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DilettantenPoker: Krimi-Komödie
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DilettantenPoker: Krimi-Komödie
eBook301 Seiten4 Stunden

DilettantenPoker: Krimi-Komödie

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Über dieses E-Book

Das Leben von Leo Beierle, Hans Schneider und Franz Behnken, alle drei bereits im 'gereiften' Alter, plätschert etwas langweilig in seinen routinemäßigen Abläufen dahin.
Doch das ändert sich dramatisch, als zuerst der Friseurladen von Hans demoliert wird, dann Leo auf mysteriöse Weise verschwindet und auch noch auf seinen Hund Otti ein hinterhältiger Anschlag verübt wird.
Kurz vorher taucht der erste Tote auf und Franz Behnken, der als Vermittler vor Ort agiert, lässt der Verdacht nicht mehr los, dass hier der Drogenhandel mit im Spiel sein könnte. Dafür sprechen bereits einige Indizien, nur Beweise fehlen leider noch.
Bei diesem ganzen Desaster gerät die bislang so beschauliche Welt von Hans komplett aus den Fugen. Nur die sich entwickelnde Freundschaft zwischen ihm und Franz mildert die Sache etwas ab. Sie entdecken Gemeinsamkeiten, die sie miteinander (wie auch mit dem 'abhanden gekommenen' Leo) verbinden.
Auch der Vorgang um Leo's Entführung, die Attacke auf Otti sowie den ersten Toten erhellt sich zusehends; aber ein neuerlicher Mord verschärft die Sache leider wieder. Doch Franz wird mehr und mehr klar, dass sie es hier mit zwei Gruppen zu tun haben, wie sie wohl unterschiedlicher nicht sein können - wobei eine der Gruppen zwar sehr brutal, aber trotzdem ziemlich dilettantisch vorzugehen scheint ...

Handlungsort ist neben Kaiserslautern und seiner näheren Umgebung auch Hamburg.

Lokalkolorit, Situationskomik und die vielen nur zu menschlichen Schwächen, die uns allen nicht fremd sind, prägen diese Krimi-Komödie und lassen sie zu einer unterhaltsamen Lektüre werden.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum23. Okt. 2015
ISBN9783732345519
DilettantenPoker: Krimi-Komödie

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    Buchvorschau

    DilettantenPoker - Elenore May

    1. Kapitel

    (Zwei Monate später in Kaiserslautern)

    Leo erwachte bestens ausgeschlafen und die Ansicht, die ihm der Blick durch seine Terrassentüre bot, bestätigte ihm: ein zauberhafter Frühlingstag schien sich anzukündigen. Er wollte sich schon genießerisch strecken und dehnen – da wurde er ausgebremst: auch Otti (sein Hund) dehnte sich soeben kräftig durch, stemmte seinen Rücken gegen Leos rechte Seite und schob ihn dadurch langsam aber sicher gegen die Wand.

    Eigentlich, ja eigentlich … sollte Leos Bett für ihn tabu sein. Aber Otti dachte nicht daran sich an irgendwelche Regeln zu halten. Denn kaum war Leo auf der zum Doppelbett umgestalteten Couch eingeschlafen, da stahl sich Otti still und leise an das Fußende. Nach und nach machte er sich immer mehr breit, bis er endlich in voller Länge, die Beine weit von sich gestreckt, neben Leo lag – um ab diesem Moment keinen Millimeter mehr zu weichen. Da Leo jedoch sein Schlaf wichtiger war, als nerviges sich gegen den Hund durchsetzen wollen, gab er sich irgendwann geschlagen: gegen Ottis stoischen Charakter kam er sowieso nicht an.

    Leo stieß einen langgezogenen Seufzer aus, gab Otti einen kräftigen Klaps auf den Hintern und schob gegen den breiten Rücken an „verdammt Otti - beweg’ dich endlich; hopp, jetzt steh’ gefälligst auf. Das ist immer noch mein Bett!"

    Otti war diese Ansage, in immer wieder abgewandelter Form, längst bekannt; sie gehörte fast schon zum morgendlichen Ritual. Er stand gelassen auf und schüttelte sich auf dem Teppich erst mal gründlich durch (Leo fiel prompt der kaputte Staubsauger ein), anschließend schob er unter Einsatz seiner Breitseite den Couchtisch nach hinten, dehnte sich ordentlich durch und gähnte ausgiebig – damit war seine Toilette für diesen Tag abgehakt. Er machte sich auf den Weg zur Terrassentüre, schlängelte sich geschickt durch den offenen Spalt, erledigte den routinemäßigen Kontrollgang auf nächtens erfolgte Katzenbesuche und markierte vorsichtshalber reihum. Das war allerdings schnell erledigt: Böse Zungen behaupteten, Leos Garten habe gerade mal die Größe eines komfortablen Badehandtuchs.

    Leo genoss unterdessen die in den Raum drängende Frühlingsluft und hörte, sich endlich mit wohligen Seufzern räkelnd, dem vielstimmigen Gezwitscher der Vögel zu – nur zu gerne wäre er jetzt liegengeblieben – aber an diesem Morgen war zügiges Aufstehen angesagt: Ottis vierteljährlicher Friseurtermin bei Hans stand an. Bei Leo reduzierten sich solche Termine auf ein Mindestmaß, sein Haupthaar beschränkte sich nur noch auf einen zunehmend ergrauenden Haarkranz.

    Er brachte sich ächzend in die Vertikale (die vielen Feierabendbiere in letzter Zeit verschafften ihm einen sich ordentlich nach vorne wölbenden Bauch), schlurfte in die spartanisch eingerichtete Küche und schmiss die Kaffeemaschine an. Er fischte vom Kachelboden die Dose mit dem Futter für Otti, bestückte den Napf und rief ihn herein.

    Als Otti sich über den Napf hermachte, bewegte sich Leo bereits in Richtung Dusche. Er trennte sich nach dem Wasservorgang noch von seinem graumelierten Dreitagebart, schnappte sich seine Jeans und wählte für oben herum nur ein Sommerhemd. Er trank stehend den Kaffee am Katzentisch, aß aus Vernunftgründen ein Käsebrot, noch Ottis Leine herbeigeholt - und sie waren draußen.

    Während die beiden noch unterwegs waren, um den Randbezirk einer Grünfläche für Ottis ‚Geschäfte‘ aufzusuchen, stand Hans schon in seinem altertümlich wirkenden Friseursalon und bewirtete die wenigen Gäste, die sich bereits eingefunden hatten.

    Der Laden erfüllte längst einen anderen Zweck und hatte mit seiner ursprünglichen Aufgabe, männlicher Haarpracht (soweit vorhanden) wieder Form und Gestalt zu verleihen, nur noch am Rande, und nur wenn es unbedingt sein musste, zu tun. Denn Hans besorgte sich vor einiger Zeit drei Stehtische, die er in einigermaßen gerader Linie vor den großen Fenstern platzierte. Dafür verrückte er zwei Friseurstühle etwas weiter nach hinten, sie waren sowieso nicht mehr angesagt.

    ‚Männer haben es nicht so mit dem Hinsetzen. Sie lümmeln lieber herum, wenn sie die Ecken und Kanten des Lebens per Gespräch etwas glatter bügeln wollen‘, wie Hans erkannte.

    Durch diese Erkenntnis mutierte Hans vom Friseur zum Wirt, da zeigte er sich sehr flexibel. Genaugenommen gefiel es ihm sogar besser, verlangte er doch für jede Tasse Kaffee siebzig Cent. Dabei war er sehr darum bemüht nur ein erstklassiges Getränk anzubieten ‚das bin ich meiner Kundschaft schuldig‘, so seine Devise.

    In einem Eck stand hinter einem Vorhang (das Finanzamt musste ja nicht alles wissen) so ein riesiger, amerikanischer Kühlschrank. Den hatte er einem US-Soldaten abgekauft, der ihn wegen seiner Rückversetzung nicht mehr brauchte.

    Hans’ Kundschaft, in der Regel Männer, stieg spätestens nach der dritten Tasse Kaffee auf Bier um. Alle seine Kunden wussten, dass er dieses Ding stets randvoll mit Bierflaschen aller möglichen Marken befüllte – trotzdem kostete die Flasche nur verschwindend mehr als im Supermarkt.

    Dazu bereitete er frühmorgens zwei Tabletts mit belegten Brötchen zu. „Schließlich braucht’s zumindest eine kleine Unterlage, wenn schon Bier reingekippt wird …", war Hans’ Ansicht zu diesem Vorgang, und umsonst gab es die Brötchen nicht, auch wenn er dafür nur den Selbstkostenpreis veranschlagte.

    Seine Haupteinnahmequellen bestanden jedoch aus der Vermietung seiner Wohnungen im gleichen Haus und aus seiner Rente, der Ladenumsatz hätte hinten und vorne nicht ausgereicht. Doch er sagte sich ‚besser als in den Fernseher zu klotzen und sich ständig diese öden Rentnerprogramme anzuschauen ist es in jedem Fall‘, und so führte er ein relativ zufriedenes Leben.

    Leo und Otti kamen an. Natürlich kannte sich die Stammmannschaft untereinander, und einige wuchsen auch im gleichen Viertel miteinander auf. Beim ‚harten Kern‘ der Truppe, also den Besuchern, die tagtäglich vorbeikamen, wusste einer vom anderen über dessen Lebenssituation Bescheid, das vereinfachte so manches.

    Allerdings stach Leo, als gebürtiger Münchner, da raus - er blieb nach seiner Bundeswehrzeit wegen Heirat hängen und lief seit einiger Zeit wieder geschieden durch die Gegend. Jedoch zog ihn in seine eigentliche Heimat nichts zurück, es gab keine Verbindungen mehr. Seine innig geliebte Tochter Anita wollte er ebenfalls nicht verlassen und bis vor einiger Zeit war er noch in seinen Job eingebunden. (Dem er mittlerweile nicht mehr nachging, Frührentner war sein neuer Status.) Die Freundschaft zu Hans, das mildere Klima und die meist recht lockere Lebensart der Stadt, spielten eine zusätzliche Rolle.

    Auch sein Hund war allseits bekannt, ohne ihn konnte man sich Leo fast nicht mehr vorstellen; und Otti passte schon wegen seines Aussehens hervorragend in diese Männergesellschaft der etwas derberen Art: Muskelbepackt, eher stämmig mit quadratisch anmutendem Kopf, einer zotteligen Mähne aus den Mischfarben grau/braun/beige und offenbar aus sämtlichen Hunderassen der Welt zusammengemixt.

    Sieben Männer verteilten sich bereits um die Stehtische, wobei an diesem Morgen vermehrt ‚Neuzugänge‘ im Laden standen; Besucher, die erst seit kurzem Hans’ Etablissement bevölkerten.

    Hans begrüßte Leo mit Handschlag, fuhr kurz und gefühlvoll über Ottis Kopf, stellte Leo ungefragt eine Tasse Kaffee auf einen der Tische und widmete sich wieder mit der ihm eigenen Geschäftigkeit seinen Tätigkeiten: Er schob Dinge hin und her, ordnete neu an, rückte da und dort ein bisschen zurecht. Es entging ihm deshalb, dass Leo sich an eines der Fenster stellte, sein Handy hervorholte, nur wenige Worte sprach, es zuklappte und wieder zurück zu seiner Kaffeetasse marschierte.

    Otti verschwand hinter dem kurzen Tresen, den Hans extra anfertigen ließ, um etwas Abstand zur Kundschaft und um mehr Platz für sein Geschirr zu haben. Dort lag an der Wand ein Kissen nur für Otti, wenn auch mit ziemlich eingeschränktem Blickfeld.

    Wie üblich ging es in den Männergesprächen entweder um Fußball oder um Politik, selten nur über Frauen und nur im Notfall um die eklatanten Probleme eines Einzelnen. Heute stand jedoch die Politik im Mittelpunkt, wahrscheinlich deshalb, weil sich nur drei vom harten Kern im Laden befanden.

    Hans beteiligte sich nur bedingt an derlei Gesprächen, seine politische Ausrichtung sah als Hausbesitzer etwas anders als die vorherrschend rot eingefärbte aus. Wobei er momentan sowieso mit Otti ein ziemlich einseitiges Zwiegespräch führte, das sich um die bevorstehende Haarschur drehte.

    Hans mochte Otti wirklich; er wollte eigentlich schon immer einen Hund. Nur seine vor Jahren verstorbene Frau zeigte sich strikt abgeneigt gegen solche ‚Eskapaden‘, und bediente sich der in solchen Fällen üblichen Gefechtsgeschütze von „Dreck, Gestank und Ungeziefer …", doch das hatte sich ja nun erledigt.

    ‚Wie das Leben eben so spielt …‘, dachte er sich etwas mokant, was darauf schließen ließ, dass die Verbindung in ihrer Zeit nur anfänglich harmonisch verlief. Später wurden viele Zweikämpfe ausgetragen, bis ein Sieger ermittelt war - er gab klein bei und muckte nicht mehr auf. Er verdrängte die unerfreulichen Gedanken und entschied, sich lieber wieder auf den momentanen Vorgang zu konzentrieren.

    Dafür holte er sich Schermaschine, Bürste sowie eine normale Schere herbei, brachte anschließend seine Knie mühsam auf die Höhe von Ottis Kissen und redete immer noch beruhigend auf ihn ein, obwohl dem Hund der Vorgang längst vertraut war: Otti hatte sich mit der Tatsache, dass alle drei Monate dieses nervige Geräusch seine Ohren malträtierte, längst arrangiert: er wusste, es tut nicht weh und anschließend gab es sogar noch eine satte Belohnung.

    Etwa zwanzig Minuten später stand ein fachmännisch getrimmter Otti vor Hans, wieder schön anzuschauen und fast elegant; aber wirklich nur fast, da er auch mit weniger Mähne noch erstaunlich bullig wirkte.

    Otti bekam einige Hundekekse für’s ‚Durchhalten‘, wie Hans tätschelnd erklärte. Otti verleibte sich die Belohnung ein, schüttelte sich und Hans schüttelte im Gegenzug das Kissen aus. Er holte sich Besen, Schaufel und einen Plastikeimer herbei, kehrte die sich zu einem Berg aufgetürmten Haare zusammen und verfrachtete die Einheit in den Eimer, den er an Ort und Stelle stehen ließ.

    Die Männer holten zwischenzeitlich die Kaffeekanne an die Tische und bedienten sich selbst. Das nahm Hans nicht so genau, er wusste, er würde zu seinem Geld kommen, wegen ein paar Cent wollte sich keiner scheel anschauen lassen.

    Hans, der sich nach der Buckelei unbedingt bewegen musste, ging zur Eingangstüre und stieg die drei Stufen zum Gehsteig hinunter. Neben ihm kam Otti mit raus, setzte sich auf den Gehsteig und hielt seine Nase schnuppernd in die Luft.

    Zuerst stellte Hans nichts fest. Er streckte die Arme in die Höhe, gähnte ausgiebig und dehnte sich genüsslich durch. Dann schaute er die kurze Einbahnstraße hinauf bis zur Biegung und hinunter bis zur scharfen Linkskurve. Irgendwas war anders ‚aber was?‘, fragte er sich und rieb sich nachdenklich das Kinn.

    Noch mal ließ er seinen Blick, jetzt sehr aufmerksam, hinauf und hinunter wandern – kein Mensch lief auf der Straße, kein Auto fuhr, selbst die Vögel schienen verstummt zu sein. Die umliegenden Häuserzeilen mit den ziemlich heruntergekommenen Fassaden standen still da, nur der eine oder andere Vorhang schien sich leicht zu bewegen – obwohl sich kein Lüftchen rührte.

    Ein unangenehmes Gefühl beschlich Hans; so, als würden ihn hundert Augen beobachten. Mit rückwärts gerichteten Schritten stieg er die Stufen wieder hinauf, dabei ließ er aber die Straße nicht mehr aus den Augen, bis er ‚endlich!‘, wie er sich dachte, das schützende Reich seines Ladens wieder im Rücken spürte.

    Hinter sich hörte er die Männer eifrig über Obama diskutieren. Offensichtlich ging es darum, was sie so von ihm hielten – oder auch nicht; und noch blieben sie beim Kaffee, wie Hans als Geschäftsmann fast automatisch registrierte.

    Hans schätzte laute Töne nicht all zu sehr. Doch jetzt entschied er sich dazu, seine Stimme ausnahmsweise anzuheben „hört mal alle her!" Die Männer drehten sich ihm verwundert zu, verstummten und schauten ihn erwartungsvoll an.

    „Da draußen passiert etwas …", fügte er zögernd unsicher an.

    Sie verließen brummelnd ihre Stehtische und formierten sich dicht gedrängt hinter ihm: die Hände waren tief in ihren ausgebeulten Hosentaschen vergraben, die Rücken gekrümmt, und die Hälse streckten sie lang über Hans hinweg.

    „Wieso? Was soll da sein? Alles wie immer langweilig!", meinte einer mit verständnislosem Blick, leicht amüsiert.

    Hans blieb jedoch bei seiner Meinung „es ist, es ist – irgendwie so still. Nichts ist los. Ja verflixt, seht ihr das denn nicht?!" Klein und schmal, mit unruhigen Augen stand er im Türrahmen und zeigte genervt auf die Straße.

    „Na Otti hockt da noch blöd unten!, meinte einer mit Namen Fritz und warf er einen beifallheischendem Blick nach allen Seiten, was jedoch, bis auf ein von Leo gemurmeltes „Idiot, keine Reaktion hervorrief.

    Otti saß bewegungslos auf dem Gehsteig und starrte gebannt, wie paralysiert, nach rechts die Straße hinauf. Nur war da nichts zu sehen, zumindest nichts für menschliche Augen. Auch hören konnte man nichts, stellten die Männer jetzt ebenfalls fest – alles wirkte menschenleer und verlassen. Unwillkürlich zogen sie die Schultern noch etwas höher, die süffisanten Blicke verschwanden.

    „Otti steh auf und komm rein!", befahl Leo, der mit den Männern im Türrahmen stand. Erstaunlicherweise (‚ein Wunder!‘, dachte sich Leo, da er eigentlich mit Ottis üblicher Ignoranz gegenüber Befehlen rechnete) reagierte der Hund sofort: er sah erst verschreckt zu Leo hoch; dann stand er schnell auf und schlich mit angelegten Ohren, die Rute zwischen den Hinterbeinen eingeklemmt die Stufen empor, drängte sich mit gesenktem Kopf zwischen den Männern durch und trabte zu seinem Kissen.

    Die Männer gingen an die Tische zurück und stellten sich wieder vor ihre Tassen; jetzt alle in einer Position, die ihnen Einsicht auf die Straße gewährte. Und schon fingen sie heftig zu diskutieren an, was wohl los sein könnte; nur zu einem brauchbaren Ergebnis kamen sie nicht.

    Jochen, einer von den jüngeren und noch neuen Gästen, ging mit betont lässigem Gang und dem hingeworfenen Satz „muss mal eine Stange Wasser wegstellen", nach hinten zum Klo.

    „Pass aber auf, dass du dir deine schicke Lederjacke nicht anpinkelst!", wurde ihm nachgerufen und sie feixten noch etwas gequält herum, um das aufkommende Unbehagen ein bisschen in den Hintergrund zu drängen.

    Das Klo zu Hans Laden, als Toilette konnte man es nicht bezeichnen, es war wirklich der nur aufs notwendigste beschränkte Fall, lag gleich rechts um die Ecke des Tresens auf dem schmalen Flur. Der wiederum endete zwei Meter weiter vor Hans’ Wohnräumen, wo eine hell gebeizte Türe mit dem Schild PRIVAT den Abschluss des ‚Geschäftsbereichs‘ signalisierte.

    Gegenüber vom Klo befand sich die Türe zu Hans‘ privatem Ausgang. Über drei Steintreppen gelangte man in einen weiß gefliesten, nur wenige Meter messenden, Vorraum. Zwei hoch oben angebrachte Sprossenfenster versorgten das Rechteck mit Licht, was dem sich in eine Ecke drückenden Baum (ein imposanter Ficus Benjamini), das Leben wesentlich erleichterte.

    Eine massive Holztüre (die wirkte, als hätte sie schon Jahrhunderte auf dem Buckel) führte hinaus zum verwahrlost wirkenden Innenhof, über den man durch einen großen Rundbogen zur Parallelstraße gelangte. Rechts von der Holztüre gab es die Eisentüre zum längst nicht mehr benutzten Keller, da Hans befürchtete, er könnte irgendwann kopfüber die Treppe hinunterstürzen und dort unentdeckt sein Leben aushauchen.

    Hans wurde nervös. Er hasste Zustände, die sich nicht einfach klären ließen, er musste unbedingt etwas tun. Er stellte das benutzte Geschirr auf einem Tablett zusammen, griff nach seinem Wohnungsschlüssel, der am Schlüsselbrett hinter dem Tresen hing, marschierte zu seiner Wohnung, schloss auf und deponierte das Tablett in der bestens ausgestatteten Küche auf dem zentralen Küchentisch.

    Als er zurückging stellte er fest, dass die Türe zu seinem Privatausgang nur angelehnt war, er drückte sie deshalb mit Nachdruck zu. Kaum war er zurück im Laden, da hielt vor den Fenstern ein Polizeibus. Fünf bewaffnete Polizisten in schwarzen Uniformen sprangen heraus und versuchten den Laden zu stürmen.

    2. Kapitel

    Die Eingangstüre, sich gegen die Regel nach innen öffnend und dazu linksseitig angebracht, ließ die Polizisten etwas linkisch aussehen - sie liefen voll dagegen an. Die Schmach über diesen Vorgang war groß, die Wut auch, um so brachialer wurde anschließend vorgegangen:

    Die Tür flog krachend auf und riss aus ihrer oberen Verankerung. Zugleich machte ein Ellenbogen der eingelassenen Glasscheibe ein Ende. Sie zerbarst in gefühlte tausend Teile und kleine Geschosse flitzten, als weißes Geriesel niedergehend, durch den Raum.

    Die endlich mit mehr Bewegungsfreiheit ausgestattete Türe touchierte den Stehtisch gegenüber. Der schlingerte, kippte gegen seinen Zwillingsbruder, und gemeinsam gingen sie mit ordentlichem Getöse zu Boden - mit ihnen die verbliebenen Tassen und Teller, die vollen Aschenbecher – eben alles, was sich darauf fand.

    Die Männer sprangen geistesgegenwärtig zur Seite. Sie versuchten zwar die Tische noch abzufangen, da sie aber wegen der besseren Standfestigkeit ziemlich massiv waren und die jeweiligen Knochen in Gefahr zu geraten drohten, ließen sie es lieber sein. Der dritte Tisch stand etwas versetzt. Er torkelte kurz wie besoffen hin und her, blieb aber nach einem kurzen Ruck stehen; trotzdem ließ er noch schnell einen vollen Aschenbecher über die Tischkante abrutschen, um auch seinen Beitrag zum Chaos zu leisten.

    Drei der Männer flüchteten zu den wahrscheinlich noch aus Vorkriegsbeständen stammenden Friseurstühlen; die restlichen retteten sich nach hinten zur Wand vor die Regale. Doch auch das war kein sicherer Platz: Wegen der Bodenerschütterung wackelten sie bedenklich und befreiten sich vorsichtshalber von Ihrer Last. Schon machte sich ein ganzes Heer von Glasflaschen, Tuben, Dosen und Tiegeln auf den Weg nach unten, um sich anschließend wie eine Horde quicklebendiger Hühner unter die Männerfüße zu mischen.

    (Hans hatte es bisher versäumt sich von seinen ‚Friseur-Altlasten‘, wie er das nannte, zu trennen. Auch dem Finanzamt gegenüber wollte er den Status des Friseurhandwerks nicht aufgeben – darum waren diese Attribute noch vorhanden.)

    Hans stand wie angewurzelt und mit vor Verblüffung weit geöffnetem Mund im Türrahmen zum Flur, seine Hände hatte er fest um den beidseitig herunterhängenden Plastikvorhang gekrallt.

    Otti winselte, fand aber kein Gehör und entschied, dass er das Problem seiner Sicherheit wohl selber lösen müsse: Er machte sich flach wie eine Flunder, damit er unter das letzte Brett des Tresen passte, was er richtigerweise als gutes Versteck für sich erkannte.

    Der Laden war vorher schon klein; doch jetzt, mit den Uniformierten und den etwas ‚aus dem Ruder gelaufenen‘ Gegenständen, wurde es eng. Zwei der Polizisten bauten sich, soweit möglich, vor den Gästen auf, die restlichen drei stürmten an Hans vorbei nach hinten. Nur sein schneller Sprung und ein fliegender Wechsel zum Klammergriff um den Tresen konnte verhindern, dass er umgeworfen wurde.

    Im Laden schrie einer der Polizisten „hinleschea, uff de Boda leschea! Da die Worte jedoch nicht fruchteten, die Männer nur stumm auf die beiden Polizisten starrten, wiederholte er auf Hochdeutsch „hinlegen! Auf den Boden legen!, und bekräftigend fügte er an „sofort!"

    Doch das ließ sich nicht so einfach bewerkstelligen; der Boden wurde bereits von den beiden Stehtischen okkupiert. Der Laden war zudem derart mit Mobiliar angefüllt, dass sechs Mann auf dem Boden, davon keiner unter einem Meter achtzig, sich nicht so einfach durchführen ließ – es herrschte Ratlosigkeit.

    Vom Flur zu Hans’ Privatbereich hörte man den Befehl „uffmacha!" Bis Hans jedoch realisierte, der Mann stand vor seiner Wohnungstüre, brach der sie schon mit dem nervigen Ton splitternden Holzes auf.

    Von den anderen beiden stürmte einer das Klo, der zweite stemmte die Türe zum Ausgangsbereich mit der Schulter auf und lief über die kurze Treppe nach unten.

    Im Laden wurde erneut „hinleschea verdammt!" geschrien – denn auch die hochdeutsche Variante brachte nicht den gewünschten Erfolg. Der Schreier fuchtelte mit seiner Waffe herum, um der Sache mehr Nachdruck zu verleihen; zugleich gab er seinem Kollegen einen Stoß in die Rippen, damit der ihn gefälligst unterstütze.

    Leo löste sich aus seiner Erstarrung, rappelte sich aus dem Friseurstuhl raus, in den er sich verheddert hatte, und bewegte sich mit hilfloser Geste auf die grimmig guckenden Polizisten zu.

    Verhalten merkte er an „wie soll das gehn – Sie sehen doch, der Laden hat keinen Platz für sechs Mann auf dem Boden."

    Die Uniformierten sahen auf und mussten erkennen – ja, das konnte tatsächlich nicht klappen. „Jo, dann, dann, stellt eich hall hint an’d Wand hi", meinte der Schreier; den Ton setzte er schon wesentlich weicher an, trotzdem untermauerte er die Aussage mit einer harschen Bewegung seiner Waffe.

    Hans Gäste, noch vollkommen verwirrt, gehorchten. Brav reihten sie sich an der Wand vor den jetzt leeren Regalen auf. Dabei wurde noch die eine oder andere Tube mit quietschendem Geräusch zertreten, und müde wirkende Strahlen nicht definierbarer Masse machten den Boden glitschig, dazu es stank wie in einem Puff der weniger eleganten Sorte.

    Die drei Polizisten aus den hinteren Räumen kamen zurück und bildeten mit ihren Kollegen einen dichten Kreis. Sie tuschelten aufgeregt miteinander, zuckten zwischendurch hilflos mit den Schultern, was zusammen mit dem bedauernden Kopfschütteln auf ein ziemlich erfolgloses Manöver hinzuweisen schien.

    Auf der Straße war die schnell näher kommende Sirene eines weiteren Polizeiautos zu hören, das kurz darauf forsch auf den Bürgersteig auffuhr. Ein junger Mann stieg federnd aus, nahm die Stufen im Laufschritt und trat siegesgewiss in den Laden. Sofort gruppierten sich die Uniformierten eifrig redend um ihn. Nur einen schnellen, überraschten Blick war dem Neuankömmling das entstandene Desaster wert, dann konzentrierte er sich wieder auf seine Kollegen, die wild gestikulierend auf ihn einredeten.

    Hans, der noch hinter dem Tresen stand, fasste sich endlich und brüllte mit sich überschlagender Stimme „was ist eigentlich hier los? Kann mir das mal jemand erklären?! Sie stürmen hier rein, demolieren meinen Laden, scheuchen meine Kunden an die Wand -",

    „ah, Sie sind der Besitzer!?", unterbrach ihn der junge Mann in herrisch lautem Ton, hob den Kopf an und streckte das Kinn nach vorne. Er richtete seinen Zeigefinger auf Hans, gleichzeitig ging er mit klackenden Absätzen und gemessenen Schrittes ein paar Meter auf ihn zu.

    Dieses ‚auf Hans zugehen‘ schien jedoch sein Ego nicht zu vertragen; er blieb abrupt stehen (mit Doppelklack) und winkte ihn dafür mit Ungeduld signalisierender Geste herbei.

    Hans kochte, das war jetzt alles zu viel für ihn. Er holte schon kräftig Luft, um ‚diesen jungen Fatzke‘, wie er sich dachte, seine Meinung zu geigen. Er stemmte bereits die Arme in die Seiten und kam mit hochrotem Kopf heran.

    Doch was allen in diesen Minuten entging - es gab da auch noch Otti. Der kroch, während der junge Mann mit seiner Selbstdarstellung beschäftigt war, unter dem Brett hervor.

    Otti hatte die Stimme von Leo vernommen, die für ihn nach Furcht oder Bedrängnis klang. Und

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