Urknall, Sternenasche und ein Fragezeichen: Essays zu Kultur und Wissenschaft
Von Gottfried Schatz
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Über dieses E-Book
«Gottfried Schatz erzählt vom Wunder des Daseins als hochkomplexer Materie in einem chemisch urtümlichen lebendigen Universum (…). Wer mehr über die komplexen Zusammenhänge von Natur, Mensch und Materie erfahren möchte, dem sind die flüssig geschriebenen, zwischen Philosophie, Kunst und Naturwissenschaft oszillierenden, atemberaubenden Essays ausdrücklich empfohlen.»
INGRID ISERMANN, LITERATURUNDKUNST.NET
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Buchvorschau
Urknall, Sternenasche und ein Fragezeichen - Gottfried Schatz
GOTTFRIED SCHATZ
URKNALL,
STERNENASCHE
UND EIN
FRAGEZEICHEN
Essays zu Kultur
und Wissenschaft
VERLAG NEUE ZÜRCHER ZEITUNG
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2016 Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich
Der Text des E-Books folgt der gedruckten 1. Auflage 2016 (ISBN 978-3-03810-160-4)
Titelgestaltung: GYSIN [Konzept + Gestaltung], Chur
Datenkonvertierung: CPI – Clausen & Bosse, Leck
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.
ISBN E-Book 978-3-03810-177-2
www.nzz-libro.ch
NZZ Libro ist ein Imprint der Neuen Zürcher Zeitung
Für Isabella, Peer und Kamilla
VORWORT
Mit diesem Band gelangt die unwiderruflich letzte aus der Feder von Gottfried Schatz stammende Aufsatzsammlung zur Veröffentlichung. Es ist daher unvermeidlich, dass mich beim Verfassen des Vorworts ein Gefühl von Wehmut befällt. Darüber hinweg tröstet die Tatsache, dass die Texte in ihrer Aktualität, ihrem Informationsgehalt und ihrer sprachlichen Klarheit den hohen Rang dieses bedeutenden Forschers und Essayisten bezeugen.
Bei aller Vielfalt der Themen zieht sich sein Anliegen wie ein roter Faden durch die Aufsatzsammlung: zu zeigen, dass grundlegend neue Erkenntnis vor allem Mut zu unkonventionellem Denken erfordert, und auf jenes warnend hinzuweisen, welches diesem Streben hemmend im Wege steht wie dogmatisches Denken, Angst vor dem Verlassen von Komfortzonen sowie Fehlentwicklungen im Publikations- und Universitätsbetrieb.
Besonders eindringlich hat er diese letzte Sorge in einer Rede anlässlich der 650-Jahr-Feier der Universität Wien zum Ausdruck gebracht, die er neben dem Katheder stehend in freiem Vortrag gehalten hat, als wolle er damit sagen: Es geht nicht darum, Wahrheiten von der Kanzel herunter zu verkünden, sondern darum, den Forschergeist der Studierenden durch das eigene Vorbild zu entflammen.
Mit den Kapiteln zum Sinn des Lebens und zur Menschwerdung werden weniger Wissenschaftsthemen behandelt als vielmehr den Lebensnerv berührende Grundfragen, die sich dem Schreiber angesichts seiner eigenen schwindenden Lebenszeit besonders aufdrängten. Sie dürfen als Summe seiner Sicht vom Leben verstanden werden, einer Sicht, die Dankbarkeit für das Leben zum Ausdruck bringt, die Mehrung der Erkenntnis als Erfüllung betrachtet und sich mit dem Schatz des Erlangten bescheidet.
Christoph Bauer, im November 2015
GEFAHR AUS DEM DSCHUNGEL
Unser Kampf gegen das Ebola-Virus
Wir könnten das gefürchtete Virus durch bewährte Strategien und wirksame Impfstoffe in Schach halten, doch Kriege und mangelnde Weitsicht haben dies bisher verhindert.
An einem Septembertag des Jahres 1976 überbrachte ein Pilot der Sabena Airlines dem jungen Antwerpener Wissenschaftler Peter Piot eine blaue Thermosflasche. Laut dem Begleitbrief enthielt sie eisgekühlte Blutproben einer belgischen Nonne, die im abgelegenen Dorf Yambuku im damaligen Zaire mit hohem Fieber erkrankt war. Könnte Dr. Piots Institut das Blut auf Gelbfieber-Virus testen? Das Blut enthielt zwar weder dieses Virus noch andere bekannte pathogene Viren, tötete jedoch alle Labortiere, denen man es einspritzte. Offenbar barg es einen besonders tödlichen, noch unbekannten Krankheitserreger. Er entpuppte sich als ein ungewöhnlich langes, wurmähnliches Virus, das etwa tausendmal dünner als ein menschliches Haar war und fatal dem gefürchteten Marburg-Virus glich, das 1967 in Marburg mehrere Laborarbeiter getötet hatte. Wenige Tage darauf entsandte die belgische Regierung Peter Piot nach Yambuku, wo er und andere Wissenschaftler das neue Virus nach dem Ebola-Fluss in der Nähe des Dorfes «Ebola-Virus» tauften. Zu diesem Zeitpunkt war die Seuche bereits im Abklingen, sodass das öffentliche Interesse an ihr bald verebbte. Das Virus meldete sich mehrmals kurz zurück – wie 1977 in der Demokratischen Republik Kongo und 1979 im Sudan – liess dann aber 15 Jahre lang nichts mehr von sich hören. Als es 1994 wieder auftauchte, forderte es zum ersten Mal auch in Westafrika menschliche Opfer. Dort brach Ende 2013 in Guinea, Nigeria, Sierra Leone und Liberia die bisher verheerendste Ebola-Epidemie aus, die weit über 10 000 Leben gekostet hat.
Dieser Flächenbrand wurde dadurch geschürt, dass einige der betroffenen Länder grausame Bürgerkriege hinter sich hatten, welche die öffentliche Infrastruktur zerstörten und viele Ärzte vertrieben. Schlecht ausgerüstete Spitäler, die wichtige Hygieneregeln missachteten, hatten die Verbreitung von Ebola und anderen Seuchen in Afrika und anderen Schwellenländern schon seit je begünstigt; diesmal war ihre todbringende Rolle besonders einschneidend, weil die Seuche im dicht besiedelten Grenzgebiet zwischen den betroffenen Ländern ausbrach. Strenge Sicherheitsvorkehrungen wie die sofortige Isolierung der Erkrankten und ihrer Familienmitglieder sowie schnelle Identifizierung aller möglichen Kontaktpersonen sind immer noch unser wirksamster Schutz gegen diese Krankheit, die durch Körperflüssigkeiten oder direkten Körperkontakt übertragen wird. Deswegen könnten wir sie in Europa oder Nordamerika wahrscheinlich schnell unter Kontrolle bringen.
Wir kennen vom Ebola-Virus fünf Varianten, von denen vier für Menschen tödlich sein können. Die «Zaire»-Variante, die während der letzten Epidemie grassierte, ist die gefährlichste: Sie tötet zwischen 50 und 90 Prozent aller infizierten Menschen. In den ersten acht bis zehn Tagen bewirkt