Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Therapeutische Beziehung und die Behandlung chronischer Depressionen: Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP). Aus dem Amerikanischen übersetzt von Schweiger, Sipos, Demmert, Klein
Therapeutische Beziehung und die Behandlung chronischer Depressionen: Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP). Aus dem Amerikanischen übersetzt von Schweiger, Sipos, Demmert, Klein
Therapeutische Beziehung und die Behandlung chronischer Depressionen: Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP). Aus dem Amerikanischen übersetzt von Schweiger, Sipos, Demmert, Klein
eBook420 Seiten4 Stunden

Therapeutische Beziehung und die Behandlung chronischer Depressionen: Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP). Aus dem Amerikanischen übersetzt von Schweiger, Sipos, Demmert, Klein

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

CBASP (Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy) hebt das Neutralitätsprinzip des Therapeuten auf

Seit mehr als einem Jahrhundert wird die Rolle des Psychotherapeuten dominiert durch Freuds Neutralitätsregel: Ein Therapeut darf die Beziehung zu seinen Patienten nicht persönlich gestalten. James P. McCullough, Jr.,  hinterfragt dieses weit verbreitete Diktum mit seinem neuen Behandlungsansatz für chronische depressive Patienten: Er empfiehlt eine diszipliniert persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehung statt therapeutischer Neutralität. Die therapeutische Beziehung kann auf diese Weise konkret eingesetzt werden, um pathologische Verhaltensmuster chronisch depressiver Patienten zu verändern.

Die neue methodische Gestaltung der persönlichen Therapiebeziehung mit chronisch depressiven Patienten

In diesem Buch beschreibt James P. McCullough, Jr., detailliert und anhand zahlreicher einprägsamer Fallbeispiele, wie er eine diszipliniert persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehung definiert und wie sie angewendet wird. Seine psychotherapeutische Erfahrung gepaart mit seinem frischen Blick auf die therapeutische Beziehung machen das Buch zu einer spannenden Lektüre für alle praktizierenden Psychotherapeuten und Psychotherapieforscher.

Übersetzt und bearbeitet von den Fachleuten der Methode im deutschsprachigen Raum 

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer
Erscheinungsdatum22. Okt. 2011
ISBN9783642196393
Therapeutische Beziehung und die Behandlung chronischer Depressionen: Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP). Aus dem Amerikanischen übersetzt von Schweiger, Sipos, Demmert, Klein

Ähnlich wie Therapeutische Beziehung und die Behandlung chronischer Depressionen

Ähnliche E-Books

Psychologie für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Therapeutische Beziehung und die Behandlung chronischer Depressionen

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Therapeutische Beziehung und die Behandlung chronischer Depressionen - James P. McCullough, Jr.

    Teil 1

    Persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehung

    James P. McCulloughJr.Therapeutische Beziehung und die Behandlung chronischer DepressionenCognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP)10.1007/978-3-642-19639-3_1© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

    1. Persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehung

    James P. McCulloughJr.¹  

    (1)

    Department of Psychology, Virginia Commonwealth University, 23284-2018, Richmond, VA, USA

    James P. McCulloughJr.

    Email: jmccull@mail2.vcu.edu

    Zusammenfassung

    » »Prinzip A: Gutes tun und nicht schaden. Psychologen streben danach, den Menschen mit denen sie arbeiten, zu nützen und dafür zu sorgen, dass sie ihnen nicht schaden… Da sich die wissenschaftlichen und professionellen Bewertungen von Psychologen auf das Leben anderer auswirken können, sind sie aufmerksam und beugen persönlichen, finanziellen, sozialen, organisatorischen und politischen Faktoren vor, welche zu einem Missbrauch ihres Einflusses führen können. Psychologen streben danach, sich der möglichen Wirkung ihrer eigenen körperlichen und seelischen Gesundheit auf ihre Fähigkeit, anderen zu helfen, bewusst zu werden.« American Psychological Association, Ethical Principles of Psychologists and Code of Conduct (2002, p. 3)«

    „Prinzip A: Gutes tun und nicht schaden. Psychologen streben danach, den Menschen mit denen sie arbeiten, zu nützen und dafür zu sorgen, dass sie ihnen nicht schaden… Da sich die wissenschaftlichen und professionellen Bewertungen von Psychologen auf das Leben anderer auswirken können, sind sie aufmerksam und beugen persönlichen, finanziellen, sozialen, organisatorischen und politischen Faktoren vor, welche zu einem Missbrauch ihres Einflusses führen können. Psychologen streben danach, sich der möglichen Wirkung ihrer eigenen körperlichen und seelischen Gesundheit auf ihre Fähigkeit, anderen zu helfen, bewusst zu werden." American Psychological Association, Ethical Principles of Psychologists and Code of Conduct (2002, p. 3)

    1.1 Beispiele für die persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehung

    Im Herbst 2003 hielt ich vor finnischen Psychotherapeuten einen Vortrag über die Behandlung von chronisch depressiven Erwachsenen. Während ich das Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy(CBASP; McCullough, 1984a,b,c, 2000, 2001, 2003a) vorstellte und erläuterte, wie die persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehung („disciplined personal involvement") umgesetzt wird, bat mich eine Zuhörerin um ein Rollenspiel, in dem sie die chronisch-depressive Patientin und ich den Therapeuten spielte. Dabei passierte Folgendes:

    Ein ähnliches Erlebnis hatte ich mit einem männlichen Patienten, der an einer chronischen Depression litt. Er war verunsichert über unsere Beziehung.

    Hier ist eine andere Situation, die Therapeuten bei der Anwendung von CBASP häufig begegnet, wenn sie versuchen, die Beziehung mit ihren chronisch depressiven Patienten zu vertiefen.

    Das letzte Beispiel ereignete sich vor einigen Jahren, während ich mit einem Patienten arbeitete, der an einer schweren chronischen Depression litt.

    1.2 Persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehung und der Patient mit chronischer Depression

    1.2.1 Die Gestaltung der therapeutischen Beziehung neu überdenken

    Um Patienten mit chronischer Depression angemessen behandeln zu können, muss die Gestaltung der therapeutischen Beziehung neu überdacht werden. Traditionell lehnen Ausbilder, Forscher und Therapeuten eine persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehung vorschnell ab. Die Zeit ist aber reif, diese Haltung zu überdenken, offen zu diskutieren und empirisch zu untersuchen.

    Persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehungbedeutet nicht, dass Therapeuten und Patienten zusammen Bier trinken, Geschäfte machen, miteinander ausgehen, miteinander schlafen, sich anrufen, wenn ihnen langweilig ist, den neuesten Klatsch austauschen oder sich nach der Arbeit zum Kaffee oder im Chatroom treffen. Persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehung bedeutet vielmehr das Einnehmen einer bestimmten Therapeutenrolle. Diese Rolle basiert zum einen auf der Lerntheorie von B.F. Skinner (1953, 1968). Therapeuten können ihre persönlichen Reaktionen auf das Verhalten des Patienten in der Sitzung so choreografieren, dass Patienten neue Assoziationen lernen können. Zum anderen gründet sie sich auf Albert Banduras Konzept des Lernens am Modell (1976, 1977; Bandura & Walters, 1964; Meichenbaum, 1971). Bandura merkte an, dass in vielen Sprachen für „lehren dasselbe Wort verwendet wird wie für „zeigen und dass diese Synonymität wörtlich zu nehmen ist (vgl. Reichard, 1938, S. 471). Die persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehung leistet hier einen Beitrag zur Überwindung von frühen traumatischen Erfahrungen mit prägenden Bezugspersonen. Mit der ersten Art der Beziehungsgestaltungbefasst sich ▶ Kapitel 5(Kontingenzlernen), die zweite wird in ▶ Kapitel 6(Modelllernen) beschrieben.

    CBASP leitet Therapeuten dazu an, gegenüber ihren Patienten sie selbst zu sein. Persönliche Reaktionen des Therapeuten dienen in den Therapiesitzungen vier spezifischen Zielen: (1) Sie stellen eine Konsequenz auf Verhalten des Patienten in der Sitzung dar; (2) sie vermitteln dem Patienten angemessenes Verhalten, nachdem ihm deutlich wurde, wie Problemverhalten das Erreichen zwischenmenschlicher Ziele behindert; (3) sie vermitteln und formen empathisches Verhalten; und (4) sie kontrastieren das Verhalten des Therapeuten auf heilsame Weise mit dem Verhalten prägender Bezugspersonen, die den Patienten misshandelt haben. Die persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehung ist niemals ein Freibrief, sich rücksichtslos dem Patienten gegenüber zu verhalten oder Gefühle „rauszulassen", um sich besser zu fühlen. Die persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehung muss vielmehr überlegt eingesetzt werden. Sie muss im Sinne des Patienten die oben genannten Ziele im Blick behalten (McCullough, 2000, 2003b, 2003c). ▶ Kapitel 4beschreibt, wie man die persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehung im Sinne des CBASP lernen kann, die persönlichen und professionellen Probleme, die mit diesem Lernprozess verbunden sind, sowie die Probleme, die bei der ersten Anwendung dieser Techniken auftreten.

    Aus psychoanalytischer Perspektive ist die persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehung eine „objektive Form der Gegenübertragung. Einige analytischen Theoretiker (z. B. Epstein & Feiner, 1979) unterscheiden zwischen „subjektiver und „objektiver Gegenübertragung. Subjektive Gegenübertragung(Spotnitz, 1969) beschreibt die irrationalen und defensiven Reaktionen, die ein Therapeut in Gegenwart eines bestimmten Patienten erlebt. Diese Ängste und Konflikte des Therapeuten entspringen problematischen Resten eigener früherer ungelöster Entwicklungskonflikte. Die objektive Gegenübertragung(Winnicott, 1949) entspringt der unmittelbaren Wirkung des Patienten auf den Therapeuten. Therapeuten sprechen persönlich auf das an, was die Patienten tun und sagen. Diese Reaktionen werden beispielsweise hervorgerufen, wenn ein Patient immer wieder zu spät kommt, Termine vergisst, das Thema wechselt, wann immer etwas Schwieriges zur Sprache kommt, sich abwertend über die Kompetenz des Therapeuten äußert oder Kommentare macht wie „Sie machen sich doch gar keine Gedanken über mich oder „Ich weiß, dass Sie mich für dumm und verrückt halten".

    Diese Beispiele stehen für Verhaltensmuster, die für viele chronisch depressive Erwachsene charakteristisch sind. Wenn Therapeuten hierauf als menschliche Wesen reagieren und deutlich machen, wie das Verhalten des Patienten auf sie wirkt, können sie diese Verhaltensmuster verändern. Diese Fokussierung der Konsequenzen versetzt Therapeuten und Patienten sofort in eine persönliche Beziehung. Es gibt keine Neutralität mehr, denn der Patient steht persönlich der Konsequenz gegenüber, die er gerade hervorgerufen hat – nämlich der Reaktion des Therapeuten.

    Die persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehung setzt bestimmte Eigenschaften auf Seiten des Therapeuten voraus. Er benötigt: (1) Reife, also eine stabile eigene Identität; (2) ein Bewusstsein für seinen eigenen Stimuluscharakter für den Patienten (McCullough, 2000); und (3) die Fähigkeit, sein eigenes Verhalten in der Therapie fortlaufend kritisch zu überprüfen, um sicherzustellen, dass es ausschließlich dem Wohl des Patienten dient.

    1.2.2 Kann eine persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehung allgemein empfohlen werden?

    Verschiedene Faktoren sollten beim Einsatz der persönlichen Gestaltung einer therapeutischen Beziehung beachtet werden. Dazu zählen die Diagnose des Patienten, die Bedürfnisse des Patienten, die zum Einsatz kommenden Therapietechniken, die Ziele eines bestimmten Therapiemodels und die zwischenmenschlichen Fähigkeiten des Therapeuten. Was die Therapieziele angeht, wird in der klassischen Psychoanalyse (Levy, 2000) von einer persönlichen Gestaltung der therapeutischen Beziehung abgeraten, um die Analyse der Übertragung nicht zu gefährden. Daher sind es grundlegende Anforderungen an einen analytisch orientierten Ausbildungskandidaten, persönliche Reaktionen dem Patienten gegenüber (Gegenübertragung) zu unterlassen oder zu neutralisieren (durch die eigene Lehranalyse). Die Ziele beim CBASP unterscheiden sich von denen der klassischen Psychoanalyse; Consequating-Strategien (eine Gruppe von Techniken, die es dem Therapeuten ermöglichen, interpersonelles Problemverhalten des Patienten unmittelbar in der Sitzung zu bearbeiten), die Modellierung von empathischem Verhalten und die Gestaltung des Therapeutenverhaltens dienen dazu, frühe Traumata des Patienten zu heilen. All das erfordert die persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehung.

    1.2.3 Das Tabu bezüglich der persönlichen Gestaltung der therapeutischen Beziehung

    ▶ Kapitel 2beschreibt die Geschichte des jahrhundertealten Verbotes einer persönlichen Gestaltung der therapeutischen Beziehung. Ausbildung, Forschung und Praxis der Psychotherapie in den Vereinigten Staaten haben seit Anfang des 20. Jahrhunderts dieses Tabu und seine Folgen auf das Therapeutenverhalten weitestgehend unkritisch akzeptiert und zudem den Lernprozessdes Patienten fast völlig übersehen. Man würde annehmen, dass der Lernprozess des Patienten ein zentrales Anliegen eines Therapeuten ist, der Verhaltensänderung erreichen will. Dies ist aber bis auf eine Ausnahme nicht der Fall gewesen. Außerhalb der Verhaltenstherapiebewegung während der 60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts (z. B. Ayllon & Azrin, 1968; Bandura, 1961, 1969, 1977; Browning & Stover, 1971; Herson & Barlow, 1976; Ullman & Krasner, 1965) war der Lernprozess des Patienten in der Psychotherapieszene kein Thema. Therapeuten fragen selten, wie sie Lernprozesse innerhalb der Therapiesitzung ermöglichen können oder wie sie Therapieerfolge verbessern können, indem sie selbst durch ihr Verhalten die Lernumgebung gestalten. Ich habe immer wieder beobachtet, dass Ausbilder und Supervisoren vehement von einer persönlichen Gestaltung der therapeutischen Beziehung abraten. Sie entkoppeln somit interpersonelle Lernprozesse von der Psychotherapie, anstatt die interpersonellen Lernprozesse in der Sitzung hervorzuheben.

    1.3 Verwendung des Begriffs „Patient"

    Ich muss kurz erklären, warum ich den Begriff „Patient und nicht den Begriff „Klient verwende, wenn ich die Nutzer von Psychotherapie beschreibe. Erstens: Obwohl „Klient der in der Psychologie [in den Vereinigten Staaten, Anmerkung der Übersetzer] gebräuchliche Begriff ist, bin ich ein Anhänger des biopsychosozialen Modells von Gesundheit und Krankheit (Akiskal & McKinney, 1973, 1975; Barlow & Durand, 1999; Blanchard, 1977; Engel, 1977; Gentry, 1984; Kiesler, 1999). Ich verwende das multiaxiale System des DSM (DSM-IV; American Psychiatric Association, 1994) um bei den Menschen, die mich um Hilfe bitten, Diagnosen zu stellen und ihr psychosoziales Funktionsniveau zu beurteilen. Zweitens beschreibt das Wort „Patient (aus dem Lateinischen: patiens) angemessen einen Menschen, der leidet, Schmerzen hat und Behandlung zur Linderung dieser Schmerzen erfährt. Der Begriff „Klient (aus dem Lateinischen: cliens) legt eine andere Form der professionellen Beziehungnahe, die meiner Ansicht nach Menschen, die Psychotherapie wahrnehmen, nicht gut beschreibt. Für mich legt der Name „Klient nahe, dass es sich um einen nichtleidenden Kunden handelt, der sich in eine professionelle Beziehung begibt mit einem Rechtsanwalt, Steuerberater, Aktienhändler, Architekten, Banker oder Immobilienhändler. Zwischenmenschliche Intimität, auch wenn sie in solchen professionellen Beziehungen mit Klienten auftreten kann, ist die Ausnahme und nicht die Regel. Außerdem ist eine Zusammenarbeit, um zwischenmenschliches Leiden zu lindern, nicht das Ziel einer professionellen Klientenbeziehung.

    1.4 Wissenschaftliche Literatur zur Selbstöffnung

    Es gibt umfangreiche psychologische und psychoanalytische Forschungsliteratur zum Thema „Selbstöffnung". Um dem Missverständnis vorzubeugen, das Ziel dieses Buches sei es, die bereits vorhandene Literatur zusammenzufassen und zu kommentieren, wird im Folgenden nur ein kurzer Überblick über die Selbstöffnungsforschung gegeben. Dann fasse ich die Schlussfolgerungen dieser Forschung zusammen und zeige auf, wie sich meine Definition der persönlichen Gestaltung der therapeutischen Beziehung von dem Selbstöffnungskonstrukt unterscheidet.

    Hill und Knox definieren Selbstöffnung des Therapeuten in einer Übersichtsarbeit als „Aussagen [des Therapeuten], die etwas Persönliches über den Therapeuten offenbaren (2002, S. 255). Die Autoren beschreiben zwei Formen der Selbstöffnung. (1) Selbstöffnung, in der allgemeine Informationen über den Therapeuten offen gelegt werden, die nicht direkt etwas mit dem Patienten zu tun haben; und (2) Selbstöffnung, die den Patienten und die dyadische Beziehung einbeziehen. Hill und O’Brien (1999) nennen diese zweite Form „unmittelbare Selbstöffnung.

    Einige Punkte sollten nach einer Durchsicht der Selbstöffnungsliteratur angemerkt werden: (1) Eine wichtige Schlussfolgerung ist, dass Selbstöffnung die Qualität der dyadischen Beziehung positiv beeinflusst (z. B. Bridges, 2001; Hill & Knox, 2002; Knox, Hess, Petersen & Hill, 1997; Safran & Muran, 2000; Teyber, 1992; Wachtel, 1993). (2) In wissenschaftlichen Studien zur Selbstöffnung wird der Diagnose des Patienten oder der Art der therapeutischen Methode wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Norcross (2001, S. 351) sieht in diesem Fehlen von Diagnose- und Therapiebeschreibung ein Problem für die Erforschung der therapeutischen Beziehung und sagt, dass Wissenschaftler den therapie- und diagnosespezifischen Eigenarten der therapeutischen Beziehung zu wenig Aufmerksamkeit schenken. Er fährt fort:

    Die therapeutische Beziehung hat möglicherweise bei bestimmten Diagnosen und bestimmten Therapiemethoden eine größere Wirkung als bei anderen. Genau wie bei anderen Studien zu Therapiemethoden genügt es nicht mehr, zu fragen ‚Funktioniert die therapeutische Beziehung?‘, sondern ‚Wie funktioniert die therapeutische Beziehung bei dieser Störung und dieser Therapie?‘. (S. 352)

    (3) Die überwiegende Zahl der Wissenschaftler im Bereich Selbstöffnung gehört der psychodynamischen Therapieschule an (z. B. Bridges, 2001; Greenberg, 1995b; Hill & Knox, 2002; Manning, 2005; Maroda, 1999a, 1999b; Safran & Muran, 2000; Tansey & Burke, 1991). (4) Der Großteil der Wissenschaft in dem Bereich versteht sich der Forschung zur therapeutischen Beziehung zugehörig – einem seit langem bestehenden Forschungsprogramm, das in ▶ Kapitel 2beschrieben wird.

    Die bisherige Forschung hat einige allgemeine Schlüsse über die Wirkung von Selbstöffnung auf den Patienten gezogen. Knox et al. (1997) berichten, dass Patienten die Selbstöffnung des Therapeuten häufig als heilsam und hilfreich empfinden. Sie führe zu neuen Einsichten und Perspektiven (z. B. neuen Erkenntnissen über sich selbst). In einigen Fällen hat die Selbstöffnung eine Modellwirkung für den Patienten. Andere Patienten fühlten sich bestätigt, dass ihr Verhalten „normal" ist und sie mit ihrem Leid nicht alleine sind. Das heißt, es wird ein Gefühl der Universalität des Leidenserreicht (Robitschek & McCarthy, 1991; Yalom, 1975). Bridges (2001) kommt zu dem Schluss, dass Selbstöffnung die therapeutische Beziehung vertieft, zu intensiveren emotionalen Erfahrungen beim Patienten führt und seine Verbindung mit dem Therapeuten verstärkt. Manning (2005) hebt hervor, dass Selbstöffnung die Selbstwahrnehmung des Patienten unterstützt, Empathie vermittelt, zeigt, wie das Verhalten des Patienten andere Menschen beeinflusst, zu kollaborativem Arbeiten ermutigt und den Therapeuten menschlicher macht. Barret und Berman (2001) stellen fest, dass Patienten, die Selbstöffnung des Therapeuten erlebt haben, weniger Symptombelastung zeigen und ihren Therapeuten mehr schätzen. Die Forscher weisen darauf hin, dass Selbstöffnung die Qualität der Patient-Therapeut-Beziehung verbessern kann und zu besseren Behandlungsergebnissen führt. Schließlich folgern Hill und Knox (2002) in einer Zusammenfassung des gegenwärtigen Stands der Literatur zur Selbstöffnung, dass Therapeuten Selbstöffnung aus verschiedenen Gründen einsetzen (z. B. um als Modell zu wirken, Empathie zu vermitteln, das Verhalten des Patienten zu validieren und ein Gefühl der Universalität des Leidens zu vermitteln). Sie schließen, dass Selbstöffnung grundsätzlich mehr nützt als schadet.

    Im Vergleich zur Verwendung der Selbstöffnung in anderen Therapien sind die besonderen Eigenschaften der persönlichen Gestaltung der therapeutischen Beziehung bei CBASP die folgenden:

    1.

    Die persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehung steht immer in einem Zusammenhang mit dem Ziel der Behandlung. Diese Ziele sind (a) die Wahrnehmung des Patienten wieder mit seiner Umgebung in Verbindung zu bringen; (b) maladaptive zwischenmenschliche Verhaltensweisen zu verändern; und (c) bei der Bewältigung von Traumata im Zusammenhang mit sich unangemessen verhaltenden, prägenden Bezugspersonen zu helfen.

    2.

    Die Beschreibung der persönlichen Gestaltung der therapeutischen Beziehung in diesem Buch beschränkt sich auf Patienten mit chronischer Depression. Dabei wird nicht der Anspruch erhoben, dass diese Strategien auch bei anderen Patienten nützlich sind.

    3.

    Die Begründungen für die persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehung beruhen auf den interpersonellen und innerpsychischen Bedürfnissen von chronisch depressiven Patienten (▶ Kap. 3).

    4.

    Die Umsetzung der persönlichen Gestaltung der therapeutischen Beziehung stützt sich auf Prinzipien der Lerntheorie (▶ Kap. 1, 5, 6) von Skinner (Kontingenzlernen; Skinner, 1968) und Bandura (Lernen am Modell; Bandura, 1977).

    5.

    In bestimmten Situationen lenkt der Therapeut bewusst die Aufmerksamkeit des Patienten auf den Therapeuten. Dies dient dazu, hartnäckige Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster zu durchbrechen. Diese Technik steht im Gegensatz zu der Auffassung von Wissenschaftlern im Bereich der Selbstöffnung, die einen durchgehenden Fokus auf den Patienten befürworten (z. B. Hill & Knox, 2002). Diese Techniken werden, wie andere neue persönliche Strategien, im ▶ Kapitel 3beschrieben und in den ▶ Kapiteln 5und 6näher erläutert.

    Zusammengefasst ist die Erforschung der Selbstöffnung ein willkommener Ausgangspunkt in einem Gebiet, dass Therapeuten zu lange zu starke Beschränkungen auferlegt hat. Wie Norcoss (2002) sagt, müssen wir mehr darüber wissen, welches Behandlungsmodell bei welchen Patientengruppen erfolgreich ist und welche Techniken in einem Modell das Zielverhalten am effektivsten beeinflussen. Hoffentlich führt uns das hier vorliegende Werk näher an dieses Ziel.

    1.5 Ziele dieses Buches

    Dieses Buch stellt dar, warum ich der Meinung bin, dass die persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehung in der Behandlung von chronisch depressiven Erwachsenen notwendig ist (anschaulich dargestellt anhand anwendungsorientierter Fallbeispiele; im Buch strukturiert durch grau hinterlegte Boxen sowie durch Verweise auf sie; Anm. d. Ü.). Mein Ziel ist es, eine allgemeine Debatte über die persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehung anzustoßen, so dass dieses Psychotherapiekonstrukt empirisch untersucht werden kann. Mir wurde bei der Ausbildung von Therapeuten im CBASP bereits früh klar, dass ich auf das strenge Verbot einer persönlichen Gestaltung der therapeutischen Beziehung eingehen muss, das wir alle in den Universitäten und während unserer Therapieausbildung gelernt haben. Im ▶ Kapitel 2gehe ich darauf ein, warum dieses Tabu über 100 Jahre bis zum heutigen Tage aufrechterhalten wurde. Jetzt wenden wir uns also der Besprechung der historischen Wurzeln dieses Tabus zu, indem wir die wichtigsten Psychotherapieschulen betrachten.

    Teil 2

    Das Verbot der persönlichen Gestaltung der therapeutischen Beziehung und die Bedürfnisse des chronisch depressiven Patienten

    James P. McCulloughJr.Therapeutische Beziehung und die Behandlung chronischer DepressionenCognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP)10.1007/978-3-642-19639-3_2© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

    2. Die Geschichte des Verbots der persönlichen Gestaltung der therapeutischen Beziehung

    James P. McCulloughJr.¹  

    (1)

    Department of Psychology, Virginia Commonwealth University, 23284-2018, Richmond, VA, USA

    James P. McCulloughJr.

    Email: jmccull@mail2.vcu.edu

    Zusammenfassung

    »Für die Rolle des Analytikers gibt es im wahren Leben kein Vorbild. A. Hoff er (2000)«

    Für die Rolle des Analytikers gibt es im wahren Leben kein Vorbild. A. Hoffer (2000)

    Psychotherapie wird seit einem Jahrhundert in Ausbildungsinstituten und Universitäten gelehrt und bei Patienten angewendet und ist ein Bereich mit intensiver wissenschaftlicher Aktivität; mit der Zeit entstand zudem eine unglaubliche Vielzahl an therapeutischen Methoden. Psychotherapie wurde aufs Schärfste attackiert und leidenschaftlich verteidigt, sie hat das Leben von Millionen verändert, einigen Menschen geschadet und andere unbeeindruckt gelassen. Heutige Patienten halten Psychotherapie überwiegend für hilfreich und gut für ihre Lebensqualität. Das gilt besonders, wenn sie sich lange genug behandeln lassen (Seligman, 1995). Der interpersonelle Stil der verschiedenen Therapeuten zeigt eine große Vielfalt. Manche sind sensibel, andere kaltschnäuzig, sie sind sanft oder aggressiv, empathisch oder distanziert, humorvoll oder mürrisch, zwanghaft oder hysterisch, dominant oder unterwürfig, freundlich oder feindselig, angepasst oder querdenkerisch, ruhig oder lautstark, zusammenarbeitend oder konfrontativ, direktiv oder nondirektiv. Therapeuten können auch eine Mischung von verschiedenen Stilen zeigen oder Eigenschaften besitzen, die Gegensätze charakterisieren.

    Trotz dieser Unterschiedlichkeit zwischen Therapeuten und Therapieverfahren gibt es jedoch eine festgeschriebene und unverletzliche Verhaltensregel: Therapeuten unterdrücken ihre Reaktion auf Patienten, weil eine persönliche Beziehungsgestaltung strengstens verboten ist. Ich habe über Jahre hinweg gehört, was Supervisoren angehenden Therapeuten zu persönlicher Beziehungsgestaltung beibringen: Bringen Sie sich nicht persönlich in die Beziehung ein!Dieses Verbot höre ich fast immer aus der Zuhörerschaft, wenn ich die persönliche Beziehungsgestaltung und ihre Anwendung bei CBASP beschreibe. Dies trifft sowohl für die Vereinigten Staaten als auch für andere Länder zu.

    Die Geschichte des Verbots der persönlichen Beziehungsgestaltung erfordert eine Beschreibung mehrerer bedeutender Psychotherapietraditionen. Wir beginnen mit der Psychoanalyse Freuds, kommen dann zu Rogers klientenzentrierter Psychotherapie, erhalten einen kurzen Überblick über mehr als 50 Jahre Forschung im Bereich der therapeutischen Beziehung und behandeln Kieslers interpersonelle Bewegung in der Psychotherapie, um zu zeigen, wie die Forschung zu interpersonellen Beziehungen uns näher an die persönliche Gestaltung der therapeutischen Beziehung herangeführt hat. Schließlich besprechen wir die Arbeit zweier Pioniere der persönlichen Beziehungsgestaltung, die das Verbot durchbrochen haben und die Therapeutenrolle neuartig nutzten.

    2.1 Sigmund Freud (1856–1939)

    Die „Sprechtherapie von Sigmund Freud war eine innovative Technik, die er im frühen 20. Jahrhundert entwickelte (Freud,1938, 1956; Jones, 1953). Er versuchte damit, die psychologischen Probleme seiner neurologischen Patienten zu lösen. Die Psychoanalyseentstand aus dem festen Glauben des Arztes an die deterministische Natur des Seelenlebens. Freud glaubte, dass die individuellen seelischen Eigenheiten ursächlich verknüpft sind mit realen Erlebnissen aus der Vergangenheit, die ihren Einfluss auf den Menschen seit seiner Geburt ausüben. In der Psychoanalyse lernen Patienten, Assoziationen zwischen lange vergessenen Erinnerungen und gegenwärtigen emotionalen Prozessen herzustellen. Die neu erstellten Verbindungen führen zu zwei Resultaten: (1) Eine Freisetzung psychischer Energie, die nun zum Gebrauch in der Gegenwart verfügbar ist („um ihm [dem Patienten] den psychischen Aufwand für innere Konflikte zu ersparen, Freud, 1926, S. 615 bzw. Freud, 1963, S. 248); und (2) ein positiver kraftgebender Einfluss auf das psychosoziale Funktionsniveau („das Beste aus ihm [dem Patienten] zu gestalten, was er nach Anlagen und Fähigkeiten werden kann, und ihn so nach Möglichkeit leistungs- und genussfähig zu machen", Freud, 1926, S. 615 bzw. Freud, 1963, S. 248). Freud glaubte an die Abhängigkeit des Behandlungserfolgs von einer akribisch gestalteten Beziehung mit jedem Patienten. Die Psychoanalyse erforderte sowohl vom Analytiker als auch von den Patienten die Einhaltung strenger Regeln, die Freud klar und deutlich beschrieb. Der Patient sollte Folgendes tun:

    Man leitet die Behandlung ein, indem man den Patienten auffordert, sich in die Lage eines aufmerksamen und leidenschaftslosen Selbstbeobachters zu versetzen, immer nur die Oberfläche seines Bewusstseins abzulesen und einerseits sich die vollste Aufmerksamkeit zur Pflicht zu machen, andererseits keinen Einfall von der Mitteilung auszuschließen, auch wenn man (1) ihn allzu unangenehm empfinden sollte, oder wenn man (2) urteilen müsste, er sei unsinnig, (3) allzu unwichtig, oder (4) er gehöre nicht zu dem, was man suche. (Freud, 1926, S. 611 bzw. Freud, 1963, S.

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1