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Grünröcke erzählen ...: Noch mehr heitere und besinnliche Jagdgeschichten aus Urgroßvaters Zeiten
Grünröcke erzählen ...: Noch mehr heitere und besinnliche Jagdgeschichten aus Urgroßvaters Zeiten
Grünröcke erzählen ...: Noch mehr heitere und besinnliche Jagdgeschichten aus Urgroßvaters Zeiten
eBook301 Seiten3 Stunden

Grünröcke erzählen ...: Noch mehr heitere und besinnliche Jagdgeschichten aus Urgroßvaters Zeiten

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Über dieses E-Book

Mit den Geschichten, die Hubert Molitor aus alten deutschen Jagdzeitschriften zusammengesucht hat, begibt man sich auf eine Zeitreise in die ersten Jahrzehnte des letzten Jahrhunderts.
Schon im ersten Band von "Grünröcke erzählen …" hat der Autor sein Gespür für fesselnde, humorvolle und zum Nachdenken anregende Geschichten unter Beweis gestellt. Die Auswahl an jagdlichen Erzählungen umfasst Treibjagden im Flachland Sachsens und Preußens oder Saujagden in Schleswig-Holstein ebenso wie die Gamsjagd im alpinen Hochgebirge oder die Jagd auf Fuchs, Hase, Birkwild, Reh und Hirsch im Spessart oder in Bayern. Insgesamt ein Lesevergnügen der besonderen Art!
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum4. Juli 2022
ISBN9783702020514
Grünröcke erzählen ...: Noch mehr heitere und besinnliche Jagdgeschichten aus Urgroßvaters Zeiten

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    Buchvorschau

    Grünröcke erzählen ... - Leopold Stocker Verlag

    Der Bock des Forstrates

    von Gtz

    Es war am 14. Juni 1904. Ich war damals noch als untergeordneter Beamter in dem kleinen Industriestädtchen R. im obersten nordöstlichen Winkel Oberfrankens, in welchem außer anderen Behörden auch ein Forstamt seinen Sitz hatte, eingesetzt.

    Wie es überall und immer so war und auch im neuen gepriesenen demokratischen „Freiheitsstaate" nicht anders sein wird, dass der Ober den Unter sticht, so war es damals auch bei mir. Meine einzige Leidenschaft war damals schon die Jagd und alles, was mit ihr zusammenhängt.

    Mein Vorgesetzter hingegen war ein Herr mit weibischem Charakter und jedem männlichen Tun abhold. Ihm entsprach es mehr, um Weiberröcke herumzuscharwenzeln, fade Gesellschaften zu besuchen und dort Komplimente zu machen. Bei dieser Verschiedenartigkeit unserer Charaktere und Liebhabereien war natürlich unser Verhältnis recht bald kein gutes. Besonders war es ihm ein Gräuel, dass ich auf die Jagd ging, und ich durfte ja keine Stunde meines Dienstes damit versäumen.

    Das Fronleichnamsfest in der nahen böhmischen Grenzstadt versäumte er kein Jahr. Darauf baute ich einen Plan.

    Ich hatte in den letzten Tagen an einem Weiher an der Grenze des Staatswaldes, den nur ein Streifen hohes Holz von der Gemeindejagd trennte, allabendlich etwa ein halbes Dutzend Rehe austreten sehen. Sollte darunter kein guter Bock sein? Mir hierüber Gewissheit zu verschaffen und, wenn es mochte, Weidmannsheil zu haben, dazu sollte mir die Reise meines „Oberen" zur Fronleichnamsprozession verhelfen.

    Ich baute mir schon nachmittags am Rande der Wiese zwischen drei aus einem Stock gewachsenen hohen Fichten einen allerdings recht winzigen Hochsitz, von dem aus ich den ziemlich steilen Hang hinauf den am Wechsel von meinem Freund Richard, dem Forstgehilfen, erbauten, bequemen Hochstand überschauen konnte. Wenn der allerdings heute seinen Stand bezog, saß ich hier unten gut und trocken.

    Als die Sonne ihre abendlichen Strahlen auf die Spitzen des Waldsaums sandte, erkletterte ich mein Krähennest und wartete der guten Dinge, die da kommen sollten oder auch nicht. Ein lieber Freund, den längst der grüne Rasen deckt, hat es ein einziges Mal gewagt, den Hochsitz zu besteigen. Er schwor sich hoch und heilig, es kein zweites Mal zu tun. Bis elf Uhr nachts hat er es nicht gewagt, wieder herabzusteigen, und nur die Furcht, die Nacht dort droben verbringen zu müssen, gab ihm den Mut der Verzweiflung. Mit zerschundenen Beinen und einer zerrissenen Hose kam er unten an. Mir war das gerade recht. Ich baute meine Hochsitze doch nicht für andere.

    Ich saß schon eine Stunde und noch eine droben. Der Hochstand meines Freundes von der feindlichen Partei blieb leer; eine gute Vorbedeutung. Auch die Buben, welche allabendlich auf Geheiß des Forstmeisters die Staatswaldgrenze abklopfen mussten, versahen heute ihren nicht gut bezahlten Dienst schlecht und ließen mich in Ruhe.

    Sieben Rehe waren schon unter mir auf die Wiese ausgetreten, ohne dass ein halbwegs guter Bock dabei gewesen wäre. Schräg draußen schnürte über die weite Wiese ein Fuchs, der etwas im Fang trug. Auf einem Erdhügel verhoffte er wie ein apportierender Hund. Ein Blick durchs Glas zeigte mir, dass er einen Junghasen im Fang hatte. Im nächsten Augenblick verschwand er mit seiner Beute im hohen Gras.

    Die Turmuhr in der nahen Stadt schlug die neunte Stunde. Ich gab schon jede Hoffnung auf, dass mir Diana, das launische Frauenzimmer, heute noch hold sein würde, und wollte eben, nach einer weiteren Viertelstunde, von dem luftigen Sitz herabsteigen, da stand unter mir ein Stück, das ganz geräuschlos gekommen war und auf die Wiese hinaus sicherte. Durch das Fernglas sah ich, dass es vor den Lauschern „dick aufhatte". Also vermutlich kein geringer Bock. Bis ich zum Gewehr griff, stand er schon draußen auf der Wiese, aber noch in schussgerechter Entfernung. Nun hieß es fix sein. In der nächsten Minute brach sich das Echo des Schusses im weiten Staatswald hinter mir, und im Feuer brach der Bock zusammen. Nun rasch hinab und noch einen Schuss auf den Träger, der den Braven, der wieder auf wollte, ins Gras warf. Und ein Braver war es, wie ich nun zu meiner Freude sah. Ein kapitaler Sechser mit tiefbraunem, allerdings nicht gleichmäßigem, aber klobigem, mäßig hohem, bis hinauf geperltem, auf starken zusammengewachsenen Rosenstöcken stehendem Gewichtl.

    Da es inzwischen zum Aufbrechen des Bockes schon zu dunkel war, schleppte ich ihn zu der in einer Entfernung von einigen hundert Schritten vorbeiführenden Staatsstraße, um ihn auf mein im Gebüsch verstecktes Rad zu verstauen.

    In diesem Moment kam Freund Richard die Straße herabgeradelt. Ich ersuchte ihn, mir beim Festmachen des Bocks etwas behilflich zu sein. Richard warf einen raschen Blick auf die Trophäe des Bocks, und mit dem Gruß des Götz von Berlichingen schwang er sich wieder aufs Rad und sauste davon. „Du bist aber heute recht unfreundlich, du bist doch sonst nicht so."

    Als ich nach fünfundvierzig Minuten mit meinem Bock im Gasthof zum Kronprinzen angeschoben kam, wurde ich von den allabendlich nach der Jagd dort versammelten Jagdfreunden mit Hallo begrüßt und um meinen Bock, den vorher noch keiner gesehen hatte, ehrlich beneidet.

    Am nächsten Vormittag begegnete mir Freund Richard. Auf meine Frage, warum er am Abend zuvor so unfreundlich und ärgerlich gewesen sei, klärte er mich auf: „Da soll man nicht ärgerlich sein? Zwei Jahre musste ich auf den Bock achtgeben. Wie oft hab ich auf ihn angelegt? Aber ich durfte ihn ja nicht schießen. Und gestern Abend sollte ihn auf die Einladung des Forstmeisters der Forstrat aus B. zu seinem Geburtstag schießen. Es geschieht ihm aber auch recht. Warum hat er auf den lumpigen Gabler geschossen? Dadurch hat er den Alten aus der L. vergrämt und dir hinübergejagt. Der Forstmeister ist fuchsteufelswild wie ein alter Dachs, und der Forstrat fuhr heute früh ärgerlich wieder heim. So ein Saudusel! Schießt uns der Kerl den besten Bock im gesamten Staatswald weg. Himmelsakrament!"

    Also deswegen!

    Schadenfreude ist bekanntlich eine allen Jägern anhaftende, diesen auch erlaubte, den anderen Sterblichen aber nicht zu empfehlende Untugend. Und wie schadenfroh war ich und wie freute mich nun erst recht mein Bock!

    Er und die Umstände seiner Erlegung entschädigten mich für manchen Ärger, den mir und anderen der Forstmeister und sein gefügiges Personal durch ihren Jagdneid und ihr wenig gutnachbarschaftliches Verhalten verursacht hatten. Auch meinem Freund, dem Forstgehilfen Richard, der mir in aller Freundschaft, wenn es gerade passte, auch manch guten Bock wegschoss, hatte ich unbewusst ein Schnippchen geschlagen.

    Noch heute freut mich die Geschichte, wenn ich das stolze Gewichtl betrachte, auf dessen weißem Schädel geschrieben steht: „Der Herr Forstrat!"

    Wenn es um Schonzeiten geht, dann nimmt es der moderne Jäger schon aus Gründen der Weidgerechtigkeit damit sehr genau. Bevor das Wild nicht nach dem Gesetz freigegeben ist, wird es auch nicht geschossen. Manchmal soll es allerdings vorkommen, dass Jäger schon vor Beginn der offiziellen Schusszeit auf den Hochsitzen verweilen. Dieser Umstand dient allerdings ausschließlich dem Zweck, den momentanen Wildbestand zu ermitteln. Niemals würde es einem zeitgenössischen Weidkameraden einfallen, dabei Beute zu machen. Selbstverständlich würde sich heute ein Jäger nicht einmal dann zu einem vorzeitigen Schuss verleiten lassen, wenn er genau weiß, dass er den in seinem Jagdrevier kurzfristig eingewechselten Hirsch niemals mehr wiedersehen und ihn der Nachbar mit Sicherheit bekommen wird. Eine derartige Charakterstärke gab es unter den Weidmännern leider nicht zu allen Zeiten, wie die folgende Geschichte zum Ausdruck bringt.

    Acht Tage vor Johanni

    von F. W.

    Der Förster P. in W. im Spessart war ein biederer Charakter, ein Ehrenmann, treu seinem Herrn, dem Grafen von Sch. W., ein Pfleger des Waldes und Heger des Wildes. Alljährlich schoss P. zwanzig bis fünfundzwanzig gute Rehböcke, mehrere Haselhühner, Schnepfen und Bekassinen, etliche Füchse, Dachse und Marder, Hasen und Hühner weniger. Rotwild und Sauen waren Wechselwild aus dem Staatswald – Spessart Park –, kamen über Nacht und verloren sich bald wieder. Es war ihnen schwer beizukommen, höchstens bei einem schnell zusammengestellten Treiben. Zumeist fehlten die nötigen Schützen und Treiber, und wenn das Wild im Trieb angetroffen wurde, ging es stets zurück. Einmal kam es anders. Das darf ich nun nach vielen Jahren verraten. P. hat es mir in meiner Jugend anvertraut. Ich habe geschwiegen, aber jetzt will ich ihm mit seinem Erlebnis den letzten grünen Bruch noch weihen.

    Am St. Veitstag 1864, wie gewöhnlich sehr früh, ging P. in sein Revier. In der „Fauldelle" fand er die Fährte von einem starken Hirsch, der von drüben aus dem Staatswald kam und sich, wie es schien, niedergetan hatte. Fährten, wonach der Hirsch wieder ausgewechselt sei, konnte P. nicht finden.

    „Was tun?, dachte sich P. „Die Schusszeit beginnt an Johanni, heute ist der 15. Juni. Wenn der Hirsch den Tag über im Holz bleibt, zieht er abends auf den Klee oder den jungen Haferacker. Ich wag es, dachte sich P., „und stelle mich heute Abend an der großen Buche an. Wenn der Hirsch herauszieht, kommt er mir nicht mehr aus."

    P. stellte sich gegen sieben Uhr an. Kugel im rechten, starkes Schrot im linken Lauf. Damals, 1864, war auch der Schrotschuss auf Schalenwild noch erlaubt.

    Der Hirsch kam pünktlich, ein ungerader Zehner, ein starkes Stück Hochwild. Langsam zog der Hirsch herauf, immer besser zum Schuss.

    „Soll ich oder soll ich nicht?" So tobte der Kampf in des Försters Brust.

    „Wenn ich ihn nicht schieße, schießt ihn ein anderer. Der Hirsch kommt nicht zurück. Am Ende bringt ihn ein Wilderer um."

    Jetzt galt es. Ein Druck, ein Blitz, ein Knall. Die Kugel saß und der Hirsch lag am Boden.

    „Wie wird es mir gehen?", dachte sich P. und besichtigte die Strecke, halb Freude, halb Reue.

    P. ging nach Hause. Schlafen konnte er nicht. Um zwei Uhr früh war er wieder bei seinem Hirsch. Acht Tage vor Johanni!

    P. machte sich aus Buchengerten eine Schlaufe, zog den Hirsch langsam hinunter an den Wassergraben und legte ihn sorgfältig im Dickicht nieder. Der Plan war gut durchdacht. Der Hirsch ist, von einem Wilderer geschossen, lechzend nach Wasser, am Graben zusammengebrochen und verendet.

    Am anderen Tag schaute P. wieder nach. Der Hirsch war noch da. Am dritten Tag kam der gräfliche Revierförster von W. und traf P. in der neuen Kultur. P. hatte seinen Dachshund „Panzer bei sich, der sehr verlässlich auf der Schweißfährte war. P. schlug vor, über die „Fauldelle unten am Michelbach den Reviergang anzutreten. Der Revierförster war einverstanden. Auf einmal gab „Panzer Standlaut. Beide Förster verhörten. P. schwieg. Er wusste, was das bedeutete. Der Revierförster W. dagegen sagte erstaunt: „Sie, der Panzer verbellt!

    Kennt ihr Leser den lang gezogenen Klagelaut des Schweißhundes? Dann rieselt es euch bei dieser Erinnerung warm den Rücken hinunter.

    „Schauen wir nach, was der Hund hat", sagte der Revierförster.

    Gewehr ab, den Hahn gespannt, gingen beide Jäger auf die Stelle zu, und siehe, Panzer stand am verendeten Hirsch und gab Hals. Bei diesem Anblick herrschte allgemeines Erstaunen und gegenseitige Verwunderung.

    „Wo ist der Hirsch geschossen und wo ist der Anschuss?", waren die ersten Fragen.

    „Der Hirsch hat einen guten Blattschuss, war die Antwort. Der Revierförster meinte: „Die Lage ist schön, aber nicht echt. Dass der Hirsch am Wassergraben zusammenbrach, wäre noch glaubwürdig. Allein, wie erklärt sich dies bei dem guten Schuss?

    P. erwiderte: „Der Hirsch ist bestimmt drüben im Staatswald beschossen worden, dann den Hang herunter geflüchtet und schließlich hier zusammengebrochen. Selbst bei einem Blattschuss ist das noch leicht möglich. Die beiden Jäger blieben unschlüssig über den Vorfall. Panzer wurde gelobt und gefragt: „Was meinst du? Panzer freute sich, wedelte mit der Rute und schwieg.

    „Der Hirsch gehört nun uns, sagte der Revierförster. „Wir schaffen ihn fort, das Wildbret hat nicht gelitten.

    Am Nachmittag wurde der Hirsch zerwirkt und verteilt. Acht Tage vor Johanni! Beide Zeugen erzählten die Geschichte über den Fund gleichlautend, so wie sie sich zugetragen hatte, aber keiner der benachbarten Jäger und Förster glaubte diese Mär.

    „Den Hirsch hat der P. geschossen. Acht Tage vor Johanni! Dann hat er ihn versteckt, bis in schlauer Weise der Panzer auf Geheiß des P. ihn im Beisein des Revierförsters arglos entdeckt und verbellt hat. Gut gemacht!"

    P. blieb ruhig und schwieg. Auch später kam bei den Herbstjagden öfter die spitze Frage, ob der Panzer nicht wieder einen Acht- oder Zehnender gefunden habe. P. war gerettet und der Hirsch nicht verloren, acht Tage vor Johanni.

    Der folgende Bericht stammt aus dem Jahre 1920. In den schlechten Nachkriegsjahren keimten bei manchen Bauern gegenüber den Jagdpächtern gewisse Begehrlichkeiten pekuniärer Natur. Dabei soll es vorgekommen sein, dass die Herren Ökonomen neben dem ohnehin schon überteuerten Pachtzins auch noch einen Profit aus vom Wild angeblich verursachten Flurschäden ziehen wollten. Selbstverständlich würde es in unserer heutigen Zeit keinem Landwirt mehr in den Sinn kommen, wegen solcher Banalitäten die eigene Zeit zu verschwenden. Damals herrschten aber halt andere Verhältnisse.

    Wildschaden

    von E. H.

    Es war im Sommer zur Blattzeit. Auf einem Jagdgang kam ich an einem Einödhof vorbei. Da rief mir der Bauer, der gerade im Garten stand, zu: „He, Sie, he! Sie kummen grad recht, d’ Reh arbeiten alles auf. So viel solche Luder gibt’s scho, dass ganz aus is. In mein Woazacker is ein Fleck, so groß wie a Stuben, ganz z’sammg’rittn. I’ kann nimmer anders, jetzt muss i Wildschaden verlangen."

    Den Mann kannte ich als „ganz Genauen" und als Wildfeind. Was blieb mir übrig? Ich forderte ihn auf, mir den Platz zu zeigen. Er führte mich dann auch gleich hin. Sein kleines sechsjähriges Mädel, das Walberl, ging auch mit.

    Im Weizenacker, der nur etliche hundert Meter vom Hof entfernt lag, waren wirklich auf einem gar nicht kleinen Raum die Halme verwirrt und niedergetreten. Es sah fast aus, als ob es sich um das Lager einer Geiß mit ihren Kitzen handelte. Nur die „Striche, die gewöhnlich zu solchen Lagern führen, gingen mir ab. Ich sagte daher auch: „Weiß Gott, wo das herkommt. Ich glaube nicht, dass das Rehe waren. Aber da kam ich recht.

    „War sauber, dös wird sich gleich rausstell’n, da suachen mir halt, da finden sich schon Rehspuren!"

    Und wir suchten nach Letzteren mit aller Mühe, aber ohne Erfolg. Plötzlich schrie das kleine Walberl: „Voder, da ist unserer Marie ihr blaues Feiertagsstrumpfbandl. Seit dem Montag sucht sie’s schon."

    Und dabei hielt sie dem Vater triumphierend ein schönes blaues Strumpfband entgegen.

    Vom Wildschaden war keine Rede mehr. Aber als ich einige Stunden später wieder an dem Einödhof vorbeikam, hab ich die Marie hinterm Gartenzaun stehen sehen. Und sie hat sich mit dem Schürzenzipfel ihre verweinten Augen ausgewischt.

    Wenn in einem Jagdrevier plötzlich Wildarten auftauchen, die vorher dort nie gesehen wurden, so kann dies bei den ortsansässigen Jägern durchaus zu einer gewissen Unruhe führen. Dies gilt umso mehr, wenn es sich dabei um Hochwild handelt. Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Als im Forstamtsbezirk meines Vaters Mitte der Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts plötzlich Schwarzwild zuwanderte, versetzte mich das in allerhöchste Aufregung. Damals war ich ein sechzehnjähriger Jungjäger. Die Neuigkeit führte bei mir dazu, dass meine – nach Ansicht der Lehrer – ohnehin schon dürftigen gymnasialen Bemühungen noch dürftiger wurden. Dieser Zustand hielt dann auch so lange an, bis ich meine erste Sau geschossen hatte.

    Ich will jetzt aber nicht vom Thema abschweifen. In der folgenden Geschichte geht es nicht um Schwarz-, sondern um Rotwild. Die beteiligten Personen sind auch keine Schulbuben, sondern gestandene Männer.

    Sollten Sie sich, liebe Leser, bei der Lektüre gelegentlich über die merkwürdige Stellung der Satzzeichen und über die mangelhafte Rechtschreibung wundern, so möchte ich darauf hinweisen, dass dieser Umstand in keinem Zusammenhang mit meiner ersten Sau und der damit verbundenen Einschränkung meiner schulischen Bemühungen steht. Vielmehr wurde die Geschichte originalgetreu so übernommen, wie sie Herr v. Scanzoni 1923 aufgeschrieben hat, bei dieser Geschichte wurden im Gegensatz zu den übrigen auch die orthografischen „Eigenheiten" beibehalten. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen.

    Der Hirsch von Loipfering

    von A. v. Scanzoni

    Als Herr Johann Baptist Stirtzinger, Inhaber der Möbelfabrik und Bauschreinerei Johann Baptist Stirtzinger, vormals Bohlechner an jenem denkwürdigen 17. Oktober des Jahres 1909 erwachte, konnte er nicht ahnen, welch ereignisreichen Tagen man in Loipfering entgegen ging.

    Er gab einige Laute von sich, die als Zeichen des zurückgekehrten Bewusstseins gelten durften, und ebenso ließ ihm zur Rechten seine Gattin Anna vernehmen, daß sie dem werktätigen Leben wiedergeschenkt war. Nach einer Weile öffnete sie auch den Mund und fragte: „Is scho Zeit, Baptist?"

    „Schrei du net a so, erwiderte dieser unwirsch und mit heiserem Belag der Stimme, „du woaßt doch, daß i dös in da Fruh net vatrag!

    „I schrei do garnet, was hast denn?"

    „Ah wos – lass ma mei Ruah! Und frag übahaupts net so viel, kaum daß ma aufg’wacht is!"

    Frau Anna gähnte heftig: „O mei Mo, heut bist aba wieder zärtli! „Garnet – aba mei Ruah möchte i ham! Muaß denn allaweil glei dei Gosch’n einerspatzier’n, kaum daß d’ blinzeln kost!

    „Jetzt möchte i aba na scho wissen, wer mehra red’t, du oder i!"

    In diesem Augenblick erscholl unvermittelt einsetzend ein starker und knallharter Lärm von Hofe herauf und man konnte ohne weiteres erkennen, daß jemand Bretter mit Wucht aufeinander warf.

    „Hörst’n, den Himmiherrgottsakrament, den nixnutzat’n!", schrie Herr Stirtzinger und warf sich mit einer Schnelligkeit aus dem Bett, die man dem wohlbeleibten Manne gar nicht zugetraut hätte.

    Er riss das Fenster auf und gab seinem Unmut längeren und durchaus treffsicheren Ausdruck, und es war wohl auch berechtigter Anlass gegeben, einiges in entsprechender und unzweideutiger Form zu sagen. Denn es muss unbedingt verurteilt werden, wenn ein Lehrling, in diesem Fall der Jüngling Alois Peischl, schon um halb sieben Uhr vor dem Fenster seines Meisters und dessen Ehefrau Bretter in einer Art und Weise aufeinander schmeißt oder sogar durcheinander schmeißt, wie zu bemerken war, daß die Hühner rebellisch wurden und den Hof mit aufgeregtem Geflatter und gackernden Schreckenslauten erfüllten.

    Unmut ist hier begreiflich und eine scharfe Zurechtweisung vollkommen am Platze. Und der einer rosigen Stimmung keineswegs zuträgliche Anfang dieses Morgens mag mit die Ursache gewesen sein, daß eine bedeutsame Nachricht, die späterhin Herrn Möbelfabrikanten Stirtzinger übermittelt wurde, nicht hochgespannte Erwartung und Freude, sondern Misstrauen und Grobheiten auslöste.

    Allerdings neigte die Veranlagung dieses hochgeschätzten Bürgers schon an und für sich mehr zu Misstrauen und Grobheit als zu freundlichem Entgegenkommen und Liebenswürdigkeiten der Rede. Ja, Entrüstungen jeglicher Art und cholerische Wallungen waren ihm sogar unerlässlich notwendig zur Erhaltung einer stabilen Gesundheit. Aber vielleicht wäre die vom Denglerbräuknecht Sebastian Spegl überbrachte außergewöhnliche Botschaft doch auf eine weniger schroffe Ablehnung gestoßen, wenn ein harmonisch beginnender Tag eine entsprechende Grundlage geschaffen hätte.

    Es ging auf 9 Uhr, als sich eine laute Stimme bemerkbar machte, die in den Hof hinein nach Herrn Stirtzinger verlangte: „I ko net einakemma, weil i d’ Roß net alloa steh’ lass’n ko! – Is da Herr net dahoam?"

    „Plärr nur net a so, meinst vielleicht, i hab keine Ohr’n!"

    Und schon trat der Herr Möbelfabrikant im schlichten Gewande schaffender Arbeit und mit hängender Hose aus der Werkstatt und näherte sich dem Schreier, der unterm Tore stand, eine Peitsche in der Hand hielt und also der Sebastian Spegl war.

    „Ah, da Wastl! – Was gibt’s denn?"

    „Ja, Herr Stirtzinger, i wollt Eahna bloß sag’n, daß i heunt an Hirsch g’seh’n ho!"

    „Ha’n? – Was hast g’seh’n?"

    „Jo, an Hirsch hon i g’seh’n!"

    „I glaub glei, du bist scho in alla Fruh b’suffa!"

    „I bin net b’suff’n, Herr Stirtzinger, i ho wahr und wahrhafti in da Loh an Hirsch g’seh’n! Un’ da ham do Sie die Jagd!"

    „Da wirst halt an Rehbock g’seh’n ham …"

    „Jo freili, aa no! – I wird do no an Hirsch kenna, wo i aus’m Gebirg bin! I ho scho mehra Hirsch in mei’m Leben g’seh’n, wia die ganzen Loiperinga Jaga mitanand Has’n!"

    Johann Baptist kochte bereits: „Etzt will i da amal was sag’n: Wannst

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