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Panamericana 2016: (M)ein Reisetagebuch
Panamericana 2016: (M)ein Reisetagebuch
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eBook324 Seiten4 Stunden

Panamericana 2016: (M)ein Reisetagebuch

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Über dieses E-Book

Als Thomas Buttgereit von seiner Kündigung erfährt, bleiben ihm gerade einmal sechs Wochen Zeit für die Vorbereitung der Verschiffung seines Motorrades nach Valparaíso (Chile). Er nutzt seine Freistellung, um sich seinen Traum zu verwirklichen: einmal auf der Panamericana durch Südamerika.
In seinem Buch beschreibt er sehr anschaulich seine vielen Erlebnisse und gewonnenen Eindrücke auf der knapp 29.000 Kilometer langen und sechs Monate dauernden Reise durch den südlichen Kontinent. Mehr als einmal musste er sich aus brenzligen Situationen befreien, wobei er fast immer mit der Hilfe und Gastfreundlichkeit der Einheimischen rechnen konnte. Ein Muss für alle, die das Abenteuer, andere Kulturen und das Motorradfahren lieben.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum31. Mai 2017
ISBN9783743917927
Panamericana 2016: (M)ein Reisetagebuch

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    Buchvorschau

    Panamericana 2016 - Thomas Buttgereit

    VORWORT

    Liebe Biker und Reiselustigen,

    mein Reisetagebuch soll in erster Linie unterhaltsam sein. Daher möchte ich dich auch nicht mit tiefgreifenden Hintergrundinformationen zu vielen Sehenswürdigkeiten belästigen, die findest du sicherlich in besserer und umfassenderer Form in Reiseführern oder auf Wikipedia. Vielmehr möchte ich dich dazu ermuntern – oder gar auffordern –, selbst das Heft in die Hand zu nehmen. Wage den Schritt, eine längere Reise zu unternehmen, und zwar nur mit dem Wesentlichen ausgestattet (siehe Liste im Anhang). Denn das Schwierigste ist: das Losfahren! Fast alles andere ergibt sich von selbst.

    Mehr Bilder findest du in meinem Blog unter www.panamericana2016.de. Die Umrechnungen der verschiedenen Währungen sind nur ungefähre Angaben. Für Fragen und Anregungen kannst du mir gerne eine Mail schicken an: info@panamericana2016.de.

    Und nun wünsche ich dir viel Spaß auf meiner Reise durch Chile, Argentinien, Bolivien, Peru, Ecuador und Kolumbien.

    Dein Thomas Buttgereit

    VORBEREITUNG

    „Thomas, du stehst auch auf der Liste!"

    Mir wurde also gekündigt, die Umstrukturierung im Unternehmen betraf damit auch mich. Und das war das Beste, was mir passieren konnte. Es war Mitte September 2015, als ein neues Kapitel in meinem Leben begann. Anstatt den Kopf hängen zu lassen und in ein Loch zu fallen, wurde mir schnell klar: Das ist meine Chance! Jetzt war der richtige Zeitpunkt, um mir endlich meinen Traum zu erfüllen: Ich wollte einmal mit dem Motorrad auf der Panamericana durch Süd- und Mittelamerika fahren.

    Schon 2011 hatte ich mit meiner damaligen Frau geplant, 2018 mit den Motorrädern von Mexiko nach Feuerland zu fahren. Für diese Reise hatte ich mir im Herbst 2012 eines der letzten luftgekühlten Motorräder von BMW gekauft: die R 1200 GS Adventure. Ich wusste, wie zuverlässig diese Maschine sein würde. Der 33-Liter-Tank war ideal für mein Vorhaben und mit einer Reichweite von mehr als 600 Kilometern würde ich wohl immer rechtzeitig eine Tankstelle finden.

    2016 war es dann so weit: Nach der Trennung von meiner Frau Mitte 2015 und nach meiner Kündigung gab es keinen Grund mehr für mich zu warten. Am dringendsten erschien mir die Frage, wie ich das Motorrad nach Südamerika transportieren sollte. Ein Start in Mexiko kam aufgrund der Jahreszeit nicht mehr Betracht. Schließlich wollte ich noch vor der Kälte und dem Schnee auf Feuerland ankommen. Also musste der Zielort in Südamerika sein. Im Internet fand ich die Möglichkeit, gemeinsam mit dem Motorrad auf einem Frachter die lange Reise von Hamburg nach Montevideo (Uruguay) anzutreten. Um die Kosten von über 3.100,00 € etwas zu reduzieren, suchte ich per Annonce im Internet eine Reisebegleitung für die Überfahrt, die sich die Kabine mit mir teilen sollte. Es dauerte nicht lange, da klingelte das Telefon und eine Frauenstimme meldete sich. Sie war nicht an einer Mitreise interessiert, sondern gab mir allerhand nützliche Hinweise, da sie selbst diese Überfahrt einmal gemacht hatte. Einerseits hat ein Frachtschiff, im Gegensatz zu Kreuzfahrtschiffen, keine Stabilisatoren gegen das Rollen (Hin- und Herschaukeln) – auf hoher See kann das ziemlich ungemütlich werden. Andererseits könnte die über 30-tägige Überfahrt mit maximal zehn Passagieren an Bord ziemlich schnell langweilig werden. Das stimmte mich nachdenklich und ich suchte nach Alternativen.

    Kurze Zeit später fand ich im Internet eine Spedition, die einen Container ausschließlich für Motorräder von Hamburg nach Valparaíso (Chile) verschiffte. Die Ankunft sollte kurz vor Weihnachten sein. Genau das brauchte ich! Der günstige Preis inklusive Abholung in München von 1.350,00 € überzeugte. Das Beste daran war, dass ich keine Kiste bauen musste. Ich konnte mein Motorrad voll bepackt und mit der kompletten Ausrüstung daran montiert auf die lange Reise schicken. Perfekt!

    1 Letzte Umbaumaßnahmen

    Bis zur Abholung Anfang November blieben mir gerade einmal sechs Wochen Zeit. Bis dahin musste ich noch einige Teile bestellen und anbauen. Ein verstärkter Unterfahrschutz sollte mich davor bewahren, mit dem Ölfilter aufzusetzen. Zwei USB-Anschlüsse versorgten während der Fahrt Handy und Tablet mit Strom. Ein extra abgesicherter 12-Volt-Anschluss spendete den Saft sowohl für den Kompressor zum Befüllen der Reifen als auch für meine beheizbare Innenjacke – ich habe sie auf der ganzen Fahrt nicht gebraucht. Ein Schutzgitter für den Scheinwerfer, eine Seitenständerverbreiterung, damit die schwere Maschine nicht zu sehr einsank, und eine Windschildverlängerung gegen den Fahrtwind hatte ich montiert. Zum entspannten Fahren wurde der Lenker erhöht und eine Rändelschraube am Gasgriff befestigt, mit der ich die Geschwindigkeit, besser gesagt die Stellung des Gasgriffs, feststellen konnte. Zu guter Letzt gönnte ich mir noch eine besonders gut gepolsterte Sitzbank – ein nicht zu unterschätzendes Utensil, das ich jedem nur ans Herz legen kann.

    2 So geht Flecha Negra auf die Reise

    Jeden Tag fiel mir noch etwas Neues ein oder ich bekam Tipps von Freunden und aus diversen Internetforen. Die Zeit verging wie im Flug. Vollbeladen trat die BMW Anfang November ihre große Reise an.

    Ab jetzt waren es noch sieben Wochen bis zu meinem Abflug an Silvester. Von einer Arbeitskollegin bekam ich die Adresse einer Freundin, die meine geplante Reise schon vor 14 Jahren auf einer kleinen 250er gemacht hatte. Jeanette hatte bereits damals einen Blog geschrieben, obwohl das Internet noch in den Kinderschuhen steckte. Ihre Texte dienten mir nun als Grundlage für meine Reiseplanung. Ich war aber auch neugierig auf ihre persönlichen Schilderungen. So rief ich Jeanette an und bat sie um ein Treffen, um einige brennende Fragen beantwortet zu bekommen. Daraus sind dann mehrere Stunden geworden und schließlich vermittelte sie mir noch den Kontakt zu Fernando und Beatriz in Santiago de Chile, der Familie, von der sie damals ihr Motorrad gekauft hatte. Jetzt hatte ich eine erste Anlaufstelle.

    Obgleich mein Spanisch schon recht ordentlich war, dachte ich mir, dass ein zweiwöchiger Intensivkurs in Salamanca, der Stadt des Hochspanisch, nicht schaden konnte. Mitte November flog ich nach Spanien und entfloh damit gleichzeitig dem Schmuddelwetter in Deutschland. Dort lernte ich Johanna aus Österreich kennen. Sie erzählte mir, dass sie sich ab Mitte Dezember im Süden von Chile für drei Monate auf einer Farm um Pferde kümmern und im Gegenzug Kost und Logis erhalten würde. Wir überlegten, dass wir uns dort vielleicht treffen.

    Die Zeit rannte, fast hatte ich die Hoffnung aufgegeben, noch einen Untermieter für die kommenden Monate zu finden, als sich tatsächlich die Kollegin einer Freundin von mir meldete. Die Miete würde meine Reisekasse auffüllen und gleichzeitig brauchte ich mir keine Sorgen wegen meiner Wohnung zu machen. Unglaublich, wie sich alles fügte!

    Mein Abflug rückte immer näher. Claudia, eine gute Freundin von mir, brachte mich zum Flughafen. Ich spürte ein leichtes Grummeln in der Magengegend. Obwohl ich genau wusste, dass diese Reise das Richtige für mich sein würde, war ich aufgeregt. Was würde ich erleben? Welchen Reichtum an Erfahrungen würde ich mitnehmen? Diese Gedanken regten meine Neugier auf das Höchstmaß an.

    Wie sehr habe ich mich gefreut, als völlig überraschend weitere Freunde am Flughafen auf mich warteten und spaßeshalber meinten: „Wie wollen auch sichergehen, dass du wirklich einsteigst und keinen Rückzieher machst!"

    Zum Abschied überreichten sie mir noch einen kleinen Glücksbringer: einen Stoffkater. Er sollte einen Ehrenplatz erhalten. Ich weiß nicht, wie ich auf seinen Namen kam, jedenfalls bestieg ich zusammen mit „Hugo" den Flieger nach Frankfurt. Von dort aus ging es über Panama nach Santiago de Chile. Irgendwo über dem Atlantik bekam ich ein Glas Sekt gereicht und so begann das neue Jahr. Nicht sehr spektakulär, zumal die Flugbegleiter nichts trinken durften.

    Angemerkt sei noch, dass es gar nicht so selbstverständlich war, dass ich mit meinem One-Way-Ticket das Flugzeug nach Panama besteigen durfte, denn bestimmte Fluglinien verlangen ein Rückflugticket. Sie wollen nicht das Risiko eingehen, dass einem Passagier die Einreise verwehrt wird, weil die Ausreisedokumente fehlen und die Fluglinie dann auf ihre Kosten den Rückflug organisieren muss. Zu diesem Zweck hatte ich mir vorsichtshalber ein Busticket von Santiago de Chile nach Mendoza in Argentinien gekauft. Mein Sitznachbar hatte weniger Erfolg und musste sich tatsächlich vor Reiseantritt noch ein weiteres Flugticket kaufen, das er anschließend verfallen ließ.

    1 CHILE

    Tag 1: Ankunft in Santiago

    Unter mir sehe ich den Andenkamm und meine Gedanken fahren Achterbahn. Noch fällt es mir schwer zu realisieren, was in den letzten 14 Wochen alles geschehen ist. Und was kommt nun auf mich zu? Welchen Gefahren und Herausforderungen werde ich ausgesetzt sein, welche Aufgaben zu bewältigen haben? Auch Gedanken an das Danach tauchen kurz auf; ich wische sie schnell beiseite und schlafe ein.

    Fernando und Beatriz haben es sich nicht nehmen lassen und holen mich wie selbstverständlich gemeinsam mit Feña, ihrer Tochter, am Flughafen ab. Die Freude darüber, dass wir uns endlich persönlich kennenlernen, ist riesig. Bisher hatten wir uns nur über Facebook unterhalten. Mein Spanisch ist durchaus passabel, sodass wir uns erstaunlich gut verständigen können, wenngleich das Chilenisch schon eine besondere Herausforderung darstellt. Wir fahren direkt zu ihnen nach Hause und essen mit ihrem Sohn Emilio und dem Großvater Patricio zu Abend, bevor mich Fernando in mein bereits in Deutschland gebuchtes Hostel bringt, das keine zehn Minuten entfernt ist. Ich bin angekommen.

    Tag 2: Stadtrundfahrt

    Fernando holt mich mittags im Hostel ab und gleich bekomme ich die erste lokale Spezialität zum Probieren: Pastel de Choclo, ein Maisgericht, das es in unterschiedlichsten Ausführungen gibt. Sehr lecker! Anschließend fahren wir zusammen mit Feña und ihrem Freund Pepe auf den Cerro San Cristóbal, von dem aus wir eine herrliche Aussicht über die Sechs-Millionen-Einwohner-Metropole haben. Sehr gut ist hier der Unterschied zwischen dem armen und dem reichen Viertel der Stadt zu erkennen. Ganz oben thront die Statue von Maria der Jungfrau. Obgleich dieser Ort ein Touristenmagnet ist, finden hier immer wieder bewaffnete Überfälle statt. Deshalb ist es sehr ratsam, hier nicht alleine unterwegs zu sein.

    Am Abend spüre ich noch den Jetlag und falle nach einem leckeren Essen todmüde im Hostel ins Bett.

    Tag 3: Gletscherwanderung

    Fernando, Emilio, Feña und Pepe holen mich gegen 9.00 Uhr am Hostel zu einem Ausflug ab. Wir fahren zum nördlichst gelegenen Gletscher Chiles namens El Morado. Als Stärkung während der Wanderung holen wir uns noch Empanadas, gefüllte, warme Teigtaschen, die überall in Südamerika in diversen Ausführungen zu bekommen sind. Schon die Fahrt gestaltet sich abenteuerlich, denn die Straße geht in eine Schotterpiste über, die schließlich einspurig wird und recht steil ist. Zu steil für den Fahrer eines Allrad-SUV vor uns. Er hat wohl sein Sperrdifferential nicht eingeschaltet, denn er kommt tatsächlich keinen Meter weiter und muss rückwärts hinunter. Uns bleibt nichts anderes übrig, als ebenfalls den Rückweg anzutreten, zumindest so weit, bis er an uns vorbeikommt. Dann jagt Fernando seinen vollbesetzten Citroën Picasso problemlos bis zum oberen Parkplatz. Aus den 1,5 Stunden Aufstieg werden dann doch 2,5 Stunden. Wir wandern an grünen Wiesen entlang und erreichen über Geröll- und Schneefelder den imposanten Gletscher. Auch wenn die Sonne an diesem Tag nicht so richtig herauskommt, hat sich die Mühe gelohnt. Meinen ersten Sonnenbrand habe ich auch, weil ich meinen Nacken nicht eingecremt habe und die Sonne eben doch irgendwie da ist. Der Abstieg in 1,5 Stunden kommt mir vor wie ein Kinderspiel.

    Für das Abendessen kaufen wir auf dem Rückweg den für Südchile berühmten „Kuchen de Nuezes ein. Ja, das deutsche Wort „Kuchen hat es tatsächlich bis ins Spanische geschafft. Anschließend bereitet mir Fernando meinen ersten Pisco Sour zu, eine Mischung aus Pisco, dem 35-prozentigen berühmten Traubenschnaps, Limonensaft, Zucker und zu Schaum geschlagenem Eiweiß. Sehr lecker! Das wird bestimmt nicht mein letzter Drink dieser Art gewesen sein.

    Tag 4: D-Day

    Ursprünglich wollte ich heute mit dem Bus nach Valparaíso fahren, um mein Motorrad aus dem Hafen zu holen. „Das kommt gar nicht infrage!", hatte Fernando auf meinen Vorschlag hin geantwortet. Er will mich begleiten – und ich sage nicht Nein. Denn er kennt die Stadt wie seine Westentasche und wird mich bei den ganzen Formalitäten sicherlich sehr gut unterstützen.

    Um 7.30 Uhr steht er vor meinem Hostel. Der Stadtverkehr hier steht dem in europäischen Großstädten in nichts nach. Es dauert ewig, bis wir die Stadtgrenze hinter uns lassen. Erst gegen 10.00 Uhr erreichen wir die sympathische Hafenstadt. Fernando parkt im Parkhaus direkt im Zentrum und nach kurzer Zeit erreichen wir das kleine Büro des Transportunternehmens im 4. Stock. Es ist winzig und besteht aus einem kleinen Vorraum sowie dem eigentlichen Büro. Außer mir wollen noch zwei Schweizer und zwei Franzosen ihre Motorräder abholen. Ich erfahre, dass viele Formalitäten der aufwendigen Einfuhrprozedur schon im Vorfeld erledigt wurden und wir dadurch etwa einen Tag an Erledigungen sparen. Nach dem Zusammenstellen aller Dokumente gehen wir gemeinsam zum nahegelegenen Amt für Migration von Transportmitteln, um dort vor den Augen des Beamten persönlich zu unterschreiben. Bis die restlichen notwendigen Kopien angefertigt sind und alles an das etwa 15 Kilometer entfernte Zollfreilager weitergeleitet ist, haben wir Zeit für ein Mittagessen. Sehr gut, denn nach nur einem Kaffee zum Frühstück knurrt mein Magen gewaltig.

    Fernandos vierrädriges Raumwunder geht mächtig in die Knie, als wir – inzwischen zu siebt, denn ein Holländer hat sich noch zu uns gesellt – zum Lagerhaus fahren. Erneut kümmert sich Fernando rührend um uns. Wir alle sind dankbar, dass er die Organisation vor Ort übernimmt. Mit unseren dürftigen Spanischkenntnissen hätte das bestimmt länger gedauert. Ausgestattet mit der notwendigen Sicherheitsausrüstung (Helm und Weste) zeigt er uns schließlich den Weg zu unseren Motorrädern. Mein Puls steigt! Dann sehen wir die Maschinen unversehrt in der hinteren Ecke der Halle stehen. Ein Stein fällt mir vom Herzen. Mit wenigen Handgriffen sind die Motorräder fahrbereit. Ein letzter Check der Fahrgestellnummer und eine letzte Unterschrift, dann können wir gemeinsam das Gelände verlassen. Zum ersten Mal befahren wir chilenischen Boden. Was für ein Gefühl!

    Oh Schreck! Ich habe mein Handy im Rucksack vergessen. Und der liegt in Fernandos Auto, das bereits auf dem Weg nach Hause ist. Jetzt darf mein Navi gleich mal zeigen, was es kann – es kann wirklich viel. Schon jetzt zeigt sich: Diese kleine Investition in das komplette Kartenmaterial von Süd- und Mittelamerika hat sich gelohnt. Ohne Probleme finde ich Fernandos Haus. Einzig der Einlass in das gesicherte Anwesen dauert ein wenig, da ich mangels Telefon nicht anrufen kann und mich anders bemerkbar machen muss, denn es gibt keine Klingel!

    Was jetzt folgt ist das Sortieren, Ordnen, Umpacken, Einräumen und endgültige Verstauen all meiner Sachen an der Maschine. Ich habe doch zu viel mitgenommen.

    Den Abend verbringen wir gemeinsam bei einem Pisco Sour, dabei lassen wir den Tag Revue passieren. Alles läuft bisher reibungslos. Einfach klasse. Danke, Fernando!

    Tag 5: Taufe und Abfahrt

    Um mich von Beatriz und Emilio zu verabschieden, die beide früh aufstehen müssen, stehe ich ebenfalls um 6.30 Uhr auf und frühstücke gemeinsam mit ihnen. Ein zweites Frühstück mit Fernando, Patricio und Feña gibt es dann gegen 9.00 Uhr.

    Plötzlich ist Fernando verschwunden. „Er kommt gleich wieder, höre ich als Antwort auf meine Frage, wo er steckt. Ich treffe meine letzten Vorbereitungen, als mich Fernando bittet, nach draußen in die Einfahrt zu kommen. Dort präsentiert er mir stolz sein Werk: Auf dem Windschild meiner BMW prangt der Schriftzug: „Flecha Negra (Schwarzer Pfeil), zudem eine chilenische Flagge. Ich bin zutiefst gerührt. Jetzt ist sie getauft, meine Maschine. Am Abend zuvor hatten wir über diesen Namen gesprochen, aber mit einer solch schönen Überraschung habe ich nicht gerechnet. Nun befestige ich noch „Hugo" mit Kabelbindern direkt hinter der Frontscheibe, und dann kann die Reise mit dem ungefähr 430 Kilogramm schweren Koloss auf der Ruta 5 Sur losgehen.

    3 Taufe: Flecha Negra sollst du heißen

    Da mir die Autobahn recht langweilig vorkommt und hier – ungewöhnlich für Südamerika – auch für Motorräder eine Mautpflicht gilt, entscheide ich mich, über die parallel verlaufende Landstraße zu fahren. Als ich anhalte, um meine ersten Lebensmittel in einem der vielen kleinen Supermercados einzukaufen, die hier überall zu finden sind, spricht mich ein Südtiroler, der seit mehr als 20 Jahren in Chile lebt, auf Deutsch an. Wozu habe ich denn Spanisch gelernt? Hier unten im Süden Chiles ist ein solches Erlebnis nicht ungewöhnlich, denn Mitte des vergangenen Jahrhunderts sind viele Deutsche, Österreicher und Südtiroler hierher ausgewandert. Zum Abschied stellt er mir die – fast schon obligatorische – Frage, ob er noch irgendetwas für mich tun könne. Und wieder bin ich von dieser unheimlichen Gastfreundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Achtsamkeit der Menschen hier beeindruckt. Es ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl!

    Als die ersten Tropfen vom Himmel fallen, beschließe ich kurzerhand, Richtung Westen zu fahren, da dort das Wetter besser zu sein scheint. Tatsächlich zeigt sich bald die Sonne … und die erste Schotterpiste! Als ob das nicht schon ausreicht, muss ich schon bald über Sand fahren, ein Grund für weitere Adrenalinstöße. Von nun an ist vollkommene Konzentration gefragt. Eine kleine Unachtsamkeit würde ausreichen und mein Gefährt könnte sich der Schwerkraft nicht mehr entziehen.

    Falls es mal nicht der Untergrund ist, der meine volle Aufmerksamkeit fordert, so sind es die vielen, meist herrenlosen Hunde, die mir unvermittelt vor das Motorrad springen und mich dazu zwingen, entweder zu bremsen oder zu hupen und einen Schlenker zu machen. Absolut glücklich darüber, nicht gleich heute die Straße geküsst zu haben, entschädigt mich am Ende des Tages eine schöne Bergstraße mit vielen Kurven und herrlichen Seen für die langweilige Ruta 5 und ich lande in dem kleinen Dorf Llico. Die Nacht verbringe ich auf dem naheliegenden Campingplatz im Nationalreservat Laguna Torca. Leider muss ich schnell feststellen, dass es doch ganz schön lang dauert, mein neues Zelt aufzustellen. Ich hoffe doch sehr, dass ich mit mehr Übung etwas weniger als 15 Minuten brauchen werde. Steht das Zelt erst mal, habe ich enorm viel Platz, sogar Flecha Negra würde in den Vorbau passen!

    Bevor ich mich todmüde in meinen Schlafsack winde, schreibe ich noch eine Nachricht an Johanna aus Österreich, um herauszufinden, wo sie schließlich untergekommen ist.

    Tag 6: Plan B

    Meine Nachbarn auf dem Campingplatz, ein paar laute Chilenen, haben meine Nachtruhe gestört und so schlafe ich bis 9.00 Uhr. Jetzt kommt die erste – im wahrsten Sinne des Wortes – Feuerprobe für meinen Multi-Fuel-Kocher, der mit Benzin betrieben wird. Ich braue mir meinen ersten eigenen Kaffee: wunderbar. Ein Müsli, kombiniert mit Apfel und Joghurt, vervollständigt das Frühstück: genau nach meinem Geschmack. Der Abbau des Zeltes geht mir etwas schneller von der Hand als der Aufbau, gestaltet sich jedoch auch eher mühsam und aufwendig – dabei habe ich doch alle Zeit der Welt.

    Über die anfänglich schottrige Passstraße entlang der Lagune fahre ich hinunter zur Küste, wo mich eine wunderschöne und kurvenreiche Asphaltstraße begrüßt. Mit 100 Stundenkilometern und dank Bluetooth Kommunikationseinheit mit Musik im Ohr geht es Richtung Institución. Als ich am Plaza eine mittelmäßige Pizza esse, erhalte ich eine Nachricht von Johanna. Gerade einmal 120 Kilometer bin ich von ihr entfernt. Und mein Zelt darf ich selbstverständlich auf dem riesigen Gelände der Gastfamilie aufschlagen. Sie freut sich schon, mich kennenzulernen.

    So ändere ich meinen Plan und nehme Kurs Richtung Osten, um nach Rari, das 25 Kilometer nordöstlich von Linares in der Nähe von Panimávida liegt, zu fahren. In einem kleinen Supermarkt in Rari frage ich zwei Jungs nach dem Weg. Sie bestaunen Flecha Negra mit großen Augen und wollen unbedingt zusammen mit mir auf ein Foto. Sie freuen sich sehr und wünschen mir noch eine gute Fahrt.

    Über eine kurze Schotterstrecke erreiche ich den Hof – oder besser sollte ich das Anwesen sagen – „Rarimalas", eine Heidelbeerfarm, die von José Luis und seiner Frau Gabriela betrieben wird. Was ich dort vorfinde, macht mich sprachlos: ein unheimlich süßes Haus mit sehr gepflegtem Garten und einem herrlichen Pool. Ja, hier lässt es sich aushalten. Als ich später erfahre, dass beide über 70 Jahre alt sind, verschlägt es mir die Sprache. Sie schauen wesentlich jünger aus. Anscheinend halten Heidelbeeren jung.

    Nachdem ich mein Zelt direkt neben dem Pool aufgestellt habe, erwartet mich ein überaus reichhaltiges Abendessen. Ich fühle mich wie im Paradies! Weil das Ehepaar immer wieder für seine Pferde Pflegerinnen aus Europa beschäftigt, geben sich beide unheimlich Mühe, ein sehr gut verständliches Spanisch zu sprechen. Es macht mir sehr viel Spaß, meine Sprachkenntnisse auf diese Art zu erweitern. Und morgen werde ich Flecha Negra für einen Tag gegen ein Pferd tauschen.

    Tag 7: Ausflüge hoch zu Ross

    Nach einem kurzen Frühstück um 8.00 Uhr gehen Johanna und ich zum Stall; mein erster Ausritt seit Jahrzehnten steht bevor. Ich bekomme eine kurze Einführung zum Thema Zaumzeug und Sattel, dann geht es los auf den hauseigenen Berg. Diese Art von Freiheit ist unvergleichlich, entschleunigt sie doch ungemein. Ich bin eins mit der Natur, höre die Vögel und das Rascheln im Unterholz. Die Natur duftet und ich fühle mich zurückversetzt in die Zeit der Pippi-Langstrumpf-Abenteuer. Da alle sechs Pferde täglich bewegt werden müssen, folgt ein zweiter Ausritt am Vormittag, bei dem Johanna eine völlig andere Route wählt. Dabei erklimmen wir ohne Probleme Hügel, die ich mit Flecha Negra nicht einmal ansatzweise hätte bewältigen können.

    Danach gibt es ein stärkendes Mittagessen mit leckerem, hausgemachtem Pastel de Choclo, bevor wir uns ein drittes Mal mit den übrigen beiden Pferden auf den Weg machen. Es ist einfach herrlich – und macht müde. So schlafe ich sofort ein, als ich mich nach der Rückkehr auf eine Liege am Pool lege.

    Später fahren wir zu den Läden in Rari, in denen Handwerkskunst verkauft wird, die es nur hier gibt: aus Pferdehaaren hergestellte Puppen, Lesezeichen und andere mehr. Ich erstehe zwei Lesezeichen, die ich sicher

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