Regulierung in der Krise: Schweizerische Bankenregulierung und Finanzkrise – ökonomische Lagebeurteilung und kritische Synopsis
Von Markus Staub
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Buchvorschau
Regulierung in der Krise - Markus Staub
Markus Staub
Regulierung in der Krise
Schweizerische Bankenregulierung und Finanzkrise – ökonomische Lagebeurteilung und kritische Synopsis
Verlag Neue Zürcher Zeitung
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2014 Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich
Der Text des E-Books folgt der gedruckten 1. Auflage 2014 (ISBN 978-3-03 823-896-6)
Titelgestaltung: TGG Hafen Senn Stieger, St. Gallen
Datenkonvertierung: CPI – Clausen & Bosse, Leck
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.
ISBN 978-3-03823-997-0
www.nzz-libro.ch
NZZ Libro ist ein Imprint der Neuen Zürcher Zeitung
Meinen Eltern, meiner Frau und meinem Sohn
Vorwort
Im Zusammenhang mit der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise ist unverkennbar, dass die Regulierung von Banken seit einigen Jahren von einer ausserordentlichen Dynamik geprägt ist. Sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene sind zahlreiche regulatorische Anforderungen an Banken wesentlich verschärft worden. Substanzielle Änderungen sind bereits in Kraft getreten, andere befinden sich in der Pipeline. Banken und Bankenregulierung haben in der medialen Berichterstattung und öffentlichen Perzeption klar an Bedeutung gewonnen. Nicht wenige Entwicklungen sind aus akademischer wie regulierungspolitischer Sicht kontrovers.
Das ist die Kulisse, vor der in der vorliegenden Schrift eine kritische Lagebeurteilung vorgenommen werden soll. Dabei liegt eine zweifache Motivation zugrunde: Erstens geht es mir darum, für die interessierte Öffentlichkeit in kompakter und verständlicher Form eine Synopsis der Bankenregulierung in der Schweiz aufzuzeigen. Durch den Text soll den Lesern ein Überblick über getroffene Massnahmen nach der Finanzkrise vermittelt und eine kritische Sicht der aktuellen Herausforderungen ermöglicht werden. Dabei mögen die Ausführungen insbesondere hilfreich sein, wenn einzelne regulatorische Massnahmen oder regulierungspolitische Diskussionen vor dem Hintergrund eines breiteren Kontextes situiert und beurteilt werden sollen.
Meine Erfahrungen aus internationalen und nationalen Gremien der Bankenregulierung, insbesondere aus meiner Tätigkeit in den beiden Nationalen Arbeitsgruppen «Umsetzung Basel III» und «Liquidität», sind in die Akzentsetzung und Darstellung eingeflossen.
Zweitens spielt ein praktischer Auslöser eine wesentliche Rolle: Im Rahmen meiner mehrjährigen Tätigkeit als Lehrbeauftragter für «Banken- und Finanzmarktregulierung» an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel habe ich meinen Studierenden jeweils kein Lehrbuch guten Gewissens empfehlen können, das den Stoff meiner Vorlesung auf geeignete Weise hätte abdecken können. Das liegt daran, dass es bisher meines Wissens keine entsprechende Darstellung gibt, die auf einer soliden ökonomischen Basis eine Gesamtschau vornimmt und dabei einen expliziten Bezug zu den institutionellen Gegebenheiten und aktuellen Entwicklungen in der Schweiz aufweist. Dieser Beitrag soll durch den vorliegenden Text geleistet werden.
Dabei sollen einerseits die relevanten ökonomischen Konzepte vermittelt werden, die zur Beurteilung regulatorischer Fragen wesentlich sind. Andererseits wird bewusst ein Bezug zur spezifischen Ausgangslage und aktuellen Situation in der Schweiz hergestellt. Ich wünsche mir, dass die vorliegende Lagebeurteilung sowohl einer allgemeinen Leserschaft als auch meinen Studierenden in den nächsten Jahren nützliche Dienste leisten wird. Selbstverständlich wird sie nicht eine Vorlesung im Master-Programm ersetzen können; meine Hoffnung ist jedoch, dass der Text die im Unterricht vermittelten Inhalte in didaktisch geschickter Weise flankiert.
Das vorliegende Buch entstand im Sommer und Herbst 2013. Dieser Zeitpunkt scheint vor dem Hintergrund bisheriger, laufender und absehbarer Entwicklungen der Bankenregulierung für die beabsichtigte Standortbestimmung günstig zu sein. Ich danke meiner Familie von Herzen, dass sie in dieser Zeit häufig auf mich verzichtete, mich in allen Belangen unterstützte und mir die Verfassung der vorliegenden Schrift ermöglichte. Ohne den grossen Rückhalt und das Verständnis meiner Frau Stéphanie Staub-LeibundGut und meines Sohnes Benjamin Staub wäre ein solches Unterfangen nicht möglich gewesen.
Ein spezieller Dank geht an Herrn Prof. Dr. Heinz Zimmermann (Universität Basel), der mich zu diesem Projekt ermutigt und in verschiedenen Fragen freundschaftlich beraten hat. Sein fundiertes und konstruktives Feedback und seine Unterstützung waren sehr hilfreich.
Angela Knuchel (Leiterin Immobilien- und Konsumfragen) und Stephanie Lorenz (Wissenschaftliche Mitarbeiterin), die beide bis Ende 2013 bei der Schweizerischen Bankiervereinigung beschäftigt waren, danke ich für die kompetente Durchsicht des Manuskripts und ihre wertvollen Verbesserungsvorschläge.
Auch meinen Ansprechpartnern von NZZ Libro möchte ich herzlich danken, insbesondere Herrn Hans-Peter Thür als Verlagsleiter und Frau Ursula Merz als Programmleiterin. Ich weiss die speditive Abwicklung und die gute Zusammenarbeit sehr zu schätzen.
Der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel danke ich aufrichtig für die grosszügige finanzielle Unterstützung zur Realisierung dieses Buches.
Die im Text vertretenen Einschätzungen stimmen nicht notwendigerweise in allen Punkten mit der offiziellen Position der Schweizerischen Bankiervereinigung überein. Selbstverständlich sind jedoch nebst vielen Erfahrungen aus der Praxis auch zahlreiche Anregungen aus Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen bei der Schweizerischen Bankiervereinigung wie auch an der Universität Basel eingeflossen; ihnen allen gebührt mein herzlicher Dank.
Markus Staub
Bottmingen, Februar 2014
Einleitung
Zwischen der Finanz- und Wirtschaftskrise der letzten Jahre und den beobachteten Entwicklungen der Bankenregulierung besteht ein enger Zusammenhang. Zahlreiche Anpassungen, beispielsweise der Eigenkapital- oder Liquiditätsregulierung, sind als direkte Reaktionen auf die Finanzkrise zu interpretieren, indem sie dem Risiko zukünftiger Krisen entgegenwirken sollen. Das ist die eine Bedeutung des Titels. Es soll der Frage nachgegangen werden, wie sich das Bild der verschiedenen regulatorischen Reaktionen auf die Finanzkrise mittlerweile präsentiert bzw. wie und aus welchen Überlegungen während und nach der Krise reguliert wurde.
«Regulierung in der Krise» ist jedoch durchaus auch doppeldeutig gemeint, indem sich nach der hier vertretenen Auffassung auch die Bankenregulierung selbst in einer Art Krise befindet. Manche der in Kraft gesetzten oder beschlossenen Verschärfungen sind insbesondere zur Verbesserung der sogenannten Systemstabilität in einem gesamtwirtschaftlichen Sinne wünschenswert. Bei anderen ist die Nutzen/Kosten-Bilanz hingegen fraglich bzw. muss die ökonomische Beurteilung differenzierter ausfallen. Und teilweise fehlen die guten Ideen bzw. überzeugenden Ansätze zur Optimierung der Bankenregulierung weiterhin.
Selbstverständlich erheben diese Ausführungen nicht den Anspruch auf eine vollständige Darstellung der Bankenregulierung in der Schweiz oder der entsprechenden aktuellen Entwicklungen. Die Breite und Komplexität der verschiedenen Regulierungsfelder würden eine derartige, um Vollständigkeit bemühte Synopsis gar nicht zulassen, zumindest nicht in der angestrebten übersichtlichen Form. Vielmehr liegt eine bewusste Schwergewichtsbildung zugrunde, die bestimmte Subthemen in den Vordergrund stellt. Die entsprechende Prioritätensetzung und Auswahl einzelner Bereiche und Regulierungsinstrumente erfolgt zum einen mit Blick auf deren praktische Bedeutung, zum anderen haben diese exemplarischen Charakter und dienen der Illustration von Aspekten mit genereller Relevanz.
Die Darstellung und Beurteilung regulatorischer Entwicklungen erfolgt aus einer ökonomischen, teilweise auch politisch-ökonomischen Perspektive. Selbstverständlich wären auch andere Sichtweisen durchaus legitim, insbesondere eine mehr juristisch betonte, die naturgemäss die Einzelheiten von Banken- und Finanzmarktrecht stärker hervorheben würde. Gerade bei der Banken- und Finanzmarktregulierung handelt es sich um einen Untersuchungsgegenstand in der Schnittmenge unterschiedlicher Disziplinen, der entsprechendes Potenzial für eine interdisziplinäre Analyse bietet (Law and Economics). Die ausgeprägte Gewichtung der ökonomischen Aspekte resultiert nicht nur aus dem fachlichen Hintergrund des Autors, sondern auch aus der erwähnten Zielsetzung, diese Schrift als Grundlage einer wirtschaftswissenschaftlichen Vorlesung zu verwenden.
Aus methodischer Sicht weist die ökonomische Betrachtung von Fragen der Bankenregulierung verschiedene Stärken auf. Die Wirtschaftswissenschaften verfügen beispielsweise über geeignete Methoden, um regulatorische Interventionen aus einer Perspektive der (sozialen) Optimalität bzw. Effizienz zu beurteilen und zu vergleichen (Allokationstheorie, Pareto-Effizienz). In verwandtem Zusammenhang enthält das ökonomische Instrumentarium auch Ansätze, um die Nutzen- und Kostenwirkungen regulatorischer Eingriffe zu systematisieren und abzuwägen, was das Denken in regulatorischen Varianten zu unterstützen vermag (Kosten/Nutzen-Analysen, Wirkungsanalysen, Regulierungsfolgenabschätzungen). Dabei kann unter anderem auch die Abschätzung der mit regulatorischen Auflagen verbundenen Wettbewerbswirkungen bzw. Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit eine wesentliche Rolle spielen. Ebenfalls stehen Möglichkeiten zur Untersuchung der Verteilungswirkungen regulatorischer Massnahmen zur Verfügung, was speziell bei asymmetrischen Effekten auf verschiedene Kategorien von Beteiligten von Bedeutung ist. Weitere Beispiele für die Vorzüge einer ökonomischen Betrachtung sind die Möglichkeit zur Modellierung von Konstellationen mit asymmetrischer Information (Informationsökonomie) oder zur Analyse von Situationen mit strategischer Interaktion (Spieltheorie).
Die Darstellung der verschiedenen Regulierungsinhalte erfolgt absichtlich mit einem ausgeprägten Bezug zur aktuellen Situation in der Schweiz. Verschiedene Aspekte der institutionellen Ausgestaltung der schweizerischen Banken- und Finanzmarktregulierung sind im internationalen Vergleich speziell. Im Sinne von stilisierten Fakten zählen zu diesen Besonderheiten insbesondere die grundsätzliche Trennung zwischen der Verantwortung für die Geldpolitik (Schweizerische Nationalbank, SNB) und der Verantwortung für die Aufsicht (Eidgenössische Finanzmarktaufsicht, FINMA), die Trennung zwischen Systemaufsicht (SNB) und Institutsaufsicht (FINMA), die Integration der Aufsicht über verschiedene Kategorien von beaufsichtigten Finanzmarktteilnehmern bei der FINMA, das dualistische Aufsichtssystem (mit privaten Prüfgesellschaften als «verlängertem Arm» der FINMA) sowie der überdurchschnittlich hohe Selbstregulierungsgrad (z. B. Richtlinien der Schweizerischen Bankiervereinigung, SBVg). Diese Besonderheiten der schweizerischen Banken- und Finanzmarktregulierung bilden den Hintergrund, vor dem die einzelnen Fragestellungen zu analysieren und zu beurteilen sein werden.
An dieser Stelle ist eine Bemerkung zur Terminologie angebracht. Sie betrifft die beiden Begriffe der «Regulierung» (Regulation) und der «Aufsicht» (Supervision). Im Bewusstsein, dass diese Begriffe in Literatur und Praxis nicht einheitlich verwendet bzw. voneinander abgegrenzt werden, wird hier «Regulierung» in der Regel für die Definition bzw.