Ein Plan für die Bahn: Wie die Milliardeninvestitionen in die Schiene mehr bewirken können
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Über dieses E-Book
könnten. Während die Bautätigkeit und die Technik das Land rasant verändern, will man die Bahn nach der Devise
«Mehr vom Gleichen» ausbauen. Dabei könnte sie als spurgeführtes Massenverkehrsmittel die Siedlungsentwicklung
steuern und aus der Digitalisierung Nutzen ziehen. Paul Schneeberger wirft wesentliche Fragen auf: Wie kann die
Bahn zum Rückgrat der Agglomeration werden? Welche neuen Infrastrukturen lassen sich daraus ableiten? Und
welche Spielräume können diese für eine Integration von Massenverkehrsmitteln und baulicher Verdichtung eröffnen?
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Buchvorschau
Ein Plan für die Bahn - Paul Schneeberger
Paul Schneeberger
Ein Plan für die Bahn
Wie die Milliardeninvestitionen in die Schiene mehr bewirken können
NZZ Libro
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2018 NZZ Libro, Neue Zürcher Zeitung AG, Zürich
Der Text des E-Books folgt der gedruckten 1. Auflage 2018 (ISBN 978-3-03810-336-3)
Lektorat: Rainer Vollath, München
Titelgestaltung: TGG Hafen Senn Stieger, St. Gallen
Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.
ISBN E-Book 978-3-03810-383-7
www.nzz-libro.ch
NZZ Libro ist ein Imprint der Neuen Zürcher Zeitung
Inhalt
1 Ein Plan für die Bahn?
2 Ein Plan mit Lehren aus der Vergangenheit
2.1 «Mehr vom Gleichen» als Programm
2.2 «Für alle etwas» als Prinzip
2.3 Die Software als Heilserwartung
2.4 Die Bauzonen als Herausforderung
2.5 Die deutschen «Bahnhöfe 21» als Lehrstück
2.6 Die Bahn als Motor der Siedlungsentwicklung
FOKUS: Ein Strauss alternativer Ideen
3 Ein Plan für die ganze Schweiz
3.1 Die Vorstädte und Agglomerationen als «Baustellen»
3.2 Die Hauptbahnhöfe als Wasserköpfe
3.3 Die drei wesentlichen Aspekte
3.4 Die strukturbildenden Infrastrukturen
3.5 Die Korridore als Chancenräume
3.6 Das Beispiel Basel–Zürich
FOKUS: Mehr Tangentialverbindungen
4 Ein Plan für die Städte
4.1 Die Durchmesserlinie anstelle der Untergrundbahn
4.2 Die bisherigen städtebaulichen Wirkungen
4.3 Die Knoten als Chancenräume
4.4 Das Beispiel Luzern
FOKUS: Ein zweites Stadtzentrum für Bern
5 Ein Plan für die Agglomerationen
5.1 Die Inflation der Haltestellen
5.2 Die Zufälligkeit der Haltepunkte
5.3 Die Achsen als Chancenräume
5.4 Das Beispiel Biel–Bern–Thun
FOKUS: Übersichtlichkeit durch klar definierte Zugkategorien
6 Ein Plan für das Land
6.1 Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg als Mass der Dinge
6.2 Das Kleben am Status quo
6.3 Die Talschaften als Chancenräume und das Beispiel Thal
FOKUS: Wo das Teilen von Autos schon begonnen hat
7 Ein Plan für ein Denken und Handeln in Alternativen
7.1 Das robuste Konzept als Ziel
7.2 Die Ideenkonkurrenz als Schlüssel
7.3 Die kreativen Entwürfe als Ausgangspunkt
7.4 Die vier strategischen Fragen
7.5 Ein neues Wirkungsmodell
FOKUS: Wettbewerb der Ideen
8 Ein Plan für den nationalen Zusammenhalt
8.1 Der Rahmen und die Trägerschaft der Ideenkonkurrenz
8.2 Die fachliche Organisation und der Ablauf der Ideenkonkurrenz
FOKUS: Ideenkonkurrenz in der Verkehrsplanung
9 Ein Plan für die Politik
9.1 Der Faktor Zeit
9.2 Die möglichen Anstösse
FOKUS: Zukunftsbild für den ÖV in den Niederlanden
10 Ein Plan für die Bahn!
Anhang
Geschichte der schweizerischen Eisenbahnplanung
Abkürzungen und Begriffe
Quellen und Literatur
Dank
Der Autor
1 Ein Plan für die Bahn?
«Erst nach der Tat hält der Schweizer Rat.»
Sprichwort, das den alten Eidgenossen zugeschrieben wird.
Fünf Milliarden Franken investiert die Eidgenossenschaft jedes Jahr aus dem unbefristeten Bahninfrastrukturfonds in den Unterhalt und den Ausbau der Eisenbahn. Allein zwischen 2020 und 2050 wird sich dieser Betrag auf 150 Milliarden Franken belaufen. Der Gegenwert, den der Bundesrat für diese grossen Summen erwartet, welche die eidgenössischen Räte periodisch freigeben, ist bescheiden. Die Eisenbahn soll ihren heutigen Marktanteil von knapp 20 Prozent im Personenverkehr und von 30 bis 40 Prozent im Güterverkehr halten. Und das, obwohl die Höhe der verfügbaren Mittel ungefähr gleich gross ist wie jene, die in die Strasse investiert werden, auf der ein erheblich grösserer Teil des Verkehrs abgewickelt wird.
Erreicht werden soll dieses Weiterschreiben des Bisherigen mit einem Mittel, das dem kleinsten gemeinsamen politischen Nenner entspricht: der Beseitigung von «Engpässen» in den Spitzenzeiten, die sich aus den gegenwärtigen Prognosen zum Bevölkerungswachstum ergeben. Es wird weder reflektiert, welche Rolle die Eisenbahn in einer Welt spielen wird, in der die Digitalisierung neue Spielformen der Mobilität ermöglicht, noch wird ausgelotet, welchen Mehrwert und welche zusätzlichen Spielräume der Ausbau des Schienenverkehrsmittels für die Raum- und vor allem für die Siedlungsentwicklung schaffen kann. Kurzum: Es fehlt in der Schweiz an einer Ambition für die Eisenbahn. Und man fühlt sich an das Sprichwort erinnert, das am Anfang dieses Textes steht. Dieses Buch will einen Beitrag zu den Debatten über Investitionsentscheide des Parlaments für konkrete Ausbauschritte leisten. Debatten, in denen sich zunehmend ein Unbehagen, ja ein Misstrauen manifestiert.
Ein Misstrauen, das sich in unterschiedlicher Weise artikuliert und verschiedenste Kreise umtreibt: den Gemeindepräsidenten von Schmerikon am oberen Zürichsee ebenso wie die Fahrgastorganisation «Pro Bahn» und sogar die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Die SBB melden Bedenken gegen ihres Erachtens zu grosse Investitionen an, weil sie deren Folgekosten fürchten und Optimierungspotenziale bei der Software sehen, die den Ausbau von Hardware reduzieren können. Auch die Fahrgastorganisation bemängelt die Dimension des Ausbaus und vor allem die Alternativlosigkeit der bisherigen Planung. Und der Gemeindepräsident am oberen Zürichsee ärgert sich darüber, dass der Voralpen-Express zwischen Luzern und St. Gallen in Schmerikon ab 2025 aus betrieblichen Gründen nicht mehr anhalten wird und dass dadurch die Verbindungen zur anderen Seite des Zürichsees schlechter werden.
So komfortabel die Voraussetzung mit dem stets rinnenden Geldbrünnlein des Bahninfrastrukturfonds für die Finanzierung der Eisenbahn ist, so risikoreich ist die Verfügbarkeit grosser Finanzmittel, ohne dass ausreichend abgewogen wird, nach welchen Grundsätzen diese investiert werden sollen. Auszuloten ist insbesondere, welchen Mehrwert der Ausbau der Eisenbahn zugunsten des politisch gewollten haushälterischen Umgangs mit dem Boden schaffen kann. Als raumsparendes, Personen und Güter bündelndes Verkehrsmittel hat die Eisenbahn das Potenzial, im schweizerischen Verkehrssystem künftig eine grössere Rolle zu spielen als heute. Eine Rolle, durch die sie die räumliche Entwicklung der Schweiz stärker mitsteuern kann.
Um dieses Potenzial auszuschöpfen, reichen die bisherigen Planungsansätze nicht aus. Gefragt ist eine Strategie, gefragt ist ein Konzept und gefragt sind gestalterische Zugänge. Die dafür notwendige Kreativität lässt sich durch ein Denken und Handeln in alternativen Entwürfen freisetzen. In Entwürfen, aus deren Summe sich zukunftsfähige Lösungen ableiten lassen, die mehr bieten als die blosse Weiterführung des Status quo. Es ist unverständlich: Ob es darum geht, im Restaurant für 20 Franken ein Essen zu bestellen oder im Kleider-Outlet für 9,95 Franken ein T-Shirt zu kaufen – in allen Lebenslagen werden vor Kaufentscheiden Alternativen geprüft und einander gegenübergestellt. Aber wenn Milliarden von Franken ins Verkehrsnetz im Allgemeinen und ins Schienennetz im Speziellen investiert werden, finden solche Abwägungen nicht statt. Statt den Blick durch das Fernrohr in alle Himmelsrichtungen schweifen zu lassen, starren Politiker und Planer wie gebannt in den Rückspiegel. Sie kaprizieren sich darauf, nicht die Zukunft zu gestalten, sondern bloss die Gegenwart weiterzuschreiben. Den Fächer der Ideen öffnen sie – wenn überhaupt – nur in Bezug auf Projekte und nicht auf Konzepte. Und auch das ist in der Regel erst der Fall, wenn eine bereits eingeleitete Lösung wider Erwarten auf massiven Widerstand stösst. Beispielhaft dafür ist die Auseinandersetzung mit dem neuen Fahrzeugunterhaltszentrum der BLS in Bern. Dann aber erschweren jeweils Voreingenommenheit und Ressentiments eine nüchterne Lösungssuche.
Auf den folgenden Seiten wird denn auch nicht ein pfannenfertiger Vorschlag präsentiert, wie das Eisenbahnnetz der Zukunft aussehen soll. Vielmehr werden, basierend auf einer Masterthesis im ETH-Nachdiplom-Studiengang Raumplanung, Möglichkeiten skizziert, wie die Weiterentwicklung der Eisenbahn und der Siedlungen nicht nur koordiniert, sondern ernsthaft integriert bzw. zusammengeführt werden kann. Es ist höchste Zeit, dass die Diskussion um die Zukunft der Eisenbahn in der Schweiz unter dem Gesichtspunkt der gesamten gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und vor allem baulichen Weiterentwicklung des Landes geführt wird.
Ausgehend von einer grundsätzlichen Diskussion der Rolle, welche die Eisenbahn als Bestandteil des Verkehrssystems im 21. Jahrhundert in einem verstädternden Land spielen kann, werden im ersten Teil, in den Kapiteln 2 bis 6, beispielhafte Antworten auf die folgenden Fragen umrissen:
IWie kann die Bahn die Schweiz erschliessen und Landesteile sowie Grossregionen miteinander in Beziehung setzen, um das Land zeitgemäss zu strukturieren?
II Wie kann die Bahn in Stadtregionen neue zentrale Orte schaffen und dadurch zu einem grossen Hebel für eine konzentrierte Siedlungsentwicklung werden?
III Wie kann die Bahn den Agglomerationen ein Gesicht geben, indem sie zu einer wesentlichen Gestalterin ihrer Siedlungsentwicklung wird?
IV Und wie kann die Bahn ländlichen Räume erschliessen und mit Verkehrsmitteln verknüpfen, die den dortigen Siedlungsstrukturen optimal gerecht werden?
Im zweiten Teil, in den Kapiteln 7 bis 9, wird konkretisiert, was sich unter einem Denken und Handeln in Alternativen verstehen lässt, das in einen konsolidierten Plan für die Bahn im 21. Jahrhundert münden kann. In einen Plan für die Bahn, der im Sinn einer Strategie mit konzeptioneller Handlungsanleitung Aufschluss über die Ziele gibt, welche die Eisenbahn in den nächsten Jahrzehnten erfüllen soll, und darüber, wie sich diese erreichen lassen. Dabei werden im Hinblick auf dieses Zukunftsbild Antworten auf die folgenden Fragen formuliert:
VWie kann ein gestalterischer Rahmen aussehen, in dem sich kreative Entwürfe für das von strukturellen Zwängen geprägte Eisenbahnnetz entwickeln lassen? Welche Faktoren sollen dabei berücksichtigt und welche Fragen beantwortet werden?
VI Wie ist ein Verfahren zu gestalten, in dem aus verschiedenen Entwürfen für die Weiterentwicklung des Eisenbahnnetzes ein konsolidierter Plan für die Bahn des 21. Jahrhunderts abgeleitet werden kann?
VII Und welche Möglichkeiten bestehen, um eine solche Ideenkonkurrenz in den laufenden politischen Prozess zu integrieren und dadurch der Umsetzung neuer Lösungsansätze zum Durchbruch zu verhelfen?
Die Auseinandersetzung mit einem spezifischen Verkehrsmittel, zumal jenem, dessen Ursprünge in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts liegen, mag manchen angesichts des aktuellen Hypes um die Digitalisierung und die Vernetzung aller Verkehrssysteme als archaisch erscheinen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Gerade weil die Vernetzung aller Verkehrsträger zum Thema wird, ist es