Jenseits der Gene: Essays über unser Wesen, unsere Welt und unsere Träume
Von Gottfried Schatz
()
Über dieses E-Book
Das Buch ist in englischer Übersetzung beim Verlag Karger erschienen.
In Deutschland und Österreich erscheint die 4. Auflage bei Wiley-VCH
Mehr von Gottfried Schatz lesen
Zaubergarten Biologie: Wie biologische Entdeckungen unser Menschenbild prägen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenUrknall, Sternenasche und ein Fragezeichen: Essays zu Kultur und Wissenschaft Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Ähnlich wie Jenseits der Gene
Ähnliche E-Books
Essay 4: Pandemien – nicht endender Überlebenskampf gegen Bakterien und Viren Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWohin geht die Reise?: Klimawandel, Artensterben, Pandemien, ... Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEndlich Unendlich: Und wie alt wollen Sie werden? Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Soisses!Ein Feuilleton satirisch-kritischer Gedankengänge(3) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Tod: Die fröhliche Wissenschaft 4 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungenwww.bakterien.com: Bedeutung von Mikrobiomen für Ernährung und Gesundheit Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSONNENBRAND: Science-Fiction-Erzählungen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Gefühle der Tiere: Von glücklichen Hühnern, liebenden Ziegen und träumenden Hunden. Ein Plädoyer für Respekt und Achtsamkeit Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHochdosiert Plus: Das gejagte Gen: Sex, Hormone und das Geheimnis des Alterns. Hochdosiert: Die wundersamen Auswirkungen extrem hoher Dosen von Vitamin D3 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBorreliose erfolgreich erkennen und therapieren: Wie Sie Borreliose ganzheitlich und effektiv behandeln Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEin alter Rebell erinnert sich: Der verrückte Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGroße Seuchen und Pandemien: Die Geschichte von Pest, Cholera, COVID-19 & Co. Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHeimliche Haustiere Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMax Meister und der Untergang der alternativen Medizin: Eine Medizinsatire Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKein Septemberurlaub in Ligurien: Roman. Nili Masal ermittelt (10) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFischtomate: Kuioses aus Botanik, Züchtung und Genetik III Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen555 populäre Irrtümer: Warum Angela Merkel eigentlich ein Wessi ist, man Eier nicht abschrecken muss und Erdnüsse keine Nüsse sind Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWas sich am Fleisch entscheidet: Über die politische Bedeutung von Tieren Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Archive des Lebens: Briefe aus der Sackgasse der Evolution von Ulrich Kübler an Angelika Gebhard Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGrönemeyer macht Mut. Life is a story - story.one Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWaidmannsheil: Krimi Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNie allein zu Haus: Von Mikroben über Tausendfüßer und Höhlenschrecken bis zu Honigbienen – die Naturgeschichte unserer Häuser Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEs geht nicht um die Fledermaus: Pandemien, Umweltzerstörung und warum wir den Umgang mit der Natur neu bestimmen müssen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenViagra hilft Hamstern bei Jetlag: Die volle Dosis unnütze Wissenschaft Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Märchen von der Gleichheit Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer auf den Menschen geprägte Graupapagei: Die Wahrheit hinter der grauen Fassade Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHeimische Heil- und Vitalpilze. Kompakt-Ratgeber: 20 Pilze für Küche und Hausapotheke. Immunstärkend, antibakteriell und zellschützend Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTanatolien: Eine virtuelle Welt nach dem Super ÖKO Gau Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSilvana Vampinella von Draculea: Eine Mücke erzählt… Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie (R)Evolution der Gesundheit: Ihre Gene als Schlüssel zu Lebensqualität und Glück Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Philosophie für Sie
Der Antichrist Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAlso sprach Zarathustra Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Adorno in 60 Minuten Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Marcus Aurelius: Selbstbetrachtungen: Selbsterkenntnisse des römischen Kaisers Marcus Aurelius Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDemian Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Das Kapital: Band 1-3 (Mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMüdigkeitsgesellschaft Burnoutgesellschaft Hoch-Zeit Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLexikon der Symbole und Archetypen für die Traumdeutung Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Die Kunst des Krieges: Wahrhaft siegt, wer nicht kämpft Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Die Welt als Wille und Vorstellung: Band 1&2: Schopenhauers Hauptwerk über die Erkenntnistheorie, die Metaphysik, die Ästhetik und die Ethik Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDeutsche Syntax: Ein Arbeitsbuch Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenPsychologie der Massen Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5I GING: Das Buch der Wandlungen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTarot: 22 Stufen der Einweihung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNietzsche in 60 Minuten Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Foucault in 60 Minuten Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Sechs Bücher von Nietzsche Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Wie wollen wir leben? Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5Die praktische Anwendung der 7 hermetischen Prinzipien im Alltag Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFriedrich Wilhelm Nietzsche – Gesammelte Werke Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTractatus logico-philosophicus (Logisch-philosophische Abhandlung) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSokrates. Apologie der Pluralität Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWittgenstein in 60 Minuten Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenPalliativgesellschaft: Schmerz heute Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Rezensionen für Jenseits der Gene
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
Jenseits der Gene - Gottfried Schatz
GOTTFRIED SCHATZ
JENSEITS DER GENE
Essays über unser Wesen,
unsere Welt
und unsere Träume
VERLAG NEUE ZÜRCHER ZEITUNG
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2013 Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich
Der Text des E-Books folgt der gedruckten 4. Auflage 2012 (ISBN 978-3-03823-780-8).
Gestaltung Umschlag: GYSIN [Konzept + Gestaltung] Chur,
unter Verwendung der Abbildungen «Jelly fish», © Chee-Onn Leong, Fotolia.de
und «Sunrise behind the earth» © Huebi, Fotolia.de
Datenkonvertierung: CPI – Clausen & Bosse, Leck
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf andern Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.
ISBN E-Book 978-3-03823-982-6
www.nzz-libro.ch
NZZ Libro ist ein Imprint der Neuen Zürcher Zeitung
Für Heino
BEDROHLICHE GÄSTE
Das Wunderbare an uns Menschen ist, dass wir zwei Vererbungssysteme besitzen – ein chemisches und ein kulturelles. Das chemische System gründet sich auf DNS-Fadenmoleküle und andere Teile unserer Zellen und bestimmt, was wir sein können. Das kulturelle System besteht aus der Zwiesprache zwischen den Generationen und bestimmt, was wir dann werden. Unser chemisches System erhebt uns kaum über andere Tiere, doch unser kulturelles System ist in der Natur ohne Beispiel. Seine formende Kraft schenkt uns Sprache, Kunst, Wissenschaft und sittliche Verantwortung. Beide Vererbungssysteme tragen Wissen mit hoher Verlässlichkeit von einer Generation zur andern, machen jedoch gelegentlich Fehler. Übermittlungsfehler – sogenannte Mutationen – im chemischen System verändern unseren Körper und solche im kulturellen System unser Verhalten. Langfristig schützen uns diese Fehler vor biologischer und kultureller Erstarrung, doch kurzfristig können sie in Katastrophen münden. Im frühen Mittelalter bewirkte die Tay-Sachs-Mutation im chemischen System eines osteuropäischen Aschkenasen, dass dessen Gehirn verkümmerte und vielen seiner heutigen Nachkommen das gleiche Schicksal droht. Und das 20. Jahrhundert hat uns wieder einmal daran erinnert, welche Grauen kulturelle Mutationen bewirken können.
Welches dieser beiden Vererbungssysteme ist dafür verantwortlich, dass Menschen verschiedener Kulturen so unterschiedlich denken und handeln? Vielleicht ist es manchmal keines der beiden, sondern ein Parasit, der sich unseres Gehirns bemächtigt.
Dass Parasiten das Verhalten von Tieren verändern können, ist eindeutig erwiesen. Wenn gewisse Fadenwürmer landbewohnende Heuschrecken oder Grillen infizieren, scheiden sie Eiweisse und andere nervenaktive Stoffe aus, die den Schweresinn und wahrscheinlich auch andere Gehirnfunktionen des Insekts verändern. Sobald der Fadenwurm im Insekt seine volle Grösse und seine Geschlechtsreife erreicht hat, verliert das Insekt seine Scheu vor Wasser, stürzt sich selbstmörderisch in den nächsten Wassertümpel und entlässt in seinem Todeskampf den fast dreimal längeren Fadenwurm. Dieser schwimmt sofort davon, um sich einen Paarungspartner zu suchen. Und wenn Larven eines Saugwurms den im Pazifik lebenden Killifisch infizieren, wirft dieser seine angeborene Vorsicht über Bord und macht durch wilde Kapriolen und Körperverdrehungen an der Meeresoberfläche Raubvögel auf sich aufmerksam. Diese fressen deshalb im Durchschnitt etwa dreissigmal mehr infizierte als gesunde Fische. Der biologische Sinn dieser Gehirnwäsche gründet im Lebenszyklus des Saugwurms, der drei verschiedene Wirte benötigt. Der Wurm bildet seine Eier im Darm von Vögeln, welche die Eier in Salzsümpfe an der kalifornischen Pazifikküste ausscheiden. Dort frisst sie eine Schnecke, in der sie sich zu Larven entwickeln. Die Larven infizieren einen Killifisch und kehren schliesslich mit diesem in einen Vogeldarm zurück.
Noch eindrücklichere Beispiele liefern intelligente Säugetiere wie Mäuse und Ratten. Wenn der einzellige Parasit Toxoplasma gondii diese infiziert, nistet er sich bevorzugt in die Gehirnregionen ein, welche Emotionen und Furcht steuern. Als Folge davon verkehrt sich die angeborene Furcht der Nager vor Katzenduft in ihr Gegenteil: Sie wird zur tödlichen Vorliebe. Dies erhöht natürlich die Chance, dass die infizierten Tiere einer Katze zum Opfer fallen – und der Parasit in eine Katze zurückkehren kann. Toxoplasma gondii kann nämlich nur im Darm von Katzenarten eierähnliche Oozysten bilden, die dann in einen warmblütigen Zwischenwirt – zum Beispiel eine Ratte – gelangen müssen. Der Parasit verändert das Verhalten von Mäusen und Ratten sehr gezielt, denn er lässt deren angeborene Furcht vor offenen Flächen oder unbekannter Nahrung unverändert.
Auch wir können für Toxoplasma gondii Zwischenwirt sein – und Milliarden von uns sind es auch, weil wir mit Oozysten verseuchtes ungewaschenes Gemüse oder rohes Fleisch verzehren oder nicht bedenken, dass auch die putzige Hauskatze uns die Oozysten schenken kann. In Grossbritannien fanden sich vor einigen Jahren in fast vierzig Prozent aller angebotenen Fleischprodukte Toxoplasma-gondii-Gene, und dieser Prozentsatz dürfte in vielen ärmeren Ländern noch höher sein. So verwundert es nicht, dass etwa ein Drittel aller Nordamerikaner und fast die Hälfte aller Schweizer in ihrem Blut Antikörper gegen den Parasiten tragen – ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie einmal infiziert waren oder es noch immer sind. Viele Infektionen werden nämlich nicht erkannt und bleiben für den Rest des Lebens bestehen, ohne auffallende Schäden anzurichten. Bei Schwangeren, die gegen den Parasiten noch nicht immun sind, kann eine Infektion allerdings die Missbildung oder den Tod des Embryos verursachen – und bei einigen Menschen vielleicht sogar Schizophrenie auslösen. Tatsächlich sind einige gegen Schizophrenie eingesetzte Medikamente auch gegen Toxoplasma gondii wirksam. Eine Infektion von uns Menschen bietet dem Parasiten heute allerdings keine erkenntlichen Vorteile, da wir nur noch selten Raubkatzen zum Opfer fallen. Dennoch sprechen vorläufige Befunde dafür, dass Toxoplasma auch unsere Psyche subtil verändern kann: Es scheint Frauen oft intelligenter und unabhängiger, Männer dagegen eifersüchtiger, konservativer und gruppenhöriger zu machen. Bei beiden Geschlechtern erhöht es die Neigung zu Schuldbewusstsein, was manche Psychologen als negative emotionale Grundhaltung deuten.
Haben Parasiten den Charakter menschlicher Kulturen mitgeprägt? Wenn Toxoplasma gondii Männer tatsächlich traditionsbewusster und gruppentreuer macht, könnte es vielleicht dafür mitverantwortlich sein, dass manche Kulturen mehr als andere die herkömmlichen Geschlechterrollen hartnäckig verteidigen oder Ehrgeiz und materiellen Erfolg über Gemütstiefe und menschliche Beziehungen stellen. Und könnte es sein, dass verringerte Offenheit gegenüber Neuem die Innovationskraft ganzer Kulturen geschwächt hat? Ausführliche Befragungen in neununddreissig Staaten sprechen in der Tat dafür, dass die negative emotionale Grundhaltung einer Bevölkerung umso ausgeprägter ist, je stärker diese mit Toxoplasma gondii infiziert ist. Natürlich lässt es sich nicht ausschliessen, dass kulturelle Eigenheiten nicht Folge, sondern Ursache der Infektion sind. Vieles spricht jedoch gegen diese Möglichkeit, sodass Untersuchungen zur Rolle von Parasiten bei der Entwicklung menschlicher Kulturen noch einige Überraschungen liefern könnten.
Die Vorstellung, dass Parasiten mein Denken und Handeln mitbestimmen könnten, verletzt mein Selbstverständnis und mein Menschenbild. Darf ich das Lied Die Gedanken sind frei immer noch mit der gleichen Überzeugung singen, wie ich es als Kind tat? Oder sollte ich versuchen, meine wissenschaftliche Sicht zu überwinden und die Natur als Ganzes zu fühlen, wie Künstler und Mystiker dies vermögen? Aus dieser Sicht wären gedankenverändernde Parasiten nur ein besonders grossartiges Beispiel für die Einheit des Lebensnetzes auf unserem blauen Planeten. Unser Verstand schenkt uns ja auch die Waffen, um solche Parasiten zu erkennen und zu vernichten. Doch wer schützt uns vor den substanzlosen Parasiten, die sich unserer Gedanken und Emotionen bemächtigen? Es gibt ihrer zuhauf – Rassenwahn, religiöser Fanatismus, Nationalhysterie, Spiritismus und Aberglaube. Sie sind hochinfektiös und entmenschlichen uns mehr, als es Toxoplasma gondii je vermöchte. Solange wir nicht gelernt haben, diese unheimlichen Gäste rechtzeitig zu erkennen und wirksam zu bekämpfen, sind sie unsere grösste