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Balance statt Burn-out: Der erfolgreiche Umgang mit Stress und Belastungssituationen
Balance statt Burn-out: Der erfolgreiche Umgang mit Stress und Belastungssituationen
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eBook414 Seiten2 Stunden

Balance statt Burn-out: Der erfolgreiche Umgang mit Stress und Belastungssituationen

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Über dieses E-Book

Ein Autorenteam aus Experten beleuchtet Burn-out umfassend aus medizinischer, psychologischer und sozialpsychologischer Sicht und zeigt Strategien auf, wie die Abwärtsspirale der Dauerüberlastung vermieden bzw. behandelt werden kann. Ein Ratgeber für Ärzte, Psychologen und Laien, die fundiertes Wissen zu Burn-out benötigen.Burn-out, also ein komplexes Syndrom innerer Leere, des Ausgebranntseins und der physischen wie psychischen Erschöpfung, kann jeden treffen, in jedem Beruf und in jedem Alter, Männer genauso wie Frauen. Für Körper und Geist sind die Konsequenzen eines Burn-out für alle gleichermaßen gravierend. Der beste Weg aus dem Burn-out ist der Weg in die Balance. Es gibt kein Patentprogramm für einen optimalen Burn-out-Schutz, keine Sofortlösung und keine Anti-Burn-out-Pille. Burn-out ist ein Signal unseres Körpers mit starkem Aufforderungscharakter: Es muss sich etwas ändern. Und jede und jeder muss den für sich persönlich richtigen Weg finden.
Der Ratgeber zeigt Wege auf, wie man durch bewusste Veränderung seiner Lebensführung die gesamte Lebenssituation aus Beruf, Familie, Partnerschaft und Freizeit in ein Gleichgewicht bringen kann. Re-Balancing, zurück in die Balance, bedeutet, zurückzufinden zu der gesunden Leichtigkeit des Seins, zu Optimismus und Lebensfreude. Der Ratgeber bietet ganzheitliche, medizinisch und psychologisch aufeinander abgestimmte Empfehlungen und mögliche Therapieansätze.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum20. Sept. 2011
ISBN9783863710071
Balance statt Burn-out: Der erfolgreiche Umgang mit Stress und Belastungssituationen

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    Buchvorschau

    Balance statt Burn-out - Klaus Linneweh

    10).

    Kapitel 1:

    Alle reden vom Burn-out

    1.1 Die „Entdeckung" des Burn-out

    Dramatische Zahlen und großes persönliches Leid auf der einen Seite, Ignoranz und lässiges Achselzucken auf der anderen – zwischen diesen extremen Polen bewegt sich die öffentliche Wahrnehmung des Burn-out-Syndroms. Da die Anfänge des Syndroms oft von euphorischer Stimmung und gesteigerter Leistungsfähigkeit gekennzeichnet sind, ist der erste Schritt in die Abwärtsspirale des Ausbrennens meistens weder für die Betroffenen noch für deren Umfeld erkennbar. Obwohl man heute niemandem mehr erklären muss, was ein Burn-out ist, weil der Begriff längst Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs geworden ist, verhallen erste Alarmsignale meist ungehört. Unzählige Artikel, Bücher und Medienbeiträge sind in den letzten Jahren zu diesem Thema erschienen und doch ist ein rechtzeitiges Einschreiten, bevor es zu spät ist, nach wie vor eine große Ausnahme.

    Noch 1970 hätten bei einer Umfrage nach der Bedeutung des Begriffs „Burnout die meisten Befragten angegeben, ihn nicht zu kennen. Atomphysiker hätten erklärt, ein „Burn-out bezeichne das Durchbrennen von Wärmeaustauschern in Kernreaktoren. Literaturkenner hätten sich vielleicht an Graham Greenes Roman „A Burnt-out Case" von 1961 erinnert, der von einem ausgebrannten Zivilisationsflüchtling handelt. Motorradfahrer hätten folgendes Bild vor Augen gehabt: Man gibt bei angezogener Vorderradbremse ordentlich Gas. Der Hinterreifen dreht durch, erhitzt sich, fängt vielleicht Feuer, ist in jedem Fall in kürzester Zeit abgefahren – ohne dass man nur einen Meter vorangekommen ist. Und damit wären sie dem persönlichen Empfinden von Ausgebrannten auch schon recht nahegekommen.

    In den 1970er Jahren lag das Thema Burn-out schon in der Luft. 1974 erschienen in den USA unabhängig voneinander zwei Artikel zu diesem Thema – das dadurch erst zu einem wurde. Der nur sechsseitige Beitrag des New Yorker Arztes und Psychoanalytikers Herbert Freudenberger im Journal of Social Issues war der folgenreichere der beiden. Als Therapeut mit eigener, stark frequentierter Praxis arbeitete Freudenberger in den Abendstunden ehrenamtlich in einer Klinik für Drogenabhängige. Um deren Situation besser verstehen zu können, lebte er mehrere Monate auf der Straße. Zudem leitete er verschiedene Gesprächsgruppen. Er war verheiratet und Vater von drei Kindern. Wegen dieser außerordentlichen Belastungen näherte sich Freudenberger immer mehr einem Zustand totaler psychischer und physischer Erschöpfung. Er fühlte sich ausgelaugt, müde, resigniert, reizbar und unausgeglichen. Seine tägliche Arbeit kam ihm immer weniger effektiv vor. Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen und eine erhöhte Infektanfälligkeit waren weitere Symptome, die er in dieser Lebensphase unermüdlichen beruflichen Einsatzes an sich beobachten musste – und er bemerkte, dass es vielen seiner Kollegen ähnlich erging. Sie waren dabei auszubrennen.

    Sein Aufsatz „Staff Burn-outs" ist aus der Innensicht des Betroffenen geschrieben, ohne theoretischen Ballast. Wahrscheinlich ist dies der Grund für seine ungeheure Popularität. Seine überwiegend aus helfenden Berufen kommenden Leser erkannten sich in vielen Punkten wieder. Hier sprach endlich jemand von ihren Problemen. Burn-out betraf sie ebenso wie Freudenberger; es schien eine nahezu zwangsläufige Folge ihres großen beruflichen Engagements zu sein: Wer sich ständig für andere verausgabt, ist selbst irgendwann ausgebrannt.

    Freudenberger schrieb in den Folgejahren weitere Artikel und Bücher zu dem Thema, in denen er auch vorbeugende Strategien entwickelte (Einhaltung der Arbeitszeiten, regelmäßige Pausen und Auszeiten, Bemühen um kollegiale Unterstützung, körperliche Fitness). Eine exakte Definition, durch die sich Burnout von anderen psychosomatischen Beeinträchtigungen klar abgrenzen ließe, findet sich bei ihm jedoch nicht. Burn-out ist für ihn die quasi unvermeidbare Folge eines über längere Zeit andauernden großen und die eigenen Grenzen missachtenden Engagements für die Mitmenschen – ein schleichender Prozess, der in seiner Anfangsphase häufig unbemerkt voranschreitet, bis er schließlich zum Zusammenbruch des Betroffenen führt.

    „Ein Ausbrenner ist ein Mensch im Zustand der Ermüdung, der Frustration; sie wird hervorgerufen, wenn sich der Betroffene auf einen Fall, eine Lebensweise oder eine Beziehung einlässt, die den erwarteten Lohn nicht bringt." [Freudenberger et al. 1983]

    1974 erschien ein weiterer Artikel, diesmal in einer amerikanischen Management-Zeitschrift, der sich dezidiert mit dem Problem des Ausbrennens auseinandersetzte. Nur drei Seiten umfasste der Artikel Sigmund Ginsburgs, eines Dozenten für Management und außerdem Vizeverwaltungschef einer New Yorker Universität. Ginsburgs Beobachtung zufolge war das Ausbrennen eine typische Erkrankung des gehobenen Managements – der Preis, den viele ehrgeizige, hoch motivierte Manager für lange Jahre des Durchsetzungskampfes bis an die Spitze der Karriereleiter irgendwann zahlen müssen – sofern sie nicht rechtzeitig „auf die Bremse treten" und ein Leben neben dem Job zulassen. Wer sich ständig Höchstleistungen abverlangt, ständig Dynamik, Kreativität, Engagement und Durchsetzungsvermögen an den Tag legt, brennt irgendwann aus – nicht selten gerade dann, wenn das Ziel seiner Mühen greifbar nahe ist. Er verliert seine Energie, Innovations- und Entscheidungskraft nehmen deutlich ab, er arbeitet nicht mehr effektiv und macht schließlich einen kranken, leidenden Eindruck.

    Für Ginsburg ist Burn-out nicht nur ein individuelles, sondern auch ein ökonomisches Problem. Er empfiehlt den Betroffenen zwar ähnlich wie Freudenberger individuelle Präventionsmaßnahmen (Hobbys, regelmäßiger Urlaub, Aktivitäten mit Familie und Freunden, realistische Zielsetzungen, regelmäßige Gesundheitsvorsorge), doch sind diese Menschen für ihn eigentlich Gescheiterte. Sie haben zu hoch gepokert und mangels effizienter Strategien verloren. Da Unternehmen sich solche Führungskräfte auf Dauer nicht leisten können, sollten sie den Mut haben, sich von ihnen zu trennen, sofern keine andere Lösung gefunden wird.

    „Im heutigen, überaus komplexen beruflichen Umfeld können wir es uns nicht leisten, dass die höchst motivierten und ambitioniertesten Mitarbeiter ihren Biss verlieren, der sie und ihre Organisationen auf Erfolgskurs hält." [Ginsburg 1974]

    Im Gegensatz zu dem mit viel Empathie aus der Innensicht des Betroffenen geschriebenen Artikel Freudenbergers konnten sich die Leser in Ginsburgs nüchterner Analyse des Burn-out-Phänomens nicht in den beschriebenen Personen wiedererkennen und sich mit deren Problematik kaum identifizieren. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Wer will sich schon als Verlierer sehen! Sein Artikel geriet bald in Vergessenheit. Bis heute basiert die Burn-out-Literatur auf der Analyse Freudenbergers und seiner Analogie der leeren Batterie: Wer sich selbst ständig Höchstleistungen abverlangt, dessen Kraftreserven sind irgendwann erschöpft; die Batterien, die Akkus sind leer. Nur wenn es gelingt, sie wieder aufzuladen und dauerhaft Vorsorge zu treffen, dass sie sich nicht erneut entladen, kann eine Besserung eintreten. Burn-out ist aus dieser Perspektive betrachtet keine Krankheit, sondern ein Phänomen, das durch stressige Arbeitsbedingungen verursacht wird. Vor allem bei Tätigkeiten im sozialen und gesundheitlichen Bereich lässt sich Burn-out nicht gänzlich vermeiden, sondern nur minimieren. Dass Burn-out keine Besonderheit sozialer Berufe ist, sondern Menschen in allen Berufen gefährdet, vor allem Manager und Führungskräfte in Wirtschaft und Politik, ist nach dem in Vergessenheit geratenen Ginsburg-Artikel erst seit wenigen Jahren wieder Thema der wissenschaftlichen Diskussion.

    1.2 Wechselnde Bezeichnungen –

    ähnliche Symptome

    Die Regale der Buchhandlungen sind reich bestückt mit populärwissenschaftlichen Ratgebern zum Thema Burn-out. Kaum ein einschlägiges Medium, das in den letzten Monaten nicht Artikel zu diesem Thema veröffentlicht hätte. Für die meisten Autoren steht außer Frage: Burn-out, wie auch andere weit verbreitete psychosomatische Befindlichkeitsstörungen, bei denen offensichtlich ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der Betroffenen besteht, sind ein spezifisches Phänomen unserer Zeit mit ihrer Hektik, ihren permanenten Veränderungen, ihrem allgegenwärtigen Konkurrenzkampf und Leistungsdruck, die allen Berufstätigen ein außerordentlich hohes Maß an Anpassungsleistungen abfordern und dabei ihre Kraftreserven aufzehren.

    Schon ein kurzer Blick auf die Geschichte der Medizin [Hillert et al. 2006, Ehrenberg 2004, von Thadden 2004] zeigt, dass eine Drosselung des Lebenstempos allein als Therapie zu kurz greift. Die öffentliche Wahrnehmung eines Phänomens bedeutet nicht, dass das Phänomen neu ist. Viele Symptome depressiver Verstimmungen decken sich mit Burn-out. Zu allen Zeiten haben Menschen unter Antriebsschwäche, trauriger Grundgestimmtheit, schwindendem Interesse an der Außenwelt, herabgesetztem Selbstwertgefühl und Schlafstörungen gelitten.

    In früheren Jahrhunderten waren dies allerdings überwiegend Angehörige der oberen Schichten: Adelige, gehobene Kleriker und Künstler – von Walther von der Vogelweide über Michelangelo bis hin zu van Gogh und Nietzsche. Im 20. Jahrhundert blieb die geistig-seelische Erschöpfung nicht länger auf bestimmte Berufsgruppen beschränkt, sondern weitete sich zur Massenerkrankung aus – mit dramatisch steigender Tendenz. Heute spricht man bereits von der Volkskrankheit Depression. Allein in Deutschland gelten heute vier Millionen Depressive aus allen Altersklassen und sozialen Schichten als behandlungsbedürftig. Der Anteil der unter 40-jährigen Männer nimmt stark zu. Viele von ihnen bezeichnen sich selbst als beruflich ausgebrannt.

    Häufigste Merkmale einer Depression sind:

     Antriebslosigkeit

     innere Unruhe und Schlafstörungen

     fehlende Lebensfreude

     innere Leere und Traurigkeit

     vermindertes Selbstwertgefühl

     schwindende Interessen

     Konzentrationsschwäche

     Unentschlossenheit

     Schuldgefühle, Selbstzweifel

     Gedanken an Selbstmord

    In der Wissenschaft ist man sich weitgehend einig: Hauptursache für die Ausweitung der geistig-seelischen Erschöpfung zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem sind die Veränderungen in den hoch industrialisierten Ländern: „Depression ist die Krankheit einer Gesellschaft, deren Verhaltensnorm nicht mehr auf Schuld und Disziplin gründet, sondern auf Verantwortung und Initiative." [Ehrenberg 2004]

    Wir leben heute in einer Zeit, in der tief greifende technologische und gesellschaftliche Umbrüche immer schneller aufeinanderfolgen und uns in immer kürzeren Abständen erhebliche Anpassungsleistungen und Flexibilität abverlangen. Unsere individuellen Freiräume sind groß, dementsprechend erhöht sich auch die persönliche Verantwortung für die eigene Person. Der Einzelne ist zu Selbstverwirklichung, Erfolg und letztendlich auch zum Glücklichsein verpflichtet. Verunsicherungen werden als äußerst beängstigend erlebt; verlässliche Lebensplanung scheint oft kaum noch möglich. All dies kann auf Dauer zu erheblichen geistig-seelischen Belastungen und Versagensängsten führen, die das Selbst erschöpfen und bis zum Ausbrennen führen können. Der Soziologe Alain Ehrenberg bezeichnet die Depression als „Tragödie des persönlichen Ungenügens" und damit als die Krankheit des 21. Jahrhunderts.

    „Die Aufgabe, aus eigener Kraft aufzusteigen, Erfolg zu haben und glücklich zu sein, durchdringt alle Seelenräume. Wenn etwas nicht glückt, droht das Gefühl des Versagens … Die Angst, man selbst zu sein, versteckt sich hinter der Erschöpfung, man selbst zu sein."

    [Ehrenberg 2004]

    1.3 Lässt sich Burn-out messen?

    Erst in den 1980er Jahren wurde das Burn-out-Syndrom von der Sozialpsychologin Christina Maslach und dem Stressforscher Cary Cherniss nach wissenschaftlichen Kriterien untersucht. Sie zählen auch heute noch zu den wichtigsten Autoren, die sich mit dem Thema befasst haben. Maslachs Hauptanliegen war es, Burn-out messbar zu machen, um Informationen über Verbreitung und Häufigkeit des Syndroms und Korrelationen mit anderen Belastungsfaktoren zu gewinnen. Auf der Grundlage detaillierter Interviews mit Ausübenden unterschiedlicher Heilberufe begann sie, einen – nach ihr benannten und 1981 publizierten – Fragebogen zu entwickeln, das Maslach Burn-out Inventory (MBI). Es wurde in viele Sprachen übersetzt und ist noch heute in einer Monopolstellung die Grundlage der Burn-out-Forschung. Überspitzt könnte man sogar sagen: Nach wissenschaftlichem Verständnis ist Burn-out das, was das MBI misst.

    Maslach geht davon aus, dass es zu einem Burn-out kommt, wenn ein Mensch nicht mehr in der Lage ist, die emotionalen Überforderungen und Frustrationen, denen er in seiner täglichen Arbeit ausgesetzt ist, aus eigener Kraft angemessen zu bewältigen. Die Wahrscheinlichkeit auszubrennen ist nach ihren Untersuchungsergebnissen besonders hoch, wenn großes Engagement und ein hoher Leistungsanspruch mit einem Mangel an Feedback, schlechter Teamarbeit und administrativen Zwängen im beruflichen Umfeld aufeinandertreffen.

    Der Beginn eines Burn-out manifestiert sich nach Maslach auf drei Ebenen:

     Die Arbeit mit anderen Menschen führt unter entsprechenden Rahmenbedingungen bei vielen im Sozial- und Gesundheitsbereich Tätigen irgendwann zu emotionaler Erschöpfung, die häufig von einer eingeschränkten körperlichen Belastbarkeit begleitet wird.

     Die Helfer verlieren das Mitgefühl gegenüber ihren Klienten und entwickeln eine negative Grundeinstellung, die sich zum Zynismus steigern kann, von Maslach als Depersonalisation bezeichnet.

     Hinzu kommt eine negative Selbsteinschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit, das Gefühl der eigenen professionellen Wertlosigkeit, ein Widerwillen sich selbst gegenüber.

    Diese drei Ebenen soll das von Maslach entwickelte Messinstrument differenziert erfassen. In seiner heutigen Version besteht das MBI aus 25 Fragen zu den Skalen „emotionale Erschöpfung, „Depersonalisation und „persönliche Leistungsfähigkeit". Gemessen wird die Häufigkeit, mit der die angesprochenen Empfindungen im Erleben des Befragten auftreten. Je häufiger jemand emotionale Erschöpfung und Depersonalisation in seinem Arbeitsalltag bei sich feststellt und je geringer er seine aktuelle persönliche Leistungsfähigkeit einschätzt, desto ausgebrannter ist er.

    MBI – Maslach Burn-out Inventory nach Maslach & Jackson

    Bei dem Fragebogen geht es nicht darum, einen Gesamtwert für Burn-out zu berechnen, sondern die einzelnen Dimensionen zu erfassen.

    Die Kriterien

     Ich fühle mich von meiner Arbeit ausgelaugt.

     Am Ende eines Arbeitstages fühle ich mich erledigt.

     Ich fühle mich müde, wenn ich morgens aufstehe und wieder einen Arbeitstag vor mir habe.

     Es gelingt mir gut, mich in meine Klienten hineinzuversetzen.

     Ich glaube, ich behandle einige Klienten, als ob sie unpersönliche „Objekte" wären.

     Den ganzen Tag mit Leuten zu arbeiten, ist wirklich eine Strapaze für mich.

     Den Umgang mit Problemen meiner Klienten habe ich sehr gut im Griff.

     Durch meine Arbeit fühle ich mich ausgebrannt.

     Ich glaube, dass ich das Leben anderer Leute durch meine Arbeit positiv beeinflusse.

     Seit ich diese Arbeit mache, bin ich gleichgültiger gegenüber Leuten geworden.

     Ich befürchte, dass diese Arbeit mich emotional verhärtet.

     Ich fühle mich voller Tatkraft.

     Meine Arbeit frustriert mich.

     Ich glaube, ich strenge mich bei meiner Arbeit zu sehr an.

     Bei manchen Klienten interessiert es mich eigentlich nicht wirklich, was aus/mit ihnen wird.

     Mit Menschen in der direkten Auseinandersetzung arbeiten zu müssen, belastet mich sehr.

     Es fällt mir leicht, eine entspannte Atmosphäre mit meinen Klienten herzustellen.

     Ich fühle mich angeregt, wenn ich intensiv mit meinen Klienten gearbeitet habe.

     Ich habe viele wertvolle Dinge in meiner derzeitigen Arbeit erreicht.

     Ich glaube, ich bin mit meinem Latein am Ende.

     In der Arbeit gehe ich mit emotionalen Problemen sehr ruhig und ausgeglichen um.

     Ich spüre, dass die Klienten mich für einige ihrer Probleme verantwortlich machen.

     Ich fühle mich meinen Klienten in vieler Hinsicht ähnlich.

     Von den Problemen meiner Klienten bin ich persönlich berührt.

     Ich fühle mich unbehaglich bei dem Gedanken daran, wie ich einige meiner Klienten behandelt habe.

    1.4 130 Burn-out-Symptome?

    Den weiteren Verlauf der Burn-out-Forschung kennzeichnen eine immer stärkere Ausdifferenzierung möglicher Symptome und die Untergliederung des Prozesses in immer kleinere Phasen. In einer Untersuchung der themenrelevanten Literatur kam Matthias Burisch [Burisch 1994] auf eine Zahl von 130 verschiedenen Symptomen. Schaut man sich diese Auflistung aber genauer an, so fällt auf, dass keiner der von ihm untersuchten Autoren Kriterien angibt, ab wann ein bestimmtes Merkmal das Burn-out-Risiko erhöht. Ist berufliches Engagement schon an sich ein Risikofaktor? Bis zu welchem Ausmaß ist Engagement gesund und notwendig? Wo liegt die Grenze? Ab wann sind Schlafstörungen, Arbeitsunlust oder Konzentrationsstörungen bereits akute Burn-out-Symptome?

    Mit dem Beginn der 1990er Jahre breitete sich die Burn-out-Forschung weltweit aus. Von Amerika über Europa, den arabischen Raum bis nach China und Australien wurden mehr als 60 unterschiedliche Berufsgruppen mit Maslachs Fragebogen untersucht. Die Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen stieg stetig. Jährlich kommen zwischen 300 und 500 Publikationen hinzu [Hillert et al. 2006].

    Im Gegensatz zur großen Anzahl von Veröffentlichungen steht der gesicherte Kenntnisstand, denn noch immer fehlt die wissenschaftliche Trennschärfe: Mit welchen eindeutigen Kriterien ließe sich das Phänomen von anderen psychosomatischen Krankheitsbildern wie chronischer Erschöpfung oder Depression abgrenzen?

    Hillert und Marwitz gehen sogar so weit zu vermuten, dass „die Zahl inoffiziell-persönlicher Definitionen und Varianten annähernd der Gesamtzahl Betroffener entsprechen dürfte". Im Grunde sind wir heute in der gleichen Situation wie Freudenberger 1974: Burn-out erschließt sich am ehesten aus der Innensicht der Betroffenen. Es handelt sich um ein Konglomerat aus Stress, Arbeitsunzufriedenheit, emotionaler Erschöpfung, depressiver Lebensgrundhaltung, reduzierter Leistungsfähigkeit und schwindender Lebensfreude, das das persönliche Wohlbefinden und die Freude am Beruf schleichend zersetzt. So titelte der französische Soziologe Alain Ehrenberg seine Publikation treffend: Burn-out – das erschöpfte Selbst [Ehrenberg 2004].

    1.5 Burn-out und Stress

    Der Begriff Stress kommt aus dem Englischen und wurde bereits im Mittelalter für Zustände „äußerer Not und auferlegter Mühsal" verwendet [Schönpflug 1987]. Charles Darwin (1809–1882) benutzte zwar den Begriff Stress noch nicht, wird aber als Urvater der modernen wissenschaftlichen Stressforschung angesehen.

    Darwin vertrat die Ansicht, dass die Umwelt für alle Lebewesen eine ständige Bedrohung und Herausforderung darstellt. Dieser Stress erzeuge einen Selektionsdruck, den nur diejenigen überleben, die sich den Herausforderungen am besten anpassen können („Survival of the fittest"). Ohne den Stress des Selektionsdrucks gibt es, davon war Darwin zutiefst überzeugt, für das Leben insgesamt keinerlei Notwendigkeit zur Veränderung. Die Entwicklung des Lebens wäre ohne Evolution auf der Stufe der Einzeller stehen geblieben. Erstaunlich ist, dass Darwin die Reaktion eines Lebewesens auf die stresshaften Bedingungen seiner Umgebung als Reaktion des gesamten Organismus ansah – eine Hypothese, die sich durch die moderne Stressforschung mehr als hundert Jahre später eindrucksvoll bestätigte.

    Der amerikanische Physiologe Walter B. Cannon führte 1914 den Begriff Stress in die medizinische und psychologische Fachliteratur ein. In den 30er Jahren definierte Selye Stress als die Summe aller auf einen Organismus einwirkenden Reize. Zur Erklärung der dabei im Gehirn und im Körper feststellbaren Prozesse entwickelte er das nach ihm benannte Reiz-Reaktionsmodell des Stresssyndroms, das „allgemeine Adaptationssyndrom AAS" (siehe unten).

    Von Cannon zu Selye – die Entwicklung des Begriffs Stress

    Cannon verwendete den Begriff Stress als Sammelbegriff für Umwelteinflüsse, wie beispielsweise Hitze oder Kälte, die das innere Gleichgewicht eines Organismus stören oder schädigen. Cannon erkannte als Erster, dass unter Stressbelastung vermehrt Hormone in die Blutbahn ausgeschüttet werden – die sogenannten Katecholamine –, die dafür sorgen, dass der Organismus auf die drohende Gefahr angemessen reagiert.

    Cannons Stressbegriff wurde in den 30er Jahren von Hans Selye übernommen und popularisiert. Selyes historisches Verdienst besteht vor allem darin, den Blick der Forschung auf das Phänomen Stress gelenkt zu haben. Die Einfachheit des von ihm entwickelten Erklärungsmodells hat allerdings nicht unwesentlich zu der heute herrschenden Begriffsverwirrung beigetragen [Greif et al. 1991].

    Selye experimentierte vor allem mit Ratten, die er intensiven „Stressreizen" (z.B. Nahrungsentzug, Schmerz, Verletzungen, Hitze, Kälte) aussetzte. Seine eindrucksvollen Bilder von sehr bald auftretenden krankhaften Organveränderungen der Versuchstiere schienen den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Stress und Krankheit zu beweisen. Aufgrund dieser Forschungsergebnisse entwarf er das Modell des allgemeinen Adaptationssyndroms (AAS), das davon ausgeht, dass letztlich alle höheren Lebewesen, wenn sie starkem Stress ausgesetzt werden, die gleiche stereotype und unspezifische physiologische Reaktion zeigen.

    Nach Selye laufen die Stressreaktionen immer gleichförmig ab. Jedem intensiven Reiz folgen vier Stadien:

     Vorphase – der Moment der sogenannten Schrecksekunde.

     Alarmphase – bei der sich im Gehirn das Leitsystem für Gefahrensituationen einschaltet, das über die Ausschüttung von Hormonen sofort alle im Organismus verfügbaren Energiereserven mobilisiert und alle Kräfte auf die Abwehr der drohenden Gefahr konzentriert.

     Stadium des Widerstands – die Phase, in der alle zur Verfügung stehenden Energiereserven aufgebracht werden, um mit der Gefahr fertig zu werden, beispielsweise den Feind anzugreifen oder vor der drohenden Gefahr die Flucht zu ergreifen oder Maßnahmen zu finden, trotz Bedrohung ungefährdet weiterzuleben oder sich einer Situation anzupassen.

     Stadium der Erschöpfung – die Phase, in der alle Energien aufgezehrt sind. An dieses Stadium sollte sich unbedingt eine längere Phase der Erholung anschließen, um die verbrauchten Energien wieder aufzubauen (Regenerationsphase).

    Diese Stressreaktion ist ein äußerst sinnvoller biologischer Mechanismus, der Individuen in Gefahrensituationen eine größere Überlebenschance sichert. Sie kann aber zu einer ernsthaften Gesundheitsgefährdung werden, wenn sie nicht bis zur Endphase der Erholung und Regeneration ablaufen kann, weil beispielsweise einzelne Stressreize zu schnell aufeinanderfolgen.

    Selye war der Ansicht, dass dieser Reaktionsverlauf im Erbgut verankert und eine allen Lebewesen eigene, universell gültige, biologisch funktionale Anpassungsreaktion an Gefahrensituationen sei. Die moderne Zivilisation hindere uns aber daran, die durch Stress aufgebaute Reaktion z.B. durch körperliche Bewegung optimal abzureagieren, sodass die aufgestauten Reaktionen langfristig zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Sein Rezept „mehr Körperbewegung, weniger Essen und Rauchen" ist mit Sicherheit nicht falsch. Es taugt aber nur bedingt zur Lösung der täglichen Stressprobleme.

    Der erste Forscher, der sich dem Phänomen des Burn-out aus stresstheoretischer Sicht näherte, war Cherniss. Er vertrat die Ansicht, über längere Zeit andauernder Stress im beruflichen Alltag verändere Einstellungen und Verhalten besonders engagierter Menschen. Sie seien dann nicht mehr in der Lage, den Stress konstruktiv zu bewältigen, und gingen stattdessen zu defensiven Bewältigungsstrategien über, mit denen sie die anstehenden Probleme nicht lösen könnten – ein Prozess, der klar auf ein Burn-out zusteuere. Diesem Ansatz entsprechend war Cherniss vor allem am Verlauf des Burn-out-Prozesses interessiert und führte

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