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Ernährungsmedizin Pädiatrie: Infusionstherapie und Diätetik
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eBook1.320 Seiten10 Stunden

Ernährungsmedizin Pädiatrie: Infusionstherapie und Diätetik

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Über dieses E-Book

Das Fundament für eine gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ist die bedarfsangepasste Zufuhr von Nährstoffen. Da eine systematische Lehre fehlt, sind oftmals Wissensdefizite in Diätetik, klinischer Ernährung und Infusionstherapie auszugleichen, um die komplexen Anforderungen im pädiatrischen Alltag zu bewältigen.

Dieser Leitfaden fasst Grundlagen und therapeutisches Vorgehen in praxisorientierter Form zusammen und unterstützt Kinder- und Jugendärzte darin, Strategien zur gesunden Ernährung, Diätetik und Infusionstherapie erfolgreich umzusetzen. Die deutlich erweiterte 2. Auflage gibt den Stoff der Schwerpunktausbildung „Ernährungsmedizin“ strukturiert und auf pädiatrische Patienten bezogen wieder – nach dem Curriculum der Bundesärztekammer. Der Inhalt orientiert sich am Zertifikat Ernährungsmedizin der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ). Zusätzlicher Schwerpunkt ist die ausführliche Darstellung der Infusionstherapie mit ihrer Komposition und Berechnung.

 

Die 2. Auflage bietet u.a.: Praktische Hilfe zur Berechnung einer adäquaten klinischen Ernährung für individuelle Patienten – Schnelle Orientierung bei Entgleisung des Flüssigkeits- oder Säure-Basen-Status - Perioperative Infusionstherapie - Besonderheiten der Ernährung von Frühgeborenen nach der Entlassung - Plus: Therapieschemata mit praktischen Anleitungen.

Für Pädiater, Weiterbildungsassistenten, Kinderchirurgen, Anästhesisten und alle Mitglieder von Ernährungsteams in Klinik oder Praxis.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer
Erscheinungsdatum20. Dez. 2012
ISBN9783642298172
Ernährungsmedizin Pädiatrie: Infusionstherapie und Diätetik

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    Buchvorschau

    Ernährungsmedizin Pädiatrie - Frank Jochum

    Teil 1

    Grundlagen

    Frank Jochum (Hrsg.)Ernährungsmedizin Pädiatrie2., 2., überarb. u. erw. Aufl. Aufl. 2013Infusionstherapie und Diätetik10.1007/978-3-642-29817-2_1© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

    1. Einleitung und Basisinformation

    F. Jochum¹  und C. Fusch²

    (1)

    Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Evangelisches Spandau Waldkrankenhaus, Stadtrandstraße 555, 13589 Berlin, Deutschland

    (2)

    Department of Pediatrics, McMaster University McMaster Children’s Hospital, 1200 Main Street West, HSC- 4G40C, Hamilton, Canada

    1.1 Einleitung

    1.2 Basisinformationen

    Literatur

    Zusammenfassung

    Ernährung soll beim Erwachsenen den Energiebedarf decken und die Substrate zur Regeneration der Gewebe bereitstellen. Die Anforderungen variieren intra- und interindividuell nur wenig und werden im Wesentlichen von der körperlichen Aktivität bestimmt. Dagegen hat der kindliche Organismus durch Reifung und Wachstum besondere Bedürfnisse, die sich noch dazu in den verschiedenen Entwicklungsphasen drastisch ändern. Um hier ein optimales Ergebnis zu erreichen, muss nicht nur die Energiezufuhr, sondern auch die Zusammensetzung der einzelnen Nahrungsbestandteile dem individuellen Bedarf entsprechen. Bei Kindern kann eine ungenügende Zufuhr nicht nur zu Mangelsymptomen führen, wie sie bei Erwachsenen bekannt sind, sondern zusätzlich die Organentwicklung und -reifung stören (z. B. Vitamin-B12-Mangel). Außerdem gibt es Substrate, die – anders als im Erwachsenenalter – „semiessenziell" sind, z. B. weil sie vom kindlichen Organismus noch nicht in genügender Menge hergestellt werden können, oder weil das Wachstum deren Bedarf erhöht.

    1.1 Einleitung

    F. Jochum¹  und C. Fusch²

    Ernährung soll beim Erwachsenen den Energiebedarf decken und die Substrate zur Regeneration der Gewebe bereitstellen. Die Anforderungen variieren intra- und interindividuell nur wenig und werden im Wesentlichen von der körperlichen Aktivität bestimmt. Dagegen hat der kindliche Organismus durch Reifung und Wachstum besondere Bedürfnisse, die sich noch dazu in den verschiedenen Entwicklungsphasen drastisch ändern. Um hier ein optimales Ergebnis zu erreichen, muss nicht nur die Energiezufuhr, sondern auch die Zusammensetzung der einzelnen Nahrungsbestandteile dem individuellen Bedarf entsprechen. Bei Kindern kann eine ungenügende Zufuhr nicht nur zu Mangelsymptomen führen, wie sie bei Erwachsenen bekannt sind, sondern zusätzlich die Organentwicklung und -reifung stören (z. B. Vitamin-B12-Mangel). Außerdem gibt es Substrate, die – anders als im Erwachsenenalter – „semiessenziell" sind, z. B. weil sie vom kindlichen Organismus noch nicht in genügender Menge hergestellt werden können, oder weil das Wachstum deren Bedarf erhöht.

    Daher nimmt das Thema „Ernährung" in der Kinderheilkunde traditionell einen großen Stellenwert ein: Es reicht von der Muttermilchforschung zur Entwicklung sicherer Formulanahrung, über die Anwendung semisynthetischer Nahrung zur Therapie von Stoffwechselerkrankungen bis zur Optimierung parenteraler Ernährung. Dabei sind die Bedürfnisse und physiologischen Besonderheiten vom extremen Frühgeborenen bis zum Adoleszenten mit einer Körpergewichtsspanne von weniger als 500 g bis mehr als 100 kg (d. h. entsprechend einem Faktor von >200) und einer Wachstumsrate von 5–300% zu berücksichtigen.

    Die Bedeutung der Ernährung für die Gesundheit wurde bereits von Hippokrates formuliert: In seinem Corpus Hippocratium beschreibt er Krankheit als „Dys-Harmonie der Körperzusammensetzung und fehlerhafte Mischung der Körpersäfte, zur Heilung wurden von ihm u. a. Mittel der Diätetik eingesetzt. Diätetik wurde damals als „Kunst der gesunden Lebensführung verstanden, die im besonderen Maße auf die Ernährung fokussierte.

    Aus dieser Vorstellung entwickelte sich die „Säftelehre , die die Medizin lange Zeit prägte. „Krankheit galt als Folge einer Dysharmonie der Körpersäfte. Mit Aderlässen und Schröpfen sollte die Körper(saft)zusammensetzung günstig beeinflusst werden. Diese Vorstellungen hielten sich lange und wurden erst im Zuge der allgemeinen Aufklärung durch die wissenschaftlich fundierte Medizin abgelöst.

    Zum Ende des 19. Jh. rückte in Europa die hohe Säuglingssterblichkeit von über 20% in das öffentliche Interesse (Abb. 1.1). Als Konsequenz begann die Entwicklung der Kinderheilkunde; die Bedeutung von Ernährung im Säuglingsalter wurde erkannt und in der Folge auch erforscht. Magen-Darm-Erkrankungen waren die Haupttodesursache von Säuglingen im 19. Jh. Im Jahr 1877 machten sie in preußischen Städten 73% aller Sterbefälle im ersten Lebensjahr aus. Dabei lag die Quote bei künstlich ernährten Säuglingen bis zu 7-mal höher im Vergleich zu gestillten Säuglingen (Abb. 1.2) und wies einen ausgeprägten Sommergipfel auf (Abb. 1.3). Dieser jahreszeitliche Verlauf gab auch den ersten Hinweis darauf, dass die Ernährungsform die Überlebensrate beeinflusst. Maßnahmen zur Erhöhung der Stillfrequenz („Stillpropaganda, Abb. 1.4, und „Stillprämien) und zur Verbesserung der Hygiene (Abb. 1.5, Abb. 1.6, Abb. 1.7, Abb. 1.8) wurden eingeleitet. Schwangerenfürsorge und Mutterschutz wurden eingeführt mit dem Effekt, dass die Säuglingssterblichkeit in den folgenden Jahrzehnten kontinuierlich fiel (Abb. 1.1). In diesem Sinne wurde die Basis für das Sinken der Säuglingssterblichkeit im Verlauf des 20. Jh. und mithin ein Beitrag für die gegenwärtig so hoch wie nie zuvor liegende Lebenserwartung geleistet. Die Förderung des Stillens schließlich ist bis heute weltweit Herzstück gesundheitsfürsorgerischer Programme zur Verbesserung der Situation der Säuglinge.

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    Abb. 1.1

    Sterberate (pro 100 Lebendgeborene) 1816–1996. Preußen 1816–1900, Reichsgebiet 1901–1938, bis 1989 westliches Bundesgebiet, ab 1990 gesamtes Bundesgebiet. (Aus: Vögele 2002)

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    Abb. 1.2

    Wert der natürlichen Ernährung, Tafel 62. (Aus: Langstein u. Rott 1918, mit freundl. Genehmigung der Freien Universität Berlin, Archiv des Kaiserin-Auguste-Victoria-Hauses)

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    Abb. 1.3

    Säuglingssterblichkeit im Jahresverlauf in ausgewählten Großstädten. (1898–1902, in Prozent; Aus: Prinzing 1930)

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    Abb. 1.4

    Stillpropaganda. Große Ausstellung für Gesundheitspflege, Soziale Fürsorge und Leibesübungen (Ge-So-Lei), Düsseldorf 1926. (Aus: Fraenkel 1927)

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    Abb. 1.5

    Die natürliche Ernährung, Tafel 61. (Aus: Langstein u. Rott 1918, mit freundl. Genehmigung der Freien Universität Berlin, Archiv des Kaiserin-Auguste-Victoria-Hauses)

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    Abb. 1.6

    Prüfen von Geschmack und Wärme der Flaschennahrung, Tafel 71. (Aus: Langstein u. Rott 1918, mit freundl. Genehmigung der Freien Universität Berlin, Archiv des Kaiserin-Auguste-Victoria-Hauses)

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    Abb. 1.7

    Kühlhalten der Milch mit einfachen Mitteln, Tafel 67. (Aus: Langstein u. Rott 1918, mit freundl. Genehmigung der Freien Universität Berlin, Archiv des Kaiserin-Auguste-Victoria-Hauses)

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    Abb. 1.8

    Milchflasche und Sauger, Tafel 68. (Aus: Langstein u. Rott 1918, mit freundl. Genehmigung der Freien Universität Berlin, Archiv des Kaiserin-Auguste-Victoria-Hauses)

    In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurden sichere und ernährungsphysiologisch ausgewogene künstliche Säuglingsmilchen entwickelt, die die Versorgung von Kindern, die nicht gestillt werden können, sicher machen. Diese Entwicklung ist bis heute nicht abgeschlossen: Aktuelle Forschungsgebiete betreffen hier Frühgeborenennahrungen und die Identifikation von ernährungsphysiologisch wertvollen, jedoch nur in Muttermilch enthaltenen Substanzen, die zur Erzielung einer optimalen Reifung und Entwicklung künstlichen Säuglingsnahrungen zugesetzt werden müssen.

    Ein weiterer Meilenstein ist die Entwicklung von Nahrungen, die unter Umgehung des Gastrointestinaltrakts aufgenommen werden können: den parenteralen Ernährungslösungen. Zusätzlich zum Problem der Substratwahl und -komposition musste bei dieser Nahrungsform sichergestellt werden, dass die Ernährungslösungen steril und pyrogenfrei sind und außerdem keine allergischen oder andere systemischen Reaktionen auslösen. Mittlerweile ist eine Vielzahl von Produkten kommerziell erhältlich, die z. T. sogar auf die Bedürfnisse einzelner Altersstufen abgestimmt sind. Dass mit dieser Produktentwicklung auch die entsprechenden Materialien zur ihrer sicheren Applikation am kleinen Patienten entwickelt werden mussten (wie z. B. größenadaptierte Venenverweilkanülen), sei hier nur am Rande erwähnt.

    Mit der Weiterentwicklung der medizinischen Möglichkeiten in der Pädiatrie wurden auch an die Ernährung immer wieder neue Anforderungen gestellt, sodass sie heute wieder im Fokus des wissenschaftlichen Interesses steht. Hierbei ist Ziel, dass moderne Ernährung mithilft, Mortalität und Morbidität zu senken, wie es z. B. in der Neonatologie oder der pädiatrischen Intensivtherapie gezeigt werden konnte. Ein zweites Ziel moderner Ernährung ist die Prävention von Erkrankungen. „Food engeneering bzw. „functional food stehen im Fokus des Interesses. Auch der Zusammenhang von Langzeiteffekten und „food programming", z. B. auf die Entwicklung bzw. Behandlung von Adipositas, gewinnt an Aktualität.

    Das Wissen um die Ernährung sowie die Nahrungsmittel selbst, das heute zur Verfügung steht, ist durch einen langen und kontinuierlichen Prozess hervorgebracht worden. Auch vor dem Hintergrund der sich rapide ändernden Lebensbedingungen der modernen Gesellschaft sind die weiteren Entwicklungen in diesem Gebiet nicht abgeschlossen, sondern eine wichtige und wahrscheinlich auch kostengünstige Voraussetzung zur allgemeinen Hebung bzw. Verbesserung von Lebensqualität, Gesundheit in der Bevölkerung und der Prävention von Krankheiten.

    1.2 Basisinformationen

    1.2.1 Bilanzierte Ernährung

    F. Jochum¹ 

    Imbalanzen des Wasser-, Elektrolyt- und weiteren Nährstoffhaushalts treten bei Kindern und Jugendlichen häufiger auf als bei Erwachsenen. Gründe hierfür sind die Unreife der Regulation, die besondere alters- und reifeabhängige Physiologie und der initial hohe Flüssigkeits-, Energie- und Nährstoffbedarf. Zusätzlich kompliziert wird die bedarfsgerechte Ernährung bei pädiatrischen Patienten durch die schnellen Änderungen des Nährstoffbedarfes im Verlauf des Säuglings-, Kleinkindes-, Jugend- bis zum Erreichen des Erwachsenenalters. Diese Altersabhängigkeit spiegelt sich auch in der Anzahl der veröffentlichten experimentellen Forschungsarbeiten bezüglich des Wasser-, Elektrolyt- und weiteren Nährstoffbedarfes von Kindern und Jugendlichen wider. Für ältere pädiatrische Patienten liegen nur wenig experimentelle Daten vor. Die von deutschen oder internationalen Gesellschaften publizierten „Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr" oder zu diesem Thema veröffentlichte Lehrbücher arbeiten darum mit extrapolierten Daten. Die vielen verfügbaren Informationen über Neugeborene und die im Vergleich wenigen Daten über ältere pädiatrische Patienten finden auch in der Ausführlichkeit der Empfehlungen für die verschiedenen Altersgruppen ihren Niederschlag.

    Im Laufe der Entwicklungsgeschichte hat sich der Mensch an die ihm zur Verfügung stehende Nahrung angepasst. Entsprechend des persönlichen Bedarfes wird beim Gesunden eine adäquate Nahrungszufuhr reguliert durch Hunger und Durst erreicht. Dabei ist die Nahrungsaufnahme, neben persönlichen Vorlieben, nicht frei von familiären, kulturellen und geographisch-meteorologischen Einflüssen. Schnelle Änderungen des Nahrungsangebots, des individuellen Energieverbrauches oder der Möglichkeit Nahrung aufzunehmen (wie z. B. bei Krankheit oder therapeutischen Maßnahmen) können die komplexe Eigenregulation, die in der Empfindung von Hunger , Durst und Sättigung mündet, stören. So kann es zu einer Nahrungsaufnahme kommen, die nicht dem Bedarf entspricht.

    Vielfältige Gründe können es notwendig machen, die Eigenregulation der Nahrungsaufnahme rational zu steuern oder außer Kraft zu setzen und die Zufuhr extern zu regeln (Krankheiten, Unreife und muskuläre Schwäche, z. B. bei der Frühgeborenenernährung über Magensonde, perioperative (teil)parenterale Ernährung usw.). Muss in die Regulation der Nahrungszufuhr eingegriffen werden, so ist es notwendig, den Energie- und Nährstoffbedarf und den -gehalt der ausgewählten Nahrungsmittel zu kennen und deren angepasste Zufuhr – also eine bilanzierte Ernährung – zu organisieren.

    Für die Kinder- und Jugendmedizin stellen die verschiedenen Maßnahmen der Diätetik eine zentrale therapeutische Möglichkeit dar, die im stationären Bereich häufig eingesetzt werden muss. Dies liegt an den besonderen physiologischen Verhältnissen bei Kindern, die, leichter als bei Erwachsenen, zu einer Imbalance des Flüssigkeits-, Elektrolyt- oder weiteren Nährstoffhaushalts führen (Kap. 2). Die Durchführung einer bilanzierten Ernährung ist hier besonders schwierig, weil die behandelten Kinder sehr unterschiedlich sind (z. B. Körpergewicht: von <400 g bis >100 kg) und der Nährstoffbedarf stark alters- und wachstumsabhängig ist. Zusätzlich sind die physiologischen Besonderheiten von Früh- und Reifgeborenen und die Anpassungsvorgänge nach der Geburt eine besondere Herausforderung, um eine an den Bedarf angepasste Nahrungszufuhr zu gewährleisten.

    Das Maß der Genauigkeit der Bilanzierung von Ernährung hängt, neben anderen Faktoren, maßgeblich von der Dauer, z. B. einer parenteralen Ernährung, ab. Im klinischen Alltag einer Kinderklinik ist eine Dauer von wenigen Tagen bis wenigen Wochen die Regel (ausgenommen die lebenslangen semisynthetischen Diäten bei angeborenen Stoffwechselstörungen). An diesen Standardsituationen orientiert sich dieser Leitfaden, um für den üblichen klinischen Alltag eine schnelle Orientierung und optimale Behandlungsqualität zu erreichen. Spezialsituationen, wie z. B. eine lebenslange parenterale Ernährung beim Kurzdarmsyndrom, werden nur kurz, im Bezug auf die Akutversorgung der Patienten, dargestellt. Hierzu wird auf Fachpublikationen bezüglich der Spezialthemen verwiesen.

    1.2.2 Regulation der Nahrungsaufnahme

    Die Regulationsmechanismen, die zu einem angepassten Hunger-, Durst- und Sättigungsgefühl führen, sind bis heute nur in Ansätzen geklärt. Es wurden in den letzten Jahren mehrere hypothalamische und periphere „Signalstoffe" entdeckt, die eine Kommunikation zwischen Nahrungszufuhr/-speicherung, Grundumsatz, Lipolyse, Stoffwechsel und der endokrinen Kontrolle von Wachstum, Reproduktion und Wohlbefinden ermöglichen.

    Das überwiegend in Fettzellen gebildete Leptin nimmt hierbei in Verbindung mit dem Leptinrezeptor eine zentrale Stellung ein, denn niedrige Spiegel führen im Tierversuch und beim Menschen zu überschießender Nahrungsaufnahme. Leptinspiegel korrelieren mit den Fettvorräten. Leptin entfaltet seine Wirkung über verschiedene Neuropeptide, die z. T. in Neuronen des Hypothalamus gebildet werden [Neuropeptid Y (NPY ), „agouti-related peptide (AGRP) , Proopiomelanocortin (POMC) , „cocaine-and-amphetamine-related transcript (CART) und andere; Forbes et al. 2001].

    Als Gegenspieler des Leptins, das in seiner Hauptwirkung anorexigen wirkt, ist ein 28 Aminosäuren langes, im Magen gebildetes Peptid, das Ghrelin , identifiziert worden. Ghrelin gehört zur Gruppe der Wachstumshormon freisetzenden Peptide und entfaltet seine Wirkung an einem eigenen Rezeptor im Hypothalamus (GHS-Rezeptor ). Seine orektische Wirkung ist unabhängig von der Freisetzung von Wachstumhormon (Tschop et al. 2004). Ghrelin steigt beim nüchternen Menschen im Plasma schnell an und fällt nach Nahrungsaufnahme schnell wieder ab (Horvath et al. 2001; Tschop et al. 2004). Die Infusion von Ghrelin steigert beim Menschen die Nahrungsaufnahme (Horvath et al. 2001).

    In welchem Gestationsalter die „Justierung der Regelkreise zur Regulation der Nahrungsaufnahme stattfindet, ist weit gehend unklar. Es gibt Evidenz dafür, dass die Ernährung bei Früh- und Reifgeborenen langfristig die Entstehung einer Adipositas begünstigen kann, also unphysiologische Ernährung in dieser scheinbar vulnerablen Phase langfristige Auswirkungen (Food-programming-Effekte ) haben könnte (Metges 2001; Toschke et al. 2002). Dabei scheint eine im Vergleich zur Muttermilch „hohe" Proteinzufuhr nachteilig und die Komposition der zugeführten Proteine von Bedeutung zu sein (Escribano et al. 2012).

    Neben langfristig modulierenden Einflüssen kann das System der Regulation der Nahrungsaufnahme aber auch kurzfristig und reversibel modulieret werden. Neben körperlicher Aktivität, kann als Beispiel dazu der Einfluss der Schlafdauer auf das Körpergewicht angeführt werden. So konnte gezeigt werden, dass Übergewicht bzw. Adipositas invers mit der Schlafdauer korreliert sind (Bayer 2009). Ob eine verminderte Leptinsekretion mit Relation zum Schlafentzug dieses Phänomen allein erklären kann (Knutson et al. 2007) bleibt ab zu warten.

    Das hier nur orientierend dargestellte komplexe Regulationssystem wird im klinischen Alltag einer Kinderklinik häufig und durch einfachste Maßnahmen, wie eine Magensonde oder parenterale Flüssigkeitszufuhr, außer Kraft gesetzt. Die Regulationsfunktion dieses Systems muss dann durch den Arzt übernommen werden, der mit Zufuhrempfehlungen für Nahrung, in Verbindung mit Wissen über die Physiologie des Patienten, über die Pathophysiologie der Erkrankung und über die Informationen aus dem Patientenmonitoring die Nährstoffzufuhr individuell festlegen muss.

    1.2.3 Enterale und parenterale Ernährung

    Die Entscheidung zwischen den einzelnen Formen der Nahrungszufuhr sollte jeweils nach medizinischer Indikation unter dem Leitgedanken „so wenig invasiv wie möglich" getroffen werden. Dieses Vorgehen begünstigt niedrige Komplikationsraten .

    Orale Ernährung bietet die Möglichkeit der eigenständigen kortikalen Kontrolle der Flüssigkeits- und Nährstoffzufuhr (Abschn. 1.4). Bei enteraler Ernährung, über z. B. eine Magen- oder perkutane endoskopische Gastrostomie- (PEG-)Sonde , sind diese Kontrollmechanismen bereits ausgeschaltet und es bleibt nur für einen Teil der Nährstoffe die Möglichkeit einer beschränkten Regulation über verminderte oder vermehrte Adsorption. Bei parenteraler Ernährung ist auch dieser Regulationsmechanismus ausgeschaltet.

    Ist es nicht möglich, eine komplette orale oder enterale Nährstoffzufuhr zu gewährleisten, so ist zu entscheiden, ob eine

    partielle parenterale Ernährung (PPE) oder

    totale parenterale Ernährung (TPE)

    erforderlich ist.

    Mit der Ausschaltung der physiologischen Regulationsmöglichkeiten durch „invasivere" Zufuhrwege ist eine akzidentelle Imbalance von Nährstoffen durch den Organismus immer schwieriger auszugleichen. Bei der TPE sind darum an eine bedarfsgerechte Zufuhr und die hierfür notwendigen Kontrollen die höchsten Anforderungen zu stellen.

    Neben dem Zugangsweg spielen aber auch das Lebensalter des Patienten (damit verbunden unreife Regulationsmechanismen, Größe der Nährstoffspeicher) und die Dauer einer bilanzierten Ernährung für die Entwicklung von Imbalancen eine wichtige Rolle.

    Die Entscheidung zwischen oraler, enteraler Nahrungszufuhr, PPE oder TPE sollte jeweils nach medizinischer Indikation unter dem Leitgedanken „so wenig invasiv wie möglich" getroffen werden.

    Dieses Vorgehen begünstigt niedrige Komplikationsraten (Brown et al. 1989; Long u. Keyserling 1985; Sohn et al. 2001; Vaidya et al. 1991). Wenn immer möglich und von ihrem Anteil so hoch wie möglich, sollte die Nahrung darum oral zugeführt werden. Wenn dies nicht möglich ist, ist der enterale und, nur wenn beides nicht möglich ist, der (teil)parenterale Weg zu wählen (Suchner et al. 1996).

    Verdauung und Adsorption

    Durch Oberflächenvergrößerung des Darmes (Fältelung und Schleimhautzotten) in Verbindung mit den Verdauungssekreten entsteht ein äußerst effektives System zur Nahrungsaufnahme. Zur Verdauung der Nahrung ist neben den anatomischen Voraussetzungen ein Zusammenspiel physikalischer und chemisch-enzymatischer Prozesse notwendig, die einer hormonellen und auch nervalen Kontrolle unterliegen.

    Beim Transport des Chymus durch die verschiedenen Bereiche des Verdauungssystems wird durch die Verdauungssekrete die Fermentierung der Nahrung und die Aufspaltung in die einzelnen Nährstoffe bewirkt, die der Absorption vorausgehen muss. Die Adsorption der einzelnen Nahrungsbestandteile ist an bestimmte Lokalisationen gebunden (Proteinbausteine: Magen, Duodenum, Jejunum; Kohlenhydrate/Lipide: Duodenum und Jejunum; Elektrolyte und Spurenelemente: Duodenum; Vitamine: unterschiedliche Lokalisationen). Die Aufnahme kann durch verschiedene Transportmechanismen [z. B. aktiver Transport (carriervermittelt, Pinozytose ), passiver Transport (Diffusion )] in gewissen Grenzen reguliert werden.

    Kohlenhydrate

    Diese werden durch Speichel, später durch die Pankreasamylase an den α-1,1-Bindungen zu Oligosacchariden gespalten. An der Bürstensaummembran des Dünndarms erfolgt die weitere Aufspaltung. Kohlenhydrate werden in Form von Monosacchariden resorbiert. Einige Kohlenhydrate (höhermolekular, z. B. Zellulose , oder niedermolekular, z. B. Raffinose , Laktulose ) sind unverdaulich. Auch prinzipiell abbaubare Kohlenhydrate können sich der Verdauung entziehen (resistente Stärke – sterische Unzugänglichkeit für die Verdauungsenzyme). Mangel an Verdauungsenzymen (wie z. B. Laktasemangel ) führt zu unverdauten Kohlenhydraten im Kolon. Diese werden durch bakterielle Hydrolyse in kurzkettige Fettsäuren umgewandelt. Bei stärkerer Zunahme (vermehrter Zufuhr von Ballaststoffen , Fruktose , Xylit oder Resorptionsstörungen verschiedener Ursache) treten Blähungen und Diarrhöen durch bakteriellen Abbau von Kohlenhydraten auf.

    Proteine

    Die Proteolyse beginnt bereits im Magen (Sekrete, Pepsin), wird durch Pankreasenzyme (Trypsin , Chymotrypsin , Elastase , Carboxypeptidasen ) und schließlich durch Dipeptidasen an der Bürstensaummembran fortgesetzt. Die Aufnahme erfolgt als aktiver Transport bevorzugt als Aminosäure und Dipeptid .

    Triglyzeride

    Diese werden zu einem kleinen Teil im Magen (Magenlipase ), hauptsächlich aber von der Pankreaslipase , in freie Fettsäuren und 2-Monoglyzeride gespalten, die zusammen mit Cholesterin und konjugierten Gallensäuren (als Mizellen ) passiv oder proteinvermittelt vom Dünndarm aufgenommen werden können. Nach der intrazellulären Reveresterung werden sie an Apolipoproteine gebunden und erreichen über die Lymphe den Ductus thoracicus . Die konjugierten Gallensäuren werden im terminalen Ileum rückresorbiert. Mittelkettige Fettsäuren (MCT) können enterozytär direkt aufgenommen werden.

    Bei Frühgeborenen und bei reifen Säuglingen ist der Gastrointestinaltrakt bezüglich eines Teils der oben orientierend dargestellten Funktionen unreif. Das betrifft einerseits die nervale und strukturelle Reife, aber auch die Kapazität der zur Verdauung notwendigen Enzyme (Auricchio et al. 1965). Bei Termingeborenen steht mit der Muttermilch eine an diese Verhältnisse adaptierte Nahrung zur Verfügung. Die Unreife Frühgeborener ist aber so ausgeprägt, dass eine langsame Gewöhnung des Gastrointestinaltrakts an enterale Ernährung erfolgen muss. In dieser Zeit muss die Nährstoffzufuhr durch (teil)parenterale Ernährung gesichert werden. Auch bei älteren Kindern kann die Resorption durch Krankheit signifikant beeinträchtigt sein.

    Bemerkungen über Zufuhrempfehlungen

    Zufuhrempfehlungen unterliegen Veränderungen durch wissenschaftlichen Fortschritt und Gesundheitspolitik. Die genaue Antwort auf die Frage „Bedarf? lässt sich nur unter Zuhilfenahme der Frage „Wofür? beantworten. Beim praktischen Umgang mit Zufuhrempfehlungen ist zu berücksichtigen, dass diese üblicherweise keine Angaben zu:

    Bioverfügbarkeit ,

    biochemischen Form,

    qualitativen Zusammensetzung (Speziation ) der Ernährungssubstrate und

    Veränderungen des Bedarfes bei Krankheit machen.

    Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr verschiedener Gesellschaften oder Organisationen sind nicht immer einheitlich. Teilweise lassen sich diese Unterschiede durch die Weiterentwicklung, wie z. B. die Aufnahme neuer wissenschaftlicher Ergebnisse, erklären. Im Weiteren sind, neben geographisch-meteorologischen sowie kulturellen Unterschieden, die verschiedenen Ziele der einzelnen Empfehlungen zu berücksichtigen. Während in der Vergangenheit der Antrieb zur Beschäftigung mit der Nahrungszufuhr oft die Vermeidung von Mangelerkrankungen war, ist in den letzten Jahren ein zunehmender „Paradigmenwechsel" mit dem Ziel der Verbesserung der Gesundheit (durch supranutritiven Nutzen von Nährstoffen) wahrzunehmen. Beispiel hierzu ist die Empfehlung einer Fluoridsupplementierung (in supranutritiver Dosierung) zur Senkung der Kariesinzidenz.

    Bei Verwendung von Ernährungsempfehlungen für Kranke oder zur Berechnung einer bilanzierten Ernährung sind die im Folgenden aufgeführten Grundsatzüberlegungen zu berücksichtigen.

    Veränderter Bedarf

    Ernährungsempfehlungen basieren üblicherweise auf dem „Bedarf eines gesunden Menschen". Veränderungen des Bedarfes durch Krankheit sind nicht berücksichtigt.

    Beispiel: Veränderter Bedarf

    Vermehrter Flüssigkeitsbedarf, z. B. bei Fieber: +10–20% vom Grundumsatz (Hammarlund et al. 1979; Wu u. Hodgman 1974).

    Einfluss der biochemischen Form des Nahrungssubstrats (Speziation)

    Üblicherweise werden in den Ernährungsempfehlungen lediglich Angaben über die empfohlene Zufuhr der verschiedenen Substrate gemacht. Die chemische Form, in der das Substrat zugeführt wird, und die Matrix können aber Aufnahme und Verteilung auf verschiedene Körperkompartimente signifikant beeinflussen.

    Beispiel: Biochemische Form des Nahrungssubstrats

    Phenylketonurie- (PKU-)Patienten der deutschen PKU-Verbundstudie hatten einen niedrigen Selen- (Se-)Status (n = 24, Kinder) und wurden mit 25 µg/m² KOF Se für 9 Monate supplementiert (entweder mit Selenomethionin oder Natriumselenit). Die Vollblut-Se-Spiegel waren nach 9-monatiger Selenomethioningabe beinahe 3-mal so hoch (162±62 ng Se/ml Vollblut) wie in der mit anorganischem Se supplementierten Gruppe (57±13 ng Se/ml Vollblut), obwohl beide Gruppen die gleiche Dosis erhalten hatten (Jochum et al. 1999).

    Einfluss der Bioverfügbarkeit

    In Ernährungsempfehlungen kann die Bioverfügbarkeit von Nahrungssubstraten nur für die „Standardsituation" berücksichtigt werden. Die Bioverfügbarkeit kann aber die Aufnahme beeinflussen.

    Beispiel: Bioverfügbarkeit

    Wir fanden bei 128 Säuglingen, die 4 Monate lang ausschließlich jeweils mit Muttermilch, Kuhmilchformula oder teilhydrolisierter Formula ernährt wurden, gleiche Plasma-Zink-(Zn-)Spiegel (im physiologischen Bereich). Der Zn-Gehalt betrug in der Muttermilch im Mittel 1,4±0,09 mg/l, in der Kuhmilchformula 2,1±0,1 mg/l und war in der teilhydrolisierten Formula mit 5,7±0,2 mg/l mehr als 4-mal so hoch wie in Muttermilch. Die Bioverfügbarkeit für Zn aus Muttermilch ist in verschieden zusammengesetzter Nahrung unterschiedlich (Jochum et al. 1995). Sie muss zur Gewährleistung einer adäquaten Zufuhr berücksichtigt werden.

    Einfluss der Qualität der in der Nahrung enthaltenen Substrate

    In Ernährungsempfehlungen kann auf die Qualität der verwendeten Substrate nur beschränkt eingegangen werden. Die Qualität der Substrate kann aber einen starken Einfluss auf den Stoffwechsel ausüben.

    Beispiel: Qualität der verwendeten Substrate

    Nach der Implantation einer Aortenklappe wurden 25 erwachsene Patienten in 2 Gruppen geteilt und mit jeweils einer Fettlösung (strukturierte Triglyzeride, STG, oder einer Emulsion aus mittel- und langkettigen Fettsäuren, M-LCT) gemäß den üblichen Empfehlungen parenteral ernährt. Die mit STG ernährten Patienten hatten eine kumulative Stickstoffbilanz von –7 g/Tag, die M-LCT-Gruppe eine von –21 g/Tag (Kruimel et al. 2001).

    Auch nichtnutritive Effekte von Nahrung („food programming , „Pharmakonutrition ) sind in üblichen Ernährungsempfehlungen nicht berücksichtigt (Kap. 4).

    Beim praktischen Umgang mit Zufuhrempfehlungen muss berücksichtigt werden, dass Bioverfügbarkeit, chemische Form, Matrix, Qualität der Nährstoffe und krankheitsbedingte Veränderungen des Bedarfes signifikante Auswirkungen auf den Nährstoffhaushalt haben können. Im Zweifel muss durch angepasstes Monitoring gemessen werden, ob die Nährstoffspiegel bei Patienten, die eine bilanzierte Ernährung auf der Grundlage einer Bedarfsempfehlung erhalten, im physiologischen Bereich liegen.

    Literatur

    Auricchio S, Rubino A, Murset G (1965) Intestinal glycosidase activities in the human embryo, fetus, and newborn. Pediatrics 35: 944–954PubMed

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    Frank Jochum (Hrsg.)Ernährungsmedizin Pädiatrie2., 2., überarb. u. erw. Aufl. Aufl. 2013Infusionstherapie und Diätetik10.1007/978-3-642-29817-2_2© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

    2. Physiologie

    Besonderheiten des Wasser -, Elektrolyt - und Nährstoffbedarfes pädiatrischer Patienten

    F. Jochum¹ 

    (1)

    Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Evangelisches Spandau Waldkrankenhaus, Stadtrandstraße 555, 13589 Berlin, Deutschland

    2.1 Körperwassergehalt

    2.2 Flüssigkeitsumsatz

    2.3 Verteilungsräume der Körperflüssigkeit

    2.4 Regulationsmechanismen

    2.5 Besonderheiten des Energie - und Nährstoffbedarfs

    2.6 Elektrolytfunktionen in Körperkompartimenten

    Literatur

    Zusammenfassung

    Kontrolle und Regulation der Körperwasserspeicher bei Kindern sind im Vergleich zu Erwachsenen erschwert, weil ein höherer Wasseranteil pro kg Körpergewicht (kgKG) und Tag reguliert werden muss. Zusätzlich ist der Wasserumsatz/kgKG bis zu 5-mal höher als bei Erwachsenen. Unter anderem wegen des Körperwachstums ist auch der Nährstoffbedarf/kgKG bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen erhöht. Die Regulation des Elektrolyt- und weiteren Nährstoffhaushalts ist durch altersabhängige Besonderheiten limitiert. Aus diesem Grunde ist es notwendig, die Flüssigkeits-, Elektrolyt- und weitere Nährstoffzufuhr eng an den mit zunehmendem Lebensalter sinkenden Bedarf anzupassen. Bei gesunden älteren Kindern haben die beschriebenen physiologischen Besonderheiten eine geringere Bedeutung. Belastung des Wasser-, Elektrolyt- oder sonstigen Stoffwechsels führt aber auch bei ihnen schneller an Grenzen als bei Erwachsenen (mit reifen Regulationsmechanismen) und großen Körperspeichern. Darum sind auch die im Vergleich zu Erwachsenen nicht so offensichtlichen Besonderheiten älterer pädiatrischer Patienten für den klinischen Alltag wichtig und keinesfalls zu vernachlässigen.

    Kontrolle und Regulation der Körperwasserspeicher bei Kindern sind im Vergleich zu Erwachsenen erschwert, weil ein höherer Wasseranteil pro kg Körpergewicht (kgKG) und Tag reguliert werden muss. Zusätzlich ist der Wasserumsatz/kgKG bis zu 5-mal höher als bei Erwachsenen. Unter anderem wegen des Körperwachstums ist auch der Nährstoffbedarf/kgKG bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen erhöht. Die Regulation des Elektrolyt- und weiteren Nährstoffhaushalts ist durch altersabhängige Besonderheiten limitiert. Aus diesem Grunde ist es notwendig, die Flüssigkeits-, Elektrolyt- und weitere Nährstoffzufuhr eng an den mit zunehmendem Lebensalter sinkenden Bedarf anzupassen. Bei gesunden älteren Kindern haben die beschriebenen physiologischen Besonderheiten eine geringere Bedeutung. Belastung des Wasser-, Elektrolyt- oder sonstigen Stoffwechsels führt aber auch bei ihnen schneller an Grenzen als bei Erwachsenen (mit reifen Regulationsmechanismen) und großen Körperspeichern. Darum sind auch die im Vergleich zu Erwachsenen nicht so offensichtlichen Besonderheiten älterer pädiatrischer Patienten für den klinischen Alltag wichtig und keinesfalls zu vernachlässigen.

    Die Strategien für die (parenterale) Ernährung von pädiatrischen Patienten unterscheiden sich signifikant vom Vorgehen bei Erwachsenen. Das besondere Vorgehen bei Kindern und Jugendlichen ergibt sich aus den physiologischen Besonderheiten dieses Lebensabschnitts. Wissen über altersabhängige Veränderungen der Ernährungsphysiologie bei Kindern ist darum notwendig, um die bedarfsgerechte und sichere Nährstoffzufuhr bei pädiatrischen Patienten zu gewährleisten. Zum besseren Verständnis der Ernährungsstrategien für Kinder und Jugendliche erscheint es sinnvoll, die physiologischen Besonderheiten in den folgenden Kapiteln voranzustellen.

    2.1 Körperwassergehalt

    Der Wassergehalt des Körpers ist altersabhängig und nimmt von ca. 90% bei einem Frühgeborenen mit 24 Schwangerschaftswochen im Verlauf des Kleinkind- und Jugendalters bis auf unter 60% beim Erwachsenen mit zunehmendem Lebensalter ab (Friis-Hansen 1961; Widdowson 1981; Abb. 2.1). Während des Wachstums kommt die Abnahme des Körperwassergehalts maßgeblich durch den Aufbau von Körpergewebe zustande (Strukturproteine, Vergrößerung der Muskel-/Organmasse und des Fettanteils). Hierdurch kommt es zu einer relativen Verminderung der Wasseranteils an der Körpermasse.

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    Abb. 2.1

    Wassergehalt und Verteilung auf die verschiedenen Körperkompartimente in Abhängigkeit von Lebensalter und Geschlecht. (Aus Friis-Hansen 1961 mit freundl. Genehmigung)

    Nach der Pubertät lassen sich geschlechtsspezifische Unterschiede der Körperzusammensetzung und des Körperwassergehaltes messen. Hierbei fällt bei Mädchen/Frauen im Vergleich zu Jungen/Männern ein höherer Körperfettanteil auf, der zu einem im Vergleich geringeren Körperwassergehalt führt (Abschn. 2.3).

    2.2 Flüssigkeitsumsatz

    Auch der Flüssigkeitsumsatz/kgKG ist beim Frühgeborenen, Säugling, Kleinkind und Jugendlichen höher als beim Erwachsenen (Fusch et al. 1993; Abb. 2.2).

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    Abb. 2.2

    Wasserumsatz/kgKG und Tag in verschiedenen Lebensaltern. (Aus Fusch et al. 1993)

    Hierzu tragen die Unreife der Epidermis (Abb. 2.3), die große Körperoberfläche im Vergleich zum Körpervolumen mit daraus resultierender hoher Perspiratio insensibilis (Costarino u. Baumgart 1998), die Unreife der Niere [verminderte Konzentrierungsfähigkeit (Spitzer 1978), dadurch größeres Urinvolumen; Abb. 2.4] und der höhere Energieumsatz /kgKG bei (bis zu 3-mal so hoch wie beim Erwachsenen: Metabolisierung von 100 kcal benötigt ca. 100 ml Wasser).

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    Abb. 2.3

    Transdermaler Wasserverlust („transepidermal water loss ", TEWL) bei Frühgeborenen verschiedener Reifegrade unter verschiedener Luftfeuchtigkeit . (Mod. nach Hammarlund u. Sedin 1979 mit freundl. Genehmigung)

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    Abb. 2.4

    Entwicklung der Konzentrierungsfähigkeit der Neugeborenenniere im ersten Lebensjahr. (Aus Polacek et al. 1965 mit freundl. Genehmigung)

    Die Regulationsmechanismen des Wasser- und Elektrolythaushalts sind bei der unreifen Niere in ihrer Effektivität noch eingeschränkt. Neben der geringeren Konzentrierungsfähigkeit (Abb. 2.4) sind auch die glomeruläre Filtrationsfähigkeit , die tubuläre Rückresorption und die H+-Ionen-Elimination im Vergleich zum Erwachsenen geringer (Aperia et al. 1981; Fawer et al. 1979).

    Bei pädiatrischen Patienten müssen im Vergleich zu Erwachsenen ein größeres Flüssigkeitsvolumen /kgKG und ein höherer Flüssigkeitsumsatz/kgKG mit einem schwächeren Regulationsmechanismus kontrolliert werden (Abb. 2.1, Abb. 2.2). Eine bedarfsnahe Zufuhr von Wasser und Elektrolyten ist notwendig, um die Körperhomöostase zu gewährleisten.

    Anpassung nach der Geburt

    Mit der Geburt des Feten wird eine Reihe physiologischer Adaptationsmechanismen eingeleitet. Hierbei sind kurzfristige Veränderungen (Unterbrechung der plazentaren Filterfunktion und Versorgung, Beginn insensibler Wasserverluste , eigenständige Thermoregulation ) von langsamen Anpassungsvorgängen (autonome renale Regulation des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts, Beginn der oralen, selbstgesteuerten Aufnahme von Nahrung) abzugrenzen.

    Die langfristigen Adaptationsvorgänge benötigen Zeit, um den schnellen Veränderungen nach Geburt entgegenzusteuern. Dieser Anpassungszeitraum kann in die 3 im Folgenden beschriebenen Abschnitte gegliedert werden.

    Phase I/Anpassung: Die Phase direkt nach der Geburt beginnt mit einer relativen Oligurie (Modi 1988). Es folgt eine diuretische Phase, in der das Volumen der Kompartimente neu justiert wird [isotonische oder hypertonische (hypernatriämisch und hyperchlorämisch) Kontraktion; Dauer: Stunden bis Tage]. Auslöser sind die hohen insensiblen Wasserverluste über die unreife Haut in Verbindung mit der initalen Natriurese (wie in der Fetalperiode; Modi u. Hutton 1990). Das Ende der ersten Phase ist mit dem Erreichen des maximalen Gewichtsverlustes markiert.

    Phase II/Stabilisierung: Die Zwischenphase wird durch abnehmende insensible Wasserverluste (parallel zur zunehmenden Verhornung der Epidermis), eine Verminderung der renalen Ausscheidung auf weniger als 1–2 ml/kgKG und Stunde und eine niedrige Natriumausscheidung charakterisiert.

    Phase III/stabiles Wachtum: Die Phase des stabilen Wachstums zeichnet sich durch eine kontinuierliche Gewichtszunahme in Verbindung mit einer positiven Nettobilanz für Stickstoff und Natrium aus.

    2.3 Verteilungsräume der Körperflüssigkeit

    Wegen des unterschiedlichen physiologischen Verhaltens lässt sich der menschliche Körper in Bezug auf die Körperflüssigkeit in 2 virtuelle Kompartimente unterteilen: die Fettmasse (FM) und die fettfreie Körpermasse („lean body mass", LBM). Die FM hat wegen ihrer hydrophoben Eigenschaft einen im Vergleich zur LBM geringeren Wasseranteil. Der Hauptanteil der wasser- und energieabhängigen Stoffwechselvorgänge spielt sich in der LBM ab. Bei Frühgeborenen sind die Fettspeicher im Vergleich zu Reifgeborenen klein. Dies führt zu einem höheren Anteil an LBM und Wasser (Abschn. 2.1).

    Unter klinisch-physiologisch praktischen Gesichtspunkten lässt sich der Wassergehalt realen, abgrenzbaren Räumen des menschlichen Körpers zuordnen, die eine besondere Physiologie aufweisen. So lassen sich voneinander abgrenzen:

    Intrazellularraum und

    Extrazellularraum .

    Letzterer ist weiter zu unterteilen in:

    Intravasal - und

    Extravasalraum .

    Flüssigkeiten in präformierten Höhlen (Pleuraerguss , Aszites , Urin in der Blase) werden als Flüssigkeit im dritten Raum bezeichnet.

    Wie in Abb. 2.1 zu erkennen, wird die Körperflüssigkeit altersabhängig auf die verschiedenen Kompartimente verteilt. Diese Verteilung ist nach der Pubertät auch geschlechtsabhängig. Parallel zur Abnahme des Gesamtkörperwassergehaltes kommt es zu einer Flüssigkeitsabnahme im extrazellulären Kompartiment und zur gleichzeitigen Zunahme im intrazellulären Raum. Hieraus lässt sich ableiten, dass Neugeborene (Frühgeborene) über höhere Körperspeicher für Natrium, Chlorid und geringere Speicher für Kalium im Vergleich zu älteren pädiatrischen Patienten oder Erwachsenen verfügen (Abschn. 2.6).

    Während des Kleinkind- und Jugendalters kommt es zum Aufbau von Körpermasse, zu einer Erhöhung der FM und dadurch zu einer Verringerung des relativen Körperwassergehaltes. Mit Beginn der Pubertät sinkt wegen der Zunahme der FM bei Mädchen ihr relativer Wassergehalt/kgKG im Vergleich zu Jungen (Abb. 2.1).

    2.4 Regulationsmechanismen

    Der Wasserhaushalt wird bei Kindern durch eine Vielzahl von Mechanismen reguliert. Von diesen sind einige zunächst unreif, andere weisen spezielle altersassoziierte Einschränkungen ihrer Effektivität auf. Es ist wichtig, auch die Physiologie und die Einschränkungen der verschiedenen Regulationsmechanismen zu kennen, um kritische klinische Situationen einschätzen und beherrschen zu können.

    Nieren

    Die für die Filtration zur Verfügung stehende glomeruläre Oberfläche ist bei Früh- und Reifgeborenen im Vergleich zu älteren pädiatrischen Patienten kleiner (Knutson et al. 1978). Bei Reifgeborenen steigt die glomeruläre Filtrationsrate in der ersten Lebenswoche an (Aperia et al. 1979; Fawer et al. 1979; Guignard et al. 1976; Sertel u. Scopes 1973) und erreicht nach etwa 2 Lebensjahren Erwachsenenwerte (Andersson 1977; Spitzer 1978).

    Die Unreife des distalen Nephrons reduziert die Konzentrierungsfähigkeit (anatomisch kurze Henle-Schleife; Edelmann u. Barnett 1960; Edelmann et al. 1959; Speller u. Moffat 1977). Es kann eine maximale Urinkonzentrierung von bis zu 550 mosmol/l bei Früh-, 700 mosmol/l bei Reifgeborenen im Vergleich zu 1.200 mosmol/l bei Erwachsenen erreicht werden (Chevalier 1996; Rees et al. 1984). Wegen der geringeren Konzentrierungsfähigkeit der Nieren ist bei Säuglingen und Kleinkindern ein größeres Urinvolumen zur Ausscheidung der harnpflichtigen Substanzen notwendig als bei älteren Kindern oder Erwachsenen. Neugeborene und Kleinkinder haben darum ein erhöhtes Risiko eines Volumenverlustes mit dem Urin, wenn ein Missverhältnis zwischen der Molenlast und der Konzentrierungsfähigkeit der Niere auftritt. Der distale Tubulus spricht zusätzlich weniger auf „arginine vasopressin" (AVP) an (Edelmann u. Barnett 1960; Imbert-Teboul et al. 1984; Robillard u. Weitzman 1980; Robillard et al. 1979).

    Hormonelle Faktoren

    Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS), und Arginin (AVP), Vasopressin (antidiuretisches Hormon , ADH ) sind bereits im frühen Gestationsalter reif. Über die Reife des Artrialen-natriuretischen-Peptid- (ANP-)Systems nach Frühgeburt ist wenig bekannt. Der limitierende Faktor für alle oben beschriebenen Regulationsmechanismen ist die Unreife der Nieren (Aperia et al. 1979; Haycock u. Aperia 1991).

    2.5 Besonderheiten des Energie - und Nährstoffbedarfs

    Der Energie- und Nährstoffbedarf von Kindern ist bezogen auf das Körpergewicht höher als beim Erwachsenen. Dies resultiert aus der vermehrten (Stoffwechsel)aktivität und dem Körperwachstum (Bernardi et al. 2003), die auch zu einem höheren Bedarf an bestimmten Nahrungssubstraten führen (American Academy of Pediatrics 1977; Butte et al. 1991; Picaud et al. 1994; Putet et al. 1987). (Stoffwechsel)aktivität und Wachstumsgeschwindigkeit nehmen vom Frühgeborenen, über das Reifgeborene, das Kleinkind, den Jugendlichen bis zum Erwachsenen ab. Dies entspricht dem Verlauf der Nährstoffbedarfskurve.

    Neben den bekannten nutritiven Effekten gibt es zunehmende Evidenz für langfristige Beeinflussung des Stoffwechsels durch die Ernährung in der frühen Kindheit („food programming ", Kap. 4; Lucas 1991; Metges 2001). Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass es sich bei der Neonatalperiode um eine Lebensphase mit besonderer Vulnerabilität für ernährungsbedingte Langzeiteffekte handeln könnte, wie sie in anderen Lebensphasen bei älteren Kindern und Erwachsenen nicht vorkommt.

    So ist es bei Neonaten wichtiger eine bedarfsnähere Zufuhr von Nährstoffen sicherzustellen als bei älteren pädiatrischen Patienten oder Erwachsenen, da Langzeiteffekte (Programmierung) bei nichtangepasster Zufuhr nicht sicher ausgeschlossen werden können. Dieses betrifft neben der Quantität auch die Qualität der Nährstoffe. Wie beschrieben, ist der Nährstoffbedarf altersabhängig, und es stehen bei Kindern weniger effektive Regulationsmechanismen zur Wahrung der Körperhomöostase im Vergleich zu Erwachsenen zur Verfügung. Darum können keinesfalls Zufuhrempfehlungen für Erwachsene auf das Gewicht von Neonaten umgerechnet angewandt werden.

    2.6 Elektrolytfunktionen in Körperkompartimenten

    Flüssigkeitsverteilung zwischen intra- und extrazellulärem Kompartiment erfolgt durch Ionengradienten, die durch energieabhängigen Transport autoregulatorisch auf zellulärer Ebene aufgebaut werden. Die Flüssigkeit verteilt sich passiv nach den Ionengradienten zwischen den Kompartimenten. Im Zentrum dieser Regulation steht die Natrium-Kalium- (Na-K-)-ATPase (Abb. 2.5). Hierdurch wird in einem sauerstoff-, temperatur- und energieabhängigen Prozess die Homoöstase des intra- und extrazellulären Kompartiments, das durch eine semipermeable Membran abgegrenzt wird, sichergestellt. Es lässt sich ableiten, dass diese Grundfunktion aller Körperzellen bei pädiatrischen Patienten besonders vulnerabel ist, da Kinder, im Vergleich zu Erwachsenen, über eine eingeschränkte Temperaturregulation, kleine Sauerstoff- und Energiespeicher bei gleichzeitig höherem Energieumsatz verfügen. Aus diesem Grund tritt bei Kindern (besonders bei Säuglingen und Kleinkindern) häufiger als bei Erwachsenen ein peripheres Ödem als Zeichen einer Störung dieses Systems auf. Allein eine Hypothermie, wie sie bei Früh- und Neugeborenen schnell entsteht, kann zu einer signifikanten Hemmung der Aktivität der Na-K-ATPase führen. Bei Frühgeborenen ist der Austausch zwischen intra- und extravaskulärer Flüssigkeit im Vergleich zu Reifgeborenen und Erwachsenen erhöht (Friis-Hansen 1961). Grund dafür ist ein reduzierter intravaskulärer onkotischer Druck in Verbindung mit der erhöhten Permeabilität der Kapillaren. Dadurch ist der Flux von intravasal in das interstitielle Kompartiment und zurück erhöht. Unter pathologischen Bedingungen, wie z. B. einer Sepsis, kommt es zu einer weiteren Zunahme der Durchlässigkeit der Kapillaren (Jobe et al. 1985).

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    Abb. 2.5

    Regulation der Verteilung von Natrium, Kalium und Chlorid zwischen intra- und extrazellulärem Kompartiment. Na + Natriumionen, K + Kaliumionen, Cl – Chlorionen (Aus Fusch u. Jochum 2004 mit freundl. Genehmigung)

    Die Regulation der Homöostase des extrazellulären Kompartiments erfolgt weit gehend über die renale Ausscheidung – und in geringerem Maße über die Anpassung der Aufnahme von Nährstoffen aus dem Gastrointestinaltrakt. Wie bei der Regulation des intrazellulären Kompartiments sind auch bei der Niere viele zentrale Regulationsprozesse autoregulatorisch sowie energie-, sauerstoff- und temperaturabhängig.

    Literatur

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    3. Physiologie des Gastrointestinaltrakts

    M. J. Lentze¹ 

    (1)

    Zentrum für Kinderheilkunde, Rheinische Friedrich-Wilhelm-Universität, Adenauerallee 119, 53113 Bonn, Deutschland

    3.1 Physiologie der Verdauung

    3.2 Appetitregulation

    3.3 Durstregulation

    Literatur

    Zusammenfassung

    Die Verdauungsphysiologie bei Kindern unterscheidet sich von der des Erwachsenen durch ihre Lebensalter abhängige Entwicklung. Hierbei spielt die Entwicklung während der Schwangerschaft und nach der Geburt eine große Rolle.

    Die Verdauungsphysiologie bei Kindern unterscheidet sich von der des Erwachsenen durch ihre Lebensalter abhängige Entwicklung. Hierbei spielt die Entwicklung während der Schwangerschaft und nach der Geburt eine große Rolle.

    3.1 Physiologie der Verdauung

    Der menschliche fetale Darm beginnt sich ab der 10.–24. Woche der Gestation von einem einschichtigen Epithel aus dem Entoderm ohne Zotten zu einem mehrzelligen Organ mit Zotten und Krypten zu entwickeln. Entsprechend der morphologischen Entwicklung hat der fetale Darm ab der 24. Woche auch die meisten Funktionen entwickelt, um ihn für das extrauterine Leben vorzubereiten. Dazu gehören die hydrolytischen und absorptiven Funktionen der Epithelzellen wie die Entwicklung des Immunsystems im Darm und der endokrinen Funktionen des Gastrointestinaltrakts.

    Die Bürstensaummembranenzyme der Dünndarmepithelzellen, die Saccharase-Isomaltase und die Maltaseglukoamylase beginnen ihre Entwicklung in der 10. Woche der Gestation und erreichen ihre volle Aktivität in der 24. Woche der Gestation (Abb. 3.1). Die Laktase-Phlorizin-Hydrolase erreicht ihre volle Aktivität um die 32. Woche der Gestation. Parallel dazu entwickeln sich die Hexose-Transporter SGLT1 und GLUT5, die Aminosäuretransporter sowie die Bürstensaummembranpeptidasen (Lentze 1986).

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    Abb. 3.1

    Enzymentwicklung in der Gestation. SGLT 1 Natriumabhängiger Glukosetransporter 1, GLUT 5 Glukosetransporter 5, BBM Bürstensaummembran, gestichelte Linie erstes Auftreten der Aktivität, durchgezogenen Linie volle Aktivität

    Die für die Digestion von Protein verantwortlichen Pankreasenzyme Trypsin und Chymotrypsin entwickeln sich ab der 24. Woche der Gestation von inaktivem Trypsinogen und Chymotrypsinogen zu aktivem Trypsin und Chymotrypsin in der 26. Woche. Die Aktivierung von Trypsinogen und Chymotrypsinogen wird durch die Enterokinase (Enteropeptidase ) der Bürstenaummembran bewerkstelligt (Abb. 3.2). Damit ist die Hydrolyse von Disacchariden und die Digestion von Protein mit anschließendem aktivem Transport von Dipeptiden, Aminosäuren und Glukose/Galaktose in die Epithelzelle des Dünndarm ab der 26.–32. Woche sehr gut möglich.

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    Abb. 3.2

    Digestionsenzymentwicklung in der Gestation . Gestichelte Linie erstes Auftreten der Aktivität, durchgezogenen Linie volle Aktivität

    Die α-Amylase des Pankreas wird erstmals in der 22. Gestationswoche nachgewiesen, erreicht aber ihre volle Aktivität erst mit 6 Monaten nach der Geburt. Die Fettverdauung wird durch die Wirkung von Lipasen und die Bildung von Mizellen zusammen mit den Gallensäuren initiiert. Die Pankreaslipase wird ebenfalls bereits in der 24. Gestationswoche nachgewiesen und erreicht zunehmend nach der 26. Gestationswoche bis zur Geburt ihre volle Aktivität. Unterstützt wird sie postpartal durch die gallensäurestimulierte Muttermilchlipase und die Magenlipase . Damit wird auch schon bei sehr kleinen Frühgeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht eine orale Ernährung möglich sein. Obwohl sich die α-Amylase des Pankreas erst nach der Geburt mit ihrer Aktivität voll entfaltet, können auch Frühgeborenen kleinere Mengen von Stärke gut vertragen, da diese von der Maltaseglukoamylase und der Saccharase-Isomaltase hydrolysiert werden können.

    Obwohl der fetale Darm gut für die Digestion, Hydrolyse und Absorption von Nahrungsmittel vorbereitet ist, macht die orale Ernährung von sehr unreifen Frühgeborenen oft Schwierigkeiten. Der limitierende Faktor hierfür ist die Motilität des Darms. Die Antwort des Gastrointestinaltrakts von sehr kleinen Frühgeborenen auf eine Bolusernährung ist vor der 28. Woche oft unzureichend mit seiner Peristaltik. Die normalerweise auftretende postprandiale peristaltische Aktivität des Darms tritt in dieser Gestationswoche noch nicht auf (Bisset et al. 1988). Erst ab der 31.–34. Gestationswoche können postprandiale peristaltische Aktivitäten nach einer Bolusernährung auftreten, die aber noch nicht geordnet vorhanden sind, sondern mehr nach einem Zufallsmuster. Ab der 35. Gestationswoche treten dann geordnete postprandiale Motilitätsmuster als migrierende Motorkomplexe auf, die auf eine adäquate Peristaltik von proximal nach distal mit entsprechendem luminalem Nahrungstransport hinweisen. Prokinetische Medikamente, die diesen Ablauf beschleunigen könnten, stehen derzeit nicht zur Verfügung.

    Die Ernährung von Frühgeborenen vor der als 35. Schwangerschaftswochen erfordert eine genaue Kenntnis der Verdauungskapazitäten der jeweiligen Zeitabschnitte. Während die digestiven und absorptiven Funktionen gut entwickelt sind, ist die Motilität des Darms noch nicht so entwickelt. Dies trifft v. a. auf Frühgeborene zwischen der 24. und 31. Schwangerschaftswoche zu. Danach ist die orale Nahrungszufuhr ein geringeres Problem. Sowohl Laktose und Protein werden sehr gut hydrolysiert und aufgenommen. Stärke kann nur in kleinen Mengen aufgenommen werden. Die Fettverdauung wird durch die Gabe von Muttermilchlipase verbessert.

    3.2 Appetitregulation

    Die Appetitregulation unterliegt einem Zwischenspiel zwischen hemmenden und stimulierenden Hormonen, die in der Mehrzahl aus dem Gastrointestinaltrakt stammen und zum geringeren Anteil aus dem Fettgewebe. Beide Gewebe stellen somit sehr wichtige endokrine Organe für die Körperfettzusammensetzung dar und sind entscheidende Stellschrauben, ob sich der Körper im Normalgewichtsbereich oder im Über- oder Untergewichtsbereich befindet (Abb. 3.3).

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    Abb. 3.3

    Zentrale Signalverarbeitung der Appetitregulation. PYY Peptid Tyrosin Tyrosin, OXM Oxyntomodulin, GLP-1 Glukagon-like Peptid-1, GIP gastrointestinales Polypeptid, PP pankreatisches Polypeptid

    Leptin aus dem Fettgewebe und Insulin , Amylin und Pankreaspolypeptid (PP) aus dem Pankreas sind die hauptsächlichen Hormone, die den Appetit hemmen. Sie werden wiederum von den gastrointestinalen Hormonen PYY, GIP und GLP-1 reguliert. Das Hormon Ghrelin , welches hauptsächlich in der Magenschleimhaut produziert wird, stimuliert bei Hunger den Appetit, ebenso wie Dehnungsrezeptoren im Magen und Nahrungsrezeptoren in der Leber, die über afferente Vagusreize den Appetit regulieren (Nogueiras R et al. 2010). Chemorezeptoren im Duodenum stimulieren CCK. Alle genannten Hormone wirken nicht allein auf die zentrale Appetitregulation , sondern auch auf verschiedene Funktionen des Gastrointestinaltrakts (Tab. 3.1).

    Tab. 3.1

    Wirkung von gastrointestinalen Hormonen

    PYY Peptid-Tyrosin-Tyrosin , GLP-1 Glukakon-like Peptide 1 , CCK Cholezystokinin

    Große Hoffnungen wurden auf das Hormon Leptin gesetzt, nachdem bei kongenitalem Leptin- und Leptinrezetormangel das Körpergewicht der Betroffenen durch die Gabe von Leptin fast normalisiert werden konnte. Im Kontext der Adipositasdiskussion war die Wirkung von Leptin auf die Appetithemmung als Mittel für die Behandlung von Adipositas favorisiert worden, die sich leider nicht erfüllt hat.

    Im Mittelpunkt der möglichen medikamentösen Therapie der Adipositas steht heutzutage das Ghrelin. Ghrelin wird im Magen produziert und muss, bevor es seine Wirkung auf das Appetitverhalten und auf die Fettvermehrung ausüben kann, azetyliert werden. Das verantwortliche Enzym ist die Ghrelin-O-Acyltransferase (GOAT) mit nur diese einzige Wirkung (Gutierrez et al. 2008): Sie ist das Schlüsselenzym für die Produktion von biologisch aktivem azetylierten Ghrelin. Mögliche Enzyminhibitoren werden erforscht, um eine Hemmung von Ghrelin zu erreichen und damit den Appetit zu hemmen.

    Mit der erheblichen weltweiten Zunahme der Adipositas bei Kindern und Erwachsenen stellt sich natürlich die Frage, ob dieses Ereignis eine erworbene Eigenschaft durch die Lebensbedingungen, in denen wir leben, ist oder ob anderen Faktoren – genetische oder epigenetische – in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen. Epidemiologische Daten haben in den letzten 15 Jahren unsere Aufmerksamkeit auf die Ernährung während der Schwangerschaft und die postpartale Ernährung während der ersten Lebensjahre gelenkt. Es ist durch verschiedene Metaanalysen belegt, dass Unter- oder Überernährung während der Schwangerschaft einen Einfluss auf die spätere Adipositas and das damit verbundene metabolische Syndrom haben (Monteiro u. Victora 2005). Postpartale Unter- oder Überernährung haben den gleichen Effekt.

    Ebenfalls epidemiologische Daten aus der frühkindlichen Ernährung haben zeigen können, dass z. B. das Stillen einen protektiven Effekt für die Ausbildung von Übergewicht und Adipositas besitzt (Kap. 4). Welcher Faktor in der Muttermilch dafür verantwortlich ist, ist Gegenstand der Diskussion. Prospektive, randomisierte Doppelblindstudien haben jedoch einen Hinweis darauf geben können, dass die Eiweißkonzentration und damit die Gesamteiweißeinfuhr im Verlauf des fetalen und postpartalen Lebens ein wichtiger Faktor für die Entwicklung von Übergewicht und Adipositas sein kann (Koletzko et al. 2009). Aus den vorliegenden epidemiologischen Daten ist ebenfalls gut dokumentiert, dass die Ernährung in der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren einen Langzeiteffekt auf das spätere Leben hat (Tounian 2011). Dieses als „Programmierung " bezeichnete Phänomen legt ein Schwergewicht auf die epigenetischen Einflüsse von fetaler und frühkindlicher Ernährung auf die spätere Körperzusammensetzung und -funktion. Damit fällt der Kinder- und Jugendheilkunde eine entscheidende präventive Aufgabe bei der Entwicklung von Übergewicht und Adipositas mit allen Spätfolgen im Erwachsenenalter zu. Unter den Spätfolgen zählen die koronare Herzkrankheit, der Diabetes mellitus Typ 2, das metabolische Syndrom, die Fettleber mit konsekutiver Leberzirrhose und der Bluthochdruck.

    3.3 Durstregulation

    Durst ist die Empfindung, dass sich zu wenig Flüssigkeit im zirkulierenden Volumen des Körpers befindet. Die Auslösung des Durstreizes wird im Hypothalamus veranlasst. Hierbei spielen Osmorezeptoren , die durch die Hyperosmolalität im Serum stimuliert werden, sowie Baro - und Volumenrezeptoren , die über den Blutdruck stimuliert werden eine wichtige Rolle (Abb. 3.4). Im Zentralnervensystem wird dieser Durstreiz über den Nervus supraopticus an die Hypophyse weitergegeben, die ihrerseits ADH ausschüttet und damit die Diurese in der Niere hemmt (Abb. 3.5). Dies führt zur Ausscheidung von wenig hyperosmolarem Urin. Das Renin-Angiotensin-System sowie das Aldosteron der Nebenniere sind als Blutdruckregulatoren über das zirkulierende Blutvolumen direkt beteiligt.

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    Abb. 3.4

    Durstreiz auf den Hypothalamus .

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    Abb. 3.5

    Weiterleitung des Durstreizes durch das ZNS auf die Nieren.

    Durst steigert die Aldosteronsekretion, die zu einer erhöhten Na+-Rückresorption in der Niere führt, was auch zu einer erhöhten Wasserrückresorption führt. Damit wird das Blutvolumen erhöht (Abb. 3.6). Gleichzeitig wird Angiotensin I in Angiotensin II umgewandelt, was zu einer Vasokonstriktion und damit auch zu einer Erhöhung des zirkulierenden Volumens führt. Wird der Durst gestillt, dann werden alle oben beschriebenen Schritte in gegensätzlicher Richtung beschritten. Zuviel Flüssigkeitszufuhr führt bei normaler Nierenfunktion zur schnellen Diurese von hypoosmolaren Urin und damit zu einer Verminderung des zirkulierenden Volumens.

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    Abb. 3.6

    Aldosteron- und Angiotensinsystem.

    Literatur

    Bisset WM, Watt JB, Rivers RP, Milla PJ (1988) Measurement of small-intestinal motor activity in the preterm infant. J Biomed Eng 10:155–158PubMedCrossRef

    Gutierrez JA, Solenberg PJ, Perkins DR et al. (2008) Ghrelin octanoylation mediated by an orphan lipid transferease. Proc Natl Acad Sci USA 105: 6320–6325PubMedCrossRef

    Koletzko B, von Kries R, Closa R et al.; European Childhood Obesity Trial Study Group (2009) Lower protein in infant formula is associated with lower weight up to age 2 y: arandomized clinical trial. Am J Clin Nutr. 89:1836–1845

    Lentze MJ (1986) Die Ernährung von Frühgeborenen unter 1500 g - enterale Voraussetzungen. Monatsschr Kinderheilk 134:502–507

    Monteiro POA, Victora CG (2005) Rapid growth in infancy and childhood and obesity in later life - a systematic review. Obes Rev 6:143–154PubMedCrossRef

    Nogueiras R, Williams LM, Dieguez C (2010) Ghrelin: new molecular pathway modulating appetite and adiposity. Obes Facts 3: 285–292PubMedCrossRef

    Tounian P (2011) Programming towards childhood obesity. Ann Nutr Metab 58 (Suppl 2): 30–41PubMedCrossRef

    Frank Jochum (Hrsg.)Ernährungsmedizin Pädiatrie2., 2., überarb. u. erw. Aufl. Aufl. 2013Infusionstherapie und Diätetik10.1007/978-3-642-29817-2_4© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

    4. Frühe metabolische Programmierungder langfristigen kindlichen Gesundheit

    B. Koletzko¹ , B. Brands¹, H. Demmelmair¹, P. Rzehak¹, M. Weber¹ und V. Grote¹

    (1)

    Abt. Stoffwechsel & Ernährung, Dr. von Haunersches Kinderspital, Lindwurmstr. 4, 80337 München, Deutschland

    4.1 Konzept der metabolischen Programmierung

    4.2 Frühe Risikofaktoren für die Entwicklung metabolisch-programmierter Erkrankungen

    4.3 Empfehlungen für die Ernährung in der Schwangerschaft

    4.4 Postnatale Gewichtszunahme , Säuglingsernährung und späteres Adipositasrisiko

    4.5 Schlussfolgerungen zur Säuglingsernährung

    4.6 Ausblick

    Literaturverzeichnis

    Zusammenfassung

    Substratzufuhr, -utilisation und -metabolisierung sind in keinem anderen Lebensabschnitt von größerer Bedeutung als während der frühkindlichen Entwicklung (Brands u. Koletzko 2001; Koletzko et al. 2010 und 2012). Zahlreiche epidemiologische und experimentelle Untersuchungen sowie klinische Interventionsstudien zeigten, dass während sensitiver, begrenzter Zeitfenster der prä- und postnatalen Entwicklung wirksame metabolische Faktoren auch langfristige Auswirkungen auf die Struktur und Funktion des Organismus und auf Gesundheit und Krankheitsrisiken im hohen Lebensalter haben. Dieses Phänomen wird als frühe oder metabolische Programmierung der langfristigen Gesundheit bezeichnet (Koletzko et al. 2009, 2010 und 2011).

    Mod. nach: Brands u. Koletzko 2011 und Koletzko et al. 2010

    Substratzufuhr, -utilisation und -metabolisierung sind in keinem anderen Lebensabschnitt von größerer Bedeutung als während der frühkindlichen Entwicklung (Brands u. Koletzko 2001; Koletzko et al. 2010 und 2012). Zahlreiche epidemiologische und experimentelle Untersuchungen sowie klinische Interventionsstudien zeigten, dass während sensitiver, begrenzter Zeitfenster der prä- und postnatalen Entwicklung wirksame metabolische Faktoren auch langfristige Auswirkungen auf die Struktur und Funktion des Organismus und auf Gesundheit und Krankheitsrisiken im hohen Lebensalter haben. Dieses Phänomen wird als frühe oder metabolische Programmierung der langfristigen Gesundheit bezeichnet (Koletzko et al. 2009, 2010 und 2011).

    4.1 Konzept der metabolischen Programmierung

    Frühe metabolische Programmierung kann sich neben anderen zugrundeliegenden Mechanismen auch in Form einer veränderten Genexpression von Schlüsselgenen manifestieren, die durch Modifikation epigenetischer Marker (wie DNA-Methylierung und Histon-Acetylierung), verursacht durch Signale der Umwelt, hervorgerufen wird (Langley-Evans u. McMullen 2010; Godfrey et al. 2011). Der Begriff „Programmierung" wurde in diesem Zusammenhang bereits vor 35 Jahren durch Professor Günther Dörner, Humboldt-Universität Berlin in die wissenschaftliche Literatur eingeführt (Koletzko 2005). Aufgrund verschiedener klinischer und experimenteller Beobachtungen folgerte er in einem visionären Artikel, dass Hormone, Metaboliten und Neurotransmitter in kritischen, empfindlichen Zeitphasen der frühen Entwicklung lebenslange präprogrammierende Auswirkungen auf Gehirnentwicklung, funktionelle Störungen, Reproduktion und metabolisch bedingte Gesundheitsstörungen im Erwachsenenalter haben.

    Fragestellungen zur metabolischen Programmierung werden derzeit in zahlreichen Studien untersucht, von denen viele im weltweit größten Forschungskonsortium, dem von der Europäischen Kommission geförderten Early Nutrition Project (www.project-earlynutrition.eu/), zusammenarbeiteten.

    4.2 Frühe Risikofaktoren für die Entwicklung metabolisch-programmierter Erkrankungen

    Zahlreiche epidemiologische, klinische und tierexperimentelle Studien belegen, dass eine Reihe von frühen Faktoren während der Schwangerschaft das spätere Krankheitsrisiko erhöhen kann. Hierzu gehören maternale Faktoren wie Überernährung und Übergewicht, Diabetes mellitus Typ 1 und 2 sowie Gestationsdiabetes ebenso wie Unterernährung und intrauterine Wachstumsverzögerung (IUGR).

    Die mit diesen Faktoren einhergehenden, ungünstigen metabolischen Bedingungen der mütterlichen Umwelt werden dem sich entwickelnden Fötus signalisiert. Um das Überleben im Mutterleib zu sichern, finden im Fötus physiologische Adaptationen statt, die, wenn sie zu einem kritischen Zeitpunkt der Entwicklung stattfinden, „programmiert" werden und zu dauerhaften Veränderungen führen können. Eine dieser Adaptionen kann die Verlangsamung des Wachstums darstellen. Andere mögliche Anpassungen können in den Organen oder Geweben stattfinden, was zu physiologischen und metabolischen Funktionsveränderungen führen kann. Der Preis für die Bewältigung ungünstiger Bedingungen während der Entwicklung im Mutterleib kann somit in einem erhöhten Krankheitsrisiko im späteren Alter liegen (Abb. 4.1).

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    Abb. 4.1

    Frühe metabolische Programmierung der lebenslangen Gesundheit. (Mod. nach Brand u. Koletzko 2011)

    4.2.1 Maternale Überernährung und Übergewicht

    Erkenntnisse aus epidemiologischen Studien ergaben analog zu maternaler Unterernährung einen Zusammenhang zwischen maternalem Übergewicht und dem Auftreten von Adipositas und metabolischem Syndrom bei Kindern (Koletzko et al. 2012). Die Auswirkungen von maternalem Übergewicht auf die Disposition von Übergewicht bei der Nachkommenschaft sind dabei nicht nur von einem Gestationsdiabetes abhängig, da auch bei Kindern von übergewichtigen Müttern mit normalen Blutzuckerspiegeln ein erhöhtes Adipositasvorkommen aufgedeckt wurde. Die zugrundeliegenden Mechanismen dieser Zusammenhänge werden derzeit anhand einiger Tiermodelle untersucht. Eine mögliche Ursache könnte in der dauerhaften Veränderung des hypothalamischen Kontrollsystems für die Nahrungsaufnahme des Fötus bzw. Neugeborenen liegen, bei der das Hormon Leptin eine zentrale Rolle spielt. Eine Leptinresistenz im Falle von

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