Hilfe zur Selbsthilfe - Wunden besser verstehen und versorgen: Eine Anleitung für die Praxis
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Über dieses E-Book
Dieser umfassende Ratgeber informiert über die richtige Versorgung und Pflege von offenen Wunden, stellt alle Verbandmaterialien sowie Behandlungsmöglichkeiten vor und zeigt Wege auf, wie man auch dem psychischen Druck bei Patientinnen bzw. Patienten sowie bei den pflegenden Angehörigen begegnen kann. Weitere Themen sind unter anderem die passende Ernährung und mögliche Heilbehelfe.
Hilfe ist also immer möglich. Wobei das erste Ziel darin besteht, Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige zu motivieren, auch bei kleineren Wunden – also früh im Krankheitsverlauf – diese auch gezielt zu suchen und anzunehmen, um damit die Lebensqualität zu verbessern.
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Buchvorschau
Hilfe zur Selbsthilfe - Wunden besser verstehen und versorgen - Verlagshaus der Ärzte
INHALT
Impressum
Vorwort
Die chronische Wunde
Ursachen und Auswirkungen von chronischen Wunden am Bein (Ulcus cruris)
Diabetes als Ursache für ein Ulcus cruris
Seltene Ursachen des Ulcus cruris
Die Wundversorgung
Einleitung
Eine kurze Geschichte der Wundversorgung
Wundversorgung
Ziele
Wundbeschreibung
Was man über die Wundheilung wissen sollte
Phasengerechte Wundversorgung
Wann spricht man von einer chronischen Wunde?
Welche Wundarten gibt es?
Das offene Bein (Ulcus cruris)
Die diabetische Wunde
Tumorwunden oder exulzerierende Wunden
Der Dekubitus
Wissenswertes zu den Wundheilungsphasen
Störfaktoren der Wunde
Infektionen/Keimübertragung
Notwendige Diagnostik und Differenzialdiagnostik
Palliative Wunden und Wunden im palliativen Setting
Was können Pflegeexperten/-expertinnen dazu beitragen, um Schmerzen zu verhindern, mindern, zu lindern?
Wichtige ergänzende Maßnahmen
Aseptischer Verbandwechsel
Hygienische Maßnahmen bei multiresistenten Keimen
Mögliche Lokaltherapie und ihre Anwendungsgebiete
Biologisches Débridement (Madentherapie mit Lucilla-sericata-Larven)
Verbandtechnikarten
Wichtige Ansprüche an die Lokaltherapie
Wie setzt sich die Lokaltherapie zusammen?
Verbandstoffe einfach erklärt
Hautpflege und Wundrandschutz
Auswahlkriterien von Hautpflegemitteln
Wundrand- und Hautschutz
Was bedeutet Exsudatmanagement?
Wichtige Faktoren der Hautpflege – Hautpflegeprodukte
Pflege bei gestörtem/defektem Hautbild
Kompressionstherapie
Ernährung bei der Wundheilung
Mögliche Folgen einer Mangelernährung
Ursachen einer Mangelernährung
Orthopädische Schuh- und Prothesenversorgung
Wissenswertes zur orthopädischen Schuhversorgung
Anpassung von Prothesen
Edukation: Verbandwechsel, Hautpflege, Kompression, Heilbehelfe
Checkliste für einen aseptischen/sauberen Verbandwechsel
Wundprotokoll
Additive Wundversorgung: Plasma Care, Photonentherapie
Plasma-Care-Therapie
Emoled-Photonentherapie
Schnittstellen in der Wundversorgung und Interdisziplinarität: Warum ist die Zusammenarbeit aller Berufsgruppen so wichtig?
Wunde und Psyche
Laienpflege in der Wundversorgung und die Lebensqualität von Menschen mit Wunden
Beratung und Schulung
Ziele der Wundversorgung
Maßnahmen in der Wundversorgung
Fehler im Wundmanagement
Prozess der Wundversorgung durch geschulte Laien
Lebensqualität von Menschen mit Wunden – der Wound-QoL-Fragebogen
Beratung für Menschen mit Wunden
Mobiles Wundmanagement
Casemanagement Wunddiagnostik und Wundversorgung zu Hause
Fachgerechte Klassifizierung und Versorgung von Wunden
Lebenssituation des Patienten/der Patientin
Gesetzliche Grundlagen und Finanzielles
Was ist ein Dekubitus?
Druck
Scherkräfte
Wo entsteht ein Dekubitus?
Kategorien des Dekubitus
Risikofaktoren
Vorbeugung
Bewegungsförderung
Hautpflege
Druckentlastung
Freilagerung der Fersen
Sitzkissen
Lagerungssysteme zur Dekubitusprophylaxe
Wundversorgung
Operative Therapie für Lymphödem und Weichteildefekte
Lymphödem
Weichteildefekte
Psychotherapeutische Behandlungs- möglichkeiten
Einleitung
Hypnose als Therapieform
Beispiele aus der Praxis
Phänomene und Ziele hypnosepsychotherapeutischer Interventionen
Wundheilung durch Aktivierung des „inneren Arztes"
Das Lymphsystem als Quelle, Ernährer und Verteidiger des inneren Arztes
Was ist das Lymphsystem?
Wozu dient das Lymphsystem?
Wie kann man das Lymphsystem unterstützen?
Lymphdrainage und Kräuter – zwei besonders wirksame therapeutische Mittel
Ein Gedanke zum Abschluss
Chronische Wunden und Ernährung – Mikro- und Makronährstoffe
Makronährstoffe
Mikronährstoffe
Mikrobiom
Ursachen für Nährstoffmängel
Nährstoffmangel bei chronischen Wunden
Makronährstoffe bei chronischen Wunden
Mikronährstoffe bei chronischen Wunden
Behandlungsstrategie bei chronischen Wunden
Literatur
Autorinnen/Autoren und ihre Beiträge
Danksagung
Impressum
© Verlagshaus der Ärzte GmbH, Nibelungengasse 13, 1010 Wien, Österreich
www.aerzteverlagshaus.at
1. Auflage 2021
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere das der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwendung, vorbehalten.
Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden im Buch nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann aber nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.
ISBN 978-3-99052-264-6
Umschlag: Grafikbüro Lisa Hahsler, 2232 Deutsch-Wagram
Umschlagfoto: Herbert Fleischmann Event Photography
Grafik: Malanda-Buchdesign, Andrea Malek-Rappitsch, 8010 Graz
Projektbetreuung: Hagen Schaub
Sämtliche Angaben in diesem Buch erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung und Kontrolle ohne Gewähr und müssen vom jeweiligen Anwender/der jeweiligen Anwenderin im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Eine Haftung der Herausgeberin, der Autorinnen und Autoren oder des Verlags aus dem Inhalt dieses Werks ist ausgeschlossen.
VORWORT
Nicht oder nur schlecht heilende Wunden, besonders an den Füßen und Beinen, werden von vielen Betroffenen noch immer als Schicksal betrachtet, mit dem man sich eben abfinden muss. Dabei handelt es sich bei Ulcus cruris oder der Gangrän weder um eine harmlose noch eine seltene Erkrankung. Allein in Österreich sind Zehntausende Menschen in durchaus sehr unterschiedlicher Ausprägung von chronischen Wunden betroffen.
Patientinnen und Patienten mit Unterschenkelgeschwüren und Fußwunden leiden sehr häufig an Schmerzen und Wundinfektionen, die sich auch auf das Allgemeinbefinden negativ auswirken. Die Lebensqualität ist durch nässende und oft übelriechende Wunden stark reduziert, nicht selten kommt es zu Isolation und sozialem Rückzug.
Unser erstes Ziel muss es werden, Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige zu motivieren, auch bei kleineren Wunden – also früh im Krankheitsverlauf – Hilfe zu suchen und anzunehmen. Die Ursache für Unterschenkelgeschwüre sind fast immer Störungen der Durchblutung, oft in Verbindung mit Zuckerkrankheit. Viel seltener – aber umso wichtiger in der Früherkennung – sind Krebserkrankungen an der fehlenden Wundheilung schuld. Venenschwäche und Verengungen der Beinarterien können mit den Möglichkeiten der modernen Medizin erkannt und mit unterschiedlichen Methoden – von Operation bis zu Gefäßdehnung und Venenverödung – wirksam behandelt werden. Ist die nachteilige Durchblutung korrigiert, verhelfen moderne Wundverbände zu einer rascheren und weniger schmerzhaften Abheilung. Wichtig für die Aufrechterhaltung der Gefäßgesundheit ist eine gesunde Lebensführung mit Kontrolle von Blutzucker, Blutfetten, Blutdruck und Nikotinkarenz. Der Weg führt von einer gezielten Diagnostik der Gefäß- und Stoffwechselsituation zu einem individuellen Therapieplan mit dem Ziel, die Wunde zu heilen oder zu stabilisieren und die Lebensqualität zu verbessern.
Mein großes persönliches Anliegen an Sie als Betroffene/r ist: Nehmen Sie kompetente medizinische Hilfe in Anspruch! Es gibt für jede Patientin und für jeden Patienten mit einer chronischen Wunde eine Möglichkeit zur Verbesserung der Situation. Der vorliegende Ratgeber soll durch entsprechende Beiträge von Expertinnen und Experten mit umfangreichen Informationen, durch Aufklärung sowie praktische Tipps und Pflegeanleitungen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten.
Bleiben Sie gesund!
Ihr
Prim. PD Dr. Afshin Assadian
DIE CHRONISCHE WUNDE
Afshin Assadian
Es gibt viele mögliche Definitionen einer chronischen Wunde. Eine pragmatische Definition wäre, dass eine chronische Wunde eine Wunde ist, die nach drei Monaten noch nicht verschlossen ist oder nach vierwöchiger optimierter Behandlung keine Heilungstendenz zeigt. In der überwiegenden Mehrheit, in etwa 70 Prozent der Fälle von Ulcus cruris, liegt eine vaskuläre (die Gefäße betreffende) Ursache zugrunde, davon wieder in 80 bis 90 Prozent eine venöse Durchblutungsstörung. Die gefährlicheren arteriellen Ulcera treten bei älteren Patientinnen und Patienten mit klassischen Risikofaktoren für arterielle Verschlusskrankheiten auf. Diese sind vor allem
Bluthochdruck,
Diabetes,
hohe Blutfettwerte,
hohes Cholesterin und
Tabakkonsum.
Das Auftreten eines arteriellen Ulcus oder einer Gangrän ist ein Indikator für schwere Gefäßerkrankungen, die meist wichtige Organe wie Herz und Nieren betreffen und somit multidisziplinär angegangen werden müssen.
Venöse Ulcera findet man häufig in Verbindung mit Krampfadern oder nach einer tiefen Venenthrombose, sie können auch jüngere Patienten/Patientinnen betreffen. Eine Neigung zu Krampfadern bedeutet demnach auch ein verstärktes Risiko von Geschwüren verglichen mit Menschen ohne Krampfadern mit gleichem Risikoprofil. Als höchst problematisch gelten Mischformen, wobei die jeweiligen Ursachen behoben werden müssen, um die Möglichkeit eines Therapieerfolgs zu eröffnen.
Chronische Wunden zeigen sich – abhängig von der Ursache – an typischen Stellen. Venöse Geschwüre sitzen meist am Innenknöchel, seltener auch am Außenknöchel. Arterielle Geschwüre sind vor allem in der Zehen- und Vorfußregion zu finden, seltener auch an der Ferse. Von geschädigten Nerven (neuropathisch) verursachte Geschwüre, die sehr häufig durch Diabetes mellitus, aber auch andere chronische Erkrankungen entstehen, sind besonders problematisch, da sie oft kaum oder sogar keine Schmerzen verursachen. Sie entstehen an Druckstellen am Fuß, häufig an oder zwischen den Zehen, am Fußballen oder an der Ferse, somit an Stellen, die von Patientinnen und Patienten auch nicht immer täglich gesehen werden.
Ursachen und Auswirkungen von chronischen Wunden am Bein (Ulcus cruris)
Chronische, schlecht oder nicht heilende Wunden – Geschwüre – am Bein sind meist auf Gefäßerkrankungen zurückzuführen, unbehandelt führen sie zu schweren Komplikationen, im schlimmsten Fall zur Amputation.
Ulcus cruris kann verschiedene Ursachen haben, die häufigsten sind folgende:
Arterielle Geschwüre werden durch Durchblutungsstörungen ausgelöst, denen eine Blockade (mehrere hochgradige Einengungen oder langstreckige Verschlüsse) des arteriellen Zuflusses zugrunde liegt. Als erste Untersuchung ist immer die Betrachtung der Beine zu sehen, ein Knöchel-Arm-Druckindex zur Feststellung des Schweregrads der Durchblutungsstörung. Anschließend muss je nach Begleiterkrankungen die weitere Bildgebung mittels CT-Angiografie oder Magnetresonanz erfolgen, um eine Verbesserung der Durchblutung mittels Kathetermethoden, chirurgischer Methoden oder einer Kombination dieser beiden durchzuführen.
Venöse Geschwüre haben prinzipiell als Ursache einen venösen Stau infolge verschlechterten Abflusses. Dieser kann durch eine Verstopfung der tiefen Venen verursacht sein, was zu einem verschlechterten Abstrom und somit Stau im Gewebe führt. Dieser kann bestehen bleiben oder das Gerinnsel kann sich wieder auflösen. Als Komplikation ist eine Zerstörung der Venenklappen nicht selten. Das führt zum zweiten Mechanismus eines venösen Ulcus, dem Rückfluss (Reflux), der ebenfalls in einer Volumenüberlastung des venösen Systems mit erhöhtem Gewebsdruck, chronischer Inflammation und im Extremfall in dem Geschwür gipfelt. Wenn die tiefen Venen zu diesem Symptomkomplex führen, wird dies als postthrombotisches Syndrom (PTS) bezeichnet. Aber auch Krampfadern (Varizen) können infolge Volumenüberlastung zu ähnlichen Beschwerden führen. Bei der Untersuchung der Venenfunktion ist die Ultraschalluntersuchung die Methode der Wahl, da die Morphologie der Venen wie auch die Funktion erfasst werden können. Nach Erhebung des Venenstatus muss eine zielgerichtete Therapie geplant werden, bei Krampfadern ist eine Entfernung – sei es funktionell mit Verödung, Laser oder Radiofrequenz oder chirurgisch mittels tatsächlicher Entfernung – der erste Schritt. Dieser muss immer von einer Kompressionstherapie gefolgt sein, die bei arteriellen Durchblutungsstörungen problematisch sein kann. Daher muss auch stets der arterielle Status bei venösen Ulcera erfolgen, insbesondere, da es Mischformen geben kann. Bei chronischen tiefen Venenthrombosen (PTS) ist eine Kompressionstherapie eine zwingende Behandlungsmodalität.
Diabetes als Ursache für ein Ulcus cruris
Das diabetische Fußsyndrom (DFS) ist eine Sammelbezeichnung diabetischer Spätschäden des Fußes. Es kommt zu einer Schädigung des Nervensystems im