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Brav kann ich noch sein, wenn ich tot bin
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Brav kann ich noch sein, wenn ich tot bin
eBook412 Seiten5 Stunden

Brav kann ich noch sein, wenn ich tot bin

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Über dieses E-Book

Eine mutige Frau geht unkonventionelle Wege, um das wirkliche Leben ja nicht zu verpassen. Verwickelt in einen undurchsichtigen "Krimi" wächst sie über sich hinaus und gewinnt die Leichtigkeit des Seins schließlich wieder.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum17. Jan. 2017
ISBN9783734590481
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    Buchvorschau

    Brav kann ich noch sein, wenn ich tot bin - Ina Mosa

    Das erste Mal

    Sie stieg in die Straßenbahn der Linie zwölf ein und setzte sie sich auf den nächstbesten Platz. Dann wurde ihr siedend-heiß und sie sah sich verstohlen um. Nein, es war niemand im Waggon, der sie kannte. Sicher? Sie sah noch einmal in den hinteren Teil: nichts. Trotzdem saß sie nun keineswegs entspannt, sie spielte mit ihrem Rubinring, ohne ihn jedoch abzunehmen.

    War das, was sie heute vorhatte, nicht zu riskant?

    An der vierten Haltestelle stieg sie aus. Sie ging ein Stück weiter in Fahrtrichtung, schaute sich noch einmal um, bog dann rechts ab. Als sie an einem Schaufenster vorbei kam, kontrollierte sie ihr Aussehen: die Haare hatte sie frisch gefärbt, sie leuchteten rot und sahen dank der Naturlocken ziemlich attraktiv aus. Was man im Fensterglas nicht sehen konnte war, dass sie ein sorgfältiges Make-up aufgelegt und einen dunkelroten Lippenstift aufgetragen hatte. Mit diesem Teil ihres Konterfei war sie durchaus zufrieden. Ansonsten sah sie einen schwarzen, langen Mantel, Stiefel, ein dunkelrotes Tuch um den Hals. Natürlich sah sie sich kritisch an, denn wie so viele Frauen fand auch sie, dass ein paar Kilo weniger schon schöner wären. Sie seufzte. Das haut halt in meinem Alter nicht mehr hin, dachte sie und bemühte sich ehrlich, sich zu freuen, dass sie noch lange keine Matrone war. Immerhin war sie knapp über sechzig.

    Bis vor drei Jahren war sie immer jünger geschätzt worden, von Kollegen und Bekannten, manchmal auch von Fremden. Das hatte aufgehört, nachdem sie schwer krank geworden war. Ihr Aussehen hatte sich unwiderruflich verändert, sie versuchte es durch einen gepflegten Gesamteindruck wieder auszugleichen, je nach dem, wie es ihr gerade ging, mit mehr oder weniger Erfolg. Heute war ihr der Erfolg besonders wichtig – obwohl ja eigentlich sie diejenige war, die etwas verlangen durfte.

    In diesen Teil der Stadt kam sie sonst nie. Auch jetzt kamen ihr Zweifel, ob das richtig war, was sie jetzt tun würde. Verrückt war es schon. Aber verrückt war sie ja schon immer. Oder wie ihre Freundin meinte: sie wäre vielleicht etwas schrill. Also noch schriller als Elke? Ging das? Trotzig dachte sie, als sie um die letzte Ecke bog: Dann bin ich eben schrill, verrückt, alles was ihr wollt, besser als brav und bieder und nichts erlebt.

    Hier war schon die Hausnummer sieben. Mulmig wurde ihr aber durchaus. So etwas hatte sie noch nie getan. So etwas hatte sie bisher verachtet. Die Adresse hatte sie von einem Kollegen. Natürlich hatte sie ihm nicht gesagt, dass es für sie selbst ist. Sie konnte nur hoffen, dass sie die Spuren wirklich gut genug verwischt hatte! Noch einmal sah sie sich unauffällig um und klingelte bei „Winter", Hausnummer elf.

    Das Treppenhaus war grün gekachelt, sehr hell, modern und roch nach Putzmittel. Eine Stufe nach der anderen, langsam und gemessen, nahm sie unter ihre Stiefel, zwei Stockwerke hoch. Die fremde Frau stand unter dem Türstock und lächelte ihr entgegen. Sie gab ihr die Hand und stellte sich als Juliana vor. Aber das wusste sie ja schon. Also erwiderte sie, was die andere auch schon wusste:

    Mein Name ist Vera.

    Zum Umkehren war es wohl zu spät. Vera musterte die Blondine. Sie trug ein bodenlanges, undurchsichtiges Negligé, das beinahe seriös war. Schnitt und Material waren geschmackvoll. Juliana war sparsam geschmückt und dezent geschminkt. Eigentlich eine ganz normale Frau. Wenn man etwas näher an sie heran trat, konnte man im Licht der Garderobe die feine Narbe über der rechten Wange sehen. Dann sah man auch, dass ihre Augen tiefblau wie ein Fjord waren, wunderschön und seltsamerweise gar nicht kalt. So als wäre da ein geheimes Lächeln hinter ihren Augen. Sie war schlank, aber nicht dünn, sogar eher ein bisschen stattlich, hochgewachsen. Sie sieht aus wie eine nordische Göttin, dachte Vera. Sie war froh, dass ihr die Frau so gut gefiel, dass sie so sympathisch war, das erleichterte ihr die heikle Sache doch sehr. Sie entspannte sich ein wenig.

    Was ist mit dem Geld? fragte sie, als sie das Wohnzimmer betrat.

    Leg es einfach dorthin, sagte Juliana und war schon halb abgewendet, als würde das Geld ihr eine eher lästige Angelegenheit sein. Vera legte den vereinbarten Betrag auf die Glaskonsole, auf die sie gedeutet hatte.

    Was möchtest du trinken?

    Oh, ich weiß nicht.....

    Ist im Preis enthalten, du hast freie Auswahl. Ich habe Wodka, Gin, Sekt oder Kognak.

    Vor allem hast du eine schöne Stimme, dachte Vera.

    Dann gib mir bitte einen Gin-Tonic.

    Ich muss eben Eis holen.

    Und sie verschwand durch eine Tür, hinter der sich wohl die Küche befand. Vera konnte sich nun umsehen. Alles gefiel ihr. So wie die Frau war, elegant, dezent, seriös, ja gediegen, so war auch das Appartement: ein dunkelgrüner Teppichboden, weiße Voilé-Vorhänge, Messingtischchen strategisch geschickt im Raum verteilt, eine sandfarbene Velours-Couch, in der Mitte ein Messingbett mit grünen Decken und Seidentüchern, mit weißen und cremefarbenen Chiffon-Bahnen über dem Messing-Betthaupt drapiert. Es war sogar gemütlich.

    Sie hatte sich kaum einen Eindruck gemacht, da kam Juliana mit dem Glas, reichte es ihr und forderte sie wortlos mit einer Handbewegung auf, sich auf die Couch zu setzen.

    Vera wurde nun doch wieder nervös, sie wollte nicht darüber sprechen, was nun geschehen würde. Das hatten sie ja schon am Telefon besprochen. Als sie etwas gequält zu der sympathischen Frau hinüber sah, sah sie in diesem Licht, das sich von einem Deckenfluter gleichmäßig in der ganzen Zimmerecke verteilte, dass Juliana auch schon um die fünfzig war. Gott-sei-Dank. So ein junges Ding hätte sie nicht haben wollen, unter vierzig geht gar nicht, dachte sie und trank einen kräftigen Schluck. Nun war sie wieder entspannter, auch weil der Alkohol sofort wirkte. Sie hätte etwas essen sollen, dachte sie bestürzt, sie wurde doch so schnell betrunken.

    Als hätte Juliana ihre Gedanken gelesen, stand sie auf und ging zügig und gemessenen Schrittes in die Küche. Sie brachte eine Schale mit Keksen und eine mit Salzgebäck mit.

    Du brauchst noch eine Unterlage für den Gin. Sie lachte ein bisschen und schuf damit eine vertraute Stimmung. Vera begann sich wohlzufühlen. Das gehört sicher zu ihrem Geschäft, dachte sie.

    Möchtest du Musik hören? Ein wenig Jazz, ganz leise?

    Vera nickte nur. Die Musik war ganz nach ihrem Geschmack und sie wunderte sich einmal mehr. Dann bekam sie ein schlechtes Gewissen. Was hatte sie erwartet? Hier eine Frau zu finden, die genau ihren spießigen Klischees entsprach? Aber eigentlich war sie ja gar nicht spießig. Und nach diesem Abend ganz gewiss nicht.

    Ist das okay, dass wir uns heute Abend duzen?

    Sie nickte. Dann wollte sie doch lieber was sagen, nur damit auch die andere mit ihrer angenehmen, samtig-dunklen Stimme etwas sagen würde, in ihrem leicht osteuropäischen Akzent. Bist du Polin?

    Gut geraten, und du? Bist Deutsche, rein arisch? Sie lachte wieder so ein bisschen, ein kleines Lachen, Gott-sei-Dank lachte sie.

    Vera lachte mit und stellte dann klar:

    Nein, ich glaube nicht, es wurde in unserer Familie immer gemunkelt, dass da mal holländische Juden mitgemischt haben, aber irgendwie konnten das meine Großeltern verheimlichen. Wie gut, dass wir uns heute mit so einem Quatsch nicht mehr beschäftigen müssen.

    Nein, müssen nicht, aber es gibt ein paar, die sich durchaus gerne damit beschäftigen.

    Na ja, ich habe nur Freude daran, wenn ich einen Dialekt zuordnen kann. Jedenfalls wenn es so ein reizender ist.

    Du lass mal, es war nur ein Scherz, sonst wird mir die Schleimspur in meiner Wohnung zu lang.

    Und wieder lachte sie, aber nun ein bisschen lauter.

    Vera wollte nun keinen Gin mehr trinken, sie wollte nur angenehm entspannt sein für das, was nun kam, nicht betrunken, bloß nicht weggetreten. Sie wollte jede Sekunde voll da sein. Wortlos nahm Juliana ihre Hand, sie kann wirklich meine Gedanken lesen, dachte Vera noch, stand auf und ließ sich zum Bett führen. Dann dachte sie nichts mehr.

    Sie spürte, wie die ruhigen und geübten Finger der Frau ein Kleidungsstück nach dem anderen von ihrem Körper entfernten. Der dunkelblaue Pullover, der schwarze Wollrock und die Strumpfhose lagen auf dem Stuhl, und Juliana machte eine kleine Pause.

    Ist dir warm genug?

    Vera nickte und ließ sich sanft und liebevoll betten. Wie gut doch dieses fürsorgliche Wort hier passte. Nun dachte sie doch, aber es waren angenehme Gedanken, die kamen und gingen, und in die sie hineinfiel wie in eine milde Emulsion.

    Als sie gebettet war, noch bevor Juliana mit dem Entkleiden fortfuhr, fühlte sie starke und kundige Hände über ihren Bauch streichen, dann sanfter streicheln. Vera vergaß, dass ihr Bauch ein Schlachtfeld aus Operations- und Schwangerschaftsnarben war. Sie vergaß, dass er rundlich war. Sie fühlte, dass sie eine Frau war. Einfach eine Frau. Sie fühlte Begehren.

    Juliana löste ihr den BH und legte ihn genauso sorgfältig auf den Stuhl wie alles andere. Anscheinend weil der Slip aus dem gleichen Material war, Vera hatte sich das Set extra neu gekauft, wurde er gleich mit entfernt. Doch so einfallslos, nun nacheinander in der üblichen und plumpen Reihenfolge Busen und Schoß zu bearbeiten, war Juliana nicht.

    Sie war mit Bauch, Rücken, Armen und Beinen noch lange nicht fertig. Seufzend ergab sich Vera den festen, zielsicheren Berührungen der Frau, nein, das war keine Massage im Stadtbad.

    Ihre erotischen Wahrnehmungsinstrumente wachten eines nach dem anderen auf und empfanden es ebenso lasziv, wie es die Techniken ihrer polnischen Meisterin waren.

    Endlich, nach einem kurzen Abstecher zu ihrem Po und – in aufreizender, ja meditativer Langsamkeit – ihrer Scham, für die sich zu schämen es heute Abend definitiv keinen Grund gab, kein Mensch und kein Mann bewertete hier irgendwas, endlich waren ihre Brüste dran, mit zarten Händen und dann auch wieder zupackendem Begehren, so als wäre es echt, und Vera ließ sich gerne und ganz bewusst täuschen. Denn es war ein Spiel und sie wollte, dass es ein gutes Spiel wurde, das sein Geld wert wäre. Sie jedenfalls würde ihre Rolle spielen und sie war entzückt und wurde immer entzückter, dass Juliana mitspielte und dass sie virtuos spielte.

    Diese schenkte nun ihre Zuwendung den Lippen, die aus unerfindlichen Gründen Schamlippen heißen, und ihre Zunge fand das Juwel des Weibes, ihre Klitoris. Sie gab nun wirklich alles, und gekonnt umkreiste ihre Zungenspitze die winzige Eichel.

    Sie sah, wie Vera sich von der Lust davontragen ließ. Sie sah die typischen Flecken in ihrem Gesicht und auf ihrem Dekolleté, sie hörte ihr wortloses Seufzen, Klagen, Jammern, Wimmern und ihr erleichtertes, zustimmendes Ausatmen. Schließlich, nach festen wie sanften, feuchten wie trockenen Griffen und Bewegungen, die sie ins Unendliche zu ziehen verstand, an die Grenze des Wahnsinns, als sie kurz vor dem Überkochen den siedenden Kessel mit geübtem Auge erkannte, tauchte sie erneut ihre Lippen zwischen die Lippen der Kundin, jedoch nicht die des Mundes, denn das wäre ihr streng verboten, das - ausgerechnet das - wäre zu intim, aber ein Cunnilingus war nicht intim, er war eine Leistung, für die sie bezahlt wurde.

    Allerdings war es in ihrem langen Berufsleben das erste Mal, dass sie, es mochte an der Stadt liegen, eine solche Leistung zu erbringen hatte. Eine Leistung, die also nun endlich und schließlich zur vollkommenen Zufriedenheit ihrer Kundin führte. Ja, sie war zu einem Orgasmus gekommen, insofern konnte auch Juliana mit sich zufrieden sein. Es war allerdings nicht unbedingt leichter gewesen, als mit einem Mann. Sie hatte sich schon gleich so etwas gedacht. Frauen sind einfach anspruchsvoller. Männer waren, was Sex angeht, einfach gestrickt. Und sie musste es schließlich wissen.

    Sie sah Vera ins Gesicht. Die hatte die Augen geschlossen und gab immer noch kleine Laute des Behagens von sich.

    Juliana ließ ihre Augen über den Körper der Frau wandern. Sie war es gewohnt, sich keine Meinung über ihre Kunden zu bilden. Es gab Kolleginnen, die das als Freizeitbeschäftigung betrachteten, rauchend und trinkend in ihrer Pause. Die sich über körperliche Schwächen lustig machten. Sie, Juliana, fand das geschmacklos.

    Kein Mensch konnte wissen und auch nichts daran ändern, was seinem Körper im Laufe eines langen Lebens zustieß. Vera hatte mal eine Bauchoperation gehabt, war das der Magen, oder war der auf der anderen Seite? Und sie hatte offensichtlich Kinder, oder zumindest eines. Ein Frauenleben eben. Dass sie ein bisschen aus der Form ging – wer glaubte, dass das Perfekte auch das Schönste ist, der hatte noch nicht wie sie so viele perfekte Körper gesehen. Die Schönheit ging nämlich von den Augen aus, nicht von erfüllten Nullachtfünfzehn-Normen für Oberweite, Taille und Hüfte.

    Und sie hatte in Veras Augen gesehen. Darin stand die Härte des Lebens und die Weichheit ihres Herzens. Aber auch eine Intelligenz, die von Aufrichtigkeit begleitet war.

    Vera beschloss, wieder ins Leben zurückzukehren. Sie öffnete also ihre Augen und sah ihrer Liebesdienerin ins Gesicht. Diese Narbe war interessant. Aber vielleicht hatte sie einen traurigen Hintergrund. Sie stammte vielleicht von einer Verletzung mit tragischem Entstehen. Schnell zog sie sich an. Sicher hatte Juliana bald den nächsten Kunden. Was musste das für ein Job sein? Sex am Fließband. Wie schaffte man das? An der Tür gaben sie sich ganz förmlich die Hand. Das passt, dachte Vera, es war schließlich eine geschäftliche Beziehung, die hier zum Abschluss gebracht wurde.

    Dieser Abend hatte ihre Sehnsucht auf keinen Fall beseitigt, aber doch einen kleinen Teil davon erfüllt. Es war die richtige Entscheidung gewesen, sie würde wieder kommen. Nicht erst, wenn sie wieder diesen ausgehungerten Körper hätte, nicht erst, wenn es ihr körperliche Schmerzen verursachte, nicht erst, wenn diese Hoffnungslosigkeit ausbräche, dass diesen Körper niemand mehr lieben will.

    Natürlich hatte sie auch bei Juliana keine Liebe erhalten, sie war nicht dumm und machte sich nichts vor. Aber es war doch eine liebevolle Dienstleistung, die sie erhalten hatte, von einer intelligenten Frau. Das war die eigentliche Überraschung gewesen. Dass sie ihren Körper fachfrauisch zu bedienen wusste, hatte sie erwartet. Dass sie das nicht als kühle und gleichgültige Geschäftsfrau getan hatte, fand sie überaus angenehm. Ja, doch, sie würde wieder kommen. Sie hatte noch einen großen Berg an Sehnsucht.

    Sie schloss ihr Appartement auf, in dem sie seit fünf Jahren lebte und das ihr überaus gut gefiel. Sie hatte einen Balkon, die Wohnung war saniert und technisch gut in Schuss. Es war jedes Mal toll, wieder nach Hause zu kommen und die Tür hinter sich zu zu machen, die Welt draußen und hinter sich zu lassen. Allerdings hatte diese Zufriedenheit in den letzten Monaten Risse bekommen. Das Gefühl des Heimkommens war auch das Gefühl geworden, in die Leere zu kommen.

    Eigentlich hatte sie immer, naja, was hieß immer, also nach einigen Erfahrungen in Ehe und Beziehungen, geglaubt, sie sei der Typ Mensch, der am besten mit der Lebensform des Alleinlebens klar kommt. Mit dieser Einsicht hatte sie sich den Frieden in ihrem Leben erhalten, nach den gescheiterten Beziehungen, nach den unerwiderten Verliebtheiten.

    Lag es auch am Alter? Jedenfalls fühlte sie neuerdings eine schier unerträgliche Einsamkeit, wenn sie in ihre Wohnung kam. Die sich auch nicht wesentlich und grundsätzlich auflöste, wenn sie sich mit Leuten, Freundinnen, Familie, traf oder diese zu sich einlud. Das war wohl einfach dieses Sehnen nach der einen Gefährtin, mit der sie nun doch gerne ihr Leben geteilt hätte. Eine Revolution der Lebensform wäre angesagt gewesen. Aber es sah nicht danach aus.

    Sie kochte einen Tee und machte sich ein paar Brote. Obwohl sie den Fernseher angemacht hatte, beschäftigte sie sich beim Essen mit dem, was sie bei dieser Frau erlebt hatte. Sie scheute sich, ihr die üblichen Bezeichnungen zu geben, am schlimmsten wäre das Wort Hure, viel zu viel Abwertung. Aber auch als Prostituierte mochte sie Juliana nicht sehen. Das beinhaltete nämlich, dass sie von jemandem prostituiert wird, jemand der sie ausbeutet. Sie war aber, Vera hatte extra danach gefragt, eine Selbständige. Nun, sie könnte ja sich selbst prostituieren. Wie sie es drehte und wendete, das war die realistische Berufsbezeichnung. Und wieso wollte sie die Frau unbedingt besser machen als sie war?

    Eigentlich würde sie doch gerne wissen, wie Juliana bisher gelebt, was sie erlebt und was für Erfahrungen sie gemacht hatte. Ob es auch bei ihr ein normales Frauenleben, bürgerlichen Beruf, Kinder, Ehemann, Partner, Familienleben gegeben hatte.

    Aber warum interessierte sie sich so für diese Polin? Vielleicht weil ihr dieses Erlebnis soviel bedeutet hat? Ach wo, es war ein körperliches Bedürfnis, und sie war die Frau gewesen, die sich auf den Deal eingelassen hat, dieses zu stillen, basta cosí!

    In diesem blöden Kasten kam aber auch nur noch Schrott! Wozu zahlte man bloß diese ganzen Gebühren? Irgendein Witzbold hatte ihr mal vorgerechnet, was all diese Sendungen, die man dann ja trotz allen Meckerns ansehe, im Kino kosten würden. Sie stellte also den Fernseher aus und nahm ein Buch in die Hand. Einfach nur essen, konzentriert, andächtig, oder wie das neuhochdeutsch neuerdings hieß: achtsam! - das ging schon lange nicht mehr. Alte Junggesellenkrankheit!, dachte sie, neuhochdeutsch: Single-Krankheit.

    Vera stellte noch das Geschirr in die Maschine und beschloss, es für heute gut sein zu lassen.

    Danach

    Als sie am nächsten Tag wach wurde, sah die Welt anders aus. Sie fühlte sich nicht nur zufrieden, sie war vielmehr erfüllt. Von was? Das hätte sie beim besten Willen nicht sagen können. Es war ein Singen in ihr und im obersten Teil ihres Dekolleté, zwischen dem rechten und dem linken Schlüsselbein, ein intensives Gefühl von Öffnung und Freiheit, als käme dort etwas zum Vorschein, was dort schon immer war. Sie zog die Vorhänge zurück und sah in eine trübe Vorfrühlingssonne. Immerhin war es bereits wieder um sieben Uhr hell.

    Vera streckte sich, ihr weißer Bademantel ging ein wenig auf und ihr weinrotes Nachthemd war für alle Nachbarn zu sehen. Sie kannte ihre Nachbarn alle ganz gut. Sie waren wie in einer großen Familie. Die Hausverwaltung wollte einen Keil in sie hineintreiben, verschickte Briefe mit Mahnungen, doch bite nicht die öffentlichen Flächen mit privaten Gegenständen voll zu stellen, es habe Beschwerden gegeben. Man verstieg sich sogar zu der Warnung, dass mehrfacher Verstoß gegen die Hausordnung zur Kündigung führen könne. Und man kenne die Verursacher der Klagen.

    Vera war verunsichert. Waren ihre überwinternden Balkonblumen im Treppenhaus gemeint? Ihr Wäscheständer in der Waschküche? Musste sie den jetzt immer zwischen den Benutzungen wegräumen? Sollte sie die nassen, gar mit salzigem Schneematsch verunreinigten Stiefel in die Wohnung auf das feuchtigkeitsempfindliche Parkett stellen? Wieso konnten die Leute das nicht untereinander regeln, warum mussten sie der Hausverwaltung Grund liefern, sich hier wie ein Kadi aufzuführen?

    Vor einigen Jahren hatte sie eine Eigentumswohnung besessen. Das war ein anderes Ding, da wurde man als Eigentümer hofiert. Es war zwar eine Dummheit gewesen zu verkaufen, kurz bevor die Preise in den Himmel schossen, aber eigentlich fühlte sie sich ja in ihrer Wohnung sehr wohl, besonders der schöne Balkon machte ihr Freude.

    Der Kaffee wurde mit einem Zischen in die Kanne der Espressomaschine gedrückt und Vera stellte schon mal den Becher mit der Milch bereit. Sie hatte weder Hunger noch Appetit. Mit dem Kaffeebecher ließ sie sich wieder am Fenster nieder und sah den Vögeln zu, die durch den Hof flogen, von Baum zu Baum und dabei laut zwitscherten und tschilpten. Sie liebte die Vögel. Eine Katze müsste sie nicht unbedingt haben, aber einen Hund hätte sie gerne.

    Sie war mit einem Schäferhund aufgewachsen, es war seit Jahrzehnten ihr heimlicher Traum, es schien so natürlich mit einem Hund zu leben, aber hier war Hundehaltung verboten. Die Vögel waren kein vollwertiger Ersatz, aber ein kleiner Trost. Vera fand die kleinen Tiere witzig und drollig, sie schauten so keck, besonders die Drosseln, wenn sie in den Hecken auf dem Boden hockten und in dem braunen, trockenen Laub raschelten.

    Aber nun würde sie sich anziehen müssen und zur Trambahn gehen. Mit ihrer Kleidung machte sie nicht viel Aufhebens. Rasch entschied sie sich für einen roten Pullover und zog dazu nochmal den schwarzen Wollrock an. Ein wenig Lidschatten und Mascara, es sollte nicht mehr als gepflegt aussehen.

    Wenn man die Leute in der Tram so studierte, verging die Zeit wie im Fluge. Ein Freund wiederholte gerne seinen Spruch: Der Herrgott hat einen großen Tiergarten. Es war vielleicht nicht nett, seine Mitmenschen als Tiere zu bezeichnen, aber die Vorstellung, dass Gott uns liebevoll in all unserer bisweilen merkwürdigen Individualität so nimmt, wie wir sind, hatte doch etwas Tröstliches.

    Es gab allerdings auch Gestalten, bei denen diese Vorstellung versagte, und Vera wendete ihren Blick dann gerne ab. Auch draußen gab es genug zu sehen, Menschen, die an ihren Arbeitsplatz hasteten, andere die ihren Hund ausführten. Diejenigen die Zeit hatten, die Cafés zu bevölkern, standen später auf, noch später.

    Um zehn vor neun erreichte Vera das Altenheim. Sie ging in den ersten Stock, zog sich im sogenannten Sozialraum um und betrat den Aufenthaltsraum. Sie desinfizierte fachgerecht ihre Hände, umarmte ihre Lieblingskollegin Helga, die heute erfreulicherweise mit ihr Dienst hatte und ging zu den Bewohnern, die an den Tischen saßen. Jedem gab sie die Hand, sprach laut und deutlich, vor allem aber freundlich, das heißt, eigentlich strahlte sie immer über das ganze Gesicht, denn sie liebte auch „ihre" Alten, fast so wie sie die Vögelchen liebte.

    Guten Morgen, Frau Kaiser! Haben Sie auch gut geschlafen? Oh, das tut mir Leid, dass Sie keine gute Nacht hatten. Wenn Sie der Schwester Helga Bescheid sagen? Vielleicht brauchen Sie ein bisschen mehr Schlafmittel?

    Frau Kaiser war eine der „schwierigen Bewohnerinnen. Sie wollte immer als „etwas Besonderes, wie die Kolleginnen wütend sagten, behandelt werden, denn ihr Mann war mal ein hohes Tier bei der Stadt gewesen. In ihrem Leben hat der Status immer eine große Rolle gespielt, heute, dachte sich Vera, wäre dieser Posten weiß Gott kein Grund mehr für irgendwelche Kratzfüße, und schon gar nicht gegenüber der Gattin.

    Aber einen alten und so stark geprägten Menschen wie Frau Kaiser, sinnierte Vera weiter, kann man ja nicht umerziehen, die arrogante Art war ihr einfach zur zweiten Haut geworden. Einem Menschen kurz vor seinem Tod, wo er sowieso nichts mehr hat, außer diesem elenden Zimmer, selbst als Frau Oberamtsdirektor Kaiser nicht, auch noch die zweite Haut zu nehmen, das war nicht nur grausam, es funktionierte auch nicht.

    Deshalb war sie zur Frau Oberamtsdirektor genauso herzlich, freundlich und warmherzig wie zu allen anderen, statt ihr ihre Miesepetrigkeit mit ebensolcher zu vergelten. Es gelang ihr sogar, der Frau mit dem majestätischen Namen das Gefühl von serviler Zuvorkommenheit zu vermitteln. So als wäre sie tatsächlich etwas Besonderes. Und wer weiß, vielleicht war sie das ja auch, oder zumindest gewesen. Was wusste Vera schon über das Leben der Frau Kaiser?

    Freilich stand was in der Dokumentationsmappe, auch Biografisches. Vera hatte es selbst hineingeschrieben. Und es war ihr gelungen, darüber hinaus das eine oder andere zwischen den Zeilen Gesprochene aus den inoffiziellen Auslassungen dieser stolzen Frau herauszuhören. Zum Beispiel, dass auch ihre Verwandten sie durchaus als unnahbar empfunden hatten. Aber irgendwann hatte Vera auch verstanden, dass diesem kühlen Wesen eine dramatische Verletzung vorausgegangen sein musste. Das war nun mal eine Generation, die „über so etwas" nicht redete, man konnte also nicht in sie hineinschauen. Man musste sich die Sachen zusammenreimen. Vera dachte während dieses Gesprächs, dass ihr das sogar irgendwie lieber sei als diese exhibitionistische Art, in der heutzutage alle Welt von jeder banalen Befindlichkeit per Mobiltelefon in Kenntnis gesetzt wurde. Wobei die ganze Mitwelt ebenfalls mithören musste. Da wäre durchaus öfter mal Zurückhaltung angesagt gewesen. Was die eine Generation zu wenig hatte, hatte die andere zu viel. Keine war besser als die andere.

    Als sie alle zwölf Damen und Herren begrüßt hatte, fragte sie in die Runde, ob sie denn schon die Zeitung gelesen hätten. Frau Medlin fragte keck, wer ihnen denn Zeitung vorlesen solle, wenn sie, Vera, noch nicht da sei.

    Ja, da haben Sie natürlich recht, Frau Medlin, die Helga hat dazu keine Zeit, die macht jetzt noch die Runde durch die Zimmer, aber wir hätten jetzt Zeit, mögen Sie wissen, was los ist in der Welt?

    Lieber nicht, krächzte der immer heisere Herr Stein und lachte. Vera lachte mit.

    Ach, ich glaub, heute ist es nicht so schlimm, kein Attentat, kein Banküberfall, kein Amoklauf, es ist direkt fad' gewesen gestern, wir müssen uns ans Rätsel halten.

    Nach dem zustimmenden Lachen der Bewohner der Station vier des Magdalenenstiftes las sie genau zwei negative und dann, damit sie im Gedächtnis hängenblieben, zwei positive Nachrichten vor. Anschließend kam die Klatschseite dran, die leider weniger interessant war als die bunten Blätter mit den Gesichtern des Adels und Hochadels vorne drauf. Aber zur Not ging 's. Vera bemühte sich nicht nur um klare Aussprache und langsames, aber flüssiges Lesen, sondern auch darum, beim Lesen immer wieder in die Runde zu schauen und nach vorne zu sprechen.

    Sie hatte eine Ausbildung zur Betreuungsassistentin gemacht, die zwar recht kurz war, aber mit ihren sonstigen Ausbildungen in Psychologie und Heilkunde sehr gut für die Arbeit mit Demenzerkrankten Menschen taugte. Dass sie so gut lesen konnte, lag daran, dass sie als junge Frau, lang war es her, mal einige Monate oder etwa ein halbes Jahr lang eine Schauspielausbildung gemacht hatte.

    Ihre Freunde fragten immer, gibt es irgendwas, was du nicht gemacht hast? Oh ja, es gab eine ganze Menge Berufe, die sie nicht gemacht hatte und das tat ihr auch sehr Leid. Aber was sie jetzt tat, das machte sie sehr gern. Jedenfalls solange sie bei den Alten war. Musste sie zur Pflegedienstleiterin oder dachte sie an den Träger des Heimes, dachte sie auch schon mal über einen Wechsel nach. Manchmal sogar über einen Wechsel in eine andere Branche. Wenn sie auf ihren Gehaltszettel sah, zum Beispiel. An dem konnte es jedenfalls nicht liegen, dass die Heimkosten so hoch waren.

    Aber diese Gedanken waren natürlich ganz weit außen vor im Kreise „ihrer lieben Alten", wie sie sie im Kollegenkreis charmant nannte.

    Nach dem Zeitungslesen schob sie, jeweils nach vorheriger Frage: Darf ich Sie....., die Herrschaften in einen Kreis, schob vier Stühle zwischen die Rollstühle und begleitete die dazugehörigen Damen und Herren vom Tisch zum Kreis, teils mit Rollator. Sie zog einen weiteren Stuhl heran und teilte große Liederbücher aus. So meine Herrschaften, Stimme ölen ist angesagt, froh singen, gut gelaunt werden, Frau Kaiser, Sie haben die Ehre: der erste Lied-Wunsch kommt heute von Ihnen.

    Vera kam sich immer ein bisschen wie ein Conferencier vor, aber genau das machte ihr auch Spaß. Das Leben war schon trüb genug, es war ihrer Meinung nach professionell, es mit etwas Clownerie, Varieté und – ja, durchaus auch bemühter – Heiterkeit anzureichern. Um alles im Leben musste man sich bemühen, warum also nicht um gute Laune? Besser als um Karriere, Aufstieg, Ansehen und Geld. Das war nämlich anstrengender, aussichtsloser und sinnloser als ein sonniges Gemüt zu erhalten. Ihre fröhliche Art war jedenfalls der Grund dafür, dass sie bei den Bewohnern so beliebt war und auch so erfolgreich, zumindest insofern, dass die Leute ihr auch gerne mal etwas anvertrauten. Sie durften zwar nicht schlecht über Kolleginnen, das Heim oder Mitbewohner reden. Das schuf Vera gleich aus der Welt, indem sie den Konflikt löste, gegebenenfalls mit der anderen Konfliktpartei, oder das Problem mit der Person klärte, die sich bei ihr aussprach. Manchmal waren es ja auch nur Missverständnisse, aber sie durften ihr anvertrauen, welche Lebenskonflikte sie noch mit sich herumtrugen, welche Probleme sie mit Angehörigen hatten oder unter welchen Gewissenskonflikten sie litten.

    Und deshalb liebte sie ihre Arbeit wiederum, es war für sie eine spannende angewandte Psychologie und sie, Vera, war gut darin. Sie hatte kein Bedürfnis, besser zu sein, etwa als ihre Kolleginnen. Manche allerdings war eifersüchtig auf dieses enge Verhältnis und hatte es doch gar nicht nötig, war sie doch eine sehr gute Pflegekraft und konnte Dinge, von denen Vera wiederum keine Ahnung hatte. Mit den meisten Pflegekräften auf der Station kam sie sehr gut zurecht, und sie schätzten Veras Arbeit als Entlastung.

    In der Pause ging sie in den Sozialraum, um wirklich ein bisschen abschalten zu können. Sie hoffte inständig, dass keine von ihren Kolleginnen hereinkäme, mit der sie dann plaudern müsste. Sie wollte ihre Ruhe, mit anderen Worten, aber so ruppig hätte sie sich natürlich niemals ausgedrückt. Der Wasserkocher war schon wieder verkalkt und außer ihr schien niemand die Technik zu beherrschen, mit Essigessenz den Kalk zu entfernen. Sie ärgerte sich immer über die Fortschrittsgläubigkeit der Menschen, die meinten, irgend so ein übel-giftiges Chemie-Zeugs könne mehr als die einfachen Hausmittel aus der Natur. Jetzt nahm sie also die Flasche mit der Essenz aus dem Schrank und nachdem sie ihren Tee aufgebrüht hatte, füllte sie den Kessel noch mal mit Wasser auf und goss einen kräftigen Schluck aus der Flasche hinzu.

    Es kam wirklich niemand, Vera hatte Zeit und Muße, ihre Gedanken zum letzten Abend schweifen zu lassen. Wenn sie jemandem erklären müsste, wie sie auf die absurde Idee gekommen war, zu einer Prostituierten zu gehen, wäre sie sehr verlegen geworden. Die Worte für ihre Bedürfnisse und insbesondere die Worte für die Vorgänge der Sexualität waren ihr nicht gerade geläufig. Prüde war sie freilich auch nicht, sie hütete sich aber sehr, vulgär zu sein, ja auch nur vulgär zu denken. Der Schmutz, dachte sie, mit dem man um sich wirft, fliegt immer auf einen zurück. Sie hatte einen anderen Anspruch an sich selbst. Es hatte nichts mit ihrer Erziehung oder religiösen Sozialisation zu tun, nichts mit Verboten oder moralischen Vorschriften, sondern ausschließlich mit ihrem autonomen Urteil, das eher ein philosophisches Urteil war.

    Obwohl sie also versucht hatte, sich sowenig wie möglich Rechenschaft darüber abzulegen, dass sie, die Feministin, sich Sex kaufte, hatte sie natürlich, als sie die Idee dazu entwickelte, überlegt, was sie damit eigentlich erreichen wollte. Zunächst einmal hatte sie es nicht mehr ausgehalten, dass sie ihren Körper förmlich schreien hörte, nach Berührung, nach der erotischen Berührung. Andere mochten zur Massage gehen, aber Vera suchte die intensive Erotik, die von einer Frau. Und sie hatte leider keine – keine Frau.

    Frauen, die sich auf ein One-night-stand einließen, kannte sie nicht. In diesem Punkt waren Frauen etwas merkwürdig. Es musste immer die große Liebe sein, als Vorbedingung für eine sexuelle Beziehung. Oder war das nur bei den Frauen ihrer Generation so?

    Als sie noch mit Männern zusammen war, war es in diesem Punkt einfacher. Ins Bett bekam man schlicht jeden Mann. Und beinahe war sie versucht, ihre Entscheidung für eine lesbische Lebensform in die Tonne zu treten, weil es der Hürden zu viele waren. Hatte frau in ihrem Alter schon kaum noch Aussicht auf Liebes-, Lebens- oder

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