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Das Friedrich-Lied: Historischer Initiations-Roman - 2. Buch
Das Friedrich-Lied: Historischer Initiations-Roman - 2. Buch
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eBook377 Seiten4 Stunden

Das Friedrich-Lied: Historischer Initiations-Roman - 2. Buch

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Über dieses E-Book

Dem Machtwechsel folgen heftige Unruhen. Engelbert, Friedrichs Großonkel, wird der neue Erzbischof von Köln. Kaum in Amt und Würden, zieht er alle Vogteien ein, um das verschuldete Erzbistum zu sanieren. Friedrich schließt sich mit anderen Vögten in einem Bündnis zusammen. Ado, Friedrichs neidischer Cousin, biedert sich beim Erzbischof an. Als Engelbert sowohl Friedrichs Oheim als auch Sophies Vater niederringt, wird Friedrich ungewollt zum Anführer des Bündnisses. Ein Wettlauf um Treueschwüre und Intrigen beginnt. Als ein Meister der Intrige kommt der päpstliche Legat, Leo von San Croce, ins Erzbistum. Gegen Engelbert und Leo muss Friedrich nun alle Kräfte aufbieten, den zauderhaften Adel hinter sich zu bringen. Aber anders als die meisten Vögte, kämpft Friedrich nicht nur für sein eigenes Wohl; er sorgt sich um das Wohlergehen seines Volkes. Der Adel rümpft die Nase. In einer Mischung aus Dünkel und Feigheit, folgen sie Friedrich nicht in eine offene Schlacht gegen dessen Verwandte. Sie blockieren und warten ab, ob sich das Blatt zu ihren Gunsten wendet. Kostbare Zeit verstreicht, bis es im Jahr 1225 zu spät ist. Die Ereignisse überschlagen sich. Leo hält ein Pfand in der Hand, mit dem er Sophie ohne Wissen Friedrichs erpresst. Sophie ist verzweifelt. Sie will ihrem Herzen Luft machen und erzählt Friedrich, dass sie befleckt von Engelbert in die Ehe mit ihm gegangen war. Friedrich ist außer sich. In jeden Winkel seines Lebens hat sich Engelbert gedrängt. Voll von Hass beschließt Friedrich, Engelbert gefangen zu setzen, um ihn vor das Königsgericht zu bringen. Nun senden sogar die Vögte ihre Häscher. In ihrer Verzweifelung beschwört Sophie Friedrichs Männer Engelbert zu töten. In letzter Sekunde erkennt sie ihren Fehler und versucht, ihren Auftrag zurückzunehmen. Doch zu spät; es kommt wie es kommen muss. Engelbert stirbt. Die Kirche schreit auf und schickt ihre Heere aus, die Mörder zu fangen. Adelsnester werden belagert, Bistümer brennen. Friedrich flieht nach Rom, um dort die Lösung vom päpstlichen Bann zu erwirken. Doch der neue Erzbischof, Molenark, stellt ihm nach. Auf dem Rückweg von Rom wird Friedrich gefangen und in Köln eingekerkert. Friedrichs Mutter reist ebenfalls nach Rom, um den Papst umzustimmen. Während Köln belagert wird, tobt in den Straßen der Aufruhr. Friedrich wird abgeurteilt und soll hingerichtet werden. In letzter Sekunde erreicht der päpstliche Freispruch Köln. Hektisch treibt Molenark die Hinrichtung...
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum30. Mai 2014
ISBN9783849583187
Das Friedrich-Lied: Historischer Initiations-Roman - 2. Buch

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    Buchvorschau

    Das Friedrich-Lied - Henning Isenberg

    44. Kapitel

    Wann brecht Ihr wieder auf, Herr?"

    Friedrich vernahm Stimmen.

    „Morgen in der Früh reiten wir zum zweiten Treffpunkt."

    „Wo ist Tibald?"

    „Tibald von Dortmund ist tot."

    „Und dein Herr?"

    War das Waleran?

    „Auch."

    Das war Cedrics Stimme – ganz klar. Sein flämischer Akzent war unverkennbar.

    Nein, nein, ich bin nicht tot. Friedrich versuchte zu sprechen. Er versuchte, die Augen zu öffnen. Es ging nicht.

    „Um Himmels Willen. Wo ist er?"

    „Dahinten, Herr."

    „Meine arme Sophie. Wie soll ich ihr das erklären?!"

    Er spürte, dass jemand näher kam. Doch er hörte nichts. Er spürte dass jemand bei ihm war. Er versuchte aufzuwachen, die Augen zu öffnen. Sich zu bewegen oder irgendetwas zu tun. Zwecklos. Die Kräfte verließen ihn und es wurde wieder still.

    In der Nacht erwachte Friedrich endlich. Von dort vorne, wo seine Fußspitzen sein mussten, drang ein Licht durch seine geschlossenen Augenlieder. Er versuchte die Augen zu öffnen. Als er es endlich geschafft hatte, blickte er auf ein Leinentuch, welches sich ungefähr um die Länge eines Mannes über ihm spannte. Er lag in einem Zelt – erhellt durch das schwache, flackernde Licht, dass von flackernden Fackeln im Zelteingang herkam, die er jetzt über seinen Fußspitzen sehen konnte. Er konnte den Kopf nicht bewegen. Er suchte den Raum, so gut es ging, mit den Bewegungen der Augen ab. Sie schmerzten. Etwas lag rechts neben ihm. Ein Mann? Mit letzter Anstrengung wandte er den Blick dort hin. Beine in Ketten. Ein gelb schwarzer Surkot. Bestickt mit kleinen schwarzen Adlern. Dortmund!, schoss es ihm in den Kopf. Seine Augen wanderten über den verschmutzten Surkot über die Brust, hinauf zum Kopf des reglosen Körpers. Bleiche Haut, wie der Talg einer Kerze. Bartstoppeln. Schwarzes Haar. Die Nase mit einem kleinen Buckel. Tibald. Das war Tibald von Dortmund. Regungslos und tot. Tibald war tot….

    Bin ich es selbst auch?! Liege ich hier neben einem Toten in der Vorhölle? Wird der tote Tibald gleich wie ich die Augen aufschlagen und zu mir herüberglotzen? Ihn ängstigte.

    Doch nein. Warum sollte er Angst haben? Er fühlte keinen Schmerz. Es war kein Gefühl von Angst in ihm. Alles, was die Angst auszumachen schien, war der Geburt seines Kopfes entsprungen. Es war der Gedanke an die Hölle und daran, dass der Tod ja schlimm sei, so wie es ihm immer und immer wieder versichert wurde, und dass ihn ein Toter aus toten Augen anglotzen könnte. Einzig echt war die Trauer in ihm, dass sein kraftvoller, junger, nun verfaulender Körper eines geschossenen, aber nicht gefundenen Rehs im Walde gleich, von seinem Geiste gehen und von Maden zerfressen würde.

    In einem nahen Dorf wurden alle Arten von Karren, die von Pferden gezogen werden konnten, beschlagnahmt. Friedrichs Getreue betten ihren Herrn und Tibald auf jeweils einen der Karren. Und so setzte sich der stöhnende und matte Tross in Richtung Limbourgh in Bewegung, jeder mit dem Gedanken beschäftigt, was für ihn nun folgen würde. Conrad hatte den Blick gedankenverloren auf den kräftigen Nacken seines Schlachtrosses gerichtet und nahm nur das Auf und Ab des Pferdekopfes über dem grasbewachsenen Weg wahr. Dann schaute er auf den Karren vor ihm. Über Agravains Rücken hinweg sah er Friedrichs blasses Gesicht.

    Er wunderte sich, Tibald ist blasser als Friedrich. Nun, drängte die augenscheinliche Logik seinen Zweifel hinfort, er ist wahrscheinlich früher gestorben.

    Den ganzen Tag über ritt das geschlagene Limbourghische Heer gen Osten.

    Am Abend fing es an zu regnen und sie mussten einen halben Tagesritt vor Limbourgh das Lager aufschlagen. Missmutig schickte Waleran einen Boten zur Burg, der ihr Kommen für den nächsten Tag ankündigen sollte.

    Aus Ästen hatten sich die Mannschaften kleine Schutzzelte gebaut, über die sie ihre Mäntel gelegt hatten. In diesen saßen sie um die Feuer, die in der Mitte solcher kleinen Plätze entzündet wurden und unterhielten sich gedämpft. Die Vorräte beschränkten sich auf die Feldnahrung, die sie mit sich geführt hatten. Allen knurrten die Mägen, doch am schlimmsten war der Durst, der sie nach den Strapazen des Tages überkommen hatte.

    Die Knappen des Herzogs von Limbourgh hatten das Feldzelt für Waleran gerichtet. Waleran hatte seine Feldführer hier versammelt. Nicht weniger niedergeschlagen als die Mannschaften, saßen sie im Kreis. „Damit ist das Ende der Welfen wohl besiegelt, sagte Conrad niedergeschlagen, „der Kaiser wird wohl ungeschoren in deutsche Lande zurückkehren, doch wird Friedrich von Staufen seinen Siegeszug nun ungestört fortsetzen können. Es ist wohl nur eine Frage kürzester Zeit, wann er in Aachen Einzug hält, um sich dort zum König krönen zu lassen. Nun steht ihm ja auch der Niederrhein nicht mehr im Wege oder werdet Ihr dem Staufer nicht huldigen, Herzog?

    „Es ist wohl unklug, den Widerstand länger aufrecht zu halten. So wie ich es sehe, wurden in Bouvines viele Gefangene gemacht. Außer dem Lösegeld wird sicherlich eine Bedingung sein, dem neuen König die Treue zu schwören."

    Heinrich setzte hinzu, „die Fürsten im Rheinland müssen auf Veränderungen im Erzbistum Cölln achten. Denn der Papst wird sich dieser Frage sicherlich persönlich annehmen.

    „Der Staufer erwartet den Ausgang der Schlacht in Hagenau bis er ein Zeichen bekommt, um nach Aachen zu seiner Krönung zu ziehen."

    Und so ergingen sich die Geschlagenen in banger Hoffnung und Ermutigung bis tief in die Nacht in Spekulationen über die Zukunft des Adels nach Bouvines.

    Als Conrad sich verabschiedete und aus dem Zelt Walrans trat, suchte mit schwerem Kopfe den Weg zu dem großen Turnierzelt Walerans, wo die beiden Toten aufgebahrt lagen.

    Cedric hielt Wache vor dem Zelt.

    „Sei gegrüßt, lieber Cedric."

    Cedric nickte trübsinnig. Doch er folgte Condard ins Innere des Zeltes. Eine Weile standen sie still vor den Toten, bis Cedric die Stille durchbrach.

    „Herr, ich denke es jedes Mal, wenn ich nach meinem Herrn sehe. Mir ist, als sei Leben in ihm. Mir ist, als lebe er."

    „Meinst du, Cedric?!"

    „Ja, schaut Euch den Herrn von Dortmund und dann meinen Herrn an. Er welkt nicht wie ein abgeschnittener Strauch. Seine Haut, schaut! Sie ist blass, aber ihr fehlt das Wachsige."

    „Cedric, ich hatte denselben Gedanken heute auch schon."

    Conrad machte einen Schritt nach vorne, legte die rechte Hand auf Friedrichs Brustkorb und beugte seinen Kopf so nahe an Friedrichs Gesicht, dass er den Atem hätte spüren müssen, „aber, … ich vernehme keinen Atem."

    „Ja…", sagte Cedric zögerlich und traurig zugleich, als wolle er, das, was er als gegeben hinnehmen musste, durch das Vorenthalten seiner Zustimmung außerhalb der Welt halten.

    Conrad schaute den Knappen an und sah das Flehen in seinem Blick.

    „Wir versuchen etwas, Cedric. Vielleicht hat es Erfolg. Ab jetzt träufelst du ihm jede Stunde etwas Wasser auf die Lippen. Ich wecke Wibold. Jetzt soll er endlich seine Kräuterkunst anwenden, anstatt immer nur davon zu reden."

    Die Nacht verging und Wibold nutzte den Mondenschein, um die notwendigen Heilkräuter zu finden, die seinen Trank ergeben sollten.

    „Sophie!"

    Die dunkle Gestalt erschrak, als sie ihren Namen hörte.

    „Ach, Gilbert. Erschreck mich doch nicht so!"

    Der gerüstete Mann löste sich aus dem Schatten des Stalles.

    „Geht nicht allein, mein Kind."

    „Woher weißt du…?!"

    „Wenn ein gesatteltes Pferd im Stall steht und dann noch Eueres, dann ist nicht schwer zu erraten, was Ihr vorhabt. … Ich werde Euch begleiten."

    Sophie atmete erleichtert auf.

    „Weißt du denn, wo sie lagern?"

    Der Alte nickte nur und ging zu einem der nächsten Ferche, wo er sein Pferd, das schon gesattelt bereitstand, losband und aus dem Stall führte. Sophie folgte ihm.

    Der Innenhof der Limburg war silbrig erhellt vom vollen Mond, als sie vorbei an den Wachen das mächtige Tor passierten.

    Wärme drang in seinen Körper und sein Kopf wurde von zwei kräftigen Händen leicht gewogen.

    Über ein zu einer kleinen Rinne geformtes Holz, das er zwischen Friedrichs Zähne geschoben hatte, ließ Wibold seinen Kräutersud in Friedrichs Mund strömen, während Cedric den Kopf seines Herrn barg.

    Grün sah er die warme Schlange, die ins Inneren seiner Brust drang. Doch es war kein Schreckenstier, sondern die Schlange des Äskulap. Es war ihm, als schwemmte ein nahrhaftes Nass auf ausgedörrten Boden und erweckte die darin geborgene Welt zu neuem Leben. Helles Licht durchflutete seine Sinne. Fahre ich jetzt doch zum Himmel auf - obwohl das Urteil des Herrn das welfischangivinische Bündnis zur Hölle geschickt hat?!

    Doch was wollte sein Verstand? Was war wahr? Wer konnte das sagen? Niemand! Erschöpfung machte sich breit und er ließ jede angestrengte Kopfgeburt fahren. Schlafen, schlafen. Nur schlafen. Nur der Körper konnte das Wahre erfahren, und auch er konnte nicht in die Zukunft schauen. Auch er musste alles erfahren in dem Moment, in dem es geschah. Stille umfing ihn wieder. Stunde um Stunde.

    Wo bin ich jetzt, fragte er sich, als sein Verstand wieder erwachte. Denn er vernahm ein neues Wesen in seiner Nähe. Es war ihm als wärmte eine kleine Hand seine Stirn und abwechselnd seine Schläfen. Diese neue Lebensquelle nahm die Spannung von seinem Nacken und aus seinen Schultern. Es war ihm, als sei diese neue Aura schon lange Zeit bei ihm. Auch war keine Schwere mehr in diesem neuen Raum, wie in der Nacht als er Tibald gesehen hatte. Vielmehr fuhr ein frischer Duft durch diese Aue. Er spürte nach diesem Wesen, das ihn umsorgte. Licht fuhr in seinen geschundenen Torso und umspielte eine wunde Stelle, deren Schacht sich wie ein tiefer Brunnen den Weg durch sein Schulterblatt gesucht hatte. Da erst spürte er einen unendlichen Schmerz, genau an dem Punkt, wo das Licht keine Macht hatte.

    Er vernahm eine Stimme.

    „Wie geht es?"

    „Er röchelt kein Blut. Er hat die Nacht überstanden. Was der Tag bringt, müssen wir dann sehen…. Wenn er die Rippen gebrochen hat, kann Knochenmark ins Blut kommen. Dann bekommt er Fieber und er stirbt. Wenn das Mark zu Knochen wird, schafft er es."

    Da war sie wieder die Hand, die ihn in diesem wunderlichen Zwischenhades hielt.

    Doch was tat sie? Sein Körper wurde bewegt. Er flog, er flog.

    Und in dem Flug benetzte ein kühler Zug seine Haut.

    Nun berührten ihn diese heilenden Hände an dem Brunnenrand. Schmerz! Er wollte schreien. Doch stattdessen sah er einen kleinen Jungen, der fassungslos schrie. Was war dieser Schmerz?

    Er sah die inneren Wände des Schmerzenbrunnens und flog langsam, wie eine Hummel, die nach Nektar sucht, an ihnen entlang, bis er zu einem funkelnden Gewässer kam. Doch was schaute er? Dort unten sah er eine Gestalt; umspielt von gleißendem Gewässer. Wer ist dieses Wesen? Ich kenne es! Die Gestalt begann ihm zu winken. Vater? Bist du das?

    „Ja, Junge, ich bin es."

    Schmerz, unendlicher Schmerz umfing ihn. Da war er, der kleine Junge und schrie und weinte vor Schmerz und Einsamkeit. Doch nun hörte das Animuswesen auf zu winken. Angst umfing ihn, und er begann noch tiefer und ängstlicher zu weinen. Doch das Wesen streckte ihm seine Hand entgegen und rief ihn. „Komm, komm. Du bist nicht allein. Ich bin da und ich war immer da…. Du hast mich nur nicht gesehen."

    Da lief der kleine Junge zu dem Wesen und sie fassten sich an den Händen, während die Spiegel des Wassers sich zu einem hellen Licht zusammenfügten. Und der Animus barg den Kinds-körper solang, bis selbiger keinen Schmerz und kein Weinen mehr vernahm. Da verlies die tiefe Wut, die Friedrich ein Leben lang begleitet hatte, seinen Körper. Er wusste, dass er nie wieder die Verwirrung des Wütenden fürchten musste und er jederzeit das Schwert des entschiedenen Kriegers ziehen konnte.

    Nach dieser Ewigkeit des Schmerzes und der inneren Heilung schwebte er wieder der Oberfläche zu, von der er gekommen war. Dort oben sah er, dass der Stein des Schachtes und des wunden Brunnenrandes demselben warmen Licht, das seinen ganzen Körper bereits umsponnen hatte, gewichen war. Auch der Brunnen heilte. In Gedanken fragte er sich, was nun als nächstes folgte. Fahre ich nun bald auf in die Ewigkeit? Angst umfing ihn erneut.

    45. Kapitel

    Der König von Frankreich war schlau,

    listiger noch als ein Fuchs.

    Gleich rief er einen seiner Meister

    und gab ihm die Reliquien,

    derer man bedarf,

    um mit Erfolg voranzukommen

    (Chanson de Guillaume le Maréchal)

    Der Tag, an dem das Heer Limbourgh erreichen würde, erwachte mit einem windlosen und trüben Morgen. Die warme Luft war drückend und der Waldbogen dampfte, als sie die Habe auf die Pferde packten. Die zugeschütteten Feuer qualmten. Im Umkreis des Lagers hallte der kleine Wald, der ihnen in der Nacht Schutz geboten hatte, von den dumpfen Geräuschen der aufgenommenen Waffen, der Riemen, die festgezurrt, der Rüstungen, die übergezogen wurden, vom Husten der Menschen und Schnaufen der Pferde, wider.

    Den ganzen Tag ritten sie im immer gleichen, ermüdenden Trott nach Osten. Der Regen versprühte sich nur noch von Zeit zu Zeit über die Lande. Weiße und graue Wolkeninseln, die hier und da den blauen Himmel freigaben, zogen über sie hinweg und ein leichter Westwind trieb den Trupp, wie von den Franzosen befohlen, aus Frankreich heraus.

    Es war Friedrich, als gehe er wieder auf eine Reise. Wie in einem großen Kahn geborgen, war es ihm, als werde sein Körper aufund abwogen. Er wollte nicht gehen. Er wollte doch seine junge Braut wiedersehen. Er wollte ihr doch seine Heimat zeigen. Die Heimat, die er gerade erst wiedergewonnen hatte, deren Herr er in Wirklichkeit noch gar nicht war. Er wollte so bald als möglich dem Westen den Rücken kehren und die Gedanken an die Niederlage verdrängen. Leben und mit ihr dort glücklich sein. Angst ergriff sein Herz. Ihm war, als bliebe es stehen. Nicht einschlafen. Nicht einschlafen, mein Herz. Er durfte nicht einschlafen, sonst würde es vollends zum Erliegen kommen. So sehr er sich des Schlafes erwehren wollte, er fiel doch in einen angstvollen Traum.

    Von weitem erblickte Sophie das Heer ihres Vaters. Selbst aus dieser Entfernung war ihm die Niedergeschlagenheit anzusehen. Sie gab ihrem Pferd die Sporen. Cedric erblickte sie als erster und rief, „dort, seht, Herr!"

    Waleran gab ihm einen Wink, seiner Tochter entgegenzureiten, woraufhin Cedric den langgezogenen Hügel hinaufsprengte.

    „Herrin, kommt!, rief er Sophie entgegen, als sie in Hörweite waren. „Er ist dort unten. Ich bringe Euch hin.

    Wenig später stieg Sophie von ihrem Pferd, um auf den Wagen, in dem Friedrich lag, zu klettern. Sie kniete nieder und betrachtete den Geliebten. Dann legte sie sich zu ihm – ihr linkes Bein über seinen linken Oberschenkel und die linke Hand auf seinen rechten Beckenknochen gestützt.

    Friedrich erwachte. Er war von Grenze zu Grenze gegangen. Er hatte bereits einen langen Weg hinter sich gelassen. Über ihm war helles Licht und an seiner Seite spürte er das Wesen, dem er Urzeiten zurück begegnet war oder war es gerade gewesen? Er wusste es nicht mehr. Er spürte.

    Da war sie wieder diese zauberhafte, weibliche Aura. Diese tiefe Berührung. Ihm war, als öffneten sich ihre Körper und das eine Wesen ging in den Körper des anderen Wesens. Eine so tiefe Berührung hatte er nie zuvor erfahren. Nicht mit Giovindamur, nicht mit Zarastro, Sibert, Benoit, Einhard, geschweige denn mit seiner Mutter oder seinem Vater, vielleicht mit seinen Brüdern.

    Er wollte dieses Wesen mit auf seine Himmelsreise nehmen. Dieses Wesen? Und was ist mit Sophie? Bin ich ihr untreu?

    Erneut wollte er sich in tiefe Not stürzen. Doch er tat es nicht. Er kehrte um. Denn dieses Gefühl war so richtig. Es war tiefe Liebe. Es konnte nicht falsch sein.

    Seit dieser Zeit sank der Name der Deutschen bei den Welschen

    Der Chronist Innozenz III.

    Mit dem Sieg der Franzosen über das angevinisch-welfische Bündnis bei Bouvines und Chinon hatte auch Friedrich II. einen großen Sieg errungen. Der König von Paris wurde seiner Kronvasallen wieder Herr und richtete seine Vorherrschaft über Flandern, das Elsass und Lothringen erneut auf. Mit Hilfe der gefangenen Krieger von Bouvines konnte Philipp Auguste seine gebeutelte Staatskasse wieder auffüllen.

    Das Angevinische Reich verlor endgültig seine festländischen Besitzungen. Im Innern war Johann auf einem Tiefpunkt angelangt. Er hatte seinem Land über Jahre die Saat genommen, um seinen Krieg gegen die Capetinger zu führen. Nun forderte der englische Adel ein Zwangsedikt, das unter dem Namen „Magna Charta" bekannt werden sollte.

    Der geschlagene Welfenkaiser seinerseits hatte sich nach Cölln geflüchtet und harrte dessen, was ihm bevorstand.

    Während die geschlagenen Heere nach Osten flohen und die Mannen um Waleran Limbourgh erreichten, schickte der siegreiche Philipp August den zerbrochenen Reichsadler, der vor kurzem noch die kaiserliche Standarte gezierte hatte, in die staufische Pfalz Hagenau. In den folgenden Tagen brachten mehrere Boten die Kunde, dass die Franzosen nach der gewonnenen Schlacht in einem einmaligen Siegeszug nach Paris gezogen seinen. Mit sich führten sie an die einhundertzwanzig gefangene Adelige des geschlagenen deutschen Heeres, unter welchen sich unter anderem Ferrand von Flandern, Rainald von Dasseln, Bernhard von Horstmar und Conrad von Dortmund sowie ein unbekannter Ritter namens Balduin von Gennep, von dem noch zu reden sein wird, befanden.

    „Da haben wir es!", brauste Waleran auf.

    „All die Grafen werden diesem Kind aus Apulien, diesem Gewächs des Papstes ihre Aufwartung machen. Und wir werden es auch. Dieser Starrkopf von Otto. Hätte er sich mit dem Papst nicht überworfen, könnten wir unsere Gebietsgewinne der letzten Jahre sichern. …So müssen wir uns auf eine neue Partie einstellen."

    Er drehte sich zum Fenster und blickte eine Weile hinaus. Dann sagte er – nun gefährlich ruhig, „der Niederrhein mit Cölln und Holland muss beieinander gehalten werden. Koste es, was es wolle."

    Friedrich spürte den frischen Luftzug auf seinem Gesicht. Ernte, dachte er. So riecht es, wenn das Korn gedroschen und das Heu gewendet wird. Mauern, dachte er. Er liebte diesen kühlen, modrigen Duft und dessen Mischung mit dem Atem der Felder. Er musste auf irgendeiner Burg sein. In welchem Himmel mag ich angekommen sein, dachte er. Zeit zu erwachen. Ist das Wesen noch da? Aufmerksam spürte er nach. Ja, sie ist hier. Er spürte die Aura direkt neben sich. Und er wollte das Wesen, das ihn durch alle Zeitebenen, die er durchschritten, begleitet hatte, endlich sehen. Doch er konnte die Augen ja nicht öffnen. Versuch es, sprach seine innere Stimme zu ihm.

    Und plötzlich war es so hell um ihn, dass er die Augen augenblicklich wieder schließen musste.

    Mit einem ruckartigen Atem schreckte Sophie auf.

    „Mh!"

    Ein Freudenschrei entfuhr ihr.

    Friedrich spürte die Hand wieder auf seiner Stirn. Dann spürte er Lippen, die seine Lippen berührten. Dann kam ein feuchtes Tuch, das seine Lippen beträufelte. Wieder die Lippen. Weich und voll Liebe. Er wollte sie nicht gehen lassen. Er wollte die Schönheit dieses Augenblicks behalten. Er erwiderte den Kuss. Er küsste und wurde geküsst. Er öffnete die Augen und sah; sah braune Augen, die er kannte, das schwarze Haar, dessen Duft er so oft herbeigewünscht hatte, Lippen, die er seit der ersten Begegnung begehrte.

    Seine Lippen wollen das Gesehene in Worte fassen. Doch seine Stimmbänder versagten ihm ihren Dienst.

    Tränen fielen auf seine Wangen und wurden sogleich von freudigen Küssen wieder aufgenommen. Über und über übersäte Sophie sein Gesicht mit ihrer Liebe.

    Die Lage in deutschen Landen wurde von Tag zu Tag bedrohlicher. Von Süden her zogen die Heerscharen der staufischen Vasallen nach Norden. Doch noch war die Zeit nicht reif. Zu viele Welfenanhänger hatten noch zu viele Krieger unter Waffen. Noch war kein Durchkommen im welfischen Norden. Die Staufer mussten sich in Geduld üben, so wie auch Friedrich. Drei Wochen waren seit Bouvines vergangen und Friedrich hatte das Krankenlager verlassen. So gut er konnte, bereitete er die Abreise aus Limbourgh vor.

    Der Weg sollte Waleran nach Cölln führen. Sophie und er wollten die Reise in die Grafschaft Isenberghe nur gemeinsam antreten. Heinrich, der nach Altenberghe zu seiner Frau und seinen Söhnen zurückreisen wollte, würde sie ebenfalls begleiten.

    In den letzten Augusttagen des Jahres zwölfhundertvierzehn setzte sich die Reisegesellschaft um Waleran, Heinrich und Friedrich von Limbourgh aus in östlicher Richtung in Marsch.

    Endlich saß er wieder im Sattel. Er schaute auf glänzendes Fell und sog den würzigen Duft der Rösser ein. Er spürte den leichten Zug, den der warme Wind auf seine Wangen legte. Glücklich schaute er zu Sophie hinüber. Sie lachte und er streckte seine Hand aus, um die ihre kurz zu drücken.

    Zum ersten Mal beobachtete Friedrich bei Waleran einen menschlichen Zug, als er bei seinem Abschied vor Cölln, Friedrich seine geliebte Tochter übergab. Schweren Herzens bog Walram auf der alten Römerstraße in nördlicher Richtung nach Cölln ab. Und wenig später, bei Altenberghe, verabschiedeten sie sich von Heinrich. Friedrich und Sophie setzten ihren Weg über den Helinki-Weg fort.

    Nun war Sophie von keinem Wesen ihrer eigenen Familie mehr umgeben. Augenblicklich wurde sie dieses unbekannten Verlassenseins gewahr. Hilflos und traurig weinte sie stumm den Trennungsschmerz in sich hinein. Friedrich verstand ihre Trauer und wich nicht von ihrer Seite. Er berührte sie liebevoll, wann immer sich die Gelegenheit bot.

    Die Gruppe von etwa sechzig Rittern und Gefolge wuchs zu einer stattlichen Karawanserei an, als sich eine fünfzehnköpfige Gruppe von flandrischen Tuchhändlern, die auf dem Weg nach Münster war, dem kleinen Heer anschloss. Sophies Trauer verflog schnell, ob der vielen Stoffe und Farben, die die Händler mit sich führten.

    Die Reise durch das bergische Land begann Sophie sogar zu gefallen, zumal sie die Sonne wärmte und Grillen in den Wiesen zirpten, Vögel zwitscherten und große Vögel über den Auen ihre Kreise flogen.

    Die Fürsten einen … gar nicht so leicht, jeder wird wohl sehen müssen, dass ihm seine Reichslehn und Privilegien bestätigt werden, dachte Friedrich, und die Vogteien… Zu Hause werde ich wohl als erste die Dokumente zu durchforsten haben, um sie später durch wen auch immer bestätigen … was ist das?

    Er schlug mit seinem Lederhandschuh nach dem, was ihn im Nacken und an den Ohren zu kitzeln begonnen hatte.

    „Ach, Sophie", brummte er halbverärgert als er den Unhold ausgemacht hatte, der ihn aus den Gedanken aufgeschreckt hatte und blitzte sie aus den Augenwinkeln an. Doch hatte sie bemerkt, dass seiner Stimmung nur noch wenig fehlte, um sie aus finsterer Versunkenheit in ungeteilt geltende Aufmerksamkeit für sie zu verwandeln.

    „Friedrich, erzähl mir ein bisschen von deiner Mutter", bettelte sie kokett.

    „Oh, ich hoffe, sie wird dir gefallen. Viele Menschen haben zunächst Respekt vor ihrem herrscherischen Wesen. Doch das sind ihre strengen religiösen Wurzeln. Ich wette, dir fällt es leicht dieses Eis zu brechen."

    „Ich sollte vielleicht etwas Nettes zum Anziehen haben, wenn ich ihr vor die Augen trete, meinst du nicht, Friedrich?!"

    Friedrich schaute sich verdutzt zu den zwei Wagen um, die neben ein paar Möbeln überwiegend mit Sophies Kleidungsstücken beladen waren.

    „Oh, das…!", wollte Friedrich einsetzen. Doch Sophie wartete seine Ausführungen nicht ab.

    „Begleitest du mich zu den Händlern?", fragte sie und ließ sich, ohne seine Antwort abzuwarten, an das Ende des Zuges zurückfallen.

    Mit hochgezogenen Augenbrauen schaute Friedrich zu Cedric hinüber, der den Blick hilflos erwiderte. Dann wendete Friedrich Agravain und trottete seiner jungen Frau hinterher.

    Am Abend erreichen sie Berghe. Obwohl sie Isenberghe in drei oder vier Stunden hätten erreichen können, nächtigten sie auf der Burg Adolfs von Berghe. Friedrich wollte mit seiner Braut am lichten Tage auf Isenberghe eintreffen. Mit dem Anblick des Baus, der an Größe und Herrlichkeit seinesgleichen in der Region suchte, wollte er seine Braut, die aus einer der größten Burgen im Nordreich stammte, beeindrucken.

    „Herrin, sie kommen", vernahm Mathilde das Flüstern ihrer Zofe. Isabell wusste, wie es die Herrin hasste aus dem Gebet gerissen zu werden, doch heute schien die Andacht kein Ende nehmen zu wollen und die Reisegesellschaft war schon vor einer Stunde von Ortliv, der als Bote vorausgeeilt war, angekündigt worden. Mit einem mürrischen Seitenblick, der Isabell galt, riss sich die Gräfin aus ihrer Einkehr, erhob sich langsam und schlug das Kreuz vor ihrem und dem Antlitz des Gekreuzigten. Dann verließ sie die kleine Burgkapelle, um sich auf den östlichen Wehrgang, von dem aus sie das Tor der Oberburg sehen konnte, zu begeben.

    Schon erblickte sie die Reisegesellschaft. Das junge Paar ritt an der Spitze und befand sich schon auf dem Steg, der zum Tor neben dem Bergfried führte.

    Ihr Sohn machte einen fröhlichen Eindruck und Sophie strahlte vor Schönheit und Frische. Wenigstens kann sie reiten und lässt sich nicht wie eine Prinzessin in einem Wagen fahren, wog Mathilde ab. Ach, wie lange war es bei ihr selbst her, dass der seelige Arnold sie aus Cleve hergeholt hatte. Damals hatte sie ebenfalls gestrahlt, so wie das junge Ding da unten jetzt. Doch da hatte sie noch nichts geahnt von der rauen Männerwelt, die sie hier erwarten sollte. Sie hatte sich ihre Freiräume geschaffen. Ihre Kapelle, die sie mit Erzbischof Adolfs Hilfe durchgesetzt hatte, strahlte die Wärme und Freude aus, die ihr Protokoll, Politik, Waffengeklirre und vor allem die Unbeholfenheit ihres Mannes im Umgang mit den Wünschen einer Frau nie hatte geben können. Ob Friedrich da anders war? Sie sah ihrem Sohn entgegen. Zumindest machte er den Eindruck, als habe er im Moment das

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