis ist ein Muss für jeden Liebhaber von gepflegtem Humor und Realsatire, aber auch für alle, die an einem Wirtschaftsbuch der anderen Art interessiert sind. Gekonnt werden die Stereotypen des Balkans und Deutschlands gepflogen und humorvoll kommentiert. Die Dynamik der Handlung und der ständige Wechsel der Perspektive ein- und derselben Szene aus der Sicht der unterschiedlichen Protagonisten sorgen für eine kurzweilige Lektüre. Aber Achtung: Es könnte sein, dass Sie erst aufhören zu lesen, wenn Sie am Ende angelangt sind.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum23. Dez. 2020
ISBN9783347204119
BALKAN BIZZNIS: Balkan Geschäftsschlüssel

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    Buchvorschau

    BALKAN BIZZNIS - Ivana Brnadić

    EINFÜHRUNG

    Das Buch ist fiktiv. Personen, Namen, Charaktere, Orte und Ereignisse sind entweder die Frucht der Vorstellungskraft der Autorin oder fiktiv. Jede Ähnlichkeit mit realen Ereignissen, Orten oder lebenden oder toten Menschen ist völlig zufällig und nicht beabsichtigt. Dennoch ist das Buch sowohl von realen Menschen als auch von Ereignissen inspiriert, die Spuren hinterlassen haben. Es ist eine dünne Grenze zwischen der Realität und der Unwirklichkeit. Die Wahrheit liegt in den Augen des Lesers und die Vorstellungskraft ist die Wahrheit innerhalb der Lüge.

    .

    KAPITEL 1

    NEBEL VERKAUFEN

    [nee·bel ver·kau·fen]

    nebulös reden, täuschen,

    falsche Versprechungen machen,

    Lügen erzählen

    Am häufigsten verwendete Phrase in der

    Geschäftskommunikation am Balkan;

    meist bezieht es sich auf Geschäfte,

    die groß vorgestellt und nie abgewickelt werden.

    NEBELUNGEN GMBH & Co. KG

    Mein Name ist Inga Bergof, ich bin Angestellte der Firma Nebelungen GmbH & Co. KG. Mein Fachgebiet ist Projekt Management. Der Name des Unternehmens lässt die Unternehmenstätigkeit erahnen. Nebelung ist ein alter germanischer Begriff für den Monat November (=Nebel). Die Firma Nebelungen GmbH & Co. KG ist ein Synonym für Qualität, Innovation und Tradition, sowohl innerhalb des deutschsprachigen Raums, als auch darüber hinaus. Unser Produkt wird fast vollständig exportiert. Wir sind auf den herausforderndsten Märkten innerhalb der Europäischen Union, Asiens und anderen Regionen vertreten. Das Unternehmen Nebelungen GmbH & Co. KG belegt die Spitze der Weltproduktion, wenn es um Nebelherstellung geht. Unser Erfolg ist das Resultat strenger Unternehmensphilosophie, die auch das „Made in Germany"-siegel bestätigt. 1887 von den Briten aufgezwungen, ist dieses Siegel mittlerweile als National-Brand anerkannt, das nicht durch überteuerte Marketingkampagnen oder an internationalen Messeständen entstanden ist, sondern als Resultat fleißiger Arbeit und Mühe. Es weist zudem auf hohe Qualität des Produktes hin. Ein Synonym für Zuverlässigkeit, Ingenieurskunst, Erfindungsgeist und höchsten technischen Standard. Es steht für Mercedes, BMW, für Porsche, … es steht für Nebel. Die Menschen vertrauen dem Siegel, die Menschen vertrauen uns.

    Außer dem „Made in Germany"-siegel ist das Produkt auch mit dem BIO Gütesiegel ausgezeichnet, weil der ganze Produktionsprozess kontrollierte Herkunftsbedienungen und ökologische Produktion ohne Chemikalien beansprucht. Die Produktion ist begrenzt und mit einigen kleinen Abweichungen hauptsächlich saisonal. Der Nebel entsteht, wenn kalte Luftströme auf warme Erd- und Wasseroberflächen stoßen, was man im Herbst besonders gut beobachten kann. Es handelt sich dabei um eine Wolke aus Wassertropfen bzw. eine Dispersion der Wassertropfen in der Luft, so fein, dass sie schweben können. Der Mangel an Konkurrenz in dieser Branche ist durch das damit verbundene hohe Geschäftsrisiko zu erklären. Der Nebel ist ein sehr empfindliches Produkt, vollständig abhängig von den Wetterbedienungen. Es genügt, dass ein stärkerer Windstrom seine Richtung ändert und Nebel höchster Qualität wird zu Smog.

    Ich eile zur Konferenz, Geschäftsführer und Firmeninhaber Herr Strick hat heute eine Ausnahmesitzung einberufen. Herr Strick hat das Unternehmen von seinem Vater Konrad geerbt. Im Unterschied zum Senior, der neben anderen großen Unternehmen wie Bayer, BASF, Thyssen Krupp, VW usw. oft in den Medien wegen lukrativer Zusammenarbeit mit dem Nazi-Regime in Zusammenhang gebracht wurde, hat sich der Junior nie in der Öffentlichkeit hervorgehoben. Mit seinen knapp 80 Jahren verbringt er immer noch seine meiste (freie) Zeit im Büro und lebt zurückgezogen und bescheiden. Herr Strick ist stolz auf seinen Betrieb der schon seit Generationen in Familienhänden ist. Die Arbeit mit ihm ist sehr anspruchsvoll. Obwohl er dem Schein nach eine ganze Armee Topmanager einstellt, steht er auch nach 40 Jahren Erfahrung immer noch zu seinem Grundsatz: „Jeder hat das Recht auf meine Meinung", hier fängt an und endet ungefähr unsere Entscheidungsfreiheit, unabhängig von der Hierarchieebene.

    Das Unternehmen ist seit Jahrzehnten stets bemüht dessen ruhmlose Rolle während des Nationalsozialismus zu verstecken, doch die vererbte Kultur und Verhaltensweisen, so wie Ordnung, Arbeit und Disziplin, als auch andere erworbene Philosophien werden durch interne mündliche und schriftliche Richtlinien tief verwurzelt bleiben. Eins der eklatantesten Beispiele ist die Mitarbeitereinstellungs- und Beförderungsphilosophie. Es werden ausschließlich heimische Leute angestellt, mit ausgeprägt heller Haut und geistigen und körperlichen Fähigkeiten. Wir sind zweifelloser Herkunft, tragen bekannte Nachnamen, sind ausgezeichnete Schüler, erfolgreiche Sportler, groß, gutaussehend, blond, blauäugig und intelligent. Bei der Beurteilung des letzteren, bzw. der Intelligenz, stützt man sich auf vorherige Referenzen, Ergebnisse und Bewertungen. Wir gehören weder der Mensa an, dessen Mitglieder mit einem IQ über 130 nur 2 % der Weltbevölkerung ausmachen, noch ist der Intelligenztest ein wesentlicher Bestandteil der Vorstellungsgespräche.

    Im Falle des Mangels an Kandidaten werden die Kriterien gesenkt, sodass Herkunft und Nachname im Vordergrund stehen, während Aussehen, Leistungen und alles andere in den Hintergrund tritt. Einem solchen Mitarbeiter der B-Kategorie steht aufgrund seiner starken Wurzeln einem weiteren Fortschritt im Unternehmen nichts im Wege. Der Unterschied bei den Beförderungen von Mitarbeitern, die nicht vollständig der geerbten Rassenideologie entsprechen besteht nur darin, dass diese an höheren Funktionen enden, die weniger dem öffentlichen Auftreten und Menschenkontakt ausgesetzt sind. Während der Beförderung wird dem Mitarbeiter der B-Kategorie die Korrektur seines Erscheinungsbilds direkt suggeriert. Wenn es sich um leicht umsetzbare Änderungen, wie Haarfarbe oder Gewicht handelt, so geschieht dies durch spontane Gespräche über die neuesten Diäten oder Modetrends. Handelt es sich jedoch um anspruchsvollere Fälle, so geschieht das Ganze in Form konkreter zahnärztlichen oder anderer notwendiger ästhetischer Eingriffsvorschläge.

    KONFERENZ

    Die Besprechung beginnt. Es wird spekuliert, dass sich Herr Strick in den Ruhestand zurückzieht und uns heute offiziell seinen Nachfolger vorstellen wird. Gerüchten zufolge hat er für einen größeren Betrag den besten Mann in der Branche rekrutiert. Ein fast zwei Meter großer, grauhaariger Herr, im schwarzen Anzug, mit Krawatte und Hut betritt den Raum in Gesellschaft zweier älterer Herren, ebenfalls in Anzügen. Der erste ist winzig, gepflegt, sehr vital und vor allem gut gesonnt. Der zweite ist ebenfalls groß, sichtlich der älteste, stärker gebaut und trägt als einziger eine Brille. Es handelt sich um Partner von Herrn Strick, die in den achtziger Jahren ins Geschäft eingestiegen sind, um das Unternehmen zu retten. Sein Vater Konrad hat es nämlich vor seinem Tod geschafft, das Unternehmen trotz des vielversprechenden Geschäfts nahe an den Abgrund zu bringen. Er hat eine Reihe falscher Geschäftsentscheidungen getroffen und sich übermäßig verschuldet, während er parallel dazu maßlos in Forschung und Entwicklung investiert hat. Erst nach der Übernahme, als sein Vater bereits im Hospiz war, wurde Herr Strick mit dem tatsächlichen Stand der Unternehmensbilanz konfrontiert. Es wurde nie öffentlich darüber gesprochen, aber die Medien haben in Erfahrung gebracht, dass Nebelungen, bzw. Herr Konrad Strick, in dem Jahr der größte private Investor in Wissenschaft und Forschung des Landes war. In den achtziger Jahren lag der Anteil der Finanzierungsquellen für Wissenschaft und Forschung unter öffentlichen und privaten Mitteln ungefähr gleich und hat als solches für wenig Aufmerksamkeit gesorgt, aber da es sich um die in den Medien bekannten Nebelungen gehandelt hat, sind von allen Seiten Beträge aufgetaucht. Es war die letzte Erwähnung des Seniors in den Medien und seine letzten 5 Minuten Ruhm. Heutzutage führt der Privatsektor, wenn es um Investitionen in die Wissenschaft geht, insbesondere in asiatischen Volkswirtschaften. Die Privatisierung der Wissenschaft ist ein Trend, ich wage es zu behaupten ein negativer, der mehr öffentlicher Aufmerksamkeit verdient und Herr Strick ist sicherlich einer der Urheber dieses Trends, zumindest in unserer Region. Da das Produkt selbst gleich geblieben ist, kamen Spekulationen darüber auf, in was genau Herr Strick Senior investiert hat. Diese Frage ist allerdings bis heute unbeantwortet geblieben. Die Partner von Herrn Strick haben immer noch bestimmte Anteile im Unternehmen, aber im Gegensatz zu ihm, haben sie sich vor einigen Jahren des Alters wegen in den Ruhestand gezogen. Sie verfolgen nur mehr mit Abstand und in Umarmung jüngerer Liebhaberinnen, die bestenfalls ein Drittel ihres Alters haben, von verschiedenen touristischen Destinationen aus den Unternehmensprofit.

    Nach einer kurzen Begrüßung wendet sich Herr Strick an die Beteiligten: „Meine Herrschaften, sicherlich interessiert sie der Grund dieser Zusammenkunft? Es herrscht Stille. Er fährt fort: „Botschaft an all diejenigen, die sich meinen Rücktritt erhofft haben: lassen sie mich ihnen ihren neuen Geschäftsführer vorstellen, er erhebt sich aus seinem Stuhl. „Ich befinde mich erst in der zweiten Hälfte meines Lebens, voller Energie und mit einem starken Willen, möchte ich dieses Unternehmen an die Spitze bringen, wo wir auch hingehören. „Aber Herr Geschäftsführer, ich denke, wir sind bereits in …, erwidert mutig ein Vorstandsmitglied. Herr Strick unterbricht ihn sichtlich wütend: „Herr …, die Dinge funktionieren hier wie folgt: sie kommen mit ihrer Meinung rein und sie gehen mit meiner raus, aber dies sollten sie während ihrer zwanzig Jahre Nichtstuns hier bereits verstanden haben." Eines ist uns allen an dieser Stelle klar: Eine Position im Vorstand wurde gerade frei.

    Herr Strick fährt dramatisch fort: „Aus einem tiefen Schlaf wurde ich heut morgen von einem Albtraum geweckt. Nebelungen soll wegen der Konkurrenz bankrott gegangen sein. Der Markt wurde von den Chinesen mit einer billigen, minderwertigen Kopie unseres Nebels erobert. Es scheint, als höre man von irgendwoher einen kontrollierten Lachanfall, aber er fährt ganz ernsthaft fort: „Ich habe darüber sofort meine Geschäftspartner informiert, damit wir wie immer die Bedeutung des Traums zusammen interpretieren. Wir haben einstimmig festgestellt, dass uns jemand oder etwas Zeichen schickt. Unseren Verdacht hat weiters ein schwarzer Kater bestätigt, der die Straße überquert hat, als wir gerade vom Parkplatz zum Eingang liefen. Zu viele schlechte Zeichen, das lässt nichts Gutes ahnen! Wir müssen dringend handeln und haben daher einstimmig beschlossen, die gesamte Produktion nach Osteuropa zu verlagern. Es herrscht Stille. Dies hat niemand vorhersehen können.

    „Die Kosten in Osteuropa sind deutlich niedriger als in unserem Land. Die Arbeitskraft ist billiger. Durch gezielten Umzug des Betriebs in ein klimafreundlicheres Gebiet würden wir sämtliche monatlichen Produktionsschwankungen vermeiden und könnten die Produktion von saisonal auf ganzjährig umstellen. Stellen sie sich nur die Mengen und Profite vor! Mengenerhöhung würde zur Stückpreissenkung führen, weshalb wiederum der Verkaufspreis dermaßen wettbewerbsfähig werden würde, dass die Chinesen in diesem Jahrhundert keine Chance hätten, Nebel herzustellen."

    Es herrscht weiterhin Stille. Wozu eine Reaktion, nichts überrascht mehr, wenn es sich um Herrn Strick und seine Träume, seine Ideen, die Ideen seiner Freunde, seines Friseurs usw. handelt. Meist halten ihn solche Ideen ein paar Tage lang, danach ändert er entweder seine Meinung oder vergisst einfach alles. Wenn es um die Vergesslichkeit geht, erinnert sich Herr Strick oft nicht an das, was er gestern gesagt hat, aber interessanterweise weiß er sehr wohl, was er nicht gesagt hat, und man kann ihm daher keine falschen Erinnerungen auferlegen, was von vielen ständig probiert wird. Manchmal, nach stundenlangen Monologen, ohne auch nur eine Ideenrealisierung, scheint es so, als ob Herr Strick einfach nur seine Anwesenheit und den Farbton seiner eigenen Stimme genießen würde. Seine Ideen und Arbeitsmethoden sind längst überfällig. Er betrachtet Marketing als Geld, das man zum Fenster rausschmeißt, während Abteilungsmitarbeiter ihm täglich durch gefälschte Statistiken versichern, dass das zum Fenster rausgeschmissene Geld wiederum durch die Tür reinkommt. Der IT-Sektor ist für ihn heute noch eine der größten Unbekannten, aber er ist sich bewusst, dass er mit der Zeit Schritt halten muss, auch wenn dies bedeutet, Unbekannte in das Unternehmen einzuführen. Der IT-Sektor hat eigentlich den Vatikanstatus im Unternehmen, Staat im Staat, die einzige Abteilung, in die er sich nicht einmischt. Von der Mehrheit überstimmt, hat er die Abteilung Ende der neunziger Jahre gegründet und hier ist die Zeit, was es das Equipment angeht, von dem viele Geräte bereits den Status der Museumsexponate erreicht haben, stehengeblieben. Die Abteilung wird am Respirator gehalten. Das IT-Team ist stets bemüht, die Abteilung funktionsfähig zu halten, was in der Praxis dem Spielen von Fortnite auf einem 8-Bit-Commodore 64 gleicht. Die Resultate und der Fortbestand des Unternehmens sind auf die hohe Marktnachfrage und den mangelnden Wettbewerb zurückzuführen, weniger auf die aktuellen unternehmerischen Fähigkeiten von Herrn Strick. Er behauptet zu Recht, dass wir es besser machen können, wir könnten es viel besser, wenn er selbst nicht jeden geschäftlichen Verbesserungsvorschlag verhindern würde. Am Ende führt alles dahin, dass wir immer nur nach einem innovativen Weg suchen, alles so zu machen, wie wir es immer getan haben, oder genauer gesagt, wie er es immer getan hat. Manchmal scheint er gute Ideen absichtlich abzulehnen, nur weil sie nicht von ihm kommen. Es kommt auch vor, dass ein bestimmter Vorschlag abgelehnt und später als sein eigener vorgestellt wird. Es handelt sich bei Herrn Strick um eine Person mit einem starken Ego. Solche Menschen sind nicht bereit, die Wahrheit zu akzeptieren und die Verantwortung für eigene Fehler zu übernehmen, und so ignoriert er geschickt, dass er keine Entscheidungen mehr treffen kann, die den modernen Geschäftspraktiken und herrschenden Markttrends entsprechen. Immer sind andere schuld, obwohl er im Endeffekt jede Entscheidung selbst trifft. Sein Ego ist der größte Kostenaufwand dieser Firma. Die Chinesen sind uns dicht auf den Fersen, potenzielle Konkurrenten rekrutieren aggressiv ehemalige Kollegen, aber hypothetisch betrachtet, selbst wenn das Schlimmste passieren sollte, bzw. die Übernahme eines bestimmten Teils des Marktes geschieht – es ist immer noch genügend Kuchen für alle da. Die Welt ist einfach begierig nach Nebel.

    STANDORTAUSWAHL

    Es ist Montag, ich komme zu spät ins Büro. Was bedeutet „zu spät sein" in unserem Unternehmen? Greifen wir auf die vererbten Verhaltensmuster zurück. Die offizielle Arbeitszeit ist von 8: 00 bis 16: 00 Uhr. Dies ist der offizielle Stundenfonds, der dem Gesetz entspricht und zur Berechnung der Gehälter dient. Inoffiziell müssen wir ab 7: 00 Uhr im Büro sein. Je höher wir uns durch Beförderungen entlang der hierarchischen Struktur nach oben bewegen, desto früher kommen wir zur Arbeit und verlassen diese später. Der Zweck des verlängerten Aufenthalts ist es, den Untergeordneten als Vorbild zu dienen, denn als Mitarbeiter müssen wir bereit sein, uns für das Unternehmen zu opfern. Ganz andere Regeln gelten natürlich für die Spitze der Hierarchie. Überstunden sind in den überdurchschnittlichen Gehalt, den wir erhalten, bereits einberechnet. Eine sehr praktische und in der Branche häufig praktizierte Täuschung, denn wenn wir den Gehalt durch die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden dividieren, erhalten wir einen Stundensatz, der niedriger ist als der einer Kassiererin.

    Ich betrete Punkt 07.01 Uhr das Büro, die Tür steht weit offen. Herr Strick sitzt bereits in meinem (seinem) Sessel zurückgelehnt, wünscht mir einen guten Morgen und konstatiert im gleichen Atemzug, dass ich zu spät komme. Die Verspätung führt er diesmal aber auf unfähige Bauunternehmer auf der Stadtstraße zurück, die mit der Einfahrt des Unternehmens grenzt. Seit Monaten gibt es dort eine Baustelle, weshalb sogar er manchmal zu spät zur Arbeit kommt – und wieder sind wie immer andere schuld.

    „Frau …. möchte mich nicht wiederholen, sie haben bei der Besprechung alles mitbekommen. Ich habe sie zur Projektleitung auserwählt. Bitte machen sie sich sofort an die Arbeit. Analysieren sie die östliche Region, auf der Suche nach einem adäquaten Standort. Berücksichtigen sie dabei alle Aspekte des Geschäfts: die wirtschaftlichen, klimatischen, rechtlichen und vor allem die finanziellen. Ich erwarte die günstigste Lösung für das Unternehmen. Morgen um 12 Uhr in meinem Büro." Während er das Büro verlässt, macht er das Licht aus, mit dem Kommentar, dass es draußen bereits hell ist und ich es nicht mehr brauche. Das Ausschalten der Lichter ist bei jedem Verlassen des Büros und genügend Tageslicht obligatorisch.

    Ich google, suche nach Ländern mit günstigen klimatischen Bedingungen und eliminiere diese dann nach wirtschaftlichen und andere Faktoren. Ich springe von Kontinent zu Kontinent, von Region zu Region, von Land zu Land, von Stadt zu Stadt. Nach ganztägiger Datenverarbeitung fällt endlich ein Land auf. Es ist Mitglied der Europäischen Union, was bedeutet: kein Zoll. In der Welt ist es außer als Touristenziel, vor allem durch herausragende sportliche Leistungen bekannt. Wenn es um die Geschäftswelt geht, hier hören die Lobgesänge auf: bis vor kurzem eine negative Bonität, übermäßige Bürokratie und ein hohes Maß an Korruption.

    Ich rufe Kristjan an. Er hat mit mir gemeinsam studiert, ist hier geboren, aber slowenischer Herkunft. Was als Smalltalk beginnt, endet als ein zweistündiger Vortrag über Malversationen. Kristjan ist Vorstandsmitglied einer bekannten deutschen Kleinhandelskette. Er ist schnell aufgestiegen, unter anderem, weil er erfolgreich das Team, zuständig für die Expansion auf den potenziellen Markt, geleitet hat. Er hat die

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