Ethische Pferdehaltung: Das Wesen Pferd und seine Bedürfnisse verstehen
Von Silke Nordfjäll
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Über dieses E-Book
Wir Menschen sehen oftmals die Bedürfnisse unserer Pferde nicht wirklich. Wir sehen nicht die Signale, die unsere Pferde aussenden oder wir können sie nicht deuten.
Wenn du Pferde liebst und ihr Bestes willst, wird dieses Buch dir eine Welt des Pferdes eröffnen, von der du bisher keine Ahnung hattest, dass es sie so gibt!
Die Autorin nimmt dich mit auf die intensive, emotional tief berührende Reise zum Wesen Pferd und seinen Bedürfnissen. Auf dieser Reise wirst du wilde und domestizierte Pferde treffen, du wirst erleben, wie wir Menschen Pferde halten und behandeln. Du wirst erfahren, wie wir Pferde halten könnten, damit sie in jeder Hinsicht glücklich und körperlich wie psychisch vollkommen gesund sein können. Das Buch liefert dazu eine konkrete, umfassende Anleitung in Form von praktisch leicht umsetzbaren Möglichkeiten für jeden von uns.
Dieses Buch wird die Pferdehaltung revolutionieren. Wenn du es gelesen hast, wird nichts mehr sein, wie es zuvor war. Die Tür zu etwas Wunderbarem, bisher nicht Vorstellbarem wird sich öffnen, für Tier wie Mensch...
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Buchvorschau
Ethische Pferdehaltung - Silke Nordfjäll
Wildes und
domestiziertes
Pferd
Was ein domestiziertes Pferd von einem wilden unterscheidet ist, dass es vom Menschen gehalten wird und der Mensch in allem über das Pferd und dessen Leben bestimmt. Ansonsten sind wilde und domestizierte Pferde gleich, wenn man dem domestizierten Pferd denn erlauben würde, sich frei „auszuleben".
Domestizierte Pferde haben die gleichen Grundbedürfnisse bzw. Triebe wie ihre wilden Verwandten, sie brauchen Nahrung und wollen sich vermehren. Sie werden von den gleichen Instinkten geleitet, zeigen das gleiche Verhalten und haben die gleichen erweiterten Bedürfnisse. Und sie sprechen die gleiche „Sprache" wie Wildpferde. All dies ist unzerstörbar durch den Menschen bzw. die Domestizierung.
Ein Pferd braucht den Menschen nicht, auch das domestizierte Pferd nicht. Immer wieder verwildern domestizierte Pferde, vermehren sich und kommen ohne Probleme ohne den Menschen klar, obwohl sie nicht von Geburt an frei und wild waren. Wir machen das domestizierte Pferd von uns abhängig, indem wir es einsperren, so dass es sich nicht mehr selbst Nahrung beschaffen oder sich bewegen kann. Wenn das Pferd selbst wählen könnte, würde es nicht freiwillig in Gefangenschaft bei den Menschen leben. Wir Menschen nehmen uns einfach das Recht heraus, ein Pferd in Unfreiheit zu halten. Jedes Pferd – wie jedes andere Tier und jeder Mensch auch - strebt in seinem Inneren nach Freiheit und sucht mehr oder weniger nach Möglichkeiten, „frei" zu werden. Die meisten Pferdehalter sehen sich damit konfrontiert, dass ihre Pferde bisweilen aus Weiden oder Ställen und Boxen ausbrechen. Der Erfindungsreichtum, getrieben durch den unstillbaren Freiheitshunger, ist oft erstaunlich. Je mehr ein domestiziertes Pferd eingesperrt ist und je weiter entfernt von einem freien, artgerechten Leben, desto stärker ist der Freiheitsdrang oft ausgeprägt.
Wer jemals Filme über wilde Pferde gesehen hat, die vom Menschen eingefangen werden und verzweifelt um ihre Freiheit kämpfen, der bekommt vielleicht eine Ahnung im Herzen, was Freiheit für ein Tier und ein Lebewesen generell bedeutet. Oder wer eingesperrte Hunde in Hundegehegen beobachtet, die sich in stundenlanger Arbeit frei graben und unermüdlich immer wieder nach Fluchtmöglichkeiten suchen. Menschen in Unfreiheit (in Sklaverei, Gefängnissen oder diktatorischen Systemen) haben zu allen Zeiten ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um frei zu sein. Die Sehnsucht nach Freiheit ist in uns allen! Unauslöschlich. Ein domestiziertes Pferd „kämpft nicht um Freiheit, weil es echte Freiheit nie kennen gelernt hat. Es „weiss
nicht, wofür es kämpfen sollte. Es fühlt lediglich einen nie schweigenden Drang, nach Freiheit zu suchen und zu streben. Und der Mensch ist darüber hinaus auch intellektuell „stärker" und dem Pferd somit überlegen, er kann Festungen bauen, aus denen auch ein Pferd nicht hinauskommt.
Das Wesen Pferd
Die beiden grundlegenden Triebe eines Pferdes sind die Nahrungsbeschaffung und der Sexualtrieb. Beide sind unauslöschlich. Letzteren kann der Mensch lediglich dämpfen bzw. wegoperieren, indem er Hengste kastriert. Lässt er das Pferd jedoch in seinem Geschlecht unangetastet, so kann er diesen Trieb niemals kontrollieren. Den Trieb zur Nahrungsbeschaffung kann er auch nicht abstellen, so sehr er das Pferd satt füttert. Dies ist genauso bei z.B. Hunden und Katzen, sie fühlen sich trotz voller Mägen und ausreichender Fütterung durch den Menschen getrieben zu Jagd und Nahrungssuche.
Das Pferd wurde als Vegetarier geschaffen, das sich - wenn vorhanden – hauptsächlich von Gras ernährt. Bis zu 16 Stunden am Tag verbringt ein wildes Pferd mit der Nahrungsaufnahme, sein Magen ist dafür gemacht, nahezu permanent kleine Mengen Gras, Laub, Bodengewächse etc. aufzunehmen. Im Gegensatz zum Menschen muss ein Pferd nahezu permanent kleine Mengen (Gras) fressen können, auf einige wenige, stark sättigende Mahlzeiten ist der pferdische Magen nicht ausgelegt. Der Magen des domestizierten Pferdes funktioniert exakt wie der des wilden Pferdes.
Das Pferd wurde dazu geschaffen, seine Nahrung vom Boden aufzunehmen. Da in der Natur alles perfekt und im Gleichgewicht ist, nimmt das Pferd seine Nahrung in einer Körperhaltung auf, die optimal für es ist. Bis zu 16 Stunden täglich nimmt es mit gesenktem Hals bzw. Kopf Gras auf. In dieser Körperhaltung ist der Körper des Pferdes maximal entspannt, das bedeutet vor allem Muskeln, Sehnen und Bänder und auch Wirbel des Rückens. Dies ist bekannt und sorgt dafür, dass in den klassischen Reitdisziplinen danach gestrebt wird, das Pferd vorwärts-abwärts zu reiten, damit das Pferd das Gewicht des Reiters auf seinem Rücken dadurch angeblich am Besten (ver) tragen kann.
In freier Wildbahn bewegt sich ein Pferd beim Grasfressen permanent langsam vorwärts, nur beim Ruhen oder Dösen bleibt es still auf der Stelle stehen. Zur Nahrungsaufnahme bewegt es sich also IMMER vorwärts. Es zieht bei der Nahrungsaufnahme in freier Wildbahn zu immer neuen Stellen bzw. Weideflächen, so dass es nicht wieder dort frisst, wo es zuvor Pferdeäpfel zurückgelassen hat. Auf diese Weise kann es in freier Natur auch keine Wurmlarven wieder aufnehmen, die es in der Nähe seiner ausgeschiedenen Pferdeäpfel gibt.
In der Natur lebt das Pferd immer im Herdenverband. Lediglich aus ihrer Ursprungsherde verjagte Junghengste leben eine gewisse Zeit alleine, bis sie eine eigene Herde zusammenrauben oder während sie sich vorübergehend mit anderen einsamen Junghengsten zusammenschliessen. Auch erfahrene, ältere Hengste, denen durch jüngere Hengste ihre Herde abgejagt wurde, können zeitweise alleine sein. Natürliche Pferdeherden bestehen aus Pferden allen Alters, Stuten und Fohlen samt Junghengsten bis zur Geschlechtsreife und einem Hengst. Angeführt werden die Herden von einer erfahrenen Stute, die die Herde zu Wasserstellen und Weideflächen führt. Der Hengst bildet die Nachhut und verteidigt die Herdenmitglieder nach aussen vor Angreifern. Als gejagtes Beutetier findet das Pferd nur im Herdenverband Schutz, nur die Herde stellt Überleben sicher. Alleine zu sein stellt für ein Pferd einen grossen Stressfaktor dar, es kommt in freier Wildbahn nahezu einem Todesurteil gleich. In der Herde lernt das Pferd Sozialverhalten, stillt sein Bedürfnis nach Nähe, (Körper) Kontakt und Austausch. Eine Pferdeherde ist streng hierarchisch aufgebaut, jedes Tier hat seinen festen Platz in der Rangordnung, welcher sich nach oben oder unten verschieben kann und meist schnell ausgekämpft ist. Die feste Hierarchie der Herde gibt dem Pferd Sicherheit und Struktur, ein rangniederes Tier leidet nicht unter seiner Position. Solche Bewertungen sind menschlich, in der Welt des Pferdes gibt es sie nicht. Die Rangordnung legt fest, dass ein ranghöheres Tier Vortritt bei Futter und Wasser hat und wer hinter wem herzugehen hat. Feste Hierarchien dienen auch dem Schutz der gesamten Herde, da in gefährlichen oder kritischen Situationen keine Zeit für Rangordnungsdispute wäre. Rangordnungen in tierischen Verbänden dienen immer alleine der Ordnung und Struktur, niemals dem Zweck, Macht über Unterlegene auszuüben, sie zu mobben oder zu unterdrücken. Dieses Phänomen findet man nur in menschlichen Gemeinschaften.
Wilde Herden bleiben meist in Sichtweite oder zumindest Rufkontakt miteinander, lediglich Hengste entfernen sich manchmal weiter von der Herde, um auszukundschaften, zu verteidigen oder Herdenmitglieder zurückzujagen. Pferde kommunizieren vor allem über Telepathie, Körpersprache, Gesten und Gebärden miteinander, weniger über Laute. Laute könnten in freier Natur Raubtiere auf die Herde aufmerksam machen.
Pferde dösen im Stehen und schlafen im Liegen. Zum Tiefschlafen legen sie sich flach auf die Seite und strecken die Beine lang von sich. Nur beim Tiefschlafen können sich Körper und Geist voll regenerieren, genau wie beim Menschen. Deshalb ist es so wichtig für das Pferd, genügend Platz zum ausgestreckt Liegen zu haben. Ein wildes Pferd döst oder schläft nur dann, wenn ein anderes Pferd Wache hält, weil es nur dann sicher sein kann, nicht angegriffen zu werden.
In freier Natur legt ein Pferd täglich viele Kilometer zurück, weidend und sich dabei langsam im Schritt vorwärtsbewegend, manchmal trabend oder galoppierend auf dem Weg zu anderen Weideflächen oder auf der Flucht vor Angreifern. Es spielt und kämpft manchmal (Letzteres spielerisch oder zur Rangordnungsklärung) mit anderen Pferden. Das Pferd ist ein Bewegungstier und so gut wie immer in Bewegung, wenn es nicht döst oder schläft.
Das Pferd wurde mit einem perfekten Fell geschaffen, das sich Jahreszeiten und Anforderungen automatisch anpasst. Es hält Regen und Wind durch eine natürliche Fettschicht ab, schützt gegen Kälte, wächst länger und dichter wenn es kälter wird und fällt automatisch aus, wenn es wärmer wird. Bei Wind, Regen oder Sturm stellt sich das Pferd instinktiv mit der Kruppe/Hinterteil zur Wetterseite, die Schweifrübe mit dem etwas seitlich abstehenden und ständig nachwachsenden Schweifhaar schützt dabei den After. Wenn Regen unangenehm wird, sucht das Pferd Schutz unter Bäumen o.ä., wenn vorhanden. Mähne und Schweif helfen bei der Insektenabwehr, der natürlich lange Schopf schützt die Augen und vertreibt beim Schütteln Insekten, genauso wie der Schweif. Zum Schutz vor Insekten wälzt sich das Pferd im Schlamm, es wälzt sich wenn es juckt, z.B. besonders beim Fellwechsel und auch, um eine ranghöhere Position zu demonstrieren, indem es sich auf genau der Stelle wälzt, wo ein rangniederes Tier sich zuvor gewälzt hat. Das wilde Pferd selbst bestimmt, wann es von insektengeplagten Stellen verschwindet, es ist völlig frei darin, sich dort aufzuhalten, wo es sich am Besten fühlt.
In der Natur geht das Pferd barfuss, selbst auf abriebstarken oder harten Flächen wie in Wüsten oder Geröll und bei vielen Kilometern Beanspruchung täglich reguliert sich der Huf dabei von selbst. Er wird gleichmässig abgenutzt, durchblutet, „lebt" und ist flexibel, dehnt sich nach Bedarf aus und zieht sich zusammen. Gelenke, Sehnen und Bänder passen sich sowohl weichen wie auch harten Untergründen ohne Probleme und automatisch an, in der Natur läuft und steht das Pferd immer wieder auf unterschiedlich harten und weichen Untergründen, ebenen und unebenen, auch auf trockenen sowie nassen Böden, so dass der Huf auch automatisch die lebensnotwendige Feuchte bekommt. Das gesunde, unverletzte Pferd wählt instinktiv eine Körperhaltung, die für es am bequemsten und gesündesten ist, wenn es sich im Schritt, Trab oder Galopp vorwärtsbewegt. Im entspannten, also ungejagten