Neue Herausforderungen in der Krankenpflegeausbildung im 21. Jahrhundert: Ausbildungsergänzungen für das Zeitalter des kollektiven Individualismus
Von Andreas Herteux
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Über dieses E-Book
In der Regel werden diese Herausforderungen allerdings aus dem Blickwinkel der Nachfrage, des Bedarfs an Arbeitskräften, betrachtet, weniger aus dem der tatsächlichen oder potenziellen Pflegekräfte.
Ein Ansatz, der oft verkennt, dass das Individuum heute einem völlig neuen Reizrahmen einer sich dynamisch wandelnden Wirklichkeit ausgesetzt ist, der sich prägend auf Persönlichkeitsentwicklung, Verhalten oder die Kompetenzen auswirkt. Aus dem Homo sapiens ist in vielen Fällen ein Homo stimulus geworden.
Auf diesen Homo stimulus sind die aktuellen Formen der Pflegeausbildungen oft nur unzureichend vorbereitet. Die Folgen sind hohe Abbruchquoten und eine zunehmende Diskrepanz zwischen gesellschaftlichem Nutzen des Berufes und dessen Ansehen.
Um den Bedarf an Pflegekräften für die Zukunft sichern zu können, erscheint es daher notwendig zu untersuchen, mit welchen Einflüssen des kollektiven Individualismus Auszubildende in der Pflege im 21. Jahrhundert konfrontiert werden, wie diese sich auf Persönlichkeit, Verhalten und Kompetenzen auswirken und wie mit ihnen umzugehen ist.
Das Ziel von Andreas Herteux Standardwerk ist es daher primär, individuelle und gesellschaftliche Veränderungen der Gegenwart und der nahen Zukunft für die Pflegeausbildung darzulegen, die Folgen zu betrachten, und sekundär, erste Anpassungsvorschläge zu skizzieren, um auf ein geändertes Auszubildendenverhalten sowie variierende Kompetenzen reagieren zu können.
Andreas Herteux
Andreas Herteux ist ein deutscher Wirtschafts- und Sozialforscher, Schriftsteller, Leiter des Erich von Werner Verlages und der Gründer der Erich von Werner Gesellschaft. Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt.
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Neue Herausforderungen in der Krankenpflegeausbildung im 21. Jahrhundert - Andreas Herteux
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Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Vorwort
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Forschungsfrage und Ziel
1.3 Aufbau
1.4 Grundannahmen und Einschränkungen
2. Das Zeitalter des kollektiven Individualismus
2.1 Begriffsdefinitionen
2.1.1 Kollektiver Individualismus
2.1.2 Homo stimulus
2.1.3 Verhaltenskapitalismus
2.1.4 Zeitenwandel
2.1.5 Moderne Reizgesellschaft
2.1.6 Reizrahmen
2.1.7 Moderne Identifikationsdissonanz
2.1.8 Milieukampf
2.1.9 Milieukonflikt
2.2 Neue Einflüsse auf das Individuum im 21. Jahrhundert
2.2.1 Die Etablierung des Verhaltenskapitalismus ....
2.2.2 Homo stimulus und moderne Reizgesellschaft
2.2.3 Weitere Einflüsse
2.2.3.1 Erosion der Gesellschaft
2.2.3.2 Milieukonflikte und Milieukampf
2.2.3.3 Moderne Identifikationsdissonanz
2.2.3.4 Vollständiger oder unvollständiger kollektiver Individualismus?
2.2.3.5 Sonstiges
2.3 Zusammenfassung
3. Die Pflegeausbildung in Deutschland
3.1 Kurze Historie der deutschen Pflegeausbildung
3.2 Ausbildung zum/zur Pflegefachmann/-frau
3.3 Reizrahmen der Auszubildenden in der Pflege
3.3.1 Die 50er-Jahre
3.3.2 Die 60er-Jahre
3.3.3 Die 70er-Jahre
3.3.4 Die 80er-Jahre
3.3.5 Die 90er-Jahre
3.3.6 Die 2000er-Jahre
3.3.7 Die 2009er-Jahre
3.3.8 Zeitalter des kollektiven Individualismus
3.4 Zusammenfassung
4. Empirische Befragung der Auszubildenden in der Pflege
4.1 Methodik und Vorgehensweise
4.2 Datenerhebung und Auswertung
4.3 Ergebnisse
4.3.1 Demografische Angaben
4.3.2 Allgemeine Mediennutzung
4.3.2 Spezifisches Medienverhalten und Selbsteinschätzung
4.3.3 Berufliche Fragen
4.3.4 Fragen zur Arbeitsweise
4.3.5 Einschätzung von Lösungsvorschlägen
4.4 Dateninterpretation und Diskussion
4.4.1 Demografische Angaben
4.4.2 Allgemeine Mediennutzung
4.4.3 Spezifisches Medienverhalten, Selbsteinschätzung und Fragen zur Arbeitsweise
4.4.4 Berufliche Fragen
4.4.4 Lösungsvorschläge
4.4.5 Zusammenfassung
5. Folgen für die Auszubildenden in der Pflege
5.1 Grundlegendes
5.2 Psychologische Folgen
5.2.1 Operante Konditionierung
5.2.2 Anerkennung und die Prägung der Identität ..
5.2.3 Veränderte Kompetenzen
5.2.3.1 Multitasking
5.2.3.2 Non-lineares Denken
5.2.3.3 Mobile Mediennutzung
5.2.3.4 Multimodale Verarbeitung (Sprache, Ton, Bild)
5.2.3.5 Kollaborative Zusammenarbeit
5.2.3.6 Komplementäre Entwicklungen
5.2.3.7 Fazit
5.3 Biologische Folgen
5.4 Soziokulturelle Folgen
5.5 Zusammenfassung
6. Maßnahmen
6.1 Reizrahmenorientierte Pflegeausbildungsevaluierung (RoPav)
6.2 Einbau des kollektiven Individualismus in den Unterricht
6.3 Anpassung der Ausbildung an den Homo stimulus
6.4 Einführung eines Pflegeausbildungsbelohnungssystems (PABS)
6.5 Reizrahmenorientiertes Pflegeausbildungsmarketing (RoPam)
6.6 Zusammenfassung
7. Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
ANHANG
Anhang 1: Fragebogen
Anhang 2: Fragen und Auswertung der strukturellen Interviews Pflegeschüler
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Einflüsse auf das Individuum im Zeitalter des kollektiven Individualismus
Abbildung 2: Kreislauf des Verhaltenskapitalismus
Abbildung 3: Einbettungsprozess
Abbildung 4: Formung des Homo stimulus
Abbildung 5: Rollenkonflikt des Individuums im Zeitalter des kollektiven Individualismus
Abbildung 6: Häufigkeit der Smartphone-Nutzung
Abbildung 7: Zeitlicher Aufwand der SP-Nutzung
Abbildung 8: Präferierte Internetformate
Abbildung 9: Präferierte Arbeitsweisen
Abbildung 10: Verbesserungsvorschläge
Abbildung 11: Einflüsse auf das Individuum im Zeitalter des kollektiven Individualismus
„Es ist völlig ohne Bedeutung, wie sich der Mensch die Welt
erklärt; fest steht nur, dass er es muss."
Vorwort
„Der Stillstand gibt immer so lange eine trügerische Ruhe, bis er sich zum Rückstand fortentwickelt."
Kaum ein gesamtgesellschaftlicher Komplex hat eine größere Bedeutung als der der Pflege, denn dieser muss die Versorgung von Millionen Pflegebedürftigen erbringen. Ob er dies auf Dauer noch zu leisten vermag, muss dagegen hinterfragt werden, denn zu offensichtlich sind die Lücken und Mängel im System. Es gibt daher einen stetigen Optimierungs- und Anpassungsbedarf an eine sich wandelnde Zeit.
Dies bringt gewaltige Herausforderungen mit sich, denn einerseits gilt es, umfangreiche sowie vielschichtige Strukturen und Entwicklungen zu verstehen, andererseits, das Feld auch zu bestellen und die Saat zum Erblühen zu bringen.
Bereits das Erste ist häufig mit größeren Schwierigkeiten verbunden, denn neben den Betrachtungen der vielbenannten Probleme des Themenbereiches wie dem Fachkräftemangel existieren kaum Einordnungen in einen Gesamtrahmen, der ein sich stetig wandelndes, wirtschaftliches und vor allem gesellschaftliches Umfeld, das die Pflegekräfte der Zukunft unabänderlich in Verhalten, Einstellungen, Kompetenzen und auch Persönlichkeit prägt, angemessen berücksichtigt. Zu oft rücken daher Fragestellungen des Pflegebedarfs sowie die Strukturen selbst in den Mittelpunkt, während Prägungsentwicklungen durch eine neue Zeit, die in der Regel fundamental für die Tätigkeitswahl sind, kaum Berücksichtigung finden.
Dabei ist Letzteres vielleicht die größere Herausforderung, denn Pflegekräfte sind, anders als es die Statistiken gelegentlich erscheinen lassen, kein beliebig austauschbares Human-kapital, sondern Menschen, deren Erfahrungen, Konditionierungen oder Erleben darüber mitentscheiden, ob und wie sie einen Beruf erlernen oder dauerhaft ausüben möchten. Die hohen Abbruchquoten in der Pflegeausbildung in Deutschland machen dies mehr als deutlich und sollten hier als ein dringender Hinweis betrachtet werden,¹ sich noch eingehender m it den potenziellen Pflegekräften der Zukunft zu befassen.
Es bleibt daher unzweifelhaft sinnvoll, sich am Bedarf oder an den Strukturen zu orientieren, es wäre aber auf der anderen Seite unverzeihlich, Veränderungen bei der Entwicklung der Pflegekräfte selbst zu ignorieren. Hierfür allerdings müssen die Einflüsse auf das Individuum im 21. Jahrhundert und deren Auswirkungen, die in diesem Buch dargestellt werden, Teil der Diskussion und damit auch der Lösung werden. Diese Elemente sollen daher auf den folgenden Seiten in den Mittelpunkt rücken und sich damit der Thematik auf eine andere Art und Weise annähern – nicht von der Seite der Nachfrage nach Arbeitskräften, sondern von der des Angebotes, denn dieses hat sich im Zeitalter des kollektiven Individualismus gewandelt.
Bezüglich des Aufbaus des Buches sei angemerkt, dass das vorliegende Werk, in leicht modifizierter Form,² zum Erwerb eines akademischen Grades eingereicht, positiv begutachtet und anschließend in einem Rigorosum erfolgreich verteidigt wurde. Die Struktur war daher vorgegeben und blieb grundsätzlich unverändert, erscheint dennoch äußerst zweckdienlich.
Abschließend darf der Hinweis erfolgen, dass nicht jede These oder jeder Lösungsvorschlag den Beifall des Lesers finden muss, jedoch stets die Debatte anreizen soll, um die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft zum einen darzulegen und zum anderen Ansatzpunkte geben zu können, diese auch zu meistern. In der Summe wird es aber vieler Steine bedürfen, um das Mosaik einer besseren und zukunftsfähigen Pflege zu vervollkommnen. Dieses Buch kann – im besten Falle – nur einer davon sein und auf seinen wichtigsten Forschungsgegenstand verweisen, den es interdisziplinär betrachtet: die Pflegekraft selbst, welche mit völlig neuen Reizen und Mechanismen konfrontiert wird, die sie in vielen Fällen zum Homo stimulus werden ließen. Auf diesen neuen Menschen müssen sich auch die Ausbildungen in der Pflege einstellen, denn einen anderen könnte es nicht mehr geben.
Andreas Herteux
¹Ca. 30%. Zur Quellenlage wird auf die folgenden Kapitel verwiesen.
²Beispielsweise wurde im November 2021 ein neues Sinus-Milieu-Modell veröffentlicht, das eine Aktualisierung der verwendeten Vorlage zur Folge hatte.
1. Einleitung
„Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen."³
Ovid
Der Wandel ist ein stetiger Teil des Lebens. Einem fließenden Gewässer gleich, treibt er stets voran, trägt das Alte ab oder schwemmt es gleich hinweg. Eine solche Veränderung und deren Auswirkungen sollen auch im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen, denn das 21. Jahrhundert hält für das Individuum mannigfaltige Umbrüche bereit, die sowohl das Verhalten als auch die Persönlichkeit sowie die Kompetenzen massiv beeinflussen können: Einerseits gibt es einen deutlichen Trend zur Individualisierung, auf der anderen Seite ist ein Zerfall der sozialen Milieus zu beobachten. Das Zeitalter des kollektiven Individualismus ist angebrochen, wird dominiert von Verhaltenskapitalismus, moderner Reizgesellschaft und Milieukämpfen, die teilweise bis in die Intimsphäre des Menschen vordringen – und irgendwo dazwischen findet sich der Mensch, der mehr und mehr Merkmale eines Homo stimulus annimmt. Doch was bedeutet das für die Gesellschaft? Was für das Individuum? Was für die Ausbildung in der Pflege? Auf welche Art und Weise ist mit dieser Entwicklung umzugehen? Das sind die Fragen, denen es sich auf den kommenden Seiten zu stellen sowie zu beantworten gilt.
1.1 Problemstellung
Der Lauf der Welt zeichnet sich durch Veränderung aus. Im Mittelpunkt dieses Buches sollen allerdings nicht die allgemeinen gesellschaftlichen Konsequenzen dieses Zeitenwandels stehen, sondern die konkreten Auswirkungen auf die Ausbildung in einem bestimmten Bereich: dem der Pflege, was aber zugleich nicht bedeutet, dass grundlegende Erkenntnisse nicht auch auf andere Felder übertragen werden können:
Mit welchen Einflüssen werden daher Auszubildende im Zeitalter des kollektiven Individualismus im 21. Jahrhundert konfrontiert?
Welche Kräfte prägen diese neue Ära?
Wie können diese großen und unübersehbaren Trends den Einzelnen verädern?
Was bedeutet der Homo stimulus für die Pflegeausbildung?
Wie lässt sie sich anpassen?
Das wären die grundsätzlichen Fragen, die in dieser Arbeit gestellt, beantwortet und diskutiert werden sollen. Dabei soll der Wunsch nach der Debatte deutlich betont sein, denn die Themenstellung wagt sich unzweifelhaft auf ein Feld, das bislang noch nicht abgeerntet wurde. Zwar gibt es zahlreiche Studien und Arbeiten, die beispielsweise den Einfluss der modernen Reizgesellschaft auf den Einzelnen beleuchten,