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Der kleine Kommandant: Die Geschichte eines Zeitzeugen
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eBook344 Seiten2 Stunden

Der kleine Kommandant: Die Geschichte eines Zeitzeugen

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Über dieses E-Book

Der Autor lässt den Leser am wechselhaften Kriegsgeschehen des Zweiten Weltkrieges von den erfolgreichen Blitzkriegen bis zum verlustreichen Rückzug über mehrere Jahre und die letzten Durchbruchsversuche aus Einkesselungen durch seine authentische Schilderung teilhaben. Der soldatische Dienst als Funker in einer Sicherungsdivision änderte sich mit der jeweiligen Lage bis hin zum Infanteristen am Maschinengewehr.
Die Erniedrigung und Ausbeutung als Bergarbeiter in der anschließenden russischen Gefangenschaft von drei Jahren bei Mangelernährung wird zur größten Herausforderung dieser Jahre.
Selbst in den bedrückendsten Situationen ist der Überlebenswille für die Familie die tragende Motivation für die Bereitschaft zur Anpassung. Die Fähigkeit soziale Kontakte aufzubauen, der Mut, Verantwortung zu übernehmen, und die stabile psychische Verfassung erweisen sich als Rettungsanker.
Nach der Vertreibung der Familie aus Schlesien muss sich die Ehefrau mit einem Neugeborenen, den Töchtern und den Eltern in Niederbayern unter kärgsten Bedingungen am Leben erhalten. Nach den ersten Informationen ist das Schicksal des Ehemannes noch unklar, bald stellt sich aber heraus, dass er in Gefangenschaft noch lebt.
Der Verlust der geliebten Heimat hat den langen und mühsamen Weg zur beruflichen und gesellschaftlichen Wiedereingliederung zwar behindert, aber nicht aufhalten können.

Der Herausgeber ließ den Text bis auf wenige Korrekturen unverändert. Die respektvolle Auswahl der Bilder, persönlichen Briefe und Dokumente vermittelt zusätzliche Einblicke in die familiären Beziehungen, die erschwerte Kommunikation und die Folgen für die weitere Lebensgestaltung der Familie.

Für eine vertiefende Beschäftigung mit diesem Zeitabschnitt der Geschichte finden interessierte Leser Anregungen im Literaturverzeichnis.

Kommentar einer jungen Erstleserin: "Das sollte jede(r) mal gelesen haben!"
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum22. Juni 2021
ISBN9783347265318
Der kleine Kommandant: Die Geschichte eines Zeitzeugen

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    Buchvorschau

    Der kleine Kommandant - Alfred Glatzer

    Der Zweite Weltkrieg

    Die Machtergreifung durch die NSDAP

    „Wer Hitler wählt, der wählt den Krieg!" hatte der aus meiner Heimatstadt Reichenbach/Eulengebirge stammende Reichstagspräsident Paul Löbe (SPD) bei den Reichstagswahlen im Jahr 1932 (es musste mehrmals eine neue Regierung gewählt werden) in weiser Voraussicht gesagt.

    Die Hitler-Partei (NSDAP = National-Sozialistische-Deutsche-Arbeiter-Partei) unter Führung von Hermann Göring verlor zuletzt bedeutend an Stimmen und hatte im November 1932 nur noch ein Drittel der Reichstagsmandate inne. Aber dass sich das Volk trotz enormer Propaganda, massivem Druck des Staatsapparates und wildem Terror der Nazi-Kampfverbände, trotz Massenarbeitslosigkeit, wachsendem Elend und Schikanen aller Art vonseiten der Unternehmer zu fast zwei Dritteln gegen die faschistische Diktatur ausgesprochen hatte, spielte keine Rolle mehr. Die Macht im Staate hatte nicht das Volk, auch nicht Parteien, sondern die Konzerne und die mit ihnen verbündeten Militärs. Diese entschieden über das Schicksal eines 60-Millionen-Volkes.

    Es schien den Herren der großen Konzerne der geeignete Augenblick zu sein, anstelle der Diktatur eine faschistische Diktatur zu installieren. Sie baten den Reichspräsidenten schriftlich um baldige Errichtung einer Hitler-Diktatur. Sie wollten nur nicht, dass dies in der Öffentlichkeit bekannt würde.

    Zunächst ging von Hindenburg auf diese Vorschläge nicht ein und war nicht bereit, dem Drängen nachzugeben und Adolf Hitler, einem gerade erst eingebürgerten ehemaligen Gefreiten der Landwehr-Reserve ohne erlernten Beruf, die Regierungsgewalt zu übertragen. Erst am 30. Januar 1933 entschloss sich der greise Reichspräsident (nach Beratung mit seinem Sohn), Adolf Hitler, den Führer der NSDAP, zum Reichskanzler zu ernennen.

    Nun war der Weg frei für die Expansionspläne der Nazis. Durch Ernennung des Generals von Blomberg zum Reichswehrminister war sichergestellt, dass die Reichswehr der neuen Regierung Hitler militärischen Beistand leisten würde.

    Hitler erlangte die Zustimmung der Minister und Hindenburgs zur Auflösung des vor noch nicht drei Monaten gewählten Reichstags und die Ausschreibung von Neuwahlen für den 5. März 1933. Jetzt begannen die Nazis einen Wahlkampf, bei dem sie erstmals die gesamten Propaganda- und Machtmittel des Staates für ihre Zwecke einsetzen konnten.

    Am 27.02.1933 entstand durch Brandstiftung im Reichstagsgebäude ein Großfeuer, das den deutschen Bürgern als „Signal zum Aufstand" der Kommunisten gedeutet werden konnte. Es ist jedoch sicher, dass die KPD oder andere Linke mit der Brandstiftung nichts zu tun hatten.

    Die Naziführer nahmen den Reichstagsbrand zum willkommenen Vorwand, die Verfassung praktisch außer Kraft zu setzen und den Terror gegen Linke zu vervielfältigen durch eine Notverordnung vom 28.02.1933, die zur Verhinderung des angeblichen kommunistischen Terrors die Beschränkung der persönlichen Freiheit höchsten Maßes erlaubte. Tausende von Kommunisten, Sozialdemokraten und missliebige Liberale wurden eingesperrt und misshandelt.

    Nach der Wahl am 5. März 1933, die der Regierung Hitler nur eine knappe Mehrheit brachte, fand man einen genialen Ausweg: Der neue Reichstag sollte sich selbst entmachten und der Regierung die Vollmachten erteilen, künftig ohne Parlament Gesetze zu erlassen.

    Das am 24. März 1933 in Kraft getretene „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" (Ermächtigungsgesetz) beseitigte die Demokratie und gab der Regierung Hitler die uneingeschränkte Befugnis zur Gesetzgebung. Der Reichstag wurde für vier Jahre in die Ferien geschickt.

    Durch das Gesetz vom 14. Juli 1933 wurden sämtliche Parteien außer der NSDAP verboten.

    Es begann ein gewaltiges Aufrüsten mit dem Ziel, Deutschland durch einen Krieg größer und „herrlicher" zu machen, ein alles beherrschendes Groß-Deutschland zu schaffen.

    Der bereits vor der Machtübernahme begonnene Bau der Autobahnen wurde im Zuge der Kriegsvorbereitungen gefördert und die Waffenproduktion verstärkt.

    Im Jahre 1935 wurde die allgemeine Wehrpflicht eingeführt und die Reichswehr in „Deutsche Wehrmacht" umbenannt.

    Am 12. März 1938 marschierten deutsche Truppen in Österreich ein, und am 13. März 1938 wurde der Anschluss Österreichs an das Reich vollzogen. Nach dem Münchner Abkommen musste die Tschechoslowakei das Sudetenland an Deutschland abtreten, und im Herbst 1938 wurde das Rumpfgebiet Böhmen und Mähren von deutschen Truppen besetzt und zum Reichsprotektorat erklärt. Groß-Deutschland war entstanden.

    Nun begann man Polen zu provozieren mit der Begründung, die in Polen lebenden Deutschen würden schlecht behandelt, unterdrückt und müssten oft sogar fliehen. In Schlesien, auch in meiner Heimatstadt, wurden Mittel zum Bau von Flüchtlingswohnungen bereitgestellt.

    In Ermangelung von Flüchtlingen aus Polen wurden diese Wohnungen an Einheimische vermietet. Ich bekam eine solche Wohnung in der Ernsdorfer Straße 10.

    Hitler hatte zwar in der Münchner Konferenz wegen der „Sudetenfrage" den Westmächten das feierliche Versprechen gegeben, fortan keine territorialen Forderungen in Europa zu stellen. Aber die meisten Deutschen waren überzeugt davon, dass Hitler keinen Augenblick daran gedacht hatte, dieses Versprechen auch zu halten.

    Denn nachdem er am 23.08.1939 mit der Sowjetunion einen Nichtangriffspakt abgeschlossen hatte, fiel er am 1. September 1939 in Polen ein.

    Das war der Beginn des zweiten Weltkrieges.

    Gezwungen zur Wehrmacht

    Wäre es nach mir gegangen, hätte ich niemals in meinem Leben den grauen Rock des Soldaten angezogen, denn ich hatte im Alter von sechs Jahren den Ausbruch des Ersten Weltkrieges erlebt.

    Mein Vater war im August 1914 zum Wehrdienst eingezogen und 1917 beim Kampf in Frankreich schwer verwundet worden (Bauchschuss, Verletzung der Nerven im rechten Bein und Lähmung des Fußes).

    Die Nöte und Entbehrungen während des vierjährigen Krieges hatten meine Mutter und ich, wie viele andere Familien zu spüren bekommen. Mein Vater konnte nach der Entlassung aus dem Lazarett im Jahre 1918 seinen Beruf als Webmeister (Stuhlmeister) in der Textilindustrie nicht mehr ausüben. Das Renteneinkommen war sehr gering, sodass meine Mutter zur weiteren Arbeit in der Textilfabrik gezwungen war. Unter der schlechten körperlichen und seelischen Verfassung meines Vaters hatten meine Mutter und ich sehr zu leiden. Für uns hatte der Krieg furchtbare Schrecken gebracht.

    Der Krieg ging verloren, das Kaiserreich brach zusammen, die junge Weimarer Republik hatte es unter den herrschenden Umständen sehr schwer, und alle politisch Linken (zu denen wir gehörten) und durch den Krieg Geschädigten schworen: „Nie wieder Krieg!"

    Erst die rechte Nazi-Bewegung seit den zwanziger Jahren predigte wieder für die Schaffung von Groß-Deutschland: „Volk ans Gewehr!"

    Im Alter von 10 Jahren (1918) wäre ich gern ins Real-Gymnasium übergetreten, aber meine Eltern konnten leider das damals noch für den Besuch von höheren Schulen zu zahlende Schulgeld nicht aufbringen. Und so arbeitete ich nach Beendigung einer dreijährigen Lehrzeit beim Magistrat der Stadt Reichenbach dort als Verwaltungsangestellter.

    1931 heiratete ich die Tochter des sozialdemokratischen Stadtrates Hermann David, einem angesehenen Tischler- und Drechslermeister.

    Nachdem am 30. Januar 1933 die Nazis die Regierungsmacht übernommen hatten, wurde ich im Herbst 1933 wegen meiner politischen Einstellung aus dem Dienst entlassen, aber wegen speziellen Kenntnissen im Frühjahr 1934 wieder eingestellt.

    Alle wehrfähigen Bediensteten der Stadtverwaltung wurden nach Wiedereinführung der Wehrpflicht (1935) vorzeitig erfasst und Ersatz-Einheiten der deutschen Wehrmacht zugeteilt. Es war bekannt, dass ich das Morse-Alphabet beherrschte, weshalb ich zu einer Funk- und Fernsprech-Kompanie kam. Mit dieser Ersatzeinheit hatte ich 1936 und 1938 an vormilitärischen Übungen in Oberschlesien (Jägerndorf/Troppau und Katscher – genannt Hundekatscher) teilnehmen müssen. Schon im Frühling 1939 sickerte durch, dass die Mobilmachung gegen Polen bevorstehe.

    Es wunderte mich daher nicht, als am 26. August 1939 um 3 Uhr früh ein Hitlerjunge den Befehl brachte, am selben Tage in den Mobilmachungsort Grunau-Jakobsdorf einzurücken.

    Mit Bekannten fuhr ich um 8 Uhr mit der Eisenbahn nach Kroischwitz und mit einem Milchauto nach Grunau-Jakobsdorf. Meine fürsorgliche Frau hatte mir ein Paar Winter-Handschuhe mitgegeben. Die Kameraden lachten darüber. Wir bekamen unsere Klamotten (meist passten sie nicht und mussten umgetauscht werden), zogen sie im Garten des Standorthofes unter viel Gelächter an und waren bald ein uniformierter Haufen; nämlich eine Nachrichten-(Funk- und Fernsprech-)Kompanie.

    Einer unserer Unteroffiziere (Willi Urban aus Reichenbach) hatte das Pech, an seinem heutigen Hochzeitstage zum Wehrdienst einberufen zu werden. Er wurde standesamtlich und kirchlich getraut und brauchte daher erst nachmittags einzurücken.

    Die erste Nacht schliefen wir auf Stroh in der zugigen Scheune des Bauernhofes, nachdem wir die nagelneuen Schießgewehre (Karabiner 98) mit dem widerspenstigen Riemenzeug versehen hatten.

    Am nächsten Tage fuhr ein Teil der Kompanie nach Schweidnitz zum Empfang der Funk- und Fernsprechgeräte. Nachmittags erschien plötzlich eine Menge motorisierter Frauen aus Reichenbach und Umgebung, um ihre inzwischen uniformierten Männer zu besichtigen und nochmals Abschied zu nehmen. Auch meine Frau war dabei und brachte mir Grüße von meiner Mutter und meinen beiden Kindern Irene und Herta (fünf und drei Jahre alt).

    Am nächsten Morgen ging die Fahrt unserer Kompanie über Breslau und Öls nach Militsch, nahe der polnischen Grenze. Dort hatten wir unseren ersten Toten. Ein übereifriger Posten (wir bewachten uns ja selbst) erschoss nachts einen Kameraden, der auf den Anruf „Parole!" nicht sofort geantwortet hatte.

    Der Überfall auf Polen

    Aktive Truppen überschritten am 1. September 1939 die polnische Grenze, in unserem Frontabschnitt ohne großen Widerstand. Die Infanterie-Einheiten unserer Division folgten als zweite Welle und erreichten nachmittags die polnische Stadt Kalisch, wo uns die polnische Bevölkerung begrüßte und uns Getränke anbot. Wir durften jedoch auf Befehl nichts annehmen.

    In den nächsten Tagen brachen die deutschen Truppenverbände mit massivem Panzer- und Luftwaffeneinsatz in das gesamte polnische Gebiet ein und warfen die polnische Militärmacht in einem Blitzkrieg von zehn Tagen nieder.

    Nahe der vollkommen zerbombten Hauptstadt Warschau kämpfte bis zuletzt die Festung Modlin.

    Eine Artillerie-Einheit unserer Division bekam den Befehl, diesen letzten Widerstand zu brechen. Der Funktrupp, zu dem ich gehörte, wurde zu einer Batterie der Artillerie abkommandiert. Aus der Festung feuerten nur noch drei Geschütze. Uns konnten sie nichts anhaben, weil wir im toten Winkel lagen. Nach einem schweren Bombardement unserer Artillerie ergab sich die Festung Modlin und hisste weiße Fahnen. Unsere Funkstelle meldete der Division die Kapitulation.

    Endgültig kapituliert hat Polen erst am 27. September 1939.

    Nach unserem wichtigen Einsatz bei der Festung Modlin sahen wir auf der Rückfahrt das furchtbar zugerichtete Warschau.

    Unser Funktrupp bezog Quartier in Warschau-Praha im Hause einer Familie Breitfusowy. Die verwitwete Frau und ihr vierzehnjähriger Sohn waren sehr freundlich zu uns. Unteroffizier Erhard Elster und ich spielten mit dem Sohn je eine Partie Schach. Er besiegte jeden von uns.

    Im schönsten Schlaf erwachten wir von einem furchtbaren Gestank. Durch eines der offenstehenden Fenster hatten uns nicht freundlich gesinnte Polen zwei Stinkbomben ins Zimmer geworfen. Der penetrante Gestank belästigte uns noch lange. In unserer Sorglosigkeit hatten wir für die Nacht keinen Wachdienst eingerichtet.

    Am nächsten Tag fuhr unsere Nachrichten-Kompanie nach Kielce, einer Stadt am Fuße des Lysagora-Gebirges. Unterwegs hatten wir einen schrecklichen Anblick: an einem Grabenrand lagen neun deutsche Offiziere, die zum Teil entkleidet und von polnischen Widerstandskämpfern auf grausame Weise verstümmelt und ermordet worden waren.

    Unsere Funkstelle wurde in Kielce zunächst im Hause eines Lehrers untergebracht. Die Angehörigen der Familie sprachen nur Polnisch und Französisch und hielten sich bewusst fern von uns.

    Nach einer Woche zog die Funkstelle in eine Vier-Zimmer-Wohnung mit Küche und Bad in der Nähe des Divisionsstabes.

    Außer drei fehlenden Betten beschafften wir uns noch einen konfiszierten Radio-Apparat. Da wir unsere Lebensmittel vom Heeres-Verpflegungsamt roh bekamen, brauchten wir eine Köchin. Die Division schickte uns ein nettes polnisches Mädchen, das gut kochen konnte. Das Mädchen war glücklich darüber, dass es alle von uns nicht benötigten Lebensmittel zu seiner Familie mitnehmen durfte, denn dort schien Schmalhans Küchenmeister zu sein.

    Der Funkdienst war sehr ruhig, weil zu den anderen Einheiten der Division meist bereits Fernsprechverbindungen bestanden.

    Die Kompanie erhielt im November den Befehl, nach Wlodawa überzusiedeln, einer Stadt am Bug, dem Grenzfluss zur Sowjetunion. Unser Funktrupp musste zu einem Regiment, das in einem Dorf in der Nähe von Schloss Adampol lag.

    Auf der Fahrt dorthin, abends, folgten wir einem Regimentswagen, der ohne eine Richtungsänderung anzuzeigen, plötzlich nach rechts abbog. Wir bogen zu zeitig rechts ab und landeten mit unserem Funkwagen im tiefen Straßengraben, flogen wild durcheinander, ohne ernstliche Verletzungen zu erleiden. Ein neu zugeteilter Funker hatte sein Fahrrad hinten an unserem Wagen befestigt. Das war bei der Landung im Graben zusammengequetscht worden. Große Bemühungen waren erforderlich, um unseren Wagen wieder auf die Straße zu bringen.

    Im Schloss Adampol hatten wir zwei schöne Räume. Der Kommandeur dieses Regiments veranstaltete oft Wildschweinjagden, zu denen er auch die Besatzung der Funkstelle heranzog, denn wir hatten wenig Funkverkehr. Die Verpflegung war sehr gut, es gab nur zu oft Wildschweinbraten. Wir dachten viel an unsere fernen Familien, als wir dort das Weihnachtsfest feierten.

    Heimaturlaub

    Am 30. Januar 1940 bekamen mehrere Funker und ich Heimaturlaub. Wir und Kameraden des Regiments sollten mit einer „Ju" nach Breslau geflogen werden. Wartend am Flugplatz sahen wir das Flugzeug landen, allerdings auf dem Bauch. Die Maschine war defekt und hatte das Fahrgestell nicht ausfahren können. Die Landung verlief aber glücklich.

    Enttäuscht tippelten wir zum Bahnhof und fuhren mit dem nächsten Güterzug nach Lublin. Dort erwischten wir nach einiger Zeit einen unbeheizten Personenzug, der uns der schlesischen Heimat näherbrachte. Es war eine lange, kalte Fahrt, aber später konnten wir in einen warmen Zug umsteigen und gelangten über Breslau nach Reichenbach.

    Am Bahnhof erwarteten mich meine Frau und meine beiden Töchter. Irene, fünfeinhalb Jahre alt, kletterte über die Sperre und umarmte mich, während die drei Jahre alte Herta mich zunächst als Papa nicht anerkannte. Erst später beim Essen sagte sie: „Ja, du bist doch mein Papa!" Fünf Monate war ich weggewesen.

    Zwanzig Urlaubstage vergingen viel zu schnell. Meine Frau und ich lachten oft über die Winterhandschuhe, die sie mir im August fürsorglich mitgegeben hatte. Sie hatten mir gute Dienste geleistet. Meine Mutter war in meinem Urlaub oft bei uns. Sie freute sich sehr, war aber auch voller Sorge um die Zukunft ihres einzigen Sohnes.

    Zur Truppe zurückgekehrt lief der Funkdienst wie üblich weiter. Viele über vierzig Jahre alte Kameraden wurden in die Heimat entlassen. Für diese kam Ersatz aus Schwäbisch-Gmünd, echte Schwaben, die sich gut bei uns Schlesiern einlebten.

    Frankreich-Feldzug

    Im Bahntransport gelangte die Kompanie im März nach Österreich, und zwar nach Blumau an der Wild, nördlich von Wien. Wir bekamen nagelneue Kraftfahrzeuge (Kfz.2), die in den nächsten Wochen eingefahren werden mussten. Mit den

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