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Kursbuch 211: Der Westen
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eBook202 Seiten2 Stunden

Kursbuch 211: Der Westen

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Über dieses E-Book

Der Westen protzt. Der Westen stellt sich in Frage. Einerseits EU-Schulterschluss im Angesicht des Ukrainekrieges. Selbstzweifel, Selbstkritik und Selbstdementierung auf der anderen Seite. Zur europäisch-nordamerikanisch-westlichen Praxis gehört eben nicht nur die Erfindung der Demokratie und der Menschenrechte, nicht nur die Idee der Gleichheit der Menschen und die Idee pluralistischer Ordnungen, der Gewaltenteilung und des vernünftigen Interessenausgleichs, sondern auch seine radikale Dementierung. Kolonialismus, Faschismus und Nationalsozialismus, Imperialismus und Rassismus sind ohne Zweifel keine nicht-westlichen, keine nicht-modernen Erscheinungen. Sie gehören konstitutiv zur westlichen Moderne dazu – aber sie sind in diesem dialektischen Sinne auch Dementierungen dieser westlichen Moderne selbst.

Dieses Kursbuch stellt sich dieser Ambivalenz auf vielfältigste Weise. Daniel-Pascal Zorn widmet sich dem Universalismus des Westens. Der Westen sei nur mit sich selbst beschäftigt. Philosophisch tue er so, als beginne das Denken (Griechenlands) bei sich selbst, statt zu sehen, wie sehr dieses Denken bereits an anderes anschließt. In Indien, China oder Afrika. Die Historikerin Franziska Davies zeigt die wechselvolle Geschichte der Ukraine, dessen Zugehörigkeiten stets mit Randlagen in geostrategischen Großlagen zu tun hatten. Besonders für die deutsche Perspektive zeigt sie, wie stark diese von der historisch durchaus verständlichen Bemühung um Aussöhnung mit Russland geprägt ist – dabei aber an der Komplexität der regionalen Verflechtungen scheitert. Im Gespräch mit Ines Geipel beklagt sie ein merkwürdiges Desinteresse an der Aufarbeitung der Gewaltgeschichte der DDR, sie spricht von der "Härtesubstanz des Ostens", der den neuen Menschen gewaltsam herstellen wollte, vor allem durch Disziplinierung der Körper. Der Westen zeigt nur Desinteresse, was auch dazu führe, dass sich gerade im Osten Deutschlands eine Renaissance autoritärer rechter politischer Formen etabliere.

Für die Intermezzi wurde diesmal die Frage gestellt: Was ist für mich der Westen? Auch in den 14 kurzen Texten von Ulrike Draesner, Karl Bruckmaier, Shila Behjat, Peter Unfried, Olaf Unverzart (in Bildern), Rasha Corti, Jürgen Dollase, Irmhild Saake, Wolfgang Schmidbauer, Karsten Fischer, Georg von Wallwitz, Andrea Römmele, Thomas K. Henning und Malek Mansour kommt die Ambivalenz des Westlichen zum Ausdruck, vor allem aber die pluralen Perspektiven auf das Thema.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum2. Sept. 2022
ISBN9783961962709
Kursbuch 211: Der Westen

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    Buchvorschau

    Kursbuch 211 - Kursbuch Kulturstiftung gGmbH

    Armin Nassehi

    Editorial

    Am »Westen« kann man eigentlich nur scheitern – das war einer der ersten Gedanken, die wir als Herausgeber hatten, als wir uns entschlossen haben, ein Kursbuch mit dem Titel Der Westen zu machen. Ein besseres Timing freilich konnte es nicht geben, als jetzt über den »Westen« nachzudenken, in Kriegszeiten, in denen der Nachfolger jenes nicht westlichen Protagonisten in Europa einen souveränen Staat überfällt, dort brandschatzt und mordet und sich aus allem verabschiedet, was man irgendwie normativ mit dem »Westen« verbindet. Ist der Antagonismus zwischen dem Westen (ab jetzt nach Möglichkeit ohne Anführungszeichen) und dem »Osten« (hier brauchen wir sie wieder!) wieder da? Zumindest scheint der Westen geeint wie nie – in der Europäischen Union (mit Ausnahme des üblichen Verdächtigen), erst recht in der NATO, die sich im Norden erweitert und an der Südostflanke erinnert wird, wie wenig westlich sie auch ist. Egal – offenbar gibt es keinen Zeitpunkt, an dem man weniger am »Westen« (geht doch nicht ohne) scheitern könnte. Aber es könnte auch das Gegenteil gelten, wenn die jetzige europäische geostrategische und militärische Lage allzu naive Unterscheidungen zwischen the west und the rest ausbildet.

    Die Beiträge in diesem Kursbuch umkreisen alle auf je unterschiedliche Weise dieses Dilemma zwischen einem selbstbewussten westlichen Verständnis und seiner Selbstkritik beziehungsweise der Selbstrelativierung dessen, was sich als »Westen« (sic!) beschreibt. Gäbe es so etwas wie ein Grundmotto dieses Kursbuchs, dann ist es die Erfahrung, dass niemand die normativen und auch strukturellen Errungenschaften des Westens (in aller Vorsicht: was immer das bedeutet!) vollständig leugnet oder infrage stellt, zugleich aber darauf hinweist, dass dieser Westen seine Selbstbeschreibung und Selbstzurechnung immer wieder radikal infrage gestellt hat und infrage stellt, ja geradezu dementiert. Zur europäisch-nordamerikanisch-westlichen Praxis gehört eben nicht nur die Erfindung der Demokratie und der Menschenrechte, nicht nur die Idee der Gleichheit der Menschen und die Idee pluralistischer Ordnungen, der Gewaltenteilung und des (Vorsicht!) vernünftigen Interessenausgleichs, sondern auch seine radikale Dementierung. Kolonialismus, Faschismus und Nationalsozialismus, Imperialismus und Rassismus sind ohne Zweifel keine nicht westlichen, keine nicht modernen Erscheinungen (auch wenn etwa der Kolonialismus oder der Rassismus keineswegs nur »westliche« Ursprünge haben). Sie gehören konstitutiv zur westlichen Moderne dazu – aber sie sind in diesem dialektischen Sinne auch Dementierungen dieser westlichen Moderne selbst. Auch die postkoloniale Kritik am Westen zehrt von normativen Ideen, die »westlich« zu nennen sicher nicht falsch, aber dann doch irgendwie unangemessen ist.

    Ich habe es gesagt: Man kann am Thema nur scheitern – und dieses Kursbuch bezeugt, wie mit dieser Gefahr umzugehen ist. Helmut Heit etwa beschreibt sehr eindringlich, dass das Lügengespinst um den Irak-Krieg jener »Koalition der Willigen« nach 9/11 nicht nur für sich normativ beurteilt werden kann, sondern gerade deshalb besonders eklatant ist, weil der Westen sich hier gewissermaßen selbst negiert. Er beschreibt dies aus der Perspektive eines akademischen Lehrers im Reich der Mitte, dessen Selbstbewusstsein inzwischen beginnt, den universalistischen Vorrang des Westens für eine kurzzeitige historische Anomalie zu halten. Daniel-Pascal Zorn nimmt ebenfalls eine nicht westliche Perspektive ein, um den Universalismus des Westens zu verstehen. Er kommt zu der These, der Westen sei nur mit sich selbst beschäftigt. Philosophisch tue er so, als beginne das Denken (Griechenlands) bei sich selbst, statt zu sehen, wie sehr dieses Denken bereits an anderes anschließt. Der denkerische Universalismus des Westens sei verbunden mit dem (politischen) Kampf um Hegemonie in Indien, China und Afrika. Mein eigener Beitrag rekonstruiert die postkoloniale Kritik des Westens (mit oder ohne »«?) als eine Kritik, die nicht unbeeindruckt ist von den normativen Formen dessen, was der Gegenstand der Kritik ist. Das führt zu der Frage, dass der »Westen« womöglich nicht mehr im Westen liegt, sondern womöglich im Senegal – und selbstverständlich bräuchte es dafür einen anderen Begriff.

    Herausragend in diesem Kursbuch ist Franziska Davies’ Versuch einer Ortsbestimmung der Ukraine – nicht nur in der gegenwärtigen Situation des terroristischen Kriegs Russlands gegen dieses Land zwischen Ost und West. Die Historikerin zeigt die wechselvolle Geschichte dieses Landes, dessen Zugehörigkeiten stets mit Randlagen in geostrategischen Großlagen zu tun hatten. Davies arbeitet heraus, wie sehr die Erwartung vor allem von westlicher Politik und westlichen Medien, die Ukraine als »westlich« zu markieren, der Selbstbeschreibung der Demokratisierungsbewegung in der Ukraine zuwiderläuft, die sich dieser Opposition schon aus historischen Erfahrungen entzieht.

    Das Gespräch, das Peter Felixberger und ich mit Ines Geipel geführt haben, nimmt eine andere Ost-West-Differenz in den Blick, nämlich die zwischen der ehemaligen Bundesrepublik und der DDR. Geipel beklagt ein merkwürdiges Desinteresse an der Aufarbeitung der Gewaltgeschichte der DDR, sie spricht von der »Härtesubstanz des Ostens«, der den neuen Menschen gewaltsam herstellen wollte, vor allem durch Disziplinierung der Körper. Dabei malt sie kein beschönigendes Bild des Westens, sondern allenfalls eine Position indifferenten Desinteresses, was auch dazu führe, dass sich gerade im Osten Deutschlands eine Renaissance autoritärer rechter politischer Formen etabliere.

    Sibylle Anderl beschäftigt sich mit dem Entdeckergeist, vor allem mit dem extraterrestrischen. Nachdem die Renaissance und die Aufklärung das erste und das zweite Entdeckerzeitalter gewesen seien, sei nun die planetarische Exploration die dritte. Sibylle erzählt, wie es der Wettlauf zwischen der sowjetischen und der US-amerikanischen Seite war, der in den 1950er- und 1960er-Jahren in den Orbit und auf den Mond führte und als Wettrennen Motive freigesetzt hat, die es ohne nicht gegeben hätte. Insbesondere der Westen habe tatsächlich als »Westen« agiert und wollte den Kampf um den Mond unbedingt gewinnen – und verlor das Interesse, als der Sieg errungen war. Die letzten geplanten Mondmissionen wurden 1970 sogar gecancelt. Die darauffolgende Phase der Kooperation zwischen der sowjetischen, später russischen Seite und den USA und Europa auf der anderen Seite hat offensichtlich kaum größeren astronautischen Entdeckerdrang freigesetzt. Erst nun, weil China starke Ambitionen auf den Mond und weit darüber hinaus demonstriert, will auch der Westen wieder.

    Eine besondere Form des Antagonismus zwischen einem angegriffenen Westen und seinen Feinden erzählt Rasha Khayat. Wie 9/11 nicht nur Zwillingstürme in Manhattan zum Einsturz brachte, sondern auch andere, erzählt sie an drei Septembern 1988, 2001 und 2002 – sehr bedrückend. Lesen Sie selbst. Für die Intermezzi haben wir diesmal die Frage gestellt: Was ist für mich der Westen? Auch in den 14 kurzen Texten kommt die Ambivalenz des Westlichen zum Ausdruck, vor allem aber die pluralen Perspektiven auf das Thema.

    Jan Schwochows grafische Darstellungen zeigen, wie verzerrt eine Kartendarstellung der weltweiten Verteilung des BIP ist. Verzerrungen gibt es auf verschiedenen Ebenen: zum einen die Verzerrung der Kartenfläche wegen der üblichen Kartenprojektionen, zum anderen die unterschiedlichen Größen der Länder, die grafisch die Information verzerren, schließlich das Verhältnis von BIP und Einwohnerzahl. In einer zweiten Grafik, einem Balkendiagramm, werden diese Verzerrungen vermieden, was auf Anhieb einen anderen Informationswert erzeugt. Das nunmehr vierte Islandtief von Berit Glanz beschäftigt sich mit Insellagen, peripheren Chancen und Risiken, Verletzlichkeiten, Kommunikationsverbindungen, Tiefseekabeln und ihren Folgen für Island. Wie stets gelingt es dem Islandtief, an islandlokalen Themen globale Vernetzungen aufzuzeigen – diesmal Vernetzungen im buchstäblichen Sinne.

    Kann man am »Westen« und am Westen denn nun nur scheitern? Nach der Lektüre dieses Kursbuchs sollte deutlich sein: Man kann, aber man muss nicht, wenn man für jene Ambivalenz eine Form findet, die dem Begriff des »Westens« eingeschrieben ist.

    Jan Schwochow

    EINE QUELLE, ZWEI GRAFIKEN

    Die Nutzung von Maps

    Dieses Mal möchte ich mich der Nutzung von eingefärbten Weltkarten widmen, die gerne in entsprechenden Publikationen zur Visualisierung von Daten herangezogen werden. Vorweggenommen: Was uns auf den ersten Blick sinnvoll und naheliegend erscheint, ist auf den zweiten Blick oft irreführend und wenig hilfreich.

    Ich habe mir deshalb eine Weltkarte von der Internetplattform Our World in Data vorgenommen, auf der man sehr gut erkennen kann, dass das Einfärben von Ländern wenig Sinn macht. Wir haben nämlich durch das Problem der Kartenprojektion nahezu nie eine realistische Abbildung der Flächengrößen der Länder zueinander. So wird beispielsweise Russland wesentlich größer dargestellt, da es sich oben auf der Nordhalbkugel befindet und entsprechend weit auseinandergezogen wird. Auf unserer Weltkarte wirkt Russland so groß wie ganz Afrika, dabei ist Russland tatsächlich nur knapp halb so groß. Somit erhalten wir durch die Einfärbung einen verzerrten Blick auf die Daten.

    Auf der rechten Seite habe ich eine andere Visualisierung gewählt, eine sogenannte Treemap. Jede Fläche eines Landes steht für einen Wert, in diesem Fall das gesamte BIP eines Landes. Zur Übersicht habe ich die Länder in Kontinente sortiert und entsprechend von links nach rechts angeordnet. Innerhalb eines »Balkens« (Kontinent) sind die Länder der Einfachheit halber alphabetisch sortiert. Ich habe nun bewusst die Flächen der Länder mit den Farben der Weltkarte links eingefärbt. Nun ergibt sich eine neue Erkenntnis, denn Länder wie China oder Indien nehmen offensichtlich eine sehr große Fläche ein, erwirtschaften zusammen rund ein Viertel des Welt-BIP, sind aber aufgrund ihrer hohen Einwohnerzahl von zusammen rund 2,8 Milliarden Einwohnern nicht dunkelblau eingefärbt, da sich das BIP auf die einzelnen Köpfe verteilt.

    Ich hätte für die Treemap anstelle des Landes-BIP auch die Einwohnerzahl oder andere Werte heranziehen können. Hier gibt es viele Möglichkeiten, und oft müssen wir Infografiker mit den uns zur Verfügung stehenden Daten herumprobieren, denn erst bei der Visualisierung der Daten entdecken wir spannende Geschichten oder auch Ungereimtheiten, denen wir auf den Grund gehen und die wir dem Leser aufbereiten und sichtbar machen können.

    INTERMEZZO

    Was ist für mich der Westen?

    Ulrike Draesner

    Mein Westen heißt England: Wahlheimat, Ausbildungssprache, Insel. Dem Westen, aus dem ich kam, war dieser Westen nicht wirklich freundlich gesonnen. Herbst 1987, Balliol College Oxford, Philosophieseminar. Thema: Nukleare Abschreckung. Zeit: Ronald Reagan, Missiles, Kalter Krieg. Anwesend: sieben Studierende, der Master des College, ein General der britischen Armee. Eine tischgroße, analoge Karte wird ausgerollt. NATO. Das ist auch »unser« Westen, der Westen der Bundesrepublik. Maggie Thatcher regiert. In der Zeitung erscheinen Deutsche in Nazistiefeln. Im College gibt es Eton-Absolventen, die nicht mit mir sprechen: »She’s G-e-r-m-a-n«. Betroffen erkundige ich mich nach den Familiengeschichten dieser Personen. Sie sind, wie sich herausstellt, britisch, anglikanisch, sehr weiß.

    NATO bedeutet »Verteidigungsfall«. Der General erklärt, wie die Sowjetunion »den Westen« angreift. Dort, wo ich aufwuchs, im Speckgürtel Münchens, haben Menschen ein Schwimmbad im Garten oder einen Atombunker oder »nur Kinder« (unser Fall). Die Sowjetunion, so der General, lässt DDR-Soldaten die BRD angreifen. Er sagt: »East Germans are fighting West Germans.« Er sagt es faktisch. Der Dritte Weltkrieg droht. Die NATO beschließt, eine Atombombe auf Deutschland zu werfen. Nur »lokal«. Versteht sich.

    Bei Wind, der nach Osten weht.

    Versteht sich.

    1990 entstand der Staat, in dem ich hauptsächlich lebe. Viel war und ist vom »Untergang« Ostdeutschlands die Rede. Diese Rede ist einseitig. Auch der Staat, in dem ich aufwuchs, die »alte« Bundesrepublik, verschwand. Dies ist keine Klage. Dies sage ich faktisch.

    Doch – hatte die Stimme des Generals nicht auch zufrieden geklungen, als er das Lösungsszenario Osten – Westen – Deutschland vor uns entwickelte? Hatte ich es mir eingebildet?

    Herbst 1989. Ich war erleichtert, immer wieder. Maggie Thatcher schlug mit der Handtasche auf den Tisch, es nützte nichts. Ich war erleichtert. 1990 ff. Es wurde gelogen, man sah es, ich zog nach Ostberlin. Ich hatte genug Westen im Leben gehabt. Etwa auch angesichts des Umstandes, dass den Mitgliedern meiner väterlichen Familie über Jahre hinweg in Bayern »Polacken, geht heim« nachgerufen worden war. Meine Großmutter stammte aus Erfurt, mein Urgroßvater aus Erkner bei Berlin, mein Großvater aus Schlesien. Eine Kindheit hindurch sprachen sie mit mir »Alt-Ost« (schlesischen, nach K&K klingenden Singsang). Fremd in dem Westen, in dem sie versuchten, anzukommen, ohne dass es je zur Gänze gelang (noch nach Jahren steht der Flüchtling nur auf einem Fuß, vielleicht nur auf den Zehen, das andere Bein in der Luft), beschäftigt mit dem Verlust eines Ostens, den es früher so nicht gegeben hatte. Mitteleuropa hatte ihr »Reich« geheißen, kulturen- und sprachengemischt.

    Februar 2022. Ich denke an das eigentliche Thema des Philosophieseminars in Oxford: Kann nukleare Abschreckung funktionieren? Welchen Preis bezahlen wir dafür?

    Wie weit sind wir bereit zu gehen?

    Westen? Osten? Um einen Wettstreit der Systeme scheint es nicht mehr zu gehen. Es geht, offen liegt die Karte auf dem Tisch, um Herrschaft. Und darum, wer die beste Erzählung hat. Von Rache und Rettung, vom guten Heldentum.

    Das Seminar kam zu keinem »Ergebnis«. Außer eben diesem: dass nichts vorauszusagen war. Dass es keine »Logik« der Abschreckung gibt, sondern nur Vorstellungen davon, immer durchkreuzbar von den Taten Einzelner, von Kettenreaktionen, dem nach Osten oder Westen blasenden Wind.

    Offen der Kräfte und der Skrupel »Spiel«. Zurück die alte Angst.

    Sibylle Anderl

    Der weite Westen

    Über den ewigen Traum, den Weltraum zu erschließen

    »Wenn wir an die ökonomische Stärke Europas denken, ist die von der gleichen Größenordnung wie die

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