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Kinder- und Jugendgynäkologie für die pädiatrische Praxis
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Kinder- und Jugendgynäkologie für die pädiatrische Praxis
eBook593 Seiten5 Stunden

Kinder- und Jugendgynäkologie für die pädiatrische Praxis

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Über dieses E-Book

Ein symptomorientierter Leitfaden speziell für den Kinder- und Jugendarzt, der schnell zur richtigen Diagnose und Therapie führt: Erfahrungen des Autors aus 25 Jahren als Pädiater und Gynäkologe in der Kinder- und Jugendgynäkologie fließen in dieses Buch ein, das mithilfe von zahlreichen Fotos, Zeichnungen und Tipps anschaulich und praxisnah erklärt, welche Techniken der Arzt in der Kinder- und Jugendgynäkologie einsetzen kann. Es zeigt darüber hinaus auf, welche relevanten Krankheitsbilder und Fehlbildungen er kennen sollte, unterschieden nach häufig, gelegentlich und seltener auftretenden Symptomen. Mit vielen Beispielen aus der Praxis erhält der Leser hilfreiche Anregungen auch für die Kommunikation mit Mädchen und Hinweise für Themen im Rahmen der Prävention. Ergänzt wird das Buch um einen Serviceteil mit Adressen, Links und Normwerten
SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer
Erscheinungsdatum16. Dez. 2017
ISBN9783662555286
Kinder- und Jugendgynäkologie für die pädiatrische Praxis

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    Buchvorschau

    Kinder- und Jugendgynäkologie für die pädiatrische Praxis - Nikolaus Weissenrieder

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018

    Nikolaus WeissenriederKinder- und Jugendgynäkologie für die pädiatrische Praxishttps://doi.org/10.1007/978-3-662-55528-6_1

    1. Voraussetzungen für die Kinder- und Jugendgynäkologie

    Nikolaus Weissenrieder¹ 

    (1)

    München, Deutschland

    1.1 Endokrinologische Grundlagen

    1.2 Entwicklung des weiblichen Genitales von Geburt bis zur Pubertät

    Literatur

    Der Begriff Kinder- und Jugendgynäkologie impliziert, dass sich eine einzelne Fachgruppe bei der betreffenden Fragestellung in besonderem Maße angesprochen fühlt, die Gynäkologie. Dabei war es ein Kinderarzt, der ungarische Kollege Dobszay, der sich ab 1939 als Pädiater mit der Anatomie, Physiologie und Pathologie der weiblichen Genitalorgane im Kindesalter beschäftigte. In der Folge wurde die »Kindergynäkologie« um den Bereich »Jugendgynäkologie« erweitert und von den meisten Protagonisten der allgemeinen Gynäkologie zugerechnet. Pädiater und angrenzende Fachgebiete waren nur konsiliarisch im Interesse der Mädchen integriert. »Kinder- und Jugendgynäkologie« wurde als Spezialsprechstunde häufig an gynäkologischen Abteilungen großer Kliniken angesiedelt bzw. in Spezialsprechstunden der Kinderendokrinologie.

    Dies verkennt insofern die Realität, da die häufigsten Krankheitsbilder wie Entzündungen, Infektionen oder Störungen der Pubertät (60–70 % der Vorstellungsgründe) primär im Bereich der allgemeinen, ambulanten Pädiatrie diagnostiziert und therapiert werden. Zudem hat sich die ambulante Pädiatrie in den letzten Jahrzehnten dem Gebiet der »Jugendmedizin« geöffnet und betreut Kinder und Jugendliche von Geburt bis zum Abschluss der körperlichen, geistigen und sozialen Entwicklung. Im Jahr 2000 haben die pädiatrischen Verbände diesem Umstand Rechnung getragen und sich umbenannt, um klarzustellen, dass die Zielgruppe Kinder und Jugendliche bis zum Abschluss der körperlichen Entwicklung erweitert wurde. Keine andere Fachgruppe betreut Kinder und Jugendliche ganzheitlich über alle Entwicklungsstufen hinweg in Diagnostik, Therapie und Rehabilitation. Die ambulant tätigen Kinder- und Jugendärzte sind zudem die Experten für alle Bereiche der Prävention von der Geburt bis ins Erwachsenenalter, da die Zielgruppe primär Kinder, Jugendliche und deren Bezugspersonen erfasst.

    Kinder- und Jugendgynäkologie ist daher eindeutig in der ambulanten allgemeinen Pädiatrie zu verorten, die in einem gemeinsamen interdisziplinären Ansatz als Lotse das gesamte Spektrum abdecken kann. Selbstverständlich sind die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Pädiatrie, Gynäkologie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Kinderchirurgie oder Urologie die Grundlage für unser Handeln in der Praxis. Diese können und müssen in relevanten Bereichen durch Praxisforschung ergänzt werden, um das Gebiet umfassend darzustellen.

    Kinder- und Jugendgynäkologie braucht empathische Ärztinnen und Ärzte, denen die körperliche, psychische und soziale Entwicklung von Mädchen im Kindes- und Jugendalter umfassend vertraut ist, denen die Besonderheiten der weiblichen Genitalentwicklung bekannt sind und für die die altersspezifischen Untersuchungsmethoden sowie der altersangepasste Umgang mit Mädchen, Jugendlichen und deren Bezugspersonen tägliches Brot ist. Kinder- und Jugendärzte in den deutschsprachigen Ländern entsprechen weitgehend diesem Anforderungsprofil.

    Bei speziellen Fragestellungen ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit benachbarten Fachgruppen wichtig und anzustreben. Idealerweise geschieht dies in einer Kooperation, in der sich Pädiater und Gynäkologe ergänzen, wenn sich das Fachwissen nicht in einer Person abbildet wie beim Autor.

    1.1 Endokrinologische Grundlagen

    Zum Verständnis der Pathophysiologie ist bei vielen Erkrankungen die Kenntnis der hormonellen Steuerung bei Mädchen und Jugendlichen Voraussetzung. Die meisten Regelprozesse im menschlichen Körper, auch die der hormonellen Steuerung, funktionieren nach dem gleichen Prinzip der positiven bzw. negativen Rückkopplung mit der Hilfe von hormonspezifischen Rezeptoren. Das Regelzentrum für die meisten physiologischen Vorgänge befindet sich im Zentralnervensystem, insbesondere im Hypothalamus. Spezifische Zellgruppen des Hypothalamus synthetisieren verschiedene Hormone, z. B. das Gonadotropinreleasinghormon (GnRH), die den zweiten Regler im hormonellen System, den Hypophysenvorderlappen zur Produktion eigener Hormone, z. B. den Gonadotropinen (FSH, LH), anregen. Der Hypophysenvorderlappen produziert wiederum eigene Hormone, die die untergeordneten Hormondrüsen, z. B. die Ovarien, zur Produktion der peripher wirkenden Hormone, z. B. Östrogene und Gestagene, anregt. Die Plasmakonzentration der peripheren Hormone kontrolliert die Sekretion der hypothalamischen Hormone in Sinne einer negativen Rückkopplung (Schmidt et al. 2017).

    1.1.1 Gonadale Hormonachse in der Pubertät

    Der Beginn und der Verlauf der Pubertätsentwicklung werden durch komplexe neuroendokrine, epigenetische und metabolische Regulationsmechanismen gesteuert. Die Aktivitätszunahme der Neurone, die Gonadotropin-Releasing-Hormone (GnRH) ausschütten, markiert den Beginn der Pubertät. Der hypothalamische-hypophysäre-gonadale Regelkreis entwickelt sich bereits intrauterin mit einer pulsatilen Ausschüttung von GnRH und daraus resultierend einer Freisetzung von Gonadotropinen. Als Folge kann nach Geburt und Wegfallen hemmender Einflüsse eine infantile Phase (auch Minipubertät genannt) auftreten, die die in der embryonalen Entwicklung angelegten Primordialfollikel reduziert und z. B. bei neugeborenen weiblichen Säuglingen zu einer kurzzeitigen vaginalen Blutung führen kann (Halban-Reaktion). In dieser Zeit ist die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse aktiv und produziert unter anderem Östrogene. Diese sollen z. B. die spätere Sprachentwicklung bei Mädchen positiv beeinflussen (Wermke et al. 2014). In der anschließenden Ruhephase schaltet sich der GnRH-Pulsgenerator ab und die Ausschüttung von GnRH wird durch verschiedene Neurotransmitter gehemmt. Im Alter von 6–8 Jahren erfolgt als erstes Zeichen der bevorstehenden Pubertät die Adrenarche, welche zu einem kurzzeitigen Anstieg des GnRH und der basalen Werte für die adrenalen Androgene führt.

    Die Pubertät wird durch die Aktivierung stimulierender Einflüsse (u. a. Kisspeptin) und einer Verminderung hemmender Einflüsse mit der Ausschüttung von GnRH initiiert. Der Hypophysenvorderlappen produziert dann Luteinisierendes Hormon (LH) und Follikelstimulierendes Hormon (FSH). LH und FSH wirken bei den Mädchen auf die Eierstöcke. FSH stimuliert die Reifung der ovariellen Follikel und die Produktion von Estradiol. LH initiiert die Ovulation, die Ausbildung des Corpus luteum (Gelbkörper) und die Progesteronproduktion.

    Das erste Anzeichen beginnender Pubertät ist bei Mädchen die beginnende Brustentwicklung (Thelarche), seltener der Beginn der Schambehaarung (Pubarche). Die äußeren Kennzeichen der Pubertät sind die Reifung der sekundären Geschlechtsmerkmale und der Wachstumsspurt. In der Pubertät ändern sich Quantitäten und Relationen der Hormone. Die Höhe des hormonellen Anstiegs unterliegt großen interindividuellen Unterschieden, die z. T. genetisch, soziokulturell und ethnisch bedingt sind. Die klinisch sichtbare Pubertätsentwicklung wird durch den Anstieg der Sexualhormone gesteuert. Der Pubertätsbeginn wird ca. zu 50–80 % genetisch terminiert. Verschiedene Gene sind dabei mit dem Menarchealter assoziiert (Heeger 2015). Weiteres sichtbares Zeichen der Östrogenisierung ist die zunehmende Pigmentierung des Brustwarzenhofes.

    Die Einteilung der Pubertätsentwicklung erfolgt nach einheitlichen Schemata (Abb. 1.1):

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    Abb. 1.1

    Stadien der Brustentwicklung und der Pubesbehaarung bei Mädchen; nach Marschall u. Tanner (1969)

    Tab. 1.1

    Stadien der Brustentwicklung und Pubesbehaarung bei Mädchen; nach Marshall u. Tanner (1969)

    1.1.2 Wachstumshormonachse

    Der Anstieg der Östrogene bei Mädchen stimuliert das Wachstumshormon (STH) und den Insulin-like growth factor 1 (IGF-1)=Somatomedin. Im Zuge des Pubertätswachstumsspurts kommt es zum 3- bis 4-fachen Anstieg von STH und IGF-1. Beide Hormone haben zu Beginn der Pubertät den höchsten Anstieg nachts, im mittleren Pubertätsabschnitt gleichen sich Tag- und Nachtrhythmus zunehmend an. Gemäß dem früheren Einsetzen des Pubertätswachstumsspurts bei Mädchen steigt auch der STH- und IGF-1-Spiegel früher an. Seinen Höhepunkt markieren bei Mädchen Tanner-Stadium 3–4, bei Jungen Tanner-Stadium 4. Die Erwachsenengröße ist erreicht, wenn die Epiphysenfugen geschlossen sind. Die Daten der 1. Züricher Longitudinalen Wachstumsstudie von Largo und Prader werden als Maßstab für den zeitlichen Ablauf der Pubertät herangezogen, da keine neueren prospektiven Längsschnittuntersuchungen vorliegen. Für die Praxis müssen diese Daten aber entsprechend der säkularen Vorverlegung des Beginns der pubertären Entwicklung angepasst werden. Diese Daten sollen Hinweise geben, in welchem zeitlichen Rahmen die Entwicklung im Bereich der Standardabweichungen stattfindet. Im individuellen Fall kann von den Grenzen abgewichen werden.

    1.1.3 Insulin

    Insulin steigt in der Pubertät um ca. 30 % an, parallel zu einer Verminderung der Insulinsensitivität im Jugendalter. Dies scheint bedingt zu sein durch die Wachstumshormonausschüttung. Die Häufung des Typ-2-Diabetes bei adipösen und genetisch vorbelasteten Teenagern ist möglicherweise das Ergebnis einer Insulinresistenz während der Pubertät.

    1.1.4 Leptin

    Leptin ist ein Peptidhormon im Plasma, das von den Adipozyten (Fettzellen) ausgeschüttet wird. Leptin hilft, die Körperfettmasse zu regulieren. Es hemmt die Nahrungsaufnahme und steigert den Energieverbrauch. Leptinrezeptoren befinden sich auch im Hypothalamus. Leptin ist möglicherweise das Hormon, das bei einer definierten Körperfettmasse den Beginn der Pubertät einleitet.

    1.1.5 Melatonin

    Melatonin ist ein in der Zirbeldrüse (Corpus pineale) gebildetes Gewebshormon. Seine Ausscheidung unterliegt einem 24-Stunden-Rhythmus mit Höchstwerten nachts. U. a. hat es seine Bedeutung in der Regelung des Schlaf-Wach-Rhythmus (Einsatz vielfach daher auch bei der »Behandlung« des Jetlags). Bei Pubertierenden kommt es zu einer »Phasenverzögerung«, d. h. es verschiebt sich der Peak der Melatoninsekretion in die späten Abendstunden mit erhöhtem Spiegel noch bis zum nächsten Morgen. Das könnte u. a. erklären, warum es in der Pubertät zur Verschiebung des Schlafrhythmus kommt, »sie machen die Nacht zum Tag und den Tag zur Nacht«. Bislang wurden eher psychosoziale Gründe dafür verantwortlich gemacht (Wolfson u. Carskadon 1998).

    1.1.6 Pheromone

    Mit der Pubertät entwickelt sich der für jeden Menschen spezifische Duft. Die Partnerfindung hat damit zu tun, ob man jemanden »riechen« kann oder nicht. Der »passende« Partner wird anhand seines spezifischen Geruchs daraufhin analysiert, ob beide »Duftnoten« zusammenpassen.

    Die natürlichen Sexlockstoffe (Pheromone) werden über die Haut abgegeben. Pheromone können manchmal schon in geringen Mengen auf andere Personen stimulierend und anziehend wirken. Die Zuneigung, aber auch die Abneigung zu anderen Menschen wird stark durch die abgegebenen Pheromone beeinflusst, die nur vom Unterbewusstsein wahrgenommen werden.

    1.2 Entwicklung des weiblichen Genitales von Geburt bis zur Pubertät

    1.2.1 Genitale präpartale Entwicklung

    Die Entwicklung der primären und sekundären inneren und äußeren Geschlechtsorgane beginnt mit der embryonalen intrauterinen Entwicklung. In Abhängigkeit vom zeitlichen Erscheinen einer Störung nach der Konzeption können unterschiedliche Fehlentwicklungen auftreten.

    Durch die Befruchtung der weiblichen Keimzelle mit einen X/Y-Chromosom der Samenzelle wird das chromosomale Geschlecht XX/XY festgelegt. Dagegen ist das gonadale Geschlecht bis zur 7. Woche indifferent (Abb. 1.2).

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    Abb. 1.2

    Indifferentes gonadales Geschlecht, rechts weiblich, links männlich (England 1999)

    Die Ausdifferenzierung der bipotenten Keimstränge in Ovarien bzw. Hoden wird gesteuert durch die »Sex Determining Region« (SRY-Gen) auf dem Y-Chromosom.

    Unter dem Einfluss des SRY-Gens wird das TDF-Protein (testis determining factor) codiert; es determiniert die Entwicklung von Hoden mit Ausbildung von Sertoli- und Leydigzellen aus den bipotenten Keimsträngen.

    Wenn bei der Meiose Y-spezifische DNA-Sequenzen (SRY) auf das X-Chromosom übertragen werden, entstehen phänotypisch männliche Kinder mit weiblichem Genotyp bzw. durch Punktmutationen im kritischen Bereich des SRY-Gens unvollständige weibliche Phänotypen mit männlichem Chromosomensatz. Beim weiblichen Feten bilden sich auf Grund des Fehlens des SRY-Gens und unter dem Einfluss autosomaler Gene Ovarien aus.

    Das Genitale des menschlichen Embryos wird in der 7. Woche durch den Ductus mesonephricus (Wolff‘scher Gang), den Ductus paramesonephricus (Müller’scher Gang) und den Mesonephros (Urniere) gebildet.

    Unter dem Einfluss des von den Sertolizellen gebildeten Anti-Müller-Hormon (AMH), werden die Müller’schen Gänge zurückgebildet. Die Hoden bilden Testosteron, das zu einer Virilisierung der Urnierengänge beiträgt und enzymatisch zu Dihydrotestosteron umgewandelt wird, das die Bildung der äußeren Genitalien veranlasst. Das Fehlen von AMH bewirkt bei weiblichen Feten die Persistenz der Müller’schen Gänge, aus denen sich Uterus und Tuben entwickeln. Die von der Mutter, der Plazenta oder den fetalen Ovarien produzierten Östrogene bewirken eine Rückbildung der Wolff’schen Gänge und die Ausprägung der weiblichen äußeren Genitalien. Störungen bei der Fusion der paarigen Müller’schen Gänge können zu unterschiedlichen Störungen des Uterus oder der Vagina führen z. B. Uterus duplex.

    1.2.2 Genitale beim Neugeborenen

    Bei der Betrachtung des Genitales von Neugeborenen (Abb. 1.3) ist die Östrogenisierung auffällig. Die Labia majora sind wulstig, die Labia minora bzw. der Raum zwischen den Schamlippen mit Sekret bedeckt, der Hymenalbereich gut durchblutet, ödematös, dick und wulstig. Zusätzlich besteht eine vaginale Sekretion, die durch zervikale Drüsen verursacht ist. Durch die Östrogenisierung können Hymenalanhängsel zum Teil deutliche Maße annehmen. Zu diesem Zeitpunkt ist der Hymen dehnbar und kaum verletzlich. Bei der Inspektion mit Traktion oder Separation ist der Introitus vaginae (und damit Ausschluss einer Atresie) manchmal nicht sicher darstellbar. Bei dem primär östrogenisierten Genitale dominieren bei der Inspektion die großen Labien, manchmal sind die kleinen Labien erst nach Spreizen sichtbar.

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    Abb. 1.3

    Äußeres Genitale eines Neugeborenen

    Das Fehlen des postpartalen Fluors ist ein wichtiger Hinweis für eine Anlageanomalie wie z. B. eine Hymenalatresie oder ein MRKH-Syndrom (Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom) (Abschn. 4.​3.​1).

    Viele neugeborene Mädchen haben postpartal eine deutliche Schwellung der Mammae mit Drüsenproliferation, die durch die »Minipubertät« des Neugeborenen und mütterliche Östrogene bedingt sind und sich zum Teil erst nach Monaten zurückbilden.

    1.2.3 Genitale in der hormonellen Ruhephase

    Das Bild der äußeren Genitalien verändert sich auf Grund der nachlassenden Östrogenwirkung nach ca. 6 Lebensmonaten. Die großen Labien werden von den kleinen Labien überragt und haben einen geringen Fettanteil. Der Hymen ist jetzt dünn, durchscheinend und glattrandig mit zum Teil sichtbaren kleinsten Gefäßen. Der Hymen in der hormonellen Ruhephase ist leicht verletzlich. Schwellungen der Brustdrüsen kommen in dieser Periode normalerweise nicht vor. Bei einigen Mädchen kann eine sogenannte prämature Thelarche auftreten (Abschn. 4.​2.​2).

    Bei den Mädchen gibt es keine adäquate Beschreibung der Genitalentwicklung – Labia minora, Labia majora, Introitus Vaginae, Hymen – wie bei den Jungen die Stadien G1–G5, in denen die Entwicklung des Penis und der Hoden deskriptiv und fotografisch dokumentiert wurden.

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    Abb. 1.4

    Äußeres Genitale in der hormonellen Ruhephase

    1.2.4 Genitale in der Pubertät

    Der präpubertäre Östrogenanstieg verändert das Erscheinungsbild des Genitales. Der Hymen wird wieder dicker, wulstiger und matter. Der Hymenalsaum wird unregelmäßiger und ist nicht mehr verletzlich. Die Formen des Hymens sind vielfältig.

    Zu diesem Zeitpunkt müssen Abweichungen der Form des Jungfernhäutchens, ein kompletter membranartiger Verschluss des Scheideneingangs (Hymenalatresie) oder eine fehlende Anlage der Vagina (Vaginalatresie) sicher ausgeschlossen werden.

    Als erste Veränderung nimmt der Fettanteil der Labia majora zu, und die großen Schamlippen können die kleinen Labien überdecken. Mit zunehmender Entwicklung wachsen die Labia minora und sind in der Vulva sichtbar. Die Klitoris wächst mit Beginn der Östrogenisierung. Die Beurteilung der Größe kann durch eine ausgeprägte Vorhaut (Präputium) erschwert sein. Zur Beurteilung können metrische Daten zur Klitorislänge herangezogen werden (s. in Abschn. 4.​3.​1). Unter dem Östrogeneinfluss quillt das Jungfernhäutchen im Stadium P3 auf und wird dehnbar und sukkulent.

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    Abb. 1.5

    Äußeres Genitale mit beginnender Pubertätsentwicklung

    1.2.5 Genitale nach der Pubertät

    Mit Abschluss der normal verlaufenden Pubertät sind die Genitalentwicklung und das Wachstum abgeschlossen. Der Menstruationszyklus hat sich 2 Jahre nach Menarche mit regelmäßigen Ovulationen etabliert. Die Behaarung hat sich perivulvär und auf dem Mons pubis mit horizontaler Begrenzung ausgebreitet. Form und Ausprägung der großen und kleinen Schamlippen unterliegen einer großen Variabilität (Abb. 4.​56). Die Labia minora sind häufig in der Körperaufsicht sichtbar, die Labia majora sind mit dem Fettpolster sichtbar. Der Hymen ist gut durchblutet, wulstig, zum Teil gefältelt und aneinander liegend. Der Hymenalsaum ist manchmal nicht darstellbar. Der Gebrauch von Tampons zur Hygiene ist in der Regel möglich.

    1.2.6 Entwicklung der Mammae

    In der Literatur bestehen unterschiedliche Angaben über das primäre Auftreten (Gonadarche) der sekundären Geschlechtsmerkmale. Von den meisten Autoren wird das Wachstum der Brustdrüse als Beginn der Pubertät definiert. Das Brustdrüsenwachstum kann dabei einseitig beginnen. Sowohl das Drüsengewebe, als auch das Mantelgewebe und das Gangsystem sind hormonabhängig. Nur das interstitielle Bindegewebe unterliegt nicht dem Hormonzyklus. Es gibt einzelne Hormone, die nur auf das Gangsystem bzw. nur auf das Läppchensystem wirken. Die starke Vergrößerung der Brust ist vor allem durch das Wachstum der Milchgänge verursacht. Östrogene und Progesteron sind beide für Entwicklung und Wachstum der Brustdrüse verantwortlich. Die Differenzierung des Läppchensystems und des Milchgangsystems steht unter dem Einfluss des Progesterons. Die Größe der Brust lässt sich nicht hormonell beeinflussen, sondern ist genetisch festgelegt. Das Wachstum der Schambehaarung (Pubarche) beginnt bei einigen Mädchen vor dem Wachstum der Brustdrüse (Thelarche).

    Praxistipp

    Der Pubertätsbeginn (B2/P2) ist gekennzeichnet durch die Entwicklung einer subareolären Brustdrüsenknospe mit resultierender Erhebung der Brust und der Brustwarze (Mamille) über das Brustkorbniveau (Seitzer 1996).

    Die verschiedenen Stadien illustrieren Abb. 1.6, Abb. 1.7, Abb. 1.8 und Abb. 1.9.

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    Abb. 1.6

    Brustentwicklung im Stadium B2

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    Abb. 1.7

    Brustentwicklung im Stadium B3

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    Abb. 1.8

    Brustentwicklung im Stadium B4

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    Abb. 1.9

    Brustentwicklung im Stadium B5

    1.2.7 Entwicklung der genitalen Behaarung

    Die Pubarche wird ausgelöst durch eine ausgeprägte Entwicklung der Zona reticularis der Nebennierenrinde und einen resultierenden Anstieg der Plasmakonzentrationen von Dehydroepiandrosteron, -sulfat (DHEA und DHEA-S). Die Behaarung beginnt entlang der Labia majora und breitet sich in Richtung Schamhügel (Mons pubis) aus. Am Anfang wachsen wenig gekräuselte, pigmentierte Haare. Weitere 1–2 Jahre dauert es bis zum Beginn der Axillarbehaarung (Hoffmann et al. 2014). Bei der Einteilung der Pubesentwicklung (Abb. 1.10, Abb. 1.11, Abb. 1.12) wird von einigen Stadieneinteilungen neben dem Stadium P5 (Erwachsenenstatus, Abb. 1.13) noch das Stadium P6 (Abb. 1.14) beschrieben, das den Übergang in den Hirsutismus beschreibt (Abschn. 4.​2.​5). Die Axillarbehaarung wird nach den Stadien AH 1–4 (keine, spärlich, mäßig, ausgedehnt) beschrieben und hat wenig klinische Relevanz (Abb. 1.15).

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    Abb. 1.10

    Pubesentwicklung im Stadium P2

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    Abb. 1.11

    Pubesentwicklung im Stadium P3

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    Abb. 1.12

    Pubesentwicklung im Stadium P4

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    Abb. 1.13

    Pubesentwicklung im Stadium P5

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    Abb. 1.14

    Pubesentwicklung im Stadium P6

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    Abb. 1.15

    Axillarbehaarung AH 2

    1.2.8 Ablauf der pubertären Entwicklung

    Der Pubertätsbeginn liegt bei Mädchen ca. 1–2 Jahre früher als bei Jungen. Der Eindruck des früheren Einsetzens wird dadurch verstärkt, dass bei Mädchen der Pubertätsbeginn deutlicher sichtbar ist als bei Jungen. Am markantesten zeigt sich dies bzgl. des Einsetzens des Pubertätswachstumsspurts. Dies lässt den Entwicklungsunterschied größer erscheinen, als er tatsächlich ist. Der Pubertätswachstumsspurt erfolgt bei Mädchen in der 1. Hälfte der Pubertät (typischerweise mit ca. 11 Jahren – ca. ab Tannerstadium 2). Der Höhepunkt liegt bei Mädchen bei Tannerstadium 3–4. Während des Wachstumsspurts wird eine Wachstumsgeschwindigkeit von ca. 8 cm/Jahr erreicht.

    Im Durchschnitt beginnt die Brustentwicklung bei Mädchen mit einem Knochenalter von 10,6–10,9 Jahren. Die Menarche tritt zwischen Knochenalter 12,7–13,3 Jahren ein (B3–4), ungefähr 1,5–3 Jahre nach Beginn der Thelarche. Ca. 6–12 Monate vor der Menarche beginnt die physiologische Leukorrhoe (Weißfluss), ein eiweißreicher nicht riechender weißlicher Ausfluss. Dieser Ausfluss (Fluor) kann sich in der Unterwäsche bräunlich-gelblich verfärben und als pastöse gelatineartige Substanz dominieren. Nach erfolgter Menarche kann der Zyklus noch eine ganze Weile (d. h. bis zu 2 Jahren) irregulär mit anovulatorischen Zyklen bleiben. Mit der Menarche ist das Längenwachstum der Mädchen im Wesentlichen abgeschlossen. Das bedeutet, dass eine Behandlung von Wachstumsabweichungen vor der Menarche geschehen muss. Der Wachstumsfugenschluss (Epiphysenschluss) liegt bei ca. 15–16 Jahren.

    In den letzten Jahren wurde vor allem in Studien aus Amerika eine Vorverlagerung des Pubertätsbeginns vor das 8. Lebensjahr – bisheriger Definition entsprechend einer zentralen Pubertas präcox <8. LJ – beschrieben (Kaplowitz u. Oberfield 1999). Diese »frühnormale Pubertät« und akzelerierte Pubertätsentwicklung wurde auch bei Mädchen, die aus Entwicklungsländern nach Westeuropa oder den USA adoptiert wurden, vermehrt gefunden. Die Ursache hierfür ist unbekannt. Umwelteinflüsse wie eine exogene Östrogenzufuhr über Ernährung oder Umweltgifte (endokrine Disruptoren) wurden diskutiert. Vor allem dunkelhäutige Mädchen mit einer afrikanischen oder hispanischen Herkunft sind von dieser frühnormalen Entwicklung betroffen.

    Die genitale Entwicklung ist ca. 2 Jahre nach der Menarche abgeschlossen und entspricht dem Status einer erwachsenen Frau (Abb. 1.16).

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    Abb. 1.16

    Pubertätsablauf von Mädchen nach der Züricher Longitudinalstudie (Largo u. Prader 1983)

    Literatur

    England M (1990) Colour atlas of life before birth: normal fetal development. Year Book Medical, Chicago

    Heeger S (2015) Vorzeitige Pubertätsentwicklung. Kinderärztliche Praxis 86:158–163

    Hoffmann G, Lentze M, Spranger J, Zepp F (2014) Pädiatrie. Springer, Heidelberg. »Wachstum und Entwicklung«, S 60

    Kaplowitz PB, Oberfield SE (1999) Reexamination of the age limit for defining when puberty is precocious in girls in the United States. Pediatrics104(4.1):936–41

    Largo RH, Prader A (1983) Pubertal development in Swiss girls. Helv Paediatr Acta 38:229–43

    Marshall WA, Tanner JM (1969) Variations in pattern of pubertal changes in girls. Arch Dis Child 44:291–303

    Schmidt R et al (2017) Physiologie des Menschen. 31.Aufl. Springer, Heidelberg, S 469–474

    Seitzer D (1996) Die Entwicklung der Brust und ihre Störungen. In: Wolf A, Esser-Mittag J (Hrsg) Kinder- und Jugendgynäkologie. Schattauer, Stuttgart, S 167–189

    Wermke K et al (2014) Sex hormone influence on human infants’ sound characteristics: melody in spontaneous crying. Biol Lett 10:20140095

    Wolfson AR, Carskadon MA (1998) Sleepschedules and daytime functioning in adolescents. Child Development 69:875–887

    Wieringen JC van, Waffelbakker F, Verbrugge HP, DeHass JE (1965) Growth diagrams. Wolter-Noordhoff, Groningen

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018

    Nikolaus WeissenriederKinder- und Jugendgynäkologie für die pädiatrische Praxishttps://doi.org/10.1007/978-3-662-55528-6_2

    2. Kinder- und Jugendgynäkologie im Rahmen der Früherkennungsuntersuchungen

    Nikolaus Weissenrieder¹ 

    (1)

    München, Deutschland

    2.1 Prävention

    2.2 Kinder- und jugendgynäkologische Zielerkrankungen bei den Früherkennungsuntersuchungen

    2.3 Relevante Impfungen in der Kinder- und Jugendgynäkologie

    Literatur

    2.1 Prävention

    In Deutschland gibt es seit 1971 die sogenannten U-Untersuchungen im Alter von 0–5 Jahren (U1–U9) oder auch Früherkennungsuntersuchungen. Gemäß dieser Definition war die Intention, frühzeitig Störungen bei der kindlichen Entwicklung zu entdecken und bei Notwendigkeit unterstützende Maßnahmen einzuleiten. In den letzten Jahren wurden die Untersuchungen um den Bereich »Vorsorge« erweitert und unterschiedliche Aspekte der Primär- und Tertiärprävention eingebunden. Diese Untersuchungen wurden um eine Jugendgesundheitsuntersuchung J1 (12–14 Jahre) und die U7a (3 Jahre) erweitert, die von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Fast alle Krankenkassen bieten im Rahmen von Sonderverträgen (Selektivverträgen) zusätzliche Vorsorgen wie die U10, U11 und J2 an. Die privaten Versicherungsträger erstatten ihren Versicherungsnehmern eine jährliche Vorsorgeuntersuchung.

    Neben den kurativen, kinder- und jugendgynäkologisch relevanten Aspekten sind vor allem präventive Aspekte von besonderer Bedeutung, da nahezu jeder Jahrgang mehrfach erreicht wird.

    2.1.1 Präventive Beratung zur Östrogenwirkung

    Die Eltern können bei der U1/U2 aufgeklärt werden, dass das Aussehen des weiblichen Genitales beim Säugling durch mütterliche weibliche Hormone beeinflusst wird. Die sogenannte Östrogenisierung zeigt sich durch eine gesteigerte Durchblutung, eine leichte Ödematisierung und eine mitunter ausgeprägte vaginale Sekretion bis hin zu Vaginalblutungen (Abschn. 1.​1.​1 und Abschn. 1.​2.​2). Diese Sekretion kann mit einem angefeuchteten Baumwoll- oder Zellstofftuch abgewischt werden und hat keine krankhafte Bedeutung

    2.1.2 Präventive Beratung zur Genitalhygiene

    Das medizinische Personal setzt häufig voraus, dass Eltern bereits vor der Geburt durch Elternkurse über Hygiene bei Neugeborenen aufgeklärt worden sind. Die Praxis zeigt, dass gerade die Genitalhygiene in der präventiven Beratung einen zu geringen Stellenwert hat.

    Es ist daher durchaus ärztliche Aufgabe, zur genitalen Hygiene im Kindes-, aber auch im Jugendalter immer wieder präventiv zu beraten.

    Viele Studien zur Hygiene werden von Firmen gesponsert, die Pflegeprodukte herstellen und sind daher nicht aussagekräftig, viele Aussagen zur Hygiene sind ideologisch gefärbt und nur durch die Erfahrung einzelner Personen oder Gruppen legitimiert.

    Genitalhygiene im Säuglingsalter

    Unbestreitbar ist, dass das weibliche Genitale spätestens ab der 3. Lebenswoche von Körperausscheidungen gereinigt werden soll. Die von Hebammen häufig geäußerte Information an die Eltern, dass der Bereich zwischen den Labia majora und minora bzw. Labia minora und Vestibulum vaginae wegen der positiven Wirkung der Käseschmiere nicht gereinigt werden soll, ist im Prinzip richtig, da die Käseschmiere die Haut intrauterin vor Mazeration durch die Amnionflüssigkeit schützt und zusätzlich antibakterielle Eigenschaften besitzt. Die Käseschmiere wird aber nach der Geburt durch Faeces und Urin zunehmend bakteriell kontaminiert und belastet die Haut. Nach der Geburt übernimmt die epidermale Lipidbarriere diese Aufgaben und schützt die Haut vor der infektiösen Wirkung von Bakterien in den Exkrementen. Die Anwendung von Seifen oder das Einweichen der Haut in Vollbädern kann zu einer Verminderung der epidermalen Barrierelipide und einem erleichterten Zugang für pathogene Mikroorganismen führen (Höger 2005).

    Reinigung des Genitalbereichs

    Kinder- und Jugendärzte sollten immer wieder bei den Vorsorgen U1–U6 (Säuglingsalter) die Genitalhygiene überprüfen und Bezugspersonen über Genitalhygiene aufklären. Die Haut im Genitalbereich ist durch Stuhl- und Urinkontakt besonderer Belastung ausgesetzt, daher sollte eine Reinigung jedes Mal nach dem Absetzen von Stuhl zeitnah erfolgen. Dies kann mit einem mit Wasser angefeuchteten Einmaltuch (Zellstoff), mit einem Baumwolltuch (nach jeder Benutzung auskochen) oder unter fließendem Wasser mit der Hand erfolgen. Einmaltücher mit Zusatzstoffen sollten möglichst nicht verwendet werden. Bei festhaftendem Stuhl kann eine Öllösung (z. B. Babyöl) zum Auflösen angewendet werden. Die Reinigung soll dabei von innen nach außen und von vorne nach hinten erfolgen. Als erstes wird der Stuhl im Bereich des Afters entfernt. Mit einem neuen Tuch werden dann – falls vorhanden – Stuhl- oder Urinreste von der Vulva beginnend vom Mons pubis in Richtung Anus und Glutäalfalten entfernt. Anschließend werden Stuhl- oder Urinreste von den Labia minora und den Zwischenräumen der Labien und den Labia majora entfernt, danach wird der Inguinalbereich vom Leistenbereich aus beginnend in Richtung Glutäalfalten gereinigt. Sofern vorhanden, werden Urin- und Stuhlreste in gleicher Weise von den Oberschenkeln entfernt. Sollten Stuhlreste im Introitus vaginae vorhanden sein, können diese mit einem Q-Tipp entfernt werden. Idealerweise wird die verbal vermittelte genitale Hygiene während der Genitalinspektion kurz am kindlichen Objekt demonstriert. Ob die Haut des Windelkindes nach dem Reinigungsprozess mit einer zusätzlichen Creme/Salbe gepflegt werden muss, wird in der Praxis unterschiedlich gehandhabt. Bei generell empfindlicher Haut (z. B. atopischer Haut) ist es sinnvoll, im Genitalbereich die Haut vor Irritationen und Infektionen zu schützen.

    Infektionen der Vulva und Vulvasynechien werden häufig durch mangelnde Hygiene verursacht.

    Baden von Säuglingen

    Säuglinge können ab Geburt unabhängig vom Nabelschnurrest bei Bedarf gebadet werden, je nach Bedarf und Vorlieben der Eltern. Als Zusatz können z. B. ölige Lösungen verwendet werden, die einem Austrocknen der Haut entgegenwirken. Ein Seifenzusatz ist nicht erforderlich.

    Den Eltern soll vermittelt werden, dass sie bei der täglichen Pflege keinen Bogen um die »erogenen« Zonen machen sollen, speziell nicht bei Mädchen. Gerade bei den ersten Vorsorgen stellen Ärzte fest, dass bei Jungen intensiv bei der Intimhygiene auf die Geschlechtsteile geachtet wird (Penis und Hodensack peinlichst gesäubert). Bezugspersonen finden es eher lustig, wenn dabei eine Erektion entsteht. Bei Mädchen wird diese Region oft ausgespart und überhaupt nicht beachtet.

    Genitalhygiene im Kleinkindalter

    Solange die Kleinkinder (U7, U7a) Windeln tragen, sind präventive Informationen zur genitalen Hygiene am besten bei jeder Vorsorgeuntersuchung im Rahmen der genitalen Inspektion an die Eltern zu vermitteln und eventuell auch nochmal zu demonstrieren. In diesem Alter sind die Genitalhygiene und das Wechseln von Windeln durch die aktive Gegenwehr des Kindes manchmal deutlich erschwert und eine Herausforderung für die Eltern.

    Eltern sollte vermittelt werden, dass die regelmäßige, systematische und spielerische Durchführung der Genitalhygiene vergleichbar zur Zahnhygiene einen wichtigen Beitrag zur Bahnung einer späteren selbstständig und richtig durchgeführten Hygiene leistet.

    Durch den Wegfall der Östrogenisierung des Genitales und dem basischen pH der Vagina, durch das Fehlen der Fettpolster in den Labien, der Nähe von Vagina und Anus und der kurzen Urethra sind Harnwegsinfekte und Entzündungen der Vulva häufiger ab dem 2. Lebensjahr bis zum Beginn der Pubertät mit 8–9 Jahren. Ab dem 2. bis 3. Lebensjahr kann mit der Reifung der quergestreiften Muskulatur die willentliche Entleerung von Darm und Blase und damit die Kontrolle über die eigenen Körperausscheidungen erlernt werden. Das Mädchen registriert, was es alles kann und worüber es die Kontrolle hat. Mit Erlernen der Kontrolle über die Körperfunktionen beginnt auch die Anogenitalhygiene von den Eltern auf die Kleinkinder bzw. auf die Bezugspersonen in der Kindertagesstätte überzugehen. Daher treten mit Beginn der Sauberkeitserziehung gehäuft Infektionen im Genitalbereich auf, wie Vulvitiden bzw. Vulvovaginitiden (Abschn. 4.​1.​1).

    Baden von Kleinkindern

    Manche Kleinkinder baden in diesem Alter gerne. Wenn notwendig, können pH-neutrale Seifen zur Säuberung verwendet werden. Das Genitale soll mit Wasser ohne Seifenzusatz bei Verschmutzung täglich, sonst jeden zweiten Tag mit den Fingern Inguinal und im Bereich der Labien und Vulva gereinigt werden. Alternativ kann ein Einmalwaschlappen bzw. ein Baumwolltuch mit anschließender Kochwäsche verwendet werden.

    Genitalhygiene im Schulalter

    Die Hygiene kann bei Mädchen in der Vorpubertät und während der Pubertät auch übertrieben werden. Durch die Entwicklung der Schweißdrüsen im Genital- und Achselbereich kommt es zu einem vermehrten Körpergeruch. Viele Mädchen reagieren darauf mit gesteigerter Hygiene. Verschiedene industriegesponserte Anleitungen verstärken dies noch, und Mädchen duschen zum Teil mehrmals täglich und waschen sich auch mehrmals täglich im Genitalbereich mit Waschlotion oder benutzen Deodorants. Die zu häufige Verwendung von Seife, Duschgels oder Spray kann zu Austrocknung, Allergisierung und Entzündungen der Haut im sensiblen Genitalbereich führen. Zur Reinigung der Vulva genügt auch in diesem Alter klares Wasser und die Säuberung mit der Hand bzw. mit einem Einmaltuch oder einem auskochbaren Waschlappen. Eine Reinigung mit einer pH-neutralen Waschlotion (Lotionen trocknen die Haut weniger aus) ist nur selten erforderlich. Die tägliche Reinigung der Scheide – außen – sollte nur mit Wasser erfolgen. Bei empfindlicher Haut im Bereich der großen Schamlippen oder um den After kann eine regelmäßige Pflege mit einer »Feuchtigkeit« enthaltenden Creme sinnvoll sein.

    Im Alltag genügt einmal täglich Duschen. Baden sollte regelmäßig nur 1-mal pro Woche erfolgen, damit ein Austrocknen der Haut vermieden wird. Das Badewasser kann mit pflegenden Ölen versetzt werden. Sollte die Reinigung des Genitalbereichs öfters, z. B. täglich, erfolgen, kann die Anwendung einer fett enthaltenden Salbe sinnvoll sein. Wichtig ist es, den Genitalbereich trocken zu halten und nach

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