Das Ikarus Puzzle: Michael Korn & Liz Croll Band 2
Von Matthias Boden
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Das Ikarus Puzzle - Matthias Boden
Das Ikarus Puzzle
Michael Korn & Liz Croll Band 2
Ein Thriller von
Matthias Boden
Copyright © 2021
Matthias Boden
Werrestraße 107b
32049 Herford
Alle Rechte vorbehalten
Covergestaltung: Matthias Boden
Nach einem sonderbaren Juwelendiebstahl in Kolumbien bittet die leitende Beamtin Interpol um Hilfe. Das Team um Liz Croll und Michael Korn wird durch unangenehme Umstände in den Fall hineingezogen. Zusammen mit einer jungen Kommissarin und einem Kollegen aus Kolumbien übernehmen sie die Ermittlungen. Als nach einem weiteren Diebstahl und einem Mord in den Vereingten Staaten wird der Dieb gefasst. Der Direktor von Interpol entzieht dem Team überraschend den Fall und zwingt sie ihre Ermittlungen aufzugeben begeben sie sich zuhause in Streik. Bernand Roussel, der Verbindungsmann, versucht in Lyon zu vermitteln da es offensichtlich zwei weitere Diebstähle geben soll. Unter Mithilfe der Vorzimmerdame Rhonda Miller kann der Direktor der Beihilfe überführt werden. Das Team muss bei den weiteren Ermittlungen auf die Anführerin Liz Croll verzichten die in Nassau zurückbleibt. Die weiteren Diebstähle weisen auf einen alten Versuchsaufbau hin der es ermöglichen soll kristallines Wachs in jedes Element zu verwandeln. Ein Experte für Juwelen und deren Geschichte kann das Geheimnis für das Team erhellen. Zusammen mit der jungen Kommissarin aus Kolumbien und einer Gerichtsmedizinerin, die den Posten von Liz Croll übernimmt solange sie ausfällt, stöbern den Hintermann auf der sich in einer undurchsichtigen und mächtigen Stiftung versteckt. Doch das Experiment steht schon kurz vor der Vollendung. Zusammen müssen die Ermittler in einem Spiel auf Leben und Tod verhindern das die einmaligen Kunstwerke im kriminellen Untergrund verloren gehen.
Für Nadine,
meine beste Freundin und ihre unermüdliche Zuversicht.
Inhalt
Prolog
Kolumbien, Cartagena
1. Kapitel
Bahamas, Nassau
2. Kapitel
Kolumbien, Cartagena
3. Kapitel
Bahamas, Nassau
4. Kapitel
Kolumbien, Cartagena
5. Kapitel
Bahamas, Nassau
Kolumbien, Cartagena
El Salvador, vor der Küste von San Salvador
6. Kapitel
Kolumbien, Cartagena
7. Kapitel
Kolumbien, Cartagena
8. Kapitel
Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)
9. Kapitel
Kolumbien, Cartagena
10. Kapitel
Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)
Kolumbien, Cartagena
11. Kapitel
Kolumbien, Cartagena
12. Kapitel
Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)
13. Kapitel
Kolumbien, Cartagena
14. Kapitel
Luftraum über dem karibischen Meer
15. Kapitel
Vereinigte Staaten, San Diego (CA)
16. Kapitel
Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)
17. Kapitel
Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)
18. Kapitel
Costa Rica, San José
Vereinigte Staaten, San Diego (CA)
19. Kapitel
Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)
20. Kapitel
Vereinigte Staaten, Luftraum zwischen Los Angeles und San Diego (CA)
Vereinigte Staaten, San Diego (CA)
21. Kapitel
Vereinigte Staaten, San Diego (CA)
Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)
22. Kapitel
Großbritannien, London
Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)
Südamerika, Luftraum über Kuba
23. Kapitel
Frankreich, Lyon
Südamerika, Luftraum über Venezuela
24. Kapitel
Großbritannien, London
Bahamas, Nassau
25. Kapitel
Vereinigte Staaten, Detroit (MI)
Großbritannien, London
Frankreich, Lyon
26. Kapitel
Bahamas, Nassau
27. Kapitel
Frankreich, Lyon
Südafrika, Kapstadt
28. Kapitel
Frankreich, Lyon
29. Kapitel
Südafrika, Kapstadt
Bahamas, Nassau
30. Kapitel
Bahamas, Nassau
Großbritannien, London
31. Kapitel
Frankreich, Lyon
Südafrika, Kapstadt
32. Kapitel
Europa, Irgendwo über dem Atlantik
Frankreich, Lyon
33. Kapitel
Südafrika, Kapstadt
Großbritannien, London
34. Kapitel
Frankreich, Lyon
35. Kapitel
Großbritannien, Swansea
Bahamas, Nassau
36. Kapitel
Südafrika, Kapstadt
37. Kapitel
Bahamas, Nassau
Südafrika, Kapstadt
Großbritannien, London
38. Kapitel
Großbritannien, Swansea
Großbritannien, London
39. Kapitel
Großbritannien, London
40. Kapitel
Großbritannien, London
41. Kapitel
Großbritannien, Swansea
42. Kapitel
Großbritannien, Colchester
43. Kapitel
Großbritannien, Colchester
44. Kapitel
Großbritannien, Colchester
Epilog
Frankreich, Lyon
Danksagung
Prolog
Kolumbien, Cartagena
Es war kurz vor ein Uhr als die schlanke, schwarz maskierte Person das Flachdach des Museums erklommen hatte. Mit seinen Gummi besohlten Schuhen war er die weiß gekalkte Backsteinwand hinauf geklettert. Tagelang vorher war er jede Möglichkeit, in das Gebäude zu gelangen in seinen Gedanken durchgegangen. Er hatte genau die Zeit gewählt, in der die Wachmannschaft in der Nacht am unaufmerksamsten war. Wenige Minuten nach Mitternacht hatte er sich dem gut ausgeleuchteten Gebäude von hinten genähert. Um so wenig wie möglich aufzufallen, hatte er sich in einem weißen Overall der Wand gestellt. Seine Silhouette hob sich in dem gleißenden Scheinwerferlicht, das auf das Gebäude gerichtet war, so gut wie nicht ab. Als er endlich oben angekommen war, zog er das weiße Gewebe aus und versteckte es in seinem flachen Rucksack.
Jetzt ganz in Schwarz gekleidet lag er bäuchlings auf dem Dach und schob sein Teleskop langsam durch den kleinen Spalt zwischen dem Lüftungsschacht und der inneren Mauer. Die Bildübertragung auf seine ebenfalls schwarze Brille funktionierte perfekt. Dann sah er auch schon den grauen rautenförmigen Kasten an der Wand. Das Sicherheitssystem des Museums war nicht das beste. Zwar wurde es über die Jahre immer wieder angepasst und verbessert, trotzdem war es hoffnungslos veraltet. Die analoge Videotechnik war sehr leicht auszutricksen. Alles was er dafür benötigte, hatte er am Vorabend ständig aufs Neue kontrolliert. Die Männer in der Überwachungszentrale würden es kaum bemerken eine Videoschleife zu sehen. Vorsichtig schlitzte er die Isolierung des Kabels auf und schob das silberne Drahtgeflecht des Koaxialkabels zur Seite. Den inneren Plastikern schnitt er ebenfalls auf. Das Videobild würde nicht einmal flackern, wenn er seine Videoquelle anschloss. Hoch konzentriert schob er die beiden losen Drahtenden bis zu dem grauen Kasten. Eines verband er mit dem inneren Kupferkern und das andere mit dem silbernen Drahtgeflecht, dann startete er auf seinem digitalen Gerät die Aufnahme. Die Zeitschleife von einer halben Minute würde sich immer wiederholen und zusätzlich einen generierten Zeitstempel in das Bild einfügen. Dann stellte er auf Senden um und brachte den Seitenschneider an seinem Teleskop in Position. In Gedanken überprüfte er noch einmal, ob er keinen Schritt ausgelassen hatte. Als er sich sicher war nichts vergessen zu haben, atmete er noch einmal tief durch und kappte das originale Kabel hinter seiner Anschlussstelle.
Der Videomonitor in der Überwachungszentrale des Sicherheitsdienstes flackerte nur einmal kurz auf, doch dann zeigte er wieder genau das gleiche Bild.
Die schwarze Gestalt entfernte leise das Gitter vor dem Lüftungskanal, bevor er sich kopfüber in die glänzende Röhre gleiten ließ. Seine Hände presste er gegen das ihn umgebende Aluminium, um nicht zu schnell zu fallen. Die drei Stockwerke hinunter zu gelangen, war eine schweißtreibende Angelegenheit. Dann verließ er die senkrechte Röhre und bog in den waagerechten, rechts angeschlossenen Kanal ab. So leise wie möglich zog er sich auf dem Bauch liegend durch die Aluminiumhülle, bis er das Gitter vor dem Raum erreicht hatte. Als er die untere Schraube lösen wollte, begann sie zu quietschen. Er stoppte und holte aus seinem Rucksack ein Fläschchen Öl, was er vorsichtshalber auf alle Schrauben tröpfeln ließ. Er wartete einige Sekunden ab, bis das Schmiermittel in die Gewindegänge vorgedrungen war, bevor wieder anfing, sie herauszudrehen. Leicht schabend verließen sie ihre Position, bis das Gitter vollständig gelöst war. Er zog es durch die Öffnung in den Kanal und legte es weiter vorne ab. Die Öffnung war groß genug für ihn, um durchzuschlüpfen.
Er stand jetzt auf einem mit beigem Kunstleder bezogenen Sessel an der Wand. Etwas weiter links von ihm war das Kontrollpanel für die Laserüberwachung, mit der das Museum die einzelnen Räume überwachte. Eine kurze Unterbrechung des Lichtstrahls würde einen Alarm auslösen und das Museum verriegeln. Er löste die Abdeckung des Panels und sah sich die dünnen Drähte darin genauer an. Den Schaltplan hatte er sich genau eingeprägt. Ohne zu zögern, überbrückte er zwei der Anschlüsse und legte die Abdeckung auf die Lehne des Sessels, auf dem er stand.
Die Anlage war mit einem kleinen Handgriff überlistet. Auch wenn er die Lichtstrahlen unterbrechen würde, gäbe es keinen Alarm mehr. Er hatte den Sender einfach mit dem Empfänger gekoppelt. Das System glaubte weiterhin, das alles in Ordnung sei, weil der Kontakt nicht unterbrochen wurde. Die Gestalt konnte sich jetzt frei im Raum bewegen. Die Kamera zeigte eine Videoschleife und die Anlage, die durch die Laserstrahlen Alarm geben würde, war auch außer Betrieb gesetzt. Er blickte auf seine Uhr. Bis der Wachmann seinen Kontrollgang machen würde, blieben ihm mehr als eine halbe Stunde. Das war viel mehr Zeit, als er benötigen würde.
Zielsicher durchquerte er den Raum und blieb vor der Vitrine mit dem Schmuckstück stehen, auf das er es abgesehen hatte. Die Vitrine war nicht extra gesichert, dafür aber fest verschlossen. Aus seinem Rucksack zog er den mitgebrachten Glasschneider und legte ihn oben auf das Glas. Direkt darunter befand sich ein Opal in der Größe eines Hühnereis. Er drückte den Saugnapf auf das Glas und schnitt, durch mehrmaliges Kratzen mit der Diamantnadel ein Teller-großes kreisrundes Loch in die glatte Fläche. Die herausgetrennte Scheibe steckte er, zusammen mit seinem Schneidwerkzeug zurück in seinen Rucksack.
Dann steckte er seine Hand durch das Loch hindurch und griff sich das Mineral. Gern hätte er sich das Schmuckstück etwas genauer angeschaut, aber es fehlte das Sonnenlicht und er sollte besser wieder verschwinden. Das Hühnerei stopfte er in einen dunkelblauen Samtbeutel und verbarg es sicher in der Tasche seiner schwarzen Weste. Er kehrte zum Sessel zurück und stieg darauf. Mit zittrigen Fingern entfernte er den kleinen Draht, den er vorher eingesetzt hatte. Dann hob er die Abdeckung von der Lehne des Sitzmöbels und hakte es an den Plastikösen ein. Mit einem kurzen Druck auf das untere Ende rastete es leise klickend wieder ein.
Seine Hände streckte er nach oben zu der Röhre, aus der er gekommen war, hielt sich am Rand fest und zog sich dann hinauf. Mit kippelnden Bewegungen schwang er sich zurück in den Lüftungsschacht. Sorgfältig befestigte er das Gitter mit den geölten Schrauben an seinem Platz bevor er sich wieder auf den Rückweg machte. An der Abzweigung bei dem senkrechten Rohr glitt er weiter nach unten durch die Röhre. Es dauerte lange, bis er unten ankam, und das Blut drückte in seinem Schädel. Durch die mit dem Kopf nach unten hängende Position schaffte es sein Kreislauf nicht mehr die rote Flüssigkeit entgegen der Schwerkraft in seine Beine zu pumpen. Alles sammelte sich im Kopf, was ihm mit zunehmender Dauer dunkle Schatten vor seine Augen trieb.
Ganz unten angekommen zog er sich erschöpft wieder in eine waagerechte Röhre und verharrte einige Minuten darin, um sich zu erholen. Nachdem sich sein Kreislauf wieder stabilisiert hatte, robbte er weiter durch den Schacht. Unter ihm lagen die dunklen, leicht modrig riechenden Kellerräume. Dann sah er endlich seinen Ausgang näherkommen. Gerade als er das Gitter lösen wollte, wurde der Alarm ausgelöst. Erschrocken blickte er auf seine Uhr am Handgelenk. Dieser hirnlose Wachmann war sieben Minuten zu früh mit seiner Runde.
Er musste schneller handeln, als er das geplant hatte. So schnell er konnte, schraubte er das Gitter auf und sprang aus dem Lüftungsschacht. Mit schnellen Schritten rannte er durch den kleinen Verbindungsgang in den Raum mit dem Zugang zum Wasser unter der alten rostigen Abdeckung. In der Luft hing der unangenehme Geruch von durchnässten Beton, der langsam auseinanderfällt. Er zog den verschließbaren Plastikbeutel aus seiner Tasche, packte das eben mitgenommene Mineral mitsamt seiner Samthülle hinein und verschloss ihn. Dann riss er den rostigen Deckel auf und hüpfte über die kleine Kante in die trübe Flüssigkeit. Das Wasser war warm genug, um nicht frieren zu müssen. Noch einmal tauchte er auf und nahm einige tiefe Atemzüge, bevor er die Luft in seiner Lunge hielt. Nach dem Abtauchen schwamm er mit schnellen Armzügen zu dem kleinen Hohlraum im Gestein.
Er zog sich aus dem Wasser und atmete tief durch. Von Weitem hörte er noch immer das schrille Klingeln der Alarmanlage, die der Wachmann ausgelöst hatte. Noch einmal holte er tief Luft und versuchte aufzustehen. Da der Hohlraum nicht sehr hoch war, musste er die Knie gebeugt halten, um dann mit den Armen voraus wieder in das Wasser sprang. Tauchend wand er sich durch den gefluteten Steinkanal. Sein Körper verlangte nach frischem Sauerstoff. Er schluckte die Luft, die aus ihm herauspresste wieder hinunter und zwang sich, durchzuhalten. Dann sah er die hellen Lichter der Stadt durch die Wasseroberfläche scheinen. Nur noch wenige Sekunden. Sein Oberkörper schoss beinahe bis zur Hüfte aus dem Nass als er wild prustend frische Luft in seine Lunge sog. Vorsichtig, um nicht zu viel Wasser aufzuwühlen, was ihn erkennen ließ, schwamm er zu dem alten Holzsteg. Unter dem Holzsteg hatte er seine Pressluftflasche und die Taucherausrüstung versteckt. Im Schutz der morschen Holzbohlen zog er die Flossen über seine Schuhe und schnallte sich die Luftflasche über seinen Rucksack. Dann tauchte er ab und umrundete die Küste der kleinen Bucht. Direkt daneben lag der Jachthafen von Cartagena, wo seine kleine Jolle vor Anker lag.
Über die heruntergelassene Hängeleiter am Heck kletterte er nach oben an Deck. Er hatte es geschafft. Durch die kleine Tür neben dem Steuerrad ging er über die Treppe nach unten. Ohne Licht zu machen, legte er seine Klamotten ab und packte den verschlossenen Plastikbeutel in den kleinen Hohlraum neben seinem Bett. Er griff sich ein Handtuch, trocknete sich gründlich ab und schlüpfte unter die leichte Decke in seine Koje.
Als er wach wurde, war es bereits kurz vor Mittag. Nach der Morgentoilette kleidete er sich an, lichtete den Anker der Jolle und fuhr aus dem Jachthafen hinaus.
1. Kapitel
Bahamas, Nassau
Der laue Westwind streichelte den fast weißen Sandstrand, an dem Michael Korn und Leonie Keller ihre Decke ausgebreitet hatten und ein kleines Picknick genossen. Ihr zweistöckiges Haus, das sie gebaut hatten, war endlich bereit, die beiden aufzunehmen. Die neue Küche, die sich Michael ausgesucht hatte, weil er das Kochen übernahm würde in knapp zwei Stunden geliefert werden. Er hatte sie in der Schweiz anfertigen lassen und dann, sauber in einem Container verpackt, mit dem Schiff anliefern lassen. Zusammen hatten sie dafür fast eine halbe Million bezahlt. Schon heute Abend könnten sie ihre erste Mahlzeit in ihrem neuen Heim zu sich nehmen.
Sie hatten sich an das Leben in Nassau gewöhnt, seit sie ihr Büro hier eingerichtet und Liz die Bahamas, als ihre Basis, ausgewählt hatte. Seit ihrem letzten Fall, der intern nur Projekt Lucien
genannt wurde, waren erst einige Monate vergangen. Das gesamte Team hatte hier in Nassau eine neue Heimat gefunden. Leonie und Michael waren in den letzten Tagen kaum mehr im Büro gesehen worden. Liz, die Anführerin, hatte die beiden nahezu verbannt, um ihr gemeinsames Domizil bezugsfertig zu machen. Inzwischen waren die beiden kaum mehr voneinander zu trennen. Korn hatte sich seit er mit ihr zusammen war, ernsthaft bemüht freundlicher zu werden. Gegenüber dem Team gab es so gut wie keine Klagen mehr. Karyani, die Verlobte von Mike Banks, hatte dafür den Begriff Leoniefiziert
erfunden. Sie hatte ihn gezähmt, zumindest gegenüber des Teams. Bei Außenstehenden war er immer noch wegen seiner Art gefürchtet. Allerdings wollte das keiner mehr ändern, auch Leonie nicht.
Sie biss gerade herzhaft in ein frisches Brötchen, als sie ihn kauend fragte »Was kochst du uns denn als Erstes heute Abend?«
»Deine heiß geliebten gefüllten Pfannkuchen, mein Herz«, lächelte er sie verliebt an.
»Jaaa«, freute sie sich, »Eine ganze Schüssel nur für mich!«
»Dann muss ich mindestens sieben Schüsseln machen«, grinste er, als er anfügte, »Für jede Person eine!«
Michael hatte seiner geliebten Freundin verschwiegen, dass er das ganze Team eingeladen hatte, um eine kleine Einweihungsfeier zu geben.
»Du hast alle eingeladen?«, fragte sie.
»Das gesamte Team plus Bernand und Jason werden da sein«, bestätigte er.
Sie warf spielerisch die Arme in die Luft und jubelte, wie wenn sie bei einem wichtigen Fußballspiel ein Tor erzielt hätte. Er liebte diese kindliche Freude an ihr und bereitete dafür immer wieder Überraschungen vor. Jeden Tag versuchte er aufs Neue ihr Herz zu erobern, was gar keine schwere Aufgabe war. Es war ihm wichtig, ihr immer wieder zu zeigen, dass er sie nicht als selbstverständlich betrachtete. Tief drin verspürte er noch die Angst, sie zu verlieren, wenn er sich nicht anstrengte. Leonie wusste das natürlich, obwohl sie ihm versuchte diese Furcht zu nehmen.
Im Büro des Interpolteams brüteten die beiden Verlobten Banks und ihre Chefin derweil über ihren Berichten. Der letzte Fall war ein Kinderspiel gewesen. Chi Park, der Nachfolger Bernands, hatte sie auf einen Drogenring angesetzt, der in Italien operierte. Sie benötigten nicht mal eine ganze Woche dafür. Liz war in Hochform und fand nicht nur die Verteiler, sondern noch die gesamten Drogenküchen. Es ärgerte sie, dass nach jeder kleinen Aufgabe dieser Papierkrieg stattfand.
»Park müsste uns eine Sekretärin schicken«, haderte Liz, »für die ganze Schreibarbeit, die wir hier erledigen sollen!«
»Unsere Hauptaufgabe ist es Papier zu verhaften!«, scherzte Karyani und lachte.
»Man kann eben nicht jeden Tag eine Bundeskanzlerin verhaften, Liz. Auch wenn es mal wieder an der Zeit wäre, einen dicken Fisch zu fangen!«, grinste Mike sie an.
Die Verhaftung im Deutschen Bundestag hatte weltweit für Aufsehen gesorgt. Alle Medien berichteten in Einzelheiten darüber, was Liz und ihr Team erledigt hatten. Allerdings mochte sie es nicht, dass man ihr die Lorbeeren dafür anheftete. Das ganze Team hatte hart daran gearbeitet diesen Fall abzuschließen. Deren Beteiligung verschwieg man in der Presse nahezu komplett. Liz fand das nicht fair, denn alleine hätte sie diesen Auftrag nicht erledigen können. Sie schätzte die Arbeit von Michael, Leonie, Mike und Karyani weit höher ein als ihre eigene. Korn war das egal gewesen, als sie mit ihm darüber gesprochen hatte. Seine Antwort war »Ich habe, neben der tollsten Frau der Welt, ein Leben bekommen Liz. Den Ruhm dürft ihr unter euch aufteilen!«
Bei dem Gedanken daran musste sie lachen. Michael hatte großartige Arbeit geleistet und dafür etwas bekommen, das man in seinen Augen mit nichts aufwiegen konnte. Außerdem hatte es dazu geführt, aus diesem Haufen eine Einheit zu machen. Wer hätte gedacht, dass man aus drei Verbrechern, einem verbitterten Bodyguard und einer kleinen Polizistin ein hervorragendes Team machen könnte.
Der Tag neigte sich langsam dem Ende entgegen. Die drei Agenten machten sich auf den Weg nach Hause, um sich für die anstehende Einweihungsparty bei Michael und Leonie fertig zu machen. Deren Küche war inzwischen angeliefert und aufgebaut worden. Michael hatte bereits begonnen das Essen zu bereiten, während Leonie den Tisch eingedeckt hatte und sich danach entspannt auf das Sofa zurückzog, um Sachbücher zu lesen, die sie von Francois Pierlot aus Lyon erhalten hatte. Der Waffenwart von Interpol in Frankreich war begeistert die junge Leonie auszubilden. Immer wieder flog sie zurück nach Lyon, um dort noch besser zu werden als sie ohnehin schon war. Selten wurde sie dabei von Michael begleitet, der in Nassau bleiben musste, während ihr gemeinsames Haus gebaut wurde.
Kurz vor 18 Uhr klingelte es an ihrer Tür. Leonie, die sich inzwischen von ihren Büchern getrennt hatte, öffnete den ersten Besuchern, die eingeladen waren. Liz stand zusammen mit ihrem Verlobten Jason am Eingang. Zur Begrüßung umarmten sie sich und auch Korn verließ die neue Küche, um die Gäste willkommen zu heißen. Er stand mitten im Raum und sah zum Schiessen aus mit seinen, natürlich schwarzen Klamotten, um die er sich eine beige Kochschürze gebunden hatte und Spuren von Mehl im Gesicht trug.
»Typisch, wenn es was zu fressen gibt, taucht als Erstes das britische Königspaar auf!«, lachte er und umarmte die kleine Chefin des Teams. Ihrem Verlobten reichte er die Hand und entschwand dann, mit einer leichten Verbeugung wieder in der Küche. Im ganzen Haus roch es bereits nach leckerem Essen, was die Mägen der anwesenden mit einem kurzen Knurren quittierten. Liz sah sich in dem neu gebauten Haus um und konnte ihr staunen nicht verbergen. Das Paar hatte sich ein schmuckes Heim erbaut. Direkt hinter der Eingangstür erstreckte sich ein offener Wohnraum, der über eine Schiebetür auf eine Terrasse aus hellen Holzbohlen führte. Rechts davon führte eine freischwebende Treppe aus dunkel eloxiertem Stahl in die obere Etage hinauf. Links war die Tür zur Küche, in der Michael an der Kochinsel hantierte, die in der Mitte des Raumes stand. Hinter ihm waren dunkle Schränke, die Kochutensilien verbargen, und weitere Geräte untergebracht, die zwischen der hellgrauen Granitarbeitsplatten einen großartigen Kontrast ergaben. Zum Wohnzimmer hin war die Wand offengelassen worden, auf der eine ebenfalls graue Granitplatte als Theke diente. Rechts stand ein Kaffeevollautomat darauf. Direkt daneben war ein Regal in die Wand integriert, indem sich Tassen und Löffel stapelten. Vor der Theke hatten vier höhere Barhocker aus Mahagoni Platz gefunden.
Das riesige Wohnzimmer bot der Tafel, die Leonie vorbereitet hatte, genügend Platz. Mit genügend Abstand davon fand sich das große weiße Sofa, vor dem ein Beistelltisch stand. Die Stirnwand des Raumes beherbergte den großen Flachbildschirmfernseher des Paares. Links davon, an den Fenstern angrenzend, lag das geräumige Badezimmer. Der gesamte Boden des unteren Bereiches war mit cremefarbenen Platten bedeckt, in der sich die letzten Strahlen der untergehenden Sonne spiegelten. Der Anblick war atemberaubend. Jason und Liz erkundeten zusammen mit Leonie das neue Heim und überhörten fast die Türklingel. Karyani und Mike waren eingetroffen die sich, nach der freudigen Begrüßung, ebenfalls alles anschauten. Als Letzter stand um kurz nach 18 Uhr Bernand Roussel in der Tür, der eine kleine Holzkiste unter dem Arm trug.
»Dürfte ich das britische Königspaar, die goldene orientalische Schönheit mit dem Ami, und den Froschschenkel an den Tisch bitten?«, rief Michael aus der Küche, »Meine bezaubernde Traumfrau freut sich bereits den ganzen Tag auf das Essen, was in diesem Moment serviert werden könnte!«
»Wir sind unterwegs Liebling!«, rief Leonie und ging mit den anderen zurück.
Als sich alle an der Tafel versammelt hatten, servierte Michael das Essen und nahm neben seiner Freundin Platz. Dann wandte er sich den Gästen zu und sagte »Danke für den Überfall ihr Lieben! Lasst es euch schmecken, das Beschwerdebuch lasse ich anschließend herumgehen. Lesen werde ich es natürlich nicht, ich benötige das Papier, um nach dem Dessert das Feuer auf der Terrasse anzuzünden.«
Alle lachten zusammen und genossen das Essen. Michael hatte immer noch die Spuren des Mehls im Gesicht, die Leonie während der Mahlzeit versuchte zu entfernen.
Liz fragte Leonie etwas schüchtern »Was habt ihr denn für das Haus bezahlt?«
»Nicht besonders viel«, wehrte sie ab, »Alles zusammen waren es vier Millionen, der Küchenchef war schon im Preis mit drin!«
»Das merkt man«, lachte Jason, »wahrscheinlich haben sie den aus einer üblen Hafenkneipe rekrutiert!«
Lachend merkte Michael an »Frau Königin, ihre Leibstandarte hat eine nette Art, um eine Tracht Prügel zu bitten!«
»Ich weiß«, bestätigte Liz und bedachte ihren Verlobten mit einem gespielt bösen Blick von der Seite, »Wenn ich nicht wüsste, dass ihr beiden euch gut versteht, hätte ich Angst, das er dir den Kopf einschlägt!«
»Ich mich mit dem verstehen?«, fragte Jason beleidigt, »Soweit kommts noch!«, lachte er und reichte Michael die Hand.
Korn drückte Jasons Hand kurz »Jason trainiert kleine englische Kräuterhexen«, grinste Michael, »Ich halte mich da eher an die zarten Elfen der Abteilung 7,62 mm!«, und küsste seine Leonie.
»Sind die vier nicht süß«, lachte Karyani laut auf.
Bernand Roussel, der das alles, ohne eine Miene zu verziehen erlebte, sagte in die Runde »Hätte vor einem halben Jahr noch jemand zu mir gesagt, ich würde mal mit meinem Team und einem britischen Kneipenbesitzer an einem Tisch sitzen, während Michael Korn Leonie küsst und Scherze macht, wäre er erschossen worden!«
»Bernand, fürs Schießen ist meine Liebste zuständig«, erinnerte ihn Korn, »Du würdest auf 3 m Entfernung nicht mal einen Elefanten treffen!«
Alle waren am Lachen, selbst Bernand konnte seine ernste Miene nicht mehr halten. Es war kein großes Geheimnis, dass sich der ehemalige Interpolchef beim Zielen nicht mit Ruhm bekleckerte. Roussel war eher der Schreibtischtäter, der seine Stärke im Delegieren hatte. Böse Zungen behaupteten sogar, die Waffe, die er bei sich getragen hatte, als er noch im Dienst war, bestand zu 97 % aus Latex, die mit Draht verstärkt war, damit sie nicht wie Wackelpudding zitterte, wenn er sie zog.
Michael brachte die leeren Teller zurück in die Küche und rief »Keiner verlässt den Raum! Das Dessert kommt sofort!«
Die Gäste staunten nicht schlecht, als er mit kleinen Tellern zurückkehrte, auf denen ein größerer hellgelber Muffin lag, der mit Puderzucker bestäubt war. Er verteilte den Nachtisch an die Gäste und erklärte »Das sind Lavacakes die gerade den Ausbruch vorbereiten, also gebt ihnen noch ein bisschen Zeit, bevor ihr sie verschlingt!«
Der Kuchen, der vor Mike auf dem Tisch stand, platze als erster oben auf und ein Strom aus flüssiger dampfender Schokolade ergoss sich über die Hülle. Nacheinander gaben auch die anderen ihren Inhalt frei. Als der Kuchen vor Leonie seinen flüssigen Kern nach oben hin auswarf, wurden ihre Augen immer größer. In ihrem war ein goldener Ring versteckt. Gerade als sie ihn vorsichtig mit der Kuchengabel herausfischen wollte, sank neben ihr Michael Korn auf die Knie, nahm ihre Hand und sprach mit verliebter Stimme »Lea Emanuelle Enis, beziehungsweise Lea Taylor, Laura Klausen oder jetzt Leonie Keller, in den letzten Monaten hast du einen völlig anderen Menschen aus dem Scheusal, was hier vor dir kniet, gemacht und mir so viel Leben geschenkt das ich dich hier und jetzt fragen möchte, ob du meine Frau werden willst!«
Einige Sekunden war es komplett still, sogar die Vögel hatten ihr Gezwitscher kurz eingestellt bis Leonie mit leiser krächzender Stimme ein sanftes »Ja« herausbrachte. Dann fiel sie ihrem Michael um den Hals und küsste ihn. Ihre Gäste spendeten heftigen Applaus. Als die beiden sich voneinander gelöst hatten, wurden sie mit Glückwünschen überhäuft. Liz war die Letzte, die vor Michael stand, um zu gratulieren, als sie ihn mit einem kurzen Blick zu Leonie in den Arm nahm und ihm sogar einen kleinen Kuss aufdrückte. Dann drückte sie Leonie an sich und flüsterte ihr ins Ohr »Lass den Arsch nie wieder los. Der gehört jetzt dir alleine!«
»Glaub mir, den behalte ich mein Leben lang!«, flüsterte sie leise.
Michael hatte den goldenen Ring für sie abgespült. Dann nahm er vorsichtig ihre Hand und sprach »Ein Ring sie zu lieben und zu verehren!«, als er das Schmuckstück auf ihren Finger schob.
Leonie antwortete scherzhaft »Ein Ring ihn zu knechten! Aber wo ist der Ring für dich Schatz?«
»Das habe ich ganz vergessen«, gab er zu, »Vor lauter Aufregung trage ich ihn immer noch in meiner Tasche mit mir herum.«
Er schob seine Hand in die Tasche und zog eine kleine schwarze Box heraus, die an den Rändern mit einem goldenen Band verziert war und reichte sie ihr. Leonie öffnete das Kästchen und nahm den Ring heraus, um ihn Michael an die Hand zu stecken.
Mike, der bis dahin noch nicht wirklich viel gesprochen hatte, wandte sich an Roussel, »Bernand, es wird Zeit, das du dich auch verlobst! Du bist der Einzige hier ohne Ring am Finger!«
»Ich bin mit meiner Arbeit verlobt, und das Letzte, was ich mir anschaffe, ist eine Frau. Mir reicht es, zu sehen, dass meine Leonie ihr Glück gefunden hat!«, reagierte er mit ruhiger Stimme auf die Provokation.
Zusammen feierten sie noch bis in die frühen Morgenstunden, bis sich alle auf den Heimweg machten.
2. Kapitel
Kolumbien, Cartagena
Es war kurz nach halb drei Uhr am Morgen, als Anelisa Cortez vom lauten Klingeln ihres Handys geweckt wurde. Sie war Kommissarin der kolumbianischen Polizei für schweren Diebstahl. Die hochgewachsene Frau fischte auf dem Nachttisch nach ihrem Handy und nahm den Anruf entgegen. Schlaftrunken hielt sie sich das Gerät an ihr Ohr, ohne die Augen zu öffnen.
»Cortez«, murmelte sie verschlafen.
»Hernandez hier!«, brummte eine dunkle Männerstimme, »Das Auge des Südens wurde aus dem Museo del Oro Zenu gestohlen!«
Halb schlafend antwortete sie »Schreiben sie es auf, ich beschäftige mich später damit.«
»Hören sie mir überhaupt zu!«, schrie er harsch.
»Es ist mitten in der Nacht«, stöhnte sie, »Hat das nicht Zeit bis ich wach bin?«
»Kommen sie sofort her, oder muss ich einen Beamten schicken der ihren fetten Arsch herschleift?«, brüllte er.
Langsam kam Cortez zu sich »Was wollen sie von mir zu dieser Zeit?«
»OK, noch mal!«, brummte er, »Das Auge des Südens wurde entwendet, und sie sind dafür zuständig!«
»Bin ja unterwegs«, ärgerte sie sich und klickte das Gespräch weg.
Sie tastete nach dem Schalter ihrer Lampe und betätigte ihn. Vorsichtig schlug sie die Augen auf und blinzelte heftig, bis sich ihre Augen an das Licht gewöhnt hatten. Ein kurzer Blick auf die Uhr bestätigte ihre Vermutung, dass sie nicht lange schlafen durfte. Gerade mal knapp drei Stunden lag sie in ihrem Bett, bevor sie unsanft geweckt wurde. Anelisa Cortez quälte sich aus ihrem warmen Bett und setzte sich auf. Mit einer Kurzwahltaste rief sie ihren Partner an.
»Moreira!«, meldete er sich.
»Felipe, im Museo del Oro Zenu wurde das Auge des Südens gestohlen«, jammerte sie.
»OK, gib mir 10 Minuten!«, sagte er und unterbrach die Verbindung.
Wie kann dieser Mensch um diese Zeit klingen, als wäre es früher Nachmittag? Egal, zu welcher Zeit sie ihn anrief, war er hellwach. Felipe Moreira war ihr Partner im Dezernat für schweren Raub. Schon seit zwei Jahren arbeiteten sie zusammen, nachdem er frisch von der Polizeischule gekommen war. Sie war zur Hauptkommissarin aufgestiegen, während er noch ein einfacher Kommissar war.
Schnell schlüpfte sie in ihre Klamotten und band die krausen schwarzen Haare zu einem kleinen Zopf zusammen. Dann tapste sie ins Badezimmer und warf sich einen Schwung kaltes Wasser ins Gesicht, um die Müdigkeit zu vertreiben. Ihre Lebensgeister erwachten wieder. Kaltes Wasser half ihr immer beim Aufwachen. Sie knipste das Licht aus, griff sich ihre Schlüssel vom Haken und stieg in ihren silbergrauen SUV. Für die Fahrt zum Museo del Oro Zenu würde sie nur ein paar Minuten brauchen.
Als sie am Ort des Geschehens eingetroffen war, stand Felipe schon da. Immer noch müde stieg sie aus ihrem Wagen aus. Moreira kam mit leichten Schritten auf sie zu und hielt ihr einen Pappbecher mit Kaffee hin. Dankend nahm sie das Getränk entgegen.
»Weißt du schon was Felipe?«, fragte sie ihn.
»Nichts genaues«, gab er zu, »Hernandez hat das Kommando und will nur mit dir sprechen!«
»Warum muss ausgerechnet der an jedem verdammten Tatort zuerst auftauchen?«
»Frag ihn Anelisa!«, hüstelte er.
Das Heißgetränk gab ihr neue Kraft. Gemeinsam liefen sie auf Hernandez zu, der wild fuchtelnd Befehle bellte. Anelisa verdrehte die Augen. Seine Stimme alleine reichte aus, um ihr die Lust an ihrem Job zu nehmen.
»Hernandez!«, rief sie, »Hören sie auf hier herumzuschreien, die Leute wollen schlafen!«
»Na endlich, Cortez. Wurde auch Zeit, dass sie hier aufschlagen!«
»Sie gehen mir ehrlich auf den Geist! Was ist los?«, fragte sie etwas ungehalten.
»Um exakt 01.50 Uhr löste der Wachmann bei seinem Rundgang …«
»Kurzform, Hernandez!«, unterbrach sie ihn.
Erneut setzte er an »01.50 Uhr löste der Wachmann bei seinem Rundgang den Alarm aus.«
»Vergessen sie es, Hernandez! Ich besorg mir die Informationen selbst, und sie sind jetzt entweder leise oder ich lasse sie im Meer ertränken!«, blaffte sie ihn an als sie sich an ihm vorbeidrängte.
Moreira grinste ihn an und folgte Anelisa mit schnellen Schritten. Sie betraten das Museum und fragten nach dem Wachmann, der den Alarm gegeben hatte. Man schickte sie zu einem grauhaarigen Mann, der zusammengesunken auf einer Bank saß. In den letzten Minuten musste er seine Geschichte wahrscheinlich schon oft genug erzählen. Vor ihm stand ein Mann mittleren Alters in einem grauen Anzug und sprach mit Händen und Füßen auf ihn ein. Anelisa hielt auf ihn zu und rief »Wer sind sie und was wollen sie von unserem Zeugen?«
Der Mann im Anzug warf ihr nur einen kurzen Blick über die Schulter zu, während er weiter auf den Wachmann einredete. Sie klopfte ihm mit den Fingern auf die Schulter, aber er ignorierte sie. Noch mal, allerdings fester klopfte sie dem Mann im Anzug auf die Schulter, was er ebenfalls ignorierte. Dann hatte Anelisa genug davon. Sie zog ihre Marke aus der Tasche, stellte sich direkt vor ihn und schrie ihn an »Machen sie ihren Hals zu! Wer sind sie?«
»Ich bin der Direktor des Museums! Verschwinden sie!«, warf er ihr an den Kopf.
»Dann warten sie jetzt, bis sie dran sind Direktor. Ich verhöre den Zeugen!«, fauchte sie.
»Sie sollen verschwinden!«, rief er aufgebracht und setzte sein Gezeter über ihre Schulter fort.
Das war für sie der Auslöser seine Hand auf den Rücken zu drehen und ihn zu Boden zu bringen. Ihr Knie presste sie ihm auf die Wirbelsäule und schrie ihm ins Ohr »Sie gehen mir jetzt aus dem Weg und lassen mich meine Arbeit machen, oder ich sorge dafür, das sie heute Nacht noch standrechtlich erschossen werden! Ist das jetzt klar geworden?«
Wie ein auf dem Rücken liegender Käfer zuckten seine Arme und Beine heraus und tanzten auf den blanken Fliesen. Er wollte sich nicht beruhigen und begann mit lautem Fluchen den Versuch aufzustehen. Felipe griff ein und stellte seinen Fuß auf seinen Unterarm, während er einen Beamten um Handschellen bat. Zusammen legten sie ihm die Eisen an und Felipe zerrte ihn einige Meter weiter weg. Dort gab er drei Uniformierten den Befehl, ihn in Schach zu halten. Notfalls sollten sie ihn mit Gewalt nach draußen schaffen.
Anelisa setzte sich neben dem Zeugen auf die Bank und fragte ihn mit sanfter Stimme »Können sie mir ein paar Fragen beantworten, oder brauchen sie etwas?«
Mühsam erhob er seinen Kopf und krächzte »Was wollen sie Wissen?«
»Sie haben den Diebstahl bei ihrem Rundgang bemerkt. Ist ihnen vorher irgendwas aufgefallen?«, beruhigte sie ihn.
»Nein, alles war normal, bis ich das Loch in der Vitrine sah!«, sagte er leise.
»Ist ihnen an den Kameras etwas aufgefallen? Die haben sie ja vor ihrem Rundgang beobachtet.«
»Nein, da war absolut nichts Ungewöhnliches zu sehen. Alles wie immer!«, behauptete er.
»Was haben sie getan, nachdem sie den Alarm ausgelöst haben? Bitte so genau wie möglich!«, verlangte sie.
Felipe brachte ihm ein Glas Wasser, als er begann »Ich bin zum Bedienfeld der Alarmanlage gerannt. Da war alles in Ordnung. Dann habe ich den Raum abgeschlossen und die Gitter heruntergelassen, wie es in der Dienstanweisung steht. Der Alarm riegelt das Gebäude sofort ab. Also bin ich zurück in mein Büro, habe die Monitore beobachtet, bis die Polizei hier war!«
»Wann waren die Kollegen hier?«
»Ziemlich genau um 02.00 Uhr!«, sagte er und blickte sie an.
»Woher wissen sie das so genau?«
»In meinem Büro hängt eine Uhr, die jede volle Stunde einen Signalton ausgibt. Als ihre Kollegen vor dem Museum vorfuhren, piepste sie«, berichtete er.
Nickend fragte sie »Die Kollegen haben das Gebäude durchsucht. Wo waren sie?«
»In meinem Büro. Nach einem Alarm muss ich die Monitore im Auge behalten und über Funk melden, wenn ich was sehe!«, murmelte er.
»Gut. Nur noch eine Frage. Wie lange arbeiten sie schon hier?«, wollte sie wissen.
»Nächsten Monat sind es 27 Jahre!«
»Danke. Wir sind fertig. Gehen sie nach Hause und ruhen sie sich aus. Bitte halten sie sich zu unserer Verfügung«, riet sie ihm und stand auf. Anelisa warf ihrem Kollegen einen vielsagenden Blick zu, als der Wachmann niedergeschlagen den Raum verließ.
»Der Opa kann uns nichts sagen, was ich nicht schon vermutet hätte. Frag du die Kollegen und den Direktor, ich seh mich mal um«, gab sie Anweisung. Felipe machte sich sofort auf den Weg. Der Tatort war großräumig mir rot-weißem Flatterband abgesperrt, hinter dem die Spurensicherung bereits am Arbeiten war. Sie stellte sich an das Band und wechselte ein paar Worte mit dem Kollegen. Sein Bericht fiel noch ziemlich mager aus. In der kurzen Zeit konnte er noch keine relevanten Spuren finden. Konzentriert schritt sie den Raum ab und suchte mit den Augen nach Ungewöhnlichem. Alles, was sie sehen konnte, war das kreisrunde Loch in der Vitrine, der Rest war unberührt. Dann stutzte sie. In der Vitrine, die geöffnet wurde, war nur ein Platz leer, die anderen Ausstellungsstücke waren alle noch da. Das ergibt keinen Sinn. Warum nimmt ein Täter nur ein Stück mit, wenn direkt daneben Stücke aus echtem Gold ausgestellt sind? Auch in den anderen Vitrinen lagerten Schätze aus Gold, doch sie waren unberührt. Aus einem Informationsständer in der Ecke nahm sie sich ein Infoblatt. Das Auge des Südens war bei Weitem nicht das wertvollste Stück in diesem Raum. Bewertet war es mit lächerlich wirkenden 250.000 US-Dollar. Hier gab es mehrere Stücke, die mit weit über einer Million bewertet waren. Selbst das Stück neben dem Auge brachte es auf einen Schätzwert von 900.000 US-Dollar. Wo liegt der Unterschied zwischen einem Opal in der Größe eines Eis und einer Götzenfigur aus purem Gold? Beide waren fast gleich groß. Die Figur war aufgrund des Materials bedeutend schwerer, aber auch so einfach zu transportieren. Zudem war sie viel wertiger als das gestohlene Mineral.
Das Auge des Südens war ein Opal, der um einen kleinen Rubin entstanden war. Der feuerrote Rubin in der Mitte gab dem Schmuckstück seinen Namen. Die äußere glatte Hülle schimmerte in unterschiedlichen Farben von Weiß, über Blau, bis hin zu zartem Gelb. Ich als Einbrecher mache mir doch nicht die Mühe, in ein Museum einzusteigen und dann nur einen Schmuckstein zu klauen, dachte sie bei sich. Ein Opal war nicht einmal besonders viel Wert. Ein paar Vitrinen weiter war ein Armreif ausgestellt. Dessen Wert war mit 1.250.000 US-Dollar angegeben. Anelisa ging zu dem Ausstellungsstück hin. Ein einfacher Armreif aus purem Gold, nicht besonders schwer und handlich. Perfekt für jeden Dieb. Die Vitrine war auch nicht extra gesichert und es wäre genauso einfach gewesen, dieses Stück mitzunehmen. Da kam Felipe zurück zu ihr.
»Anelisa, die Kollegen haben etwas gefunden! Ein Videosignal eines Bildschirms zeigt in diesem Raum nichts an, obwohl hier die Party steigt. Sie wissen noch nicht, wie es gemacht wurde. Der Direktor wusste nicht das Geringste zu berichten, hat sich dafür aber wunderbar aufgeregt. Hernandez hat ihn mitgenommen und steckt ihn in die Zelle, bis er wieder normal läuft. Weiter wurde noch nichts gefunden. Den Bericht der Spurensicherung bekommen wir morgen im Lauf des Tages!«, berichtete er.
»Die wissen noch nicht mal, wie er reingekommen ist?«, fragte sie fassungslos.
»Nein. Weder wie er reinkam, noch wie er verschwunden ist!«
»Hm«, grübelte sie, »Haben wir einen Zeitplan, wann der Wärter seine Runde macht?«
»Klar! Jeweils zur halben Stunde beginnt sie und endet 27 Minuten später hier!«, erklärte ihr Kollege.
»Unser Wärter hat aber den Alarm um exakt 01.50 Uhr ausgelöst, sagte Hernandez. Zehn Minuten später war er dann auch schon hier. Wird das irgendwie dokumentiert, wann er wo gewesen ist?«, fragte sie ihn.
»Finde ich raus!«, gab er zurück, als er sich schon zum Gehen wandte.
Anelisa blieb alleine zurück. Sie holte ihr Smartphone aus der Tasche und begann die Informationen zu notieren. Der Wachmann war sogar früher hier, als er den Diebstahl bemerkte, als es sein Zeitplan vorschreibt. Theoretisch blieb dem Täter ziemlich genau eine Stunde, das war viel mehr Zeit, als sie gehofft hatte.
3. Kapitel
Bahamas, Nassau
Die Schreibtische im Büro waren noch verwaist, als Michael und Leonie den Raum betraten. Dieser Raum hier, den Interpol ihnen zur Verfügung stellte, war deutlich größer als der im Hauptgebäude von Lyon. Insgesamt waren fünf Schreibtische darin untergebracht. Sie standen ziemlich in der Mitte. Zwei nebeneinander zum Fenster hin zwei weitere direkt davor mit Blick zur Tür und rechts außen noch einer, der zu den vier anderen gestellt war. Sie hatten sie untereinander aufgeteilt. Karyani hatte direkt den ersten links vorne genommen, ihr Verlobter direkt den daneben. Liz, die Chefin des Teams, hatte sich den einzeln Stehenden rechts außen gesichert. Michael saß Mike gegenüber und Leonie rechts neben ihm hatte Karyani vor sich. Alle zusammen saßen wie in einer Runde an ihren Schreibtischen.
Der Boden war mit hellen Keramikfliesen bedeckt worden. Links an der Wand hatte der große Computer seinen Platz gefunden, vor dem meistens Mike arbeitete, wenn er seine Aufgaben nicht mit dem Laptop auf seinem Schreibtisch lösen konnte. Weiter Rechts neben dem Eingang führte eine Tür zu der eingebauten kleinen Küche und zu einer nebenan liegenden Toilette. Der hintere Bereich bot genug Platz für die gemütliche Sofalandschaft, die sie sich angeschafft hatten. Liz hatte, im Sinne des Teams, darauf bestanden, dass sie alle zusammen mittags am Tisch sitzen und sich stärken. Michael, dessen Hobby es war zu kochen, hatte sich bereit erklärt, für die Teammitglieder ein Mittagessen zuzubereiten, und kümmerte sich auch um die Erfrischungen. Die Atmosphäre glich eher einem zu Hause als einem Arbeitsplatz.
Heute Morgen waren die frisch Verlobten, die ersten die ihren Dienst antraten. Michael hatte sich in die Küche zurückgezogen und kochte Kaffee für die ganze Truppe. Leonie setzte sich an ihren Schreibtisch und drehte den Ring an ihrem Finger gedankenverloren hin und her. Der Ring, den er für sie besorgt hatte, machte sie schon glücklich, wenn sie ihn betrachtete. Es war etwas Besonderes. Auf der Außenseite des schmalen goldenen Streifens waren mehrere grüne Saphire und Diamanten eingefasst. Sein Ring war nur ganz schlicht aus Gold ohne Edelsteine gefertigt.
Der Abend gestern