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WEINKULTUR IN MÄHREN (1648-1804): WACHSTUM VON WEINBAU UND WEINKONSUM. DIE SPEZIFIK DER GRUNDHERRSCHAFTEN UND RESIDENZEN DER FÜRSTEN VON LIECHTENSTEIN
WEINKULTUR IN MÄHREN (1648-1804): WACHSTUM VON WEINBAU UND WEINKONSUM. DIE SPEZIFIK DER GRUNDHERRSCHAFTEN UND RESIDENZEN DER FÜRSTEN VON LIECHTENSTEIN
WEINKULTUR IN MÄHREN (1648-1804): WACHSTUM VON WEINBAU UND WEINKONSUM. DIE SPEZIFIK DER GRUNDHERRSCHAFTEN UND RESIDENZEN DER FÜRSTEN VON LIECHTENSTEIN
eBook753 Seiten8 Stunden

WEINKULTUR IN MÄHREN (1648-1804): WACHSTUM VON WEINBAU UND WEINKONSUM. DIE SPEZIFIK DER GRUNDHERRSCHAFTEN UND RESIDENZEN DER FÜRSTEN VON LIECHTENSTEIN

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Über dieses E-Book

WEINKULTUR IN MÄHREN (1648-1804)

Die Dissertation beleuchtet ca. 150 Jahre Weinkultur im 17. und 18. Jahrhundert in der "Markgraphschaft Mähren." Das Land gehörte bis 1804 zu den Erbländern der Habsburger im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Herausragend wird durch die Quellenforschung nachgewiesen, dass es trotz der enormen Zerstörungen und großen Verluste nach dem Dreißigjährigen Krieg gelang, besonders im Zusammenhang mit der Weinkultur einen zwar differenzierten aber stetig steigenden Wohlstand herbeizuführen. Stetiges Wachstum von Weinbau, Weinproduktion, Weinhandel und Weinkonsum wurden zur Ausnahmeerscheinung, die sich wohltuend gegenüber anderen Weinbaugebieten des Reiches und Europas abhob. Das führt zu den spannenden Fragen, wie das möglich war, welche Bedingungen dafür geschaffen wurden und welche Triebkräfte dafür mobilisiert werden konnten. Die Dissertation beantwortet diese Fragen detailliert.

Ein zweiter Schwerpunkt des Buches ist die hervorgehobene weinkulturelle Spezifik der Grundherrschaften und Residenzen der Fürsten von Liechtenstein. Die Fürsten hatten bekanntlich ihre größten Besitzungen in Mähren. Daraus ergeben sich auch die in der Dissertation belegte besondere Rolle und der prägende Einfluss auf die Weinkultur. Die seinerzeit bedeutendsten Schlösser und Parkanlagen in Eisgrub (heute Lednice) und Feldsberg (heute Valtice) gehören in Tschechien zum Weltkulturerbe.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum1. März 2021
ISBN9783347188747
WEINKULTUR IN MÄHREN (1648-1804): WACHSTUM VON WEINBAU UND WEINKONSUM. DIE SPEZIFIK DER GRUNDHERRSCHAFTEN UND RESIDENZEN DER FÜRSTEN VON LIECHTENSTEIN

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    Buchvorschau

    WEINKULTUR IN MÄHREN (1648-1804) - Bernd Müller-Kaller

    1. EINLEITUNG

    1.1 Thema der Studie, Spezifik, Hauptforschungsfrage

    Die Weinkultur in Mähren (1648 – 1804) soll in dieser Studie als Ganzes rekonstruiert werden. Die Untersuchung zielt hauptsächlich darauf, ein stetiges Wachstum in den wichtigsten Bereichen nachzuweisen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die im Titel angezeigte Spezifik der Grundherrschaften und Residenzen der Fürsten von Liechtenstein. Die Vielzahl der inhaltlichen, z.T. interdisziplinären Untersuchungsansätze, legt offen, was mährische Weinkultur zu leisten vermochte. Die Studie grenzt das Thema vom Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 bis zum Beginn der napoleonischen Kriege in Mähren 1804 ein und behandelt damit einen entwicklungsgeschichtlich bedeutsamen Zeitabschnitt in Mähren. Die Untersuchungszeit bis 1804 einzugrenzen, schien durch neue wirtschaftliche Entwicklungen in der Industrie, mit dem Beginn des Eisenbahnzeitalters und politisch durch die veränderte Lage mit dem Einmarsch Napoleons ins Land geraten.

    Untersucht werden die Entwicklungsprozesse und Transformationen, die Differenziertheit der Sozialstrukturen, Reformen und technische Neuerungen, ihre politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Wirkungen und Bedingungen. Letztlich geht es darum, die mährische Weinkultur zwischen dem Ende des Dreißigjährigen Krieges und der Neuordnung des habsburgischen Kaiserreiches als Ganzes zu fassen. Denn das wird der großen Bedeutung, die sie in jener Zeit unter allen Gruppen der Bevölkerung - vom Bediensteten und Bauern bis zum Hochadel - genoss, am besten gerecht. Das gilt umso mehr, als bisher geschichtswissenschaftliche Arbeiten hauptsächlich in Form von Fallstudien über Weinbau einzelner Güter oder Gemeinden vorliegen, die sich vorzugsweise mit der Zeit unmittelbar nach dem Dreißigjährigen Krieg und den Lahnenregistern befassen.

    Die Spezifik der Grundherrschaften der Fürsten von Liechtenstein ist eine den mährischen Hochadel repräsentierende Seite der Untersuchung. Aufgrund der Größe dieser Herrschaften und durch die herausgehobene Rolle, die die Fürsten in Mähren spielten, prägten sie die gesamte Entwicklung der Weinkultur entscheidend mit. Belegt wird in der Untersuchung, dass die Fürsten nicht nur an der Pflege der adeligen Traditionen, der Familie, des ´´Hauses´´, der Repräsentation, des Ausbaues ihrer Rechts- und Machtstellung interessiert waren, sondern auch an der Entwicklung der landwirtschaftlichen Kultur, speziell am Weinbau, der Weinbereitung und Weinlagerung, am Weinhandel etc. Sie waren damit auch Pfleger und Förderer der mährischen Weinkultur.

    Das Problem der Entwicklung des Wachstums, insbesondere des Weinbaues und des Weinkonsums, beherrscht als durchgehende Hauptforschungsfrage die Studie. Der statistische Nachweis, die rationale Begründung, zeigen, dass Wachstum in den Bereichen der Weinkultur vor allem für die sozialen Verhältnisse eine besonders große Bedeutung hatte. Die Wertschätzung von Wein fand in vielen Lebensbereichen ihren Ausdruck: im Status des Adels, in den Klosterregeln, im Prestige der Bürger, als Handelsobjekt oder als Zahlungsmittel der Bauern. Wachstum der Weinkultur in jener Zeit sicherte nicht nur Genuss, sondern die Existenz vieler. Weinbau und Wein waren für große Teile der Landbevölkerung auch Lebensmittel und Überlebensmittel. Bemerkenswert ist auch, dass scheinbar Klimaschwankungen und extreme Witterungserscheinungen, Krankheitsepidemien und Kriege oder die Hungersnot 1770 wenig Einfluss auf negative Auswirkungen des Wachstumsprozesses hatten.

    Besonderes Augenmerk gilt insgesamt der Begründung des stetigen Wachstums in der Untersuchungszeit, das versucht wird, anhand der Veränderungen der variablen Faktoreinsätze nachzuweisen.

    1.2 Zeitliche Abgrenzung und Einordnung

    Die Begrenzung der Studie durch das Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 und das Jahr 1804 lässt die alleinige Fixierung auf politische Ereignisse vermuten. Tatsächlich folgt die Arbeit aber dem Wachstum des mährischen Weinbaues und des Weinkonsums. Vom Tiefstand am Ende des Krieges im Jahre 1648 wuchsen die Anbaufläche der Weingärten und der Weinverbrauch kontinuierlich an und erreichten bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts noch einmal einen Höchststand, der dem des Hochmittelalters gleichkam und ihn übertraf. Somit wird eine rekonstruierte in sich geschlossene Epoche des Wachstums von Weinbau und Weinkonsum mit ihren vielfältigen Beziehungen im gewählten Untersuchungszeitraum in der Markgrafschaft Mähren begründet und durch Quellen gestützt. In der ersten Phase der Untersuchung in der zweiten Hälfte des 17.

    Jahrhunderts traf die allgemeine Krise nach dem Dreißigjährigen Krieg Weinbau und Weinkultur genauso wie alle anderen Kultur- und Wirtschaftszweige. Das verwüstete Land mit traumatisierten Menschen kam nach 1648 zunächst nicht zur Ruhe. Viele Städte und Dörfer waren zerstört, Räuberbanden trieben ihr Unwesen und Kriege dauerten fort.¹ Aus den vom Mährischen Landtag 1650 angesprochenen Problemen geht hervor, dass die Untertanen, vor allem die Bauern, so verarmt waren, dass die Obrigkeiten aufgefordert wurden, wenn sie denn Vorrat hätten, den Bauern bis zur nächsten Ernte das Saatgut vorzustrecken, um sie vor der Hungersnot zu bewahren. ² Gleichzeitig geschah das auch aus eigenem Interesse der Grundherrschaften des Adels und der Klöster, um die notwendigen Arbeitskräfte an sich selbst binden zu können. Ein weiteres akutes Problem war der Geldmangel, der fehlende Geldumlauf. Nur langsam kam daher die Wirtschaft in Gang, wie in den folgenden Kapiteln im Zusammenhang mit der Entwicklung der Weinkultur erörtert wird. Vor 1618 hatte die Markgrafschaft Mähren etwa 2,2 Millionen Einwohner, nach 1648 nur noch etwa 800.000, wobei die Städte einen großen Teil ihrer Bevölkerung verloren hatten und viele Dörfer vollständig entvölkert waren. ³

    In der ersten Sitzung des Mährischen Landtages nach dem Dreißigjährigen Krieg, die 1650 in Brünn stattfand, wurden 20 Beschlüsse gefasst, die nach vorhergegangenen Orientierungen Kaiser Leopolds III. die Richtung für die nächsten Jahrzehnte vorgaben: Auf den Weinbau und die Weinwirtschaft trafen speziell die Beschlüsse zu, die mit Steuern im Zusammenhang standen, wie die Neubesiedlung von öden Grundstücken und Dörfern. Siedlern wurde drei Jahre Steuerfreiheit zugesichert. Verkehrsverbindungen und Brücken sollten wiederhergestellt und verbessert, Maße und Gewichte neu geregelt werden. ⁴ Über Grundstücksbesitz und -verteilung, z.B. bei Weingärten, herrschte aber noch überall Unordnung. Die Klöster waren weitgehend vernichtet und hatten ihren gesellschaftlichen Einfluss verloren. Nur der treu zu den Habsburgern gestandene und neu hinzugekommene ausländische Adel bewahrte und festigte seine Herrschaft. Diese Macht war auf Restituierung der traditionellen Zustände gerichtet. Basis dieser Verfügungsgewalt und der feudalen Existenz waren die Grundherrschaften (Dominien). Um deren wirtschaftlichen Betrieb aufrechterhalten zu können, benötigte man Bauern bzw. Weinbauern. Daher versuchten die Herrschaften, verstärkt die Neubesiedlung der Grundstücke und Ortschaften zu fördern und gewährten besondere Privilegien. Aus diesem Grunde sind sogar Güterpachtungen durch Juden zu verzeichnen, trotz des im Jahre 1650 erlassenen und 1681 wiederholten Besitz- und Pachtverbotes. ⁵ Andererseits nutzten einzelne hohe Adelige, der Fürstbischof von Olmütz und der Kaiser die Neugründung und den Wiederaufbau von Klöstern, um bevorzugt mit Jesuiten die Rekatholisierung zu unterstützen, womit nicht selten wirtschaftliche Interessen und insbesondere speziell die Weinwirtschaft in Verbindung standen. ⁶ Dass die kaiserliche Politik der Förderung der Jesuiten, oft zum Nachteil anderer Orden, mit dem Papst in Rom abgestimmt war, zeigen z.B. gleichlautende Äußerungen des kaiserlichen Gesandten und des Papstes in Rom. ⁷

    Nach den Kriegen gegen die Türken 1663, 1672 und Ungarn 1696 und 1705 kehrte Anfang 1700 Ruhe im Lande ein. In dieser zweiten Phase der Untersuchung begann eine Zeit der Erholung, die auch der Weinkultur wieder Auftrieb gab. ⁸ Diese Phase der gesellschaftlichen Entwicklung mit starken Einflüssen auf die Landwirtschaft und die Weinkultur wurde geprägt von Karl VI., Kaiser von 1711 bis 1740, Maria Theresia, Kaiserin von 1740 bis 1780 sowie Joseph II., Kaiser von 1780 bis 1790. Deren Gesetzgebung für die Landwirtschaft wirkte auf die agrargeschichtliche Entwicklung in den mährischen Herrschaften entscheidend ein, auf denen 63.500 Bauern oder Weinbauern und etwa 90.000 sogenannte Gärtler und Häusler mit ihren Familien wirtschafteten. Dazu gehörten unter anderem die mehrfache Vermessung der Grundstücke, die Anlage neuer Kataster (Theresianischer Kataster 1749, Josephinischer Kataster 1789) und die Verbesserung und Regulierung bzw. Rektifikation der Steuern, der Zölle sowie der Fronarbeit bzw. „Robot". ⁹ Weinbau wurde in den südlichen Kreisen Brünn, Znaim und Hradisch auf 84 Dominien in 399 Gemeinden betrieben. Das Verhältnis von Weingärten zum Ackerland in diesen Kreisen betrug etwa 23 zu 100 Prozent.¹⁰ Die erwähnten politischen, administrativen Vorschriften und gesetzlichen Regelungen veränderten von 1650 bis 1804 neben der Agrarkultur auch die soziale Lage der Weinbauern und sind in diesem Zusammenhang Objekte der Studie. ¹¹ Am wachsenden Ausbau der Weinkultur hatten nicht nur die Weinbauern, sondern, wie in der Studie nachgewiesen wird, auch der Prälatenstand, der Herrenstand, d.h. die Landesfürsten, die Grafen und Freiherren, der Ritterstand und die Bürger unterschiedlich Anteil. ¹² Rückschläge im Weinhandel erlitt Mähren vor allem in den Kriegen mit Preußen 1741 und 1744, weil der größte Teil Schlesiens an das Haus Hohenzollern verloren ging und traditionelle Handelsbeziehungen unterbrochen wurden.¹³

    Mit der Berufung von Graf Haugwitz in die Finanzverwaltung 1749 unternahm die Regierung der Kaiserin große Anstrengungen in den Ländern ihres Reiches, um die Finanzen zu konsolidieren und die Wirtschaft zu beleben.¹⁴ Die Steuern wurden reguliert, Adel und Klerus zur Steuerzahlung gezwungen, bei den Bauern und Weinbauern die Robot gemildert, Gemeinden mit Marktrecht und Städten erweiterte Wochenmärkte und Jahrmärkte gewährt, Banken und Gesellschaften gegründet, neue Behörden eingerichtet. Schließlich war es aber Kaiser Joseph II., der in dieser Phase vor allem ab 1781 gravierende Reformen einleitete und mit dem Toleranzpatent, der Säkularisierung der meisten mährischen Klöster und der Abschaffung der Leibeigenschaft tiefgreifende Veränderungen durchsetzte, die insbesondere auch auf den Weinbau, die Weinherstellung und den Weinhandel große Einflüsse hatten. ¹⁵ Doch obwohl ihm kein nachhaltiger Erfolg vergönnt war, weil Bauern und Adel den Reformbemühungen den Gehorsam verweigerten, hatten diese Maßnahmen insbesondere auch einen Wachstumsschub im Weinbau zur Folge. ¹⁶

    Eine dritte Phase der weinkulturellen Entwicklung im Untersuchungszeitraum der Studie erlebte das Land unter der Regierung von Kaiser Franz II. (I.) in einer aufstrebenden und sozial besser gestellten Zeit. ¹⁷ Besonderen Einfluss auf Weinbau und Weinkultur in dieser beginnenden Phase hatte der sich ausbreitende Wissenstransfer durch die neuen Kommunikationsmittel: Zeitungen, Zeitschriften, Bücher und Kalender. Die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gegründeten gemeinnützigen Gesellschaften für Landwirtschaft bemühten sich verstärkt um deren Entwicklung. In der Mährischen Ackerbaugesellschaft, die 1770 gegründet und später in die Mährisch-Schlesische Gesellschaft zur Förderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde umbenannt und erweitert wurde, konnte speziell die pomologisch-önologische Sektion durch ihr Engagement die Qualität von Weinbau und Weinkultur zunehmend beeinflussen. ¹⁸

    Die eigenständige territoriale Verwaltung hat sich Mähren, obwohl Teil des Königreichs Böhmen, bis zum Ende der Untersuchungszeit immer bewahrt. Es besaß einen eigenen Landtag in Brünn, einen eigenen Gouverneur bzw. Landeshauptmann und, auch meist von Böhmen unterschieden, eigene Gesetze und Verordnungen durch die Habsburger. Beispielgebend dafür ist die „Allgemeine Weingebirgsordnung für die Markgrafschaft Mähren" vom 22. September 1784. ¹⁹ Unter Kaiser Franz II. wurde Mähren nach dem 11. August 1804 durch Umwandlung der habsburgischen Erblande, Königreiche und Fürstentümer Teil des Kaiserreiches Österreich. ²⁰

    Die Mährer wurden immer wieder in ein neues Konglomerat der Habsburgischen Monarchie integriert. ²¹ Doch die mährischen Spezifika und Besonderheiten hatten ihre Bedeutung, wie insbesondere auch diese Studie über Weinbau und Weinkultur zeigen soll. Die Studie endet 1804 auf dem Höhepunkt des Wachstums der Weinbaufläche und des Weinkonsums in Mähren.

    1.3 Fragestellung und Methode

    Die Fragestellung im Kapitel Weinbau beginnt mit den natürlichen Bedingungen im Untersuchungszeitraum. Welche geologischen, bodenkundlichen und klimatischen Verhältnisse in Mähren erlaubten Weinbau? Dabei ist erkennbar, dass die geologischen Formationen und bodenkundlichen Voraussetzungen von tschechischen Wissenschaftlern heute sehr gut erforscht sind. In den Publikationen von Zdeněk MISÁR, „Regionálni Geologie světa, ²² von Josef SVOBODA, „Regional Geology of Czechoslovakia. The Bohemiamassiv, ²³ von Vaclav ZOUBEK, „Tectonik develoment of Czechoslovakia ²⁴ und in den Karten, „Geologische Spezialkarten Mähren²⁵ werden sie dargestellt. Diese Ausführungen sind ergänzt durch Erkenntnisse aus einem Exkursionsheft von Thomas SCHOLLE. ²⁶ Die dort veröffentlichten großräumigeren Darstellungen wurden für die untersuchten Weinbaugebiete herangezogen und mit den historischen Erkenntnissen verglichen. Die Frage ist hier, entsprachen die historisch traditionellen Weinbergslagen nach neuen geologischen und bodenkundlichen Erkenntnissen den Anforderungen an einen erfolgreichen Weinbau? Auf die Fragen nach den klimatischen Verhältnissen im Untersuchungszeitraum und wie man ihnen im Zusammenhang mit dem Weinbau begegnete, wie das zu beurteilen ist, wie die klimatischen Verhältnisse im Untersuchungszeitraum rekonstruiert werden könnten, liefern aktuelle Publikationen zahlreiche Hinweise. Rudolf BRAZDIL, Rüdiger GLASER sowie Peter FRANKENBERG und Peter LAUER weisen in Ihren Studien nach, dass sich aus den indirekten Daten des Weinbaues der historische Klimaverlauf rekonstruieren lässt. ²⁷ Bereits im 19. Jahrhundert wurde von Klimatologen dieser Zusammenhang erkannt und versucht, damit zur Erklärung der Klimaschwankungen im 18. und 19. Jahrhundert einen Beitrag zu leisten. ²⁸

    Zum Weinbau speziell ergeben sich gut vergleichbare Forschungsansätze aus den Arbeiten von Erich LANDSTEINER, die wichtige Schriften für die Formulierung der Forschungsrichtung und der Forschungsfragen dieser Untersuchung zum mährischen Weinbau und zur mährischen Weinkultur sind. Publikationen von LANDSTEINER, insbesondere „Weinbau und bürgerliche Hantierung. Weinproduktion und Weinhandel in den landesfürstlichen Städten und Märkten Niederösterreichs in der frühen Neuzeit, ²⁹ „Weinbau und Gesellschaft in Ostmitteleuropa. Materielle Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft im Weinbau, dargestellt am Beispiel Niederösterreichs in der Frühen Neuzeit ³⁰ sowie „Weinbau und Gesellschaft in Mitteleuropa. Ein Interpretationsversuch am Beispiel des Retzer Gebietes (16.-18. Jahrhundert),³¹ - bilden Ausgangs- und Reibungspunkte für die Fragestellungen in der Studie. Landsteiners Arbeiten zielen auf die Frühe Neuzeit und reichen vereinzelt in das 18. Jahrhundert hinein. Räumlich konzentrieren sie sich auf Niederösterreich mit gelegentlichen Ausflügen in den mährischen Grenzraum. Die zentrale Forschungsfrage ist hierbei, ob die von Landsteiner festgestellte zyklische und schwankende Konjunktur in Niederösterreich und die damit verbundenen Transformationsprozesse auch auf Mähren zutreffen. Der Fokus liegt bei LANDSTEINER vor allem auf der Rolle des Bürgertums am Beispiel der Städte und Märkte Niederösterreichs und Wiens sowie speziell auf der dominikalen Stadt Retz und hier auf dem Nachweis, dass der Weinstock seine Verbreitung weitgehend den Bewohnern der Städte verdankt. Landsteiners Schlussfolgerung lautet, dass Weinbau im „Norden in der „Regel spezialisierter Weinbau und Warenproduktion für einen auswärtigen Markt gewesen sei. Weil aber die Struktur der Landwirtschaft in Mähren anders, und der Weinbau nicht auf Wien zugeschnitten war, kann in Frage gestellt werden, dass im mährischen Weinbau Spezialisierung die „Regel gewesen ist. Das bürgerliche Engagement an dem Weinbau Mährens hatte wie zu zeigen sein wird, nicht dieselbe Bedeutung und denselben Umfang wie in Niederösterreich bzw. Wien. Es ergeben sich aus diesen Zusammenhängen wahrscheinlich andere Schlüsse. In Bezug auf die Hauptforschungsfrage schließt sich die Studie LANDSTEINER nicht an, weil man im 17. und 18. Jahrhundert in einer unterentwickelten Wirtschaft mit ersten Anfängen von Manufakturgründungen noch nicht von Konjunktur sprechen kann und besser nur den Begriff Wachstum verwenden sollte?

    Eine der aktuellsten Schriften zur Rebsortenentwicklung ist die Dissertation von Christine KRÄMER mit dem Thema „Rebsorten in Württemberg. Herkunft, Einführung, Verbreitung und die Qualität der Weine vom Spätmittelalter bis ins 19. Jahrhundert. ³² Aus den neuen Erkenntnissen der Arbeit sind Bezüge zur Rebsortenwahl und - entwicklung insbesondere mit den Rebsorten der Muskatellerreben in Mähren möglich. An dem Zusammenhang dieser Forschungsergebnisse ist aber erkennbar, was bei LANDSTEINER noch keine Rolle spielt, dass der Transfer von Wissen sowie Reichweite und Wirkung der Kommunikation letztlich eine besondere Bedeutung für Weinbau und Weinkonsum hatten. Auf die Frage des Wissenstransfers im Zusammenhang mit der Transformation von der Rieslingrebe zu den Muskateller Rebsorten wird im Kapitel 2.3.3 eingegangen. Gefragt wird, ab wann und wie haben sich diese Rebsorten in Mähren verbreitet? Hingegen spielte die von KRÄMER besonders hervorgehobene Rebsorte „Malvasier, der als „Ehrwein verwendet wurde und Luther als Metapher für seine reformatorischen Glaubensinhalte gedient habe, wahrscheinlich in der Untersuchungszeit in Mähren keine Rolle. Speziell zur Verbreitung der Rebsorten im 17. und 18. Jahrhundert in Österreich und Mähren wurde Ferdinand REGENER an der Höheren Bundeslehranstalt für Wein- und Obstbau kontaktiert. ³³ Welche Auffassung hat REGENER zu den Fragen der Studie, die insbesondere die Transformationsprozesse von den ursprünglichen Rebsorten hin zu den Rebsorten „Grüner Muskateller (Grüner Veltliner) und Silvaner betreffen, blieb einem persönlichen Gespräch vorbehalten. Vergleichend zur Verbreitung anderer Getränke gegenüber Wein wurde die Arbeit von Rolf SPRANDEL „Von Malvasia bis Kötschenbroda. Die Weinsorten auf den spätmittelalterlichen Märkten Deutschlands" ³⁴ herangezogen. Bemerkenswert ist darin die Erörterung des Verlaufes der Verbreitung von Bier und Wein. Frankreich z.B. war und blieb Weinland, während sich in vielen Ländern wie auch in Mähren das Bierbrauen und Biertrinken verbreitete und zum Konkurrenzprodukt für Wein wurde. Die Frage nach den Ursachen dieser Entwicklung wird in den betreffenden Kapiteln der Studie beantwortet.

    Eine weitere wichtige neuere wissenschaftliche Publikation ist die von Günter SCHRUFT mit dem Titel „Die Geschichte der Veredelung des Weinbaues auf Vulkanböden im Kaiserstuhl/Baden." ³⁵ Darin wird neben der Auswahl der Rebsorten detailliert auf die Ursachen der Krisenerscheinungen und des Wachstums von Weinbau im Kaiserstuhl nach dem Dreißigjährigen Krieg eingegangen und am Beispiel des Bürgers Hau die Anstrengungen bei der Durchsetzung eines Qualitätsweinbaues mit den Konsequenzen der Vermarktung demonstriert. Die bei SCHRUFT zitierten Quellen, die zum Teil kontroversen Anregungen zur Verbesserung des Weinbaues und der sozialen Lage der Weinbauern des 18. Jahrhunderts im Kaiserstuhl, wie die von Goethes Schwager, Oberamtmann Johann Georg Schlosser (1739-1799), oder die von Regierungsberater Karl Friedrich von Baden (1728-1811), sprechen Probleme an, wie sie ähnlich in Mähren auftraten. Die aktuellen Forschungsergebnisse dieser Arbeit sind verallgemeinerungswürdig und können zur Analyse des Weinbaues von 1648 bis 1804 in Mähren herangezogen werden. Gleichzeitig ergeben sich daraus für die vorliegende Arbeit Anregungen für Fragestellungen nach den Ursachen des Wachstums und Phasen der Stagnation sowie nach den Zusammenhängen von Wachstum, Konsum und Qualitätsweinbau.

    Eine etwas weiter zurückliegende aber dennoch aktuelle Arbeit mit Bezugspunkten zu politischen Entscheidungen ist die Dissertation von Annette WINTER-TARVAINEN zum Thema „Weinbaukrise und preußischer Staat. Preußische Zoll- und Steuerpolitik in ihren Auswirkungen auf die soziale Situation der Moselwinzer im 19. Jahrhundert. ³⁶ Obwohl die hier angesprochenen konkreten Zusammenhänge andere als in Mähren waren, sind politische Entscheidungen in Mähren ähnlich kritisch zu bewerten. Die Rücksichtnahme auf weniger wichtige wirtschaftliche Gebiete oder soziale Gruppen unterbleibt oft, wie WINTER-TARVAINEN am Beispiel nachweist, wenn Prämissen auf Machtpolitik oder auf wichtigere gesamtwirtschaftliche Entwicklungen gerichtet sind. Ansätze für Fragestellungen damit ergeben sich zeitversetzt besonders mit zahlreichen wirtschaftspolitischen Entscheidungen im Forschungszeitraum. Ein Buch zum historischen Weinbau ist auch das vom Verein zur Förderung des historischen Weinbaues im Raum Werder, von Roland FRÖHLICH redigierte, mit dem Titel „Am Polarkreis des Weinbaues. Der Werderaner Wachtelberg.³⁷ Die Studie schildert die Folgen des Dreißigjährigen Krieges, die Rebsorten sowie die Struktur des Weingartenbesitzes. Ähnlich wie in Mähren gab es aufgrund der extremen Witterungsverhältnisse ab 1700 innerhalb von sechs Jahren vier gute Weinernten und zwei Ernteausfälle. Anregungen ergeben sich insbesondere aus der Struktur des Weingartenbesitzes und aus den Weinernteergebnissen im Zusammenhang mit dem Witterungsverlauf für Mähren.

    Weitere ausgewertete neuere wissenschaftliche Arbeiten mit direkten Bezugspunkten zur Situation nach dem Dreißigjährigen Krieg bei einzelnen Grundherrschaften sind die meist in Form von Fallstudien vorgenommenen Arbeiten tschechischer Autoren.

    Die Studie von Medotěj ZEMEK: „Velkostatek Sokolnice",³⁸ zeigt hier, wie in zahlreichen anderen Veröffentlichungen, die Charakteristik der Archivarbeit. Am Beispiel wird die Entwicklung der Grundherrschaft, der Zustand der Weingärten im und nach dem Dreißigjährigen Krieg und die Neubesiedlung durch zugezogene Bauern analysiert. Sein Untersuchungsgegenstand sind vor allem die Lahnenregister. Das systematische Vorgehen bei der Auswertung der Archivmaterialien durch ZEMEK ist vorbildlich. Eine weitere tschechische Arbeit ist die von Emil KORDIOVSKÝ, der viele Jahre Leiter des Regionalarchives in Břeclav (Lundenburg) war. Er analysiert in einer Studie die Situation der Herrschaft Lundenburg nach dem Dreißigjährigen Krieg, geht den Gründen der Verödungen nach und beurteilt differenziert die Struktur der Besitzverhältnisse der Weinberge in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. ³⁹ KORDIOVSKY kommt aber zu pessimistischen Schlüssen, die die weitere Entwicklung des Weinbaues betreffen und die in der vorliegenden Studie nicht geteilt werden. Lubor NEDBAL beurteilt die Entwicklung des Weinbaues in der Region Göding bis zu den theresianischen Steuererhebungen 1753/1754. ⁴⁰ Im Blick sind vor allem die Orte Bisenz, Mutěnitz, Tscheikowitz und Pruschanek. Bei der Einschätzung der Folgen des Dreißigjährigen Krieges in den genannten Orten differenziert er zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und den Folgen der Tataren- und Türkeneinfälle. Dieser Differenzierung kann man sich anschließen. Unter Einbeziehung dieser Fallstudien werden eigene Untersuchungen an den Herrschaften der Fürsten von Liechtenstein vorgenommen und auf die Gesamtentwicklung in Mähren geschlossen. Wesentlich ist in der Zeit danach die Bewertung der o.a. Visitationskommissionen bei der Steuererhebung ab 1753. Die hier festgestellten Korrekturen an den vorherigen Lahnenregistern sind eine Tatsache. Diese werden in dieser Studie an anderer Stelle ebenfalls mehrfach belegt. Die Schlussfolgerung von NEDBAL, dass die Kritik der Kommissionen an den schlecht gepflegten Weingärten die Ursache für die Rückkehr der Untertanen zu einem geordneten Weinbau gewesen sei, ist nur ein Teil der Gründe. Unter Einbeziehung dieses Hinweises wird in der Studie nachgefragt, welche weiteren Gründen es dafür gegeben hat.

    Bronislav CHOCHOLÁČ analysiert den Weinkonsum am gräflichen Hof von Collalto.⁴¹ Er nimmt Unterscheidungen nach bekannten Weinsorteneinteilungen im 17. Jahrhundert vor: Kuchelwein, Offizierswein und Mundwein, oder nach den regionalen Ortsbezeichnungen. Diese Frage nach den genossenen Weinsorten, deren Qualität, die geschmacklichen Vorzüge dieser Weinsorten wird in speziellen Kapiteln der Studie umfangreicher untersucht. Eine Interessante Anregung bei CHOCHOLÁČ ist die These von der „kleinen Pflanze der französischen Küche, die noch mit Beschränkungen in Mähren behaftet sei. Dieser Gedanke wird geprüft. Es wird aber die Frage gestellt werden müssen, ob nicht anhand der Quellen ein mehr gesamteuropäischer Einfluss vorhanden war. Dies impliziert schon die starke europäische Vermischung des mährischen Adels. Hilfreich für die Forschung war besonders die Herausgabe der „Generalni rejstřik k lánové vizitaci, der Lahnenregister in zwei Bänden 2015, durch die tschechischen Forscher Martin KOSTAČKA, Josef PETERKA und Ivo SPERÁT. ⁴² Obwohl dort im Wesentlichen nur die Daten der Grundstücksbesitzer und nicht die der Grundstücke aufgelistet sind, unterstützen die Bücher die Nachforschungen erheblich. Auch die Neuberechnung der Einwohnerzahl nach dem Dreißigjährigen Krieg kann davon abgeleitet werden. Die Mehrzahl der angeführten tschechischen Forschungen sind Fallstudien. Die eigene Forschungsarbeit soll dagegen die Weinkultur Mährens als Ganzes fassen und beurteilen.

    Speziell zur Weinbereitung bzw. Kellerwirtschaft ist das Buch des bekannten Önologen Ludwig JAKOB „Lexikon der Önologie - Kellerwirtschaft, Weinchemie, Weinrecht" ein Standartwerk, das alle Fragen der Kellerwirtschaft, der Weinchemie und des Weinrechtes auf aktueller Grundlage beantwortet. ⁴³ Neben Begriffsdefinitionen und Fachtexten wird das Werk durch zahlreiche Tabellen und Grafiken ergänzt. Der Schwerpunkt liegt auf den technischen Abläufen der Kellerwirtschaft. Diese Inhalte bilden zahlreiche Vergleichsmöglichkeiten zum Entwicklungsstand im Untersuchungszeitraum der Studie. Zu fragen ist, wie die nach Quellen rekonstruierten historischen Techniken und Verfahren wie z.B. die Schwefelung oder die Gärung im Vergleich mit heutigen Erkenntnissen zu bewerten ist? Die Rekonstruktion der Kellertechnik im Untersuchungszeitraum soll dabei eine realistischere Beurteilung der Qualität der historischen Weine und deren Lagerfähigkeit erlauben.

    Im Zusammenhang mit der Bewertung der sozialen Lage der Weinbauern/Hauer in Mähren ist eine weitere wissenschaftliche Abhandlung von Günther SCHRUFT von grundsätzlicher Bedeutung: „Die soziale Lage der Weinbergarbeiter im Laufe der Jahrhunderte. ⁴⁴ Die sozialen Zusammenhänge in den einzelnen Epochen werden darin tiefgründig mit Fakten und statistischem Zahlenmaterial belegt. Direkten Bezug zu dieser Studie haben die Kapitel ´´Die weinbauliche Situation im und nach dem Dreißigjährigen Krieg´´ und „Die Weinbergarbeiter im 18. und 19. Jahrhundert. Die spezielle Beantwortung der Fragen nach den Arbeitsbedingungen, der Entlohnung, der Arbeitszeit, der Verköstigung oder der Tagesleistung ergeben konkrete Anregungen. Inwieweit sich davon spezielle Bezüge ableiten lassen und Schlüsse für die Situation in Mähren ergeben, muss der Fortgang der Arbeit zeigen. Zu fragen ist nach der sozialen Gliederung, Struktur und Stellung des Einzelnen in der Gemeinschaft der Weinbaugemeinden und deren Integration.

    Des Weiteren sind im Zusammenhang mit der im Mittelpunkt dieser Arbeit stehenden Forschungsfrage nach den Wachstumsfaktoren von Weinbau und Weinkonsum sowie den damit verbundenen Transformationen eine Reihe von aktuelleren wissenschaftlichen Veröffentlichungen über mögliche Einflüsse von Adel und Klöstern zu sehen: Eine Zusammenfassung von Problemen, Forschungsrichtungen der Klöster und Stifte mit Bezug auf zahlreiche andere wissenschaftliche Veröffentlichungen stellen die Vorträge von Hans Reinhard SEELIGER dar, die die Titel tragen „Wein und Weinbau der Abtei Ebrach im Steigerwald und die Frage nach der Herkunft des Silvaners in Franken sowie „Stiftung und Wein – Historische Skizzen zum Leben in Klöstern, Stiften und Hospitälern. ⁴⁵ Vertiefend dazu sind „Die Eigenart der Zisterzienser. Von der religiösen Askese zur wirtschaftlichen Effizienz von Bernhard NAGEL, ⁴⁶ zu erwähnen, von Ludwig SCHNURRER „Weinbau und Weinkonsum im Spital der Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber im späten Mittelalter ⁴⁷ oder Edith SCHLIEBER „Die Ernährung in den Hohen Hospitälern Hessens 1549-1850. ⁴⁸ Wie SEELIGER am Beispiel des Klosters Ebrach, eines der wohl wichtigsten Klöster der Benediktiner in Europa darstellt, vollzogen sich die Transformationen von der Grundherrschaft zur Gutsherrschaft in den Klöstern im engen Zusammenhang mit Weinbau und Weinkultur, obwohl auch in sogenannten Weinklöstern Wein nicht immer die Haupteinnahmequelle war. Die anderen Publikationen zeigen ebenfalls diese Entwicklung und beweisen, dass sich das klösterliche Leben und die Verpflegung einander angeglichen haben. Eine der wichtigsten Orientierungen und Richtlinien für die Interpretation in diesem Zusammenhang ist das mehrbändige Werk „Germania Benediktina,⁴⁹ die Darstellung der Benediktiner im deutschen Sprachraum. Die Entwicklung des Ordens, die Klosterregeln, speziell auch die Josephskongretation Kaiser Josephs II., werden darin von Ulrich FAUST und Franz QUARTHAL ausführlich dargelegt und sind Orientierungspunkte für die Studie. Gefragt wird insbesondere, welchen Anteil die Klöster und Stifte an der mährischen Weinkultur hatten, mit welcher Effizienz sie wirtschafteten und wie die Entwicklung bis zur Säkularisation 1782 verlief?

    Zum Adel und den adeligen Grund- und Gutsherrschaften sind die folgenden Veröffentlichungen relevant: Die Studie von Wolfram HERWIG und Thomas WINKELBAUER „Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter⁵⁰ ist eine wichtige Orientierung für die Rolle der Stände und insbesondere des Adels in Mähren. Die Neubewertung der „Fürstenmacht, deren Einfluss im Machtgefüge, und die im zweiten Band behandelten Probleme der Konfessionalisierung und der Sozialdisziplinierung, enthalten wichtige Bezugspunkte zu politischen Rahmenbedingungen der Arbeit. Dazu gehören ebenfalls die Entwicklung des Ständewesens im Verhältnis zur Machtposition der Habsburger, oder die Aufteilung der Steuerlasten zwischen Grundherren und Untertanen. Die Fragestellung konzentriert sich auf die Dominanz des Adels in dieser politischen, weinwirtschaftlichen und weinkulturellen Entwicklung. Die Rolle der Fürsten von Liechtenstein in diesem Prozess wird besonders herausgearbeitet. Zu beurteilen ist dabei aber nicht nur der äußere Druck durch normative Vorgaben, der auf die Untertanen ausgeübt wurde. Sondern zu prüfen wäre, ob nicht auch ein Wertekonsens oder eine andere Absicht wie etwa eine religiös-sittliche Verinnerlichung dessen bewirkt und erreicht wurden, die eine positive Wirkung auf die Weinkultur hatten. ⁵¹ Diesen Zusammenhang unterstreicht u.a. auch die Studie von Andreas HOLZEM, die darin eine Leitidee zur Schaffung einer dauerhaften gesellschaftlichen Wirklichkeit mit christlichkatholischer Prägung sieht. ⁵² Derselben Argumentation folgt auch die Anmerkung von Norbert ELIAS, dass die „sozial-religiöse Verinnerlichung" ein zentraler Beitrag zur Zivilisation sei.⁵³ Zu prüfen ist daher, welchen Einfluss diese soziale Seite auf die Weinkultur, u.a. auf die Arbeitsdisziplin im Weinberg oder auf den Weinkonsum hatte.

    Die Entwicklung von sozialen Strukturen des Bürgertums in den königlichen Städten Mährens war ebenfalls stets mit Einflüssen auf die Weinkultur verbunden, vor allem mit dem Weinkonsum. Speziell für die Untersuchung der Entwicklung solcher Strukturen mit dem Einfluss von Politik und nationalen Interessen, ist die Studie von Jeremy KING „Budweisers into Czechs and Germans ⁵⁴ eine wichtige Grundlage. Er stellt die Frage: „What, then, were Budweisers? Klawik/Klavik definet himself as both a Czech and German, and as a person committed to equality between the two ´nationalities´ wich hedefined by ´tonge´. Die Frage ist hier, ob die zwei Nationalitäten in einer Person, die durch die Zunge definiert waren wie KING meint, irgendwo zusammenfanden. Er ist unsicher, ob das durch die Loyalität gegenüber Habsburg gelingen konnte. Klar stellt er aber fest, dass sich die Bürger bis 1848 als Budweiser fühlten. Obwohl dafür von Brünner Bürgern aus der Untersuchungszeit keine Aussagen bekannt sind, ist KINGS Studie richtungweisend. Es wird versucht, anhand der Quellen seine Feststellung aus den überwiegend von Deutschen bewohnten königlichen Städten im Zusammenhang mit der Weinkultur in Mähren zu belegen. Einen speziellen kulturellen Bezug erlaubt das neue Buch von Herbert HAUPT „Ein Liebhaber der Gemähl und Virtuosen… Fürst Johann Adam I. von Liechtenstein (1657-1712). ⁵⁵ Der Inhalt vermittelt durch Fakten den Zusammenhang des wirtschaftlichen Denkens des Fürsten und seiner Freude mit barocker Repräsentation. Gefragt wird, wie diese Haltung auf die mährische Weinkultur gewirkt hat. Das Werk ist vor allem ein wertvolles Quellenbuch. Es erlaubt sowohl Rückschlüsse auf die Weinhandelstätigkeit des Fürsten als auch auf die Tafelkultur. Im Zusammenhang damit gibt auch die Arbeit von Jan PETERS „Gutsherrschaftsgeschichte und kein Ende. Versuch einer Auskunft zu aktuellen Ergebnissen und Schwierigkeiten in der Forschung ⁵⁶ Anregung für Forschungsfragen. Jan PETERS analysiert ausführlich die Gutsherrschaften und erforscht die Herrschaftsverhältnisse zwischen Adel und Untertanen. Er kritisiert eingangs Arbeiten, die zu bauernkritisch und zu bauernromantisch sind, oder die Verhältnisse in „unverdrossener Apologie" und in einäugiger liberaler Verurteilung die Gutsherrschaft darstellen. Gleichzeitig warnt er davor, die Gutsherrschaft einfach in die traditionelle Ecke zu stellen.

    Für Forschungsfragen in Bezug auf Weinbau und Weinkultur in Mähren sind die differenzierten Bewertungen der Kategorie Gutsherrschaft in flexible und unflexible, effiziente und ineffiziente, in verschiedene adelige Herrschaftsstile und die Vielzahl der abgestuften Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse in diesem Beziehungsgefüge eine Anregung. So richtig wie die Differenzierungen sind, berücksichtigen sie jedoch noch nicht die Normsetzungen bei der Konfessionalisierung sowie insbesondere die Rechtsgebote in Form von Polizeiordnungen, die wesentlich im 17. und 18. Jahrhundert in Mähren das Leben in den Grundherrschaften dominiert haben bzw. nach Thomas WINKELBAUER zum „grundherrschaftlichen Absolutismus" führten. ⁵⁷ Hinterfragt werden muss auch, welche Wirkung die gegebene Ordnung insgesamt trotz aller Differenziertheit, auf die Weinkultur hatte?

    Mit der Hauptforschungsfrage verbunden sind Probleme der Modernisierung in der Landwirtschaft. Die im 18. Jahrhundert beginnende, sich langsam formende Entwicklung in der mährischen Gesellschaft führte zu einer Art der ständeübergreifenden Elitenbildung, die sich die Förderung der Landwirtschaft und auch des Weinbaues zur Aufgabe machte. Eine der neueren Untersuchungen dazu zeigt, dass diese Entwicklung sich nicht auf das engere Habsburgische Reich beschränkte, sondern sich überall im Deutschen Reich vollzog. In den von Marcus POPPLOW herausgegebenen „Cottbusser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt wird in der speziellen Studie „Landschaften agrarisch ökonomischen Wissens – Strategien innovativer Ressourcennutzung in Zeitschriften und Sozietäten des 18. Jahrhunderts z.B. die „Kurpfälzische physikalisch-ökonomische Gesellschaft" dargestellt. Das Titelblatt des Jahrbuches 1773 der Gesellschaft zeigt das Porträt Carl Theodors von Mannheim. Ziel der Gesellschaft war wie auch in Mähren die Förderung der Landwirtschaft. Dass diese Gesellschaften ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zunehmend Prestige in den obersten Gesellschaftsschichten genossen, beweisen im Einzelnen die 20 ordentlichen und 40 außerordentlichen Mitglieder. Es wurde aber erwartet, dass diese ökonomische Kenntnisse von Unternehmungen neuen Stils in der Landwirtschaft wie vom Kleeanbau, der Stallfütterung oder von speziellen rationellen Methoden im Weinbau hatten. ⁵⁸ In Mähren wird die Tätigkeit des pomologisch-önologischen Ausschuss der Gesellschaft genauer untersucht und bewertet. Welche ökonomischen Daten wurden aufgenommen, welche Versuche durchgeführt oder wie wurden neue Erkenntnisse verbreitet, sind Fragen in diesem Zusammenhang in einer Zeit, die von Hungersnöten geplagt war wie in Mähren 1770-1771 und gleichzeitig den Weg in die Konsumgesellschaft vorbereitete.

    Die Studie von Josef MATZERATH dagegen erforscht das Wesen der Sozialformation Adel: „Adelsprobe an der Moderne. Sächsischer Adel 1763-1866. Entkonkretisierung einer traditionellen Sozialformation."⁵⁹ MATZERATH resümiert hier, dass es beim Übergang von der Frühen Neuzeit in die Moderne nicht nur eine Konkurrenz sozialer Teilordnungen gäbe, sondern man müsse eine feudalländliche Teilordnung und eine stadtbürgerliche Teilordnung unterscheiden. In beiden Teilordnungen bewege sich der Adel und stehe in Konkurrenz zu anderen. Adel sei eine Gruppe, die nicht allein an das System Feudalismus gebunden bleibe. Wenn er in der Einleitung die Zielstellung formuliert, untersuchen zu wollen, wie sich die Transformation auf die Integrationsmechanismen der Gruppe auswirke, kann auch eine Fragestellung in der vorliegenden Studie so lauten. Wie die Belege zeigen werden, darf Adel aber nicht als undifferenzierte, sondern durch den unterschiedlichen Anteil an Ämtern, Gütern und Pfründen eher als stark segmentierte Gruppe gesehen werden.

    Letztlich waren die Güter in Mähren für den Adel und insbesondere für den Hochadel, speziell für das Fürstenhaus von Liechtenstein besonders wichtig. Denn die oft mit Weinbau verbundenen Güter waren gleichzeitig Orte ihrer Identität, resümierte Tomás KNOZ. ⁶⁰ Dieser These kann man nicht absolut folgen, denn wie in der Studie nachgewiesen wird, fühlten sich die Fürsten in erster Linie dem Gesamtstaat, dem habsburgischen Haus verpflichtet. Verbunden damit stützt der Beitrag von Herbert HAUPT „Aufstieg und Konsolidierung. Das Fürstenhaus Liechtenstein im 17. und 18. Jahrhundert" die Forschungsfragen speziell zu den weinkulturellen Aktivitäten des Fürstenhauses von Liechtenstein in Mähren und die Erörterung der historischen Zusammenhänge der Besitz- und Machtsicherung vom 17. bis zum 18. Jahrhundert. ⁶¹ Die Fragen, die sich hier neben der Macht- und Herrschaftssicherung stellen, betreffen im Zusammenhang mit der Hauptforschungsfrage vor allem solche nach der Reformfähigkeit, nach dem Herrschaftsstil und nach dem ökonomischen Interesse und der Art und Weise der Bearbeitung der Güter in Bezug auf die Weinproduktion. Sie werden besonders in fallweisen Untersuchungen am Beispiel der Grundherrschaften der Fürsten von Liechtenstein nachgewiesen.

    Wie die jüdische Kultur in die Thematik eingefügt werden kann, unterstützen neuere Publikationen. Zu erwähnen sind „Individuum und Gemeinde. Juden in Böhmen, Mähren und Schlesien 1520-1848, ⁶² die von Helmut TEUFEL, Pavel KOCMAN, Alexander PUTIK und Iveta CERMANOVÁ herausgegeben wurde und auch die Arbeit eines österreichischen Autorenkollektivs „Geschichte der Juden in Österreich aus dem Jahre 2013.⁶³ Diese Arbeiten werfen Fragen des engen Zusammenlebens und des gegenseitigen Kulturaustausches auf. Die ältere Studie von Helmut TEUFEL „Zur politischen und sozialen Geschichte der Juden in Mähren vom Antritt der Habsburger bis zur Schlacht am Weißen Berg (1526-1620) ⁶⁴ enthält einige Aussagen über Weinkultur, die 1620 enden, aber zeitversetzt einen direkten Bezug zur jüdischen Weinkultur dieser Arbeit und entsprechende Anregungen enthalten. Die wichtigsten Thesen darin sind, dass je nachdem wie die Herrschaft oder die Stadt zueinander und zu den Juden standen, in Mähren unterschiedliche Regelungen in Bezug auf Weinkultur getroffen wurden. Diese fielen danach unterschiedlich aus, weil Wein nach den mosaischen Gesetzen unter Lebensmittel fiel, weil es bei Leihgeschäften üblich war, Wein zu leihen, weil trotzdem Wein gehandelt werden konnte, obwohl es verboten war und weil von Juden Wein angebaut wurde, obwohl es ebenfalls verboten war. Die Studie prüft, ob sich diese Handlungsmuster nach 1648 fortgesetzt haben und wie sich dafür die Rahmenbedingungen veränderten. Darüber hinaus sind in der Dissertation von Marie BUNATOWA „Die Prager Juden in der Zeit vor der Schlacht am Weißen Berg. Handel und Wirtschaftsgebaren der Prager Juden im Spiegel des Liber albus Judeorum 1577-1601⁶⁵ Hinweise enthalten, die strukturelle, rechtliche und einige wirtschaftliche Aspekte hervorheben, die Bezüge zu dieser Schrift haben. In der vorliegenden Arbeit wird aber besonderer Bezug auf den jüdischen Weinhandel im Untersuchungszeitraum genommen, weil dieser den größten Einfluss auf die mährische Weinkultur hatte. Andere Seiten werden wegen des geringen Umfanges vernachlässigt.

    Die Studie geht in Bezug auf Konsum und Genusskultur von einem konsumhistorischen Paradigma aus. Aktuelle wissenschaftliche Arbeiten dazu sind folgende: „Der lange Weg des Überflusses. Anfänge und Entwicklung der Vormoderne von Michael PRINZ ⁶⁶ sowie „Die Entstehung des modernen Konsums. Darstellung und Erklärungsansätze, ⁶⁷ von Ariane STIHLER, „Luxus und Konsum – eine historische Annäherung, ⁶⁸ von Reinhold REITH und Torsten MEYER. Der Band von Michael PRINZ enthält verschiedene Typen von Beiträgen, die den Forschungsstand und wichtige Kontroversen zu einzelnen Aspekten des Konsums reflektieren sowie Fallstudien. Er sieht Probleme bei theoretischen Konzepten vor allem dadurch, dass oft Definitionen als Gattungsbegriffe verstanden werden. Dabei sei kein Gegenstand nur Konsumgut, keine Person nur Konsument. Richtig ist, wenn Wein als Konsumgut verwendet wird, gilt er auch als Prestigeobjekt oder Handelsobjekt usw. Ein Weinbauer ist Weinkonsument und auch Weinproduzent, wie z.B. auch ein Weinhändler gleichzeitig Weinkonsument und Weinhändler sein kann. Ariane STIHLER erörtert einzelne Etappen der Konsumentenwicklung und deren Folgen. Für die vorliegende Studie relevant sind hier die Zwänge der äußeren ökonomischen Umstände, die sozialen Zwänge und Regulierungen und die religiös-weltanschaulich begründeten Verhaltensregelungen und Erwartungen oder Vorschriften. Obwohl damit nur allgemeine Zusammenhänge der Konsumentwicklung angesprochen sind, lassen sich diese übertragen auf Weinkonsum in Mähren, denn ökonomische Umstände können mit den Erträgen der Weinernte, soziale mit der Einkommens- und Preisentwicklung begründet werden. Religiös- weltanschauliche Begründungen könnten mit den verankerten Vorstellungen über den sozialen Status und erlaubten Konsum, mit den Vorschriften für Untertanen, mit dem Genuss von koscherem Wein, mit Abstinenz an Fastentagen und anderem zusammenhängen. Speziell die Ausführungen zum Prestigekonsum und zum Wein sind ein Ansatz, der mit den Forschungsfragen korrespondiert. Das Resümee von STIHLER besagt, dass zu einer bestimmten Konsumkultur institutionalisierte Muster an Werten und Beziehungen gehören, dass von hierarchisch höheren Schichten eine Konsumgesinnung ausgeht, dass Dienstboten Imitatoren ihrer Herrschaften wurden oder dass der englische Adel den Abstand zu anderen gesellschaftlichen Gruppen immer wieder durch „exzessiven und vom schnellen Wandel geprägten Konsum wieder herzustellen versuchte. Die Übertragbarkeit dieser Thesen auf Mähren während des Untersuchungszeitraumes wird anhand von Quellen geprüft.

    Insbesondere die letzte These von STIHLER muss wahrscheinlich in Bezug auf die Befunde in Mähren relativiert werden.

    Im Band von REITH wird in verschiedenen Beiträgen insbesondere das Verhältnis von Luxus und Konsum erörtert, ein Problem, das eng mit der Weinkultur der vorliegenden Studie verbunden ist. Ausgehend vom Versuch einer Definition, was Luxus ist, was notwendig, was überflüssig ist, wird die Relativität von Luxusgütern diskutiert und festgestellt, dass viele Luxusgüter eine Metamorphose zum Massengut vollzogen. Aber speziell Christoph Maria MERKI geht in seinem Beitrag noch einmal auf das Verhältnis von Luxus und Notwendigkeit ein und betont nach der Definition Luxus „als schichtspezifisches Kennzeichen, das die Herrschenden von den Untertanen, bzw. in der Moderne die Reichen von den Armen trenne, und kommt zu dem Schluss, dass er auch etwas Notwendiges für den Adel gewesen sei, oder dass es auch z.B. bei Wein einen „demonstrativen Konsum im Zusammenhang mit Luxus gegeben habe. ⁶⁹ Allgemein für die Untersuchung des Essens und Trinkens in der Untersuchungszeit ist die Forschung von Eva BARLÖSIUS hilfreich. Insbesondere ihre systematisierte Beurteilung der Speisezubereitung vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert.⁷⁰ Ob z.B. auch ihre geschlechtsspezifischen Unterscheidungen beim Kochen in der herrschaftlichen Küche immer zutreffen, muss die Studie zeigen. Wesentlich für die Bewertung der fürstlichen Tafelkultur in Mähren ist aber die Publikation von Aloys WINTERLING „Der Hof des Kurfürsten von Köln 1688-1794. Eine Fallstudie zur Bedeutung ´absolutistischer Hofhaltung´. WINTERLING bewertet vor allem die Bedeutung und Wirkung der fürstlichen Tafel und meint, Adressat sei weniger der landständige Adel oder die innenpolitische Wirkung gewesen, sondern die höfische Gesellschaft in Wien bzw. der Prestigewettbewerb unter den Fürsten. In der vorliegenden Studie soll geprüft werden, welchen Umfang und welche Spezifik die Tafel der Fürsten von Liechtenstein hatte und ob auch andere Einflüsse davon ausgingen. Konkrete Fallstudien im Zusammenhang mit Genuss kann schließlich die Publikation „Die Diarien und Tagzettel des Kardinals Ernst Adalbert von Harrach (1598-1667) von Katrin KELLER und Alessandro CATALANO unterstützen, indem ausgewählte Exemplare der Tagzettel ausgewertet und als Quellenbelege für die eigenen Thesen herangezogen werden. ⁷¹ Sie können insofern als konkrete Belege dienen, weil Kardinal Harrach während seiner Reisen auch häufig in Mähren (Znaim, Olmütz) weilte. Aufschlussreich als Beispiel höfischer Genusskultur ist ebenso die Publikation „Die Namens- und Geburtstagsfeste am Kurpfälzischen Hof in Mannheim zur Regierungszeit des Kurfürsten Karl Theodor 1743-1777" von Anja SCHWARZ. Von ihr ausgewertete private und diplomatische Korrespondenzen über diese Feste geben einen konkreten Einblick in die Genusskultur und das höfische Leben jener Zeit am Hofe in Mannheim.⁷² Als Kontrast wird auch der alltägliche nicht festliche Tagesablauf skizziert. Die Arbeit bietet gute Vergleichsmöglichkeiten mit den fürstlichen Häusern in Mähren. Interessant ist dabei die Frage, welche Zielstellung sich mit bestimmten Verhaltensmustern des mährischen Hochadels verband und wie sich diese im Verlaufe der Untersuchungszeit wandelten. Zu fragen ist auch, ob Versuche wie bei STIHLER oder MERKI, typische oder generalisierende Merkmale der Adelskultur zu formulieren, nicht mit dem Makel behaftet sind, dass es auch andere Verhaltensmuster wie eben bei Fürst Gundaker von Liechtenstein und Kardinal Harrach gegeben hat. Ein weiterer Einwand bezieht sich noch allgemein auf die Luxusverbote der Habsburger vom 22. März 1659 und 29. April 1686, die aus merkantilistischen Motiven heraus erlassen wurden und auch an die Adresse des Adels gerichtet waren. ⁷³

    Akzente zur adeligen Genusskultur setzt der Beitrag von Josef MATZERATH „Adel isst. Der gedeckte Tisch. Auch wenn sich dieser auf die Moderne bezieht, gibt es Parallelen zur Untersuchungszeit. Es wird betrachtet, wie Essgewohnheiten als Projektionsfläche adelig aufgeladen werden können. Die Kargheit der Ritterküche wird einer kultivierten Küche gegenübergestellt und konstatiert, dass adelige Esskultur gleichermaßen herkömmliche und neu erschlossene Elemente einschließe. Das spezifisch „Adelige liege folglich nicht im Gegenstand selbst, sondern in seiner besonderen Zuschreibung, die auch als solche erkannt werde. Die materielle (Ess-) Kultur könne demnach nicht als Konstitivum, sondern lediglich als eine Stärkung des adeligen Gruppenbewusstseins verstanden werden. Schlösser als Ausdruck der Lebensführung des Adels scheinen hingegen Projektionsflächen „par excelence" zu sein, schreibt MATZERATH und trifft hier ganz besonders auch das Erscheinungsbild in Mähren, das durch die unterschiedliche Herkunft des Adels aus Spanien, Italien und Deutschland sehr speziell geprägt war. ⁷⁴ Zur Charakterisierung des Adels ist es auch angebracht, die ernährungshistorisch relevanteste These zu nennen, in der Fernández Álvarez MENUEL meint, im Anschluss an Norbert ELIAS, dass der Adel sich mittels der Tafelkultur von anderen sozialen Gruppen distinguiert habe. ⁷⁵ Norbert ELIAS untersuchte in seiner 1969 erschienenen Habilitationsschrift speziell den absolutistischen Hof Ludwigs des XIV. Ähnliche Fragestellungen nach der adeligen Ess- und Trinkkultur verfolgt die Studie mit der Auswertung der vorhandenen mährischen Quellen.

    Mögliche Bezüge zum übermäßigen Weingenuss, zur Trunkenheit, weisen noch die Veröffentlichungen von Hasso SPODE auf, ein Thema, das von ihm in „Die Macht der Trunkenheit"⁷⁶ behandelt wird. SPODES Thesen sind allerdings mit Vorsicht zu genießen. Die Hauptthese in der Zeit nach 1700 wird von Norbert ELIAS abgeleitet. Jener hat bekanntlich das adelige Leben am französischen Hof analysiert und unter anderem die Auffassung vertreten, dass ausgehend vom exzessivem Trinken man sich mäßigende selbstgesetzte Regeln auferlegte, die streng kontrolliert wurden, später aber in eine bewusste Selbstkontrolle übergingen. SPODE dehnt das auf die ganze Gesellschaft aus, was bestritten werden muss. Denn ELIAS belegt mit Quellen nur die Praxis des französischen Hofes und nur für einen begrenzten Zeitraum. Es fehlen im Buch von SPODE ebenfalls ausreichende Quellenbelege für diesen ausgeweiteten Standpunkt.

    Zwei Themenkomplexe sollen wegen ihrer Spezifik abschließend noch besonders hervorgehoben werden: das vierhundertjährige Jubiläum des Beginns des Dreißigjährigen Krieges und das Problem der Wachstumstheorie. Der Abschluss der Studie fällt annähernd damit zusammen. Zwar ist der Beginn des Dreißigjährigen Krieges nicht ihr Thema, aber wie die erschienenen Bücher beweisen, wird aus diesem Anlass nicht nur der Beginn, sondern es werden alle Seiten des Krieges aus aktueller Sicht beleuchtet. Somit haben die darin vorgenommenen allgemeinen Bewertungen der Ergebnisse und der Folgen des Dreißigjährigen Krieges einen zu berücksichtigenden Bezug zu dieser Arbeit.

    Vier Bücher wurden ausgewählt: Wichtig ist das etwas früher erschienene Buch von Peter WILSON, ein Standartwerk, das in systematischer Folge den Krieg bis zum Ende analysiert und auch auf Ergebnisse und Folgen speziell eingeht. Das gewichtigste Buch mit 976 Seiten ist zweifellos „DER DREISSIGJÄHRIGE KRIEG von Herfried MÜNKLER. Es folgt das Buch von Georg SCHMIDT, „DER REITER DER APOKALYPSE - Geschichte des Dreißigjährigen Krieges mit 810 Seiten und der etwas schmälere Band von Johannes BURCKHARDT, „KRIEG DER KRIEGE mit 296 Seiten. MÜNKLER analysiert den Krieg als eine Art Lehrstück, in dem sich Machtinteressen, und religiöser Fanatismus zu einem explosiven Gemisch zusammenfanden. Er sieht Parallelen bis zur Gegenwart und zieht daraus Schlüsse, mit denen man nicht immer einverstanden sein muss. Aber Vergleiche sind zulässig, wenn sie auch ihre Grenzen haben. SCHMIDT konzentriert sich dagegen auf den Verfassungskonflikt, der aus dem Ruder gelaufen zu sein scheint. Im Blick ist dabei die Verfassung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Folgen kann man ihm, dass es dabei um die politische Ordnung bzw. Neuordnung Europas gegangen sei. BURCKHARDT ´s Buch fragt in einzelnen Abschnitten sinnvoll nach den Chancen des Friedens. Sein Buch bringt den Leser aber mit einer etwas verwirrenden Chronologie durcheinander. Gustav Adolf ist schon gestorben, greift aber auf Seite 127 wieder in den Krieg ein. Dasselbe wiederholt sich auf Seite 153. Ähnlich ist es bei Wallenstein. Wallensteins realistische Einschätzung der Lage dabei vom Dezember 1633: „Man muß Fried´machen, sonst wird alles unsererseits verloren sein. - erfüllte sich erst 1648. BURCKHARDT bringt aber einen interessanten Gedanken ins Spiel, indem er den Krieg als Konstitutionsebene künftiger Staatenbildung bzw. Staatlichkeit interpretiert. Alle Autoren sind sich darin einig, dass der Westfälische Frieden von Osnabrück und Münster diplomatisch zweifellos eine große Leistung war, die aber nicht aus Einsicht in die Vorzüge des Friedens zu Stande kam, sondern durch Erschöpfung der Ressourcen. ⁷⁷ Hervorgehoben wird im Zusammenhang mit dem Thema der vorliegenden Arbeit, dass der Friedensvertrag mit einem gemeinsamen Weintrunk bekräftigt wurde aus einem vergoldeten Gefäß in der Form eines Hahnes. ⁷⁸ Das wichtigste Ergebnis des Friedensvertrages war, dass die Besitzstände im Einzelnen festgeschrieben wurden. Was katholisch oder evangelisch war, sollte bleiben. ⁷⁹

    Für die Studie sind letztlich die allgemeinen Bewertungen der Ergebnisse des Krieges und die konkreten Folgen in Mähren von Bedeutung. Entscheidend für diese Studie ist der Blick aus der Perspektive von Österreich, wie ihn Thomas WINKELBAUER in seinem Buch „Ständefreiheit und Fürstenmacht - Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter" bewertet. Darauf wird im Kapitel 2.4 noch näher eingegangen. In den Friedensverhandlungen verfolgte das Haus Habsburg nach WINKELBAUER zwei Hauptziele, nämlich im Reich so viel wie möglich von der kaiserlichen Stellung zu retten und in den Erbländern ⁸⁰ den Status quo zu erhalten. ⁸¹ Diese Ziele wurden auch dank des Verhandlungsgeschickes durch Graf von Trautmannsdorf erreicht. Wichtig für die weitere politische Entwicklung in den Erbländern, so auch in Mähren, war letztlich, dass die kaiserliche Machtstellung 1648 gegenüber 1616 deutlich gestärkt wurde. Diese Entwicklung soll auch im Zusammenhang mit der Weinkultur der Studie belegt werden.

    Eine Spezifika der Arbeit sind ebenso wachstumstheoretische Fragestellungen. Die Analyse und Bewertung der ökonomischen Zusammenhänge danach wird eng mit der historischen Entwicklung der Weinkultur in Mähren verbunden und orientiert sich neben anderen in der Folge genannten Publikationen vor allem an das von Dieter BENDER und anderen herausgegebene Werk „Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik." ⁸² Wenngleich heute Hans HOLUB und weitere Autoren den Niedergang der Wachstumstheorie zu beweisen versuchen, ⁸³ so beziehen sie ihre Belege dafür nur aus der geschwundenen Zahl von Veröffentlichungen in der Gegenwart. Das Substrat der Theorie und die Inhalte bleiben unangetastet. Die Aussagen darin haben für die Studie Gültigkeit. Beachtet wird dabei, dass es um wachstumstheoretische Fragen im 18. Jahrhundert geht, in einer noch von Landwirtschaft geprägten Gesellschaft, mit industriellen Anfängen.

    Resümierend kann festgestellt werden, dass es über den Zeitraum von 1648 bis 1804 über den Weinbau und die Weinkultur in der Markgrafschaft Mähren keine zusammenhängende wissenschaftliche Arbeit gibt. Dieser ca. 150jährige Zeitraum wird vor allem auf Grund des eigentümlichen Verlaufes des Wachstums des Weinanbaues und des Weinkonsums gewählt, deren Entwicklung sich mit anderen weinkulturellen Bereichen verbindet. Vor allem zeigt hier die Entwicklung des Weinbaues im Untersuchungszeitraum im Gegensatz zu Niederösterreich und anderen Weinbauregionen Europas eine stetige Tendenz auf Wachstum. Gefragt werden muss danach, was das stetige Wachstum antrieb. Spezielle Fragen ergeben sich nach den Ursachen dieses Wachstums: Was für Gründe trieben die Untertanen an, vermehrt Weinbau zu treiben? Welche Triebkräfte gab es? Welchen Anteil hatten das Bevölkerungswachstum, die Konsumenten, Produzenten oder der technische Fortschritt? Konnten sozialpolitische Maßnahmen der Regierung direkt Einfluss nehmen? Der Nachweis des anhaltenden Wachstums des Weinbaues mit den anderen Teilbereichen der Weinkultur einschließlich des Weinkonsums steht damit im

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