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Beidhändige Führung: Wie Sie als Führungskraft durch Ambidextrie Innovationssprünge ermöglichen
Beidhändige Führung: Wie Sie als Führungskraft durch Ambidextrie Innovationssprünge ermöglichen
Beidhändige Führung: Wie Sie als Führungskraft durch Ambidextrie Innovationssprünge ermöglichen
eBook515 Seiten4 Stunden

Beidhändige Führung: Wie Sie als Führungskraft durch Ambidextrie Innovationssprünge ermöglichen

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Über dieses E-Book

Dieses Fachbuch bereitet Führungskräfte auf neue Aufgaben im Zuge fundamentaler Veränderungsprozesse vor

In Zeiten des digitalen Wandels, radikaler Brüche und ungeplanter Krisen wird Ambidextrie für global agierende Unternehmen zur Schlüsselkompetenz. Beidhändigen Unternehmen gelingt es, ihr Kerngeschäft weiterzuentwickeln, während sie gleichzeitig völlig neue Geschäftsfelder für die Zukunft erschließen. Wie im Führungsalltag aus dieser Zerreißprobe ein eleganter Spagat werden kann und wie beidhändige Führung den Sprung in die Zukunft ermöglicht, veranschaulichen zahlreiche Praxisbeispiele und Umsetzungstipps. 

Erfahren Sie in diesem deutschsprachigen Standardwerk zu Ambidextrie und Führung die konkrete Umsetzung
  • Ambidextrie als Führungsinstrument in der digitalen Transformation
  • Bewusstes Gestalten des digitalen Wandels
  • Innovationssprünge ermöglichen
  • Evolution und Revolution gleichzeitig managen
  • Beidhändig führen in Krisenzeiten 

Das Fachbuch liefert leicht umzusetzende Handlungsoptionen für Führungskräfte, um die Zeit des Wandels bewusst und aktiv zu gestalten, die Menschen in Unternehmen zu begeistern, ihr kreatives Potenzial freizusetzen und als Organisation den Sprung in die Zukunft zu schaffen. Die zweite, erweiterte Auflage greift zusätzlich die Folgen der COVID-19-Pandemie auf und dokumentiert, wie Beidhändigkeit auch in der Krise zur Schlüsselkompetenz für Führungskräfte wird.
SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum15. Sept. 2020
ISBN9783662615720
Beidhändige Führung: Wie Sie als Führungskraft durch Ambidextrie Innovationssprünge ermöglichen

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    Buchvorschau

    Beidhändige Führung - Julia Duwe

    © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020

    J. DuweBeidhändige Führunghttps://doi.org/10.1007/978-3-662-61572-0_1

    1. Einleitung: Die Zerreißprobe

    Julia Duwe¹  

    (1)

    Stuttgart, Baden-Württemberg, Deutschland

    Julia Duwe

    Email: info@ambidextrie.de

    Zusammenfassung

    Evolution oder Revolution? Unternehmen stehen heute vor einer nie da gewesenen Zerreißprobe. In Zeiten von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz müssen sie die bestehenden Produkte und Dienstleistungen dramatisch verbessern, um auf weltweiten Märkten und in heftigen Preiskriegen kurzfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Zugleich gilt es mit radikal neuen Lösungen die Zukunft zu gestalten, um die Organisation auch langfristig überlebensfähig zu halten. Die Evolution zahlt die Gehälter, die Revolution muss das zukünftige Business sichern. Und beide Welten müssen zudem immer öfter völlig unvorhersehbaren Krisen standhalten.

    Sich gleichzeitig in diametral entgegengesetzten Welten zu bewegen, ist ein Spagat, der von Organisationen und den Menschen, die in ihnen arbeiten in höchstem Maße Flexibilität und Anpassungsfähigkeit erfordert. Unternehmenserfolg setzt heute voraus, dass Sie beides beherrschen. Führung bedeutet heute, sowohl die Gegenwart als auch die Zukunft zu orchestrieren und beide Welten gleichermaßen voranzutreiben.

    1.1 Evolution oder Revolution?

    Wie gelingt der Weg durch die digitale Transformation? Wie können Unternehmen die Veränderung steuern? Welche Mittel, Methoden, Strukturen sind die besten, um den Sprung in die Zukunft zu schaffen? Stellt man diese Fragen unter Führungskräften, herrscht selten Einigkeit. Wir wissen mit Sicherheit, dass kein Weg an der Digitalisierung vorbeiführt, doch zugleich fehlt das eine Patentrezept für den erfolgreichen Sprung. Dabei wachsen die Anforderungen an Organisationen im Umfeld der Digitalisierung exponentiell. Analysten zufolge steigt die Zahl der vernetzten IoT-Devices (Geräte, Maschinen, Anlagen) bis 2030 auf 125 Mrd. an, dies mit einem jährlichen Wachstum von durchschnittlich 12 %. Der globale Datenverkehr soll innerhalb der nächsten 15 Jahre von heute 20–25 % jährlichem Wachstum auf durchschnittlich 50 % Wachstum pro Jahr zulegen [1].

    Mittel- bis langfristig werden nur diejenigen Unternehmen wettbewerbsfähig sein, die den Einzug in die digitale, datengetriebene Welt erfolgreich meistern, die ihre Zukunft aktiv gestalten und ihren Platz in einem neuen, digitalen Ökosystem einnehmen. Die Anstrengungen reichen von zögerlichem bis hin zu absolut konsequentem Vorgehen: „Ab 2025 enthält jedes Bosch-Produkt künstliche Intelligenz oder wurde mit ihrer Hilfe entwickelt beziehungsweise produziert", erklärt das Industrieunternehmen BOSCH im Vorfeld der Consumer Electronics Show CES 2020 in Las Vegas [2]. Doch die Anforderungen an Unternehmen sind vielfältiger denn je. KI und das Internet der Dinge stellen jede Branche und jede Industrie vor ganz eigene Herausforderungen.

    Bewegt sich ein Unternehmen auf der Seite des Internets, so gilt es Partnerschaften mit der Hardware-Welt einzugehen, sich beispielsweise im Smart Factory-Umfeld der Industrie 4.0 auf der Feldebene der intelligenten Hardware-Komponenten genauso elegant zu bewegen wie auf der Ebene der datenbasierten Fabriksteuerung. Zählt eine Organisation zu den „Dinge-Machern" im Internet der Dinge, so zielt ihre Strategie darauf ab, verstärkt die IT-, Software- und Daten-Kompetenzen auszubauen. Es gilt, vernetzte Hardware-Produkte zu den intelligenten Systemen zu entwickeln, die den Kunden datenbasiert zu jedem Zeitpunkt den besten Dienst erweisen: die den Prozess des Kunden rund um die Uhr mit Sensoren begleiten, ihm jeden Wunsch von den Lippen ablesen und die sich eigenständig und mit immer neuen Services an geänderte Nutzerbedürfnisse anpassen.

    Wie gelingt der Sprung in die Zukunft?

    Nur wie gelingt den Anbietern von Produkten und Dienstleistungen dieser Sprung in die Zukunft? Wie gelingt der Wandel vom Automobilhersteller zum Anbieter von Mobility as a Service? Wie wird ein Komponentenhersteller von Automatisierungstechnik zum Anbieter von Produktivität On Demand für die Smart Factory? Wie werden Werkzeugmaschinen zu digital vernetzten Datenfabriken? Wie werden Filter in Verbrennungsmotoren zu intelligenten Alltagshelfern der Menschen in der Globalisierung? Wie schaffen wir den Sprung in die Zukunft, obwohl unser heutiges Geschäft erfolgreich unsere Gehälter bezahlt?

    Der Harvard Business School-Professor Clayton M. Christensen wies schon 1997 in seinem viel zitierten Werk „The Innovator’s Dilemma" auf den Konflikt sehr erfolgreicher Unternehmen hin. Während diese mit dem heutigen Geschäft satte Gewinne einfahren, sind sie zugleich der Gefahr ausgesetzt, den Zeitpunkt für den Absprung in die Zukunft zu verpassen. Gerade in Zeiten schwarzer Zahlen und wachsendem Umsatz gilt es frühzeitig in neue Technologien und Geschäftsmodelle zu investieren – und gerade dann, wenn die neuen Lösungen das gegenwärtige Geschäft völlig infrage stellen [3].

    Um trotz intensivem Wettbewerbsdruck im Kerngeschäft die Einführung zukünftiger Lösungen nicht zu verpassen und in das in Abb. 1.1 dargestellte Dilemma gerade nicht zu geraten, müssen Unternehmen beide Welten gleichermaßen orchestrieren: die Gegenwart und die Zukunft. „Einerseits müssen wir unsere bestehenden Strukturen, Erzeugnisse und Prozesse weiterentwickeln, andererseits brauchen wir aber auch ganz neue Technologien, Produkte und Lösungen", erklärt Ansgar Kriwet, Vertriebsvorstand der Festo AG, auf der Hannover Messe 2017 [4] das Spannungsfeld und zugleich die beidhändige Strategie des Automatisierungsunternehmens. Die Evolution, die kontinuierliche Weiterentwicklung und Verbesserung von Automatisierungskomponenten für den Maschinen- und Anlagenbau und für weltweite Massenmärkte geht hier einher mit der Revolution, dem Sprung in die Welt der intelligenten Automatisierungslösungen für die Industrie 4.0.

    ../images/451175_2_De_1_Chapter/451175_2_De_1_Fig1_HTML.png

    Abb. 1.1

    Zu beschäftigt für Innovation?

    (Quelle: Eigene Darstellung inspiriert von R. van den Bergh [5])

    Spagat-Konzerne

    „Vom Autobauer zum Spagat-Konzern", titelt die Süddeutsche Zeitung anlässlich des 100. Geburtstages des Traditionsunternehmens BMW im März 2016 [6] und erklärt den Begriff der „Disruption wie folgt: „Eine Technologie löst eine andere ab. Es kommt zu Brüchen, vielleicht sogar zum totalen Bruch mit der Vergangenheit [6]. In zahlreichen Unternehmen wird aktuell sichtbar, wie zwei völlig gegensätzliche Welten aufeinander prallen, wie beispielsweise der Verbrennungsmotor nicht nur mit alternativen Antriebskonzepten, sondern gleich mit völlig neuen datenbasierten Lösungen für die zukünftige Mobilität von Menschen konkurriert. Bei der Auflösung dieses Konfliktes hilft ein einfacher Ansatz. In der Übergangszeit brauchen Unternehmen beide Welten, denn ohne Evolution keine Revolution: „Irgendwann muss die BMW Group den großen Sprung machen, sagt Tony Douglas, der BMW-Mann fürs Digitale. „Wenn er dann kommt, müssen wir es so organisieren, dass die Evolution die Revolution bezahlt [6].

    Ob Automatisierungslösungen für die Industrie 4.0 oder Mobilitätsdienstleistungen der Zukunft – dies sind nur ausgewählte Beispiele, die verdeutlichen, dass sich die Industrie im radikalen Umbruch befindet. Im Zuge der digitalen Transformation sind Unternehmen jedoch nicht nur mit dem technologischen Wandel konfrontiert. Die Deutsche Akademie der Technik Wissenschaften Acatech fordert bereits 2013 in den Handlungsempfehlungen für die Industrie 4.0 einen „sozio-technischen Ansatz des Zukunftsprojektes" [7]. Um immer neue smarte Produkte und Dienstleistungen für die Kunden weltweit hervorzubringen, müssen auch neue Formen der Zusammenarbeit geschaffen werden. In Organisationen rücken deshalb die Kernprozesse ins Visier. Hier gilt es immer neue Lösungen hervorzubringen, die den Firmen den Sprung in die Zukunft sichern und die Kunden begeistern.

    Massenpersonalisierung

    Denn was wollen Kunden? Einerseits muss die Industrie globale Massenmärkte bedienen können, um den Bedarf nach Produkten und Erzeugnissen von bald acht Milliarden Menschen (Stand: Mai 2020) weltweit [8] zu decken. Andererseits steigen die Anforderungen an die produzierenden Unternehmen, immer zielgerichteter auf Kundenwünsche einzugehen und für jeden Einzelnen das individualisierte Lösungsangebot zu liefern. „Wer sich digital gut aufstellt, kann seinen Kunden einen höchst personalisierten Service bieten, seine Werteversprechen hyperpersonalisieren, erklärt die Unternehmensberatung Accenture [9]. Eine institutsübergreifende Studie der deutschen Fraunhofer-Gesellschaft für angewandte Forschung sieht hier ein riesiges Marktpotenzial für Unternehmen. Die Autoren empfehlen in der Studie „Mass Personalization einen konsequenten „Business to User"-Ansatz (B2U) und zeigen auf, wie personalisierte Produkte und Dienstleistungen die Wertschöpfungsprozesse in Unternehmen immer weiter verändern [10].

    Zukünftige Geschäftsmodelle für personalisierte Produkte und Dienstleistungen entzögen sich der tradierten Einordnung in B2B und B2C und verfolgten vielmehr die Logik des B2U. In der beschriebenen Welt werden sich Nutzerbedürfnisse immer weiter verändern. Produkte sind definiert „als Summe ihrer Services über den Lebenszyklus", deren echter Mehrwert erst durch die Vernetzung entsteht. In dieser Welt rücken Unternehmen konsequent den Nutzer in den Mittelpunkt, entwickeln ein umfassendes Verständnis seiner Bedürfnisse und Wünsche und schaffen die Möglichkeit, ihn in den Innovationsprozess zu involvieren [10].

    Und damit nicht genug, denn ist ein Produkt erst auf dem Markt, ist es noch lange nicht fertiggestellt. Denn jetzt entstehen um das Angebot herum ganze Ökosysteme, in denen Communities über digitale Services das ursprüngliche Lösungsangebot immer weiter individualisieren und kundenspezifisch ausprägen. Der Kunde entwickelt kontinuierlich mit – ein Paradigmenwechsel, den es heute und in Zukunft zu meistern gilt. Nicht nur die Wertschöpfung innerhalb von Unternehmen wird sich deshalb zu „wandelbaren, flexiblen vernetzten Wertschöpfungssystemen" entwickeln. Immer mehr muss zur Erfüllung der Kundenwünsche unternehmensübergreifend kooperiert werden [10]. Damit sind es nicht mehr die technologischen Innovationen allein, die Unternehmen einen Vorsprung am Markt sichern. Es ist die Art und Weise der Zusammenarbeit, die Fähigkeit, in Netzwerken und Communities zu denken und zu handeln und eine führende Rolle in Wertschöpfungsökosystemen einzunehmen, die weit über die Unternehmensgrenzen hinausreichen (Kap. 3).

    Kommoditisierung

    Doch zurück in die Gegenwart. Jenseits der digitalen Wertschöpfungsnetzwerke dreht sich die Welt von Industrieunternehmen auf Hochtouren weiter um das Kerngeschäft. Hier sind die Märkte globalisiert und gesättigt, die Technologien ausgereift. Und während Produkte zur Commodity, zur austauschbaren Massenware, werden, die Preise auf Tiefststände sinken und Unternehmen immer weiter mit ihrer Kostenstruktur kämpfen, liegt die Strategie in erster Linie darin, besser als der Wettbewerb zu sein. Um langfristig überhaupt die Zukunft gestalten zu können, müssen Unternehmen zunächst die Gegenwart bewältigen (Kap. 4). Kundenwünsche müssen erfüllt, schwarze Zahlen geschrieben, Umsatzzuwächse erzielt werden. Denn nur wer erfolgreich im Hier und Jetzt agiert, wird ausreichend Ressourcen besitzen, um den großen Sprung in die Zukunft zu finanzieren.

    Da sind wir also in der beidhändigen Organisation. Ob Globalisierung, Kommoditisierung, Digitalisierung, immer kürzere Produktlebenszyklen, verschärfter Preiswettbewerb oder disruptive Technologien – in einem hochdynamischen Markt- und Technologieumfeld gilt es für alle Einwirkungen von außen die richtige Antwort parat zu haben (Abb. 1.2). Dass zu den Einwirkungen von außen neuerdings auch völlig unberechenbare Krisen zählen, vertieft dieses Buch in Kap. 6.

    ../images/451175_2_De_1_Chapter/451175_2_De_1_Fig2_HTML.png

    Abb. 1.2

    Beidhändigkeit: Entgegengesetzte Innovationsparadigmen in einer Organisation

    1.2 In der digitalen Transformation ist Beidhändigkeit zentrale Führungsfähigkeit

    In der beidhändigen Organisation sind Führungskräfte täglich gefordert, das bestehende Geschäft hocheffizient voranzutreiben und zugleich in neue, unbekannte Gefilde vorzustoßen. Innovationssprünge sollen die Zukunft des Unternehmens sichern, während die Optimierung des heutigen Geschäftes dafür sorgt, dass Gehälter gezahlt und Kundenwünsche sofort befriedigt werden können.

    Das Buch Beidhändige Führung setzt an dieser Stelle an. Es bereitet Führungskräfte auf neue Aufgaben im Zuge der Digitalisierung vor, denn Beidhändigkeit ist für global agierende Industrieunternehmen die zentrale Schlüsselkompetenz. Vermehrt wird im Zuge der digitalen Transformation das gleichzeitige Orchestrieren in sich widersprüchlicher Innovationsansätze gefordert. Evolution und Revolution sind die beiden Welten, in denen sich Führungskräfte heute bewegen müssen.

    Doch gerade im Umfeld der Revolution wird häufig auf die Defizite von Führungskräften gezeigt: „Führungskräfte bremsen digitale Transformation aus" titelt das Industrie-Magazin Scope im Januar 2017 [11]. Die deutschen Mittelstandsnachrichten bemerken „Wissenslücken der Führungskräfte [12]. Im Online-Portal CIO liest man: „Führungskräfte verschlafen die Digitalisierung [13]. Was also können wir tun, um diesem Trend entgegen zu wirken?

    Digitalkompetenz durch Ambidextrie-orientierten Führungsstil

    Dieses Buch vertritt die These, dass Digitalkompetenz nicht dann entsteht, wenn sich Führungskräfte flächendeckend zu Daten-, Software- und IT-Experten verwandeln. Sie entsteht auch nicht, wenn erfolgreiche Unternehmen ihre Strukturen und Funktionsweisen über Bord werfen, auf Hierarchien gänzlich verzichten und sich voll und ganz einer Start-up-Kultur verschreiben. Digitalkompetenz kann dann entstehen, wenn Führungskräfte sich vom Modell des allwissenden Vorgesetzten lösen, stattdessen kontinuierlich dazulernen und intensiv ihre Vernetzungs- und Kommunikationsfähigkeiten ausbauen.

    Bei zunehmend komplexen Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen, bei einem nicht mehr aufzuhaltenden Verschmelzen von Hardware, Software und Dienstleistungen in einem Lösungsangebot ist das Konzept der alles wissenden Führungskraft veraltet. Stattdessen sind völlig neue Führungsfähigkeiten gefragt, die ebenso erfolgsentscheidend sind wie die detaillierte Kenntnis einer technischen Disziplin. Zusätzlich zum Wissen über komplexe Regelalgorithmen, über Vernetzungssoftware, Data Analytics oder IT-Infrastrukturen spielen die Entwicklung von Geschäftsmodellen und der Aufbau von internen und externen Ökosystemen eine immer wichtigere Rolle. Die Vernetzung von Disziplinen und das Beherrschen und Einführen von kollaborativen Innovationskulturen mit flachen Hierarchien sind nur einige Führungsfähigkeiten, die in diesem Umfeld zwingend notwendig sind. Und damit beginnt ein fundamentaler Umdenkprozess im Verständnis von Führung.

    Die zentrale Führungskompetenz, die sowohl im evolutionären als auch im revolutionären Umfeld greift und beide Welten vereint, ist die Ambidextrie [14, 15]. Ambidextrie bedeutet „Beidhändigkeit", die Fähigkeit beide Hände gleichermaßen gut einsetzen zu können [16]. Übertragen auf Unternehmen beschreibt das Konzept, dass einerseits vorhandene Produktprogramme optimiert und auf Kosteneffizienz getrimmt werden (Exploitation), während parallel völlig neue Produktkategorien und Lösungsräume (Exploration) entstehen [17]. Preiswettbewerb und Technologiesprünge, radikale Kostensenkungsprogramme und Investitionen in F&E, Tradition und Zukunftsorientierung werden in beidhändigen Organisationen gleichzeitig orchestriert (Abb. 1.2).

    Exploration und Exploitation

    Die Ambidextrie-Forscher Michael Tushman, Wendy Smith und Andy Binns schreiben in diesem Spannungsfeld den oberen Führungskräften, Vorständen und Geschäftsführern eine zentrale Rolle zu [18]. In ihrem Harvard-Business-Review-Artikel „The Ambidextrous CEO" arbeiten die Autoren drei Führungsprinzipien heraus, die Ambidextrie ermöglichen [18]. Sie fordern von Unternehmensleitungen

    1.

    die Einbindung des Senior-Management-Teams in eine zukunftsweisende strategische Ausrichtung.

    2.

    das explizite Aushalten von Spannungen zwischen Innovationsteams und Kerngeschäft in der Unternehmensleitung sowie

    3.

    das Umarmen der Inkonsistenz, die durch den Erhalt gegensätzlicher strategischer Vorgehensweisen steht.

    Firmen würden wachsen, so die Autoren, wenn das Management die Spannung zwischen Altem und Neuen begrüßt und einen Zustand des ständigen Konfliktes an der Spitze nicht nur aushält, sondern bewusst herbeiführt und balanciert [18]. Beispiele finden sich zahlreich in der Industrie. Unternehmen beschreiben immer öfter die Notwendigkeit, erfolgreich in der Gegenwart zu sein und gleichzeitig die Zukunft zu antizipieren: So setzt der Automobilhersteller Porsche in seiner Strategie 2025 auf die Verbindung von Tradition und Innovation: „Wir verbinden die Tradition mit der Zukunft" erklärt der Vorstandsvorsitzende Oliver Blume anlässlich des 70. Geburtstages der Marke [19].

    Nur wie genau funktioniert Führung, wenn Unternehmen sich zwei strategischen Ausrichtungen gleichzeitig verschreiben? Wie können Führungskräfte Beidhändigkeit im täglichen Alltag ganz konkret umsetzen? Wie wird es möglich, sich in beiden Welten zu bewegen und Teams in beiden Welten zu fördern und zu unterstützen? Eine zentrale Antwort auf diese Fragen findet dieses Buch in der täglichen Kommunikation von Führungskräften. Es zeigt auf, wie Führungskräfte auf gleichzeitige Exploitation und Exploration durch ihr kommunikatives Handeln Einfluss nehmen, beide Welten ermöglichen und gewinnbringend verbinden können (Abb. 1.3).

    ../images/451175_2_De_1_Chapter/451175_2_De_1_Fig3_HTML.png

    Abb. 1.3

    Beidhändigkeit ist neue Führungskompetenz

    1.3 Das Buch im Überblick

    1.3.1 Zielsetzung und Lösungsansatz

    Beidhändige Führung ist ein Buch für Führungskräfte, die ihre Organisation fit machen wollen für die Welt der Daten und künstlichen Intelligenz. Ob im Maschinen- und Anlagenbau, in der IT, in der Automobilindustrie, in Chemie und Pharma, der Lebensmittelindustrie oder im Energiesektor – es adressiert industrie- und branchenübergreifend diejenigen Unternehmen, die auf globalen Märkten durch Innovationskraft echte Wettbewerbsvorteile entwickeln wollen. Das Buch richtet sich an Führungskräfte in allen Unternehmens- und Innovationsbereichen:

    1.

    Führungskräfte, die mit ihren Teams und Aufgaben in den Bereichen Forschung, Entwicklung, Produktion, Vertrieb, Marketing, Logistik an der Entstehung und Kommerzialisierung von Produkten und Dienstleistungen beteiligt sind;

    2.

    Führungskräfte, die in prozessorientierten Bereichen wie Qualität, Controlling, Strategie und Planung oder Verfahrensentwicklung neue Prozesse, Methoden und Abläufe gestalten;

    3.

    Führungskräfte, die kulturprägende neue Methoden und Arbeitsweisen implementieren und dadurch die Unternehmenskultur von Organisationen nachhaltig verändern.

    4.

    Führungskräfte, die im Umfeld von Krisen neue Handlungswerkzeuge suchen, um Menschen und Organisationen stabil durch die Krise und zugleich flexibel und wandlungsfähig in die Zukunft zu führen (Exkurs Kap. 6).

    Beidhändige Führung wurde darüber hinaus für eine breite Zielgruppe von Menschen geschrieben, die sich im wirtschaftlichen wie wirtschaftswissenschaftlichen Umfeld der Digitalisierung von Produkten und Dienstleistungen bewegen. Es adressiert sowohl Führungskräfte als auch Wissenschaftler, Dozenten, Studierende und Berater mit den Schwerpunkten Innovation, Management und Kommunikation für die digitale Transformation.

    Der Lösungsansatz

    Der Lösungsansatz dieses Buches heißt Beidhändigkeit durch Kommunikation. Das Buch beantwortet die Frage, wie Beidhändigkeit im Beruf umgesetzt werden kann und wie bekannte Führungsansätze einfach mit zukunftsweisenden neuen Ansätzen kombiniert werden können. Es zeigt konkrete Mittel und Wege auf, wie es Führungskräften gelingt, das bestehende Geschäft voranzutreiben und zugleich die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens permanent im Blick zu haben. Zahlreiche Praxisbeispiele und konkrete Umsetzungstipps für den Führungsalltag veranschaulichen, wie aus einer Zerreißprobe mithilfe von einfachen Kommunikationsinstrumenten ein eleganter Spagat werden kann.

    Beidhändige Führung stützt sich neben den täglichen Erfahrungen der Autorin selbst auf Aussagen von Führungskräften aus deutschen Industrieunternehmen, die die Herausforderungen im Umfeld von Industrie 4.0 und Digitalisierung aus dem eigenen Berufsalltag kennen. Im Rahmen eines Forschungsprojektes [20] wurden Führungskräfte im Hoch- bis Spitzentechnologie-Sektor zwischen 2013 und 2017 dazu befragt, welche Verhaltensmuster sie im Alltag anwenden, um welche Ziele in Hinblick auf Exploration oder Exploitation zu erreichen. Dabei wurde insbesondere das Kommunikationsverhalten von Führungskräften aus dem oberen Management untersucht, die sich im Kontext der Exploitation, der Exploration und in beiden Welten gleichzeitig bewegen. Die Studienergebnisse machten sichtbar, dass das kommunikative Handeln der Führungskräfte je nach Innovationszielsetzung – Exploration oder Exploitation – völlig unterschiedlich in Erscheinung trat und von streng hierarchisch organisiertem Kommunikationsmanagement bis hin zur losen Steuerung offener Netzwerken reichte. Die Ergebnisse der Studie wurden in einem Modell der Ambidextrie-orientierten Kommunikation von Führungskräften zusammengefasst und sind Grundlage dieses Buches.

    Die Zielsetzung

    Ergänzend zur 2016 erschienenen Forschungsarbeit Ambidextrie, Führung und Kommunikation [20], die einen intensiven Dialog mit der Wissenschaft darstellt, ist Beidhändige Führung in erster Linie ein Praxisbuch für den Führungsalltag im Umfeld von Digitalisierung und künstliche Intelligenz. Die inzwischen mehrfach erprobten Forschungsergebnisse und die gewonnenen Erfahrungen mit dem kommunikationsbasierten beidhändigen Führungsansatz wurden in Form von konkreten Handlungsoptionen für den Leser aufbereitet.

    Denn solange organisationale Ambidextrie und beidhändige Führung in den Führungsetagen von Institutionen und Konzernen noch als Ausnahme-Thema in Erscheinung tritt, solange beidhändige Führungskräfte immer noch Einzelfälle sind, wird der Sprung in die digitale Zukunft kaum gelingen. Die langfristige Zukunftsfähigkeit von Organisationen wird sich erst dann entfalten, wenn das heutige Verständnis von Führung einen grundsätzlichen Wandel erfährt, wenn die Evolution dafür genutzt wird, die Revolution zu ermöglichen, wenn Führungskräfte sich in beiden Welten auf vertrautem Terrain bewegen. Beidhändige Führung stellt hilfreiches Rüstzeug bereit, das Führungskräfte benötigen, um die Digitalisierung nicht zu bremsen, sondern als Chance zu nutzen und in großen Schritten voranzutreiben.

    Das Buch wurde dazu aus drei verschiedenen Perspektiven verfasst (Abb. 1.4):

    1.

    Theorie

    2.

    Training und Lernen

    3.

    Praxis

    ../images/451175_2_De_1_Chapter/451175_2_De_1_Fig4_HTML.png

    Abb. 1.4

    Die drei Perspektiven dieses Buches: Theorie, Praxis, Training

    1.

    Theorie:Beidhändige Führung besitzt erstens eine fundierte wissenschaftliche Grundlage. Es baut auf der wissenschaftlichen Forschung zur Ambidextrie auf und erweitert diese um den Aspekt der Kommunikation von Führungskräften. Die Inhalte sind wissenschaftlich durch empirische Fallstudien begründet [20].

    2.

    Training und Lernen:Beidhändige Führung integriert zweitens eine vermittelnde Trainings- und Lern-Perspektive, die aus dem zum Buch entstandenen Ambidextrie-Training abgeleitet ist. Der hier beschriebene Lösungsansatz basiert auf den Lerninhalten des Trainings. Das Buch enthält aus diesem Grund wiederholt Definitionen, erklärende Illustrationen und hilfreiche Hinweise auf weiterführende Literatur. Es bietet seinen Lesern darüber hinaus konkrete Ansatzpunkte für die direkte und einfache Umsetzung im Führungsalltag.

    3.

    Praxis:Beidhändige Führung baut drittens auf zahlreichen praktischen Erfahrungswerten auf. Exklusiv für dieses Buch wurden Experten-Interviews mit Führungskräften aus unterschiedlichen Branchen und Organisationen geführt.

    Die Interviews im Überblick

    Mit Prof. Dr. Wilhelm Bauer, dem geschäftsführenden Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, Stuttgart („Spagat in der Management-Praxis", Kap. 2) und Prof. Dr. Manfred Aigner, Direktor des Instituts für Verbrennungstechnik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart („Hierarchie als Effizienzmöglichkeit", Kap. 4) berichten zwei Vertreter der außeruniversitären Forschung über die Bedeutung von Ambidextrie für die Wirtschaft und über die Anwendung im Forschungsalltag.

    Die Perspektive einer deutschen Exzellenz-Universität ergänzt Prof. Dr. Hans Müller-Steinhagen, von 2010 bis 2020 Rektor der Technischen Universität Dresden, mit seinem Blick auf das Thema Vision und Zukunftsfähigkeit („Die Kunst, die Balance zu finden", Kap. 5).

    Die Bedeutung von beidhändiger Führung und Kommunikation im Kontext von Innovation und Entrepreneurship erklärt Prof. Dr. Ronald Gleich, Professor für Management Practice und Control an der Frankfurt School of Finance und Management in Frankfurt am Main („Kultur des Unternehmertums wichtiger denn je", Kap. 6).

    Anne-Elisabeth Krüger, Expertin für User Driven Innovation und User Experience des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO („Kreatives Selbstvertrauen fördern", Kap. 3) und Andreas Leinfelder, Vice President Business Development bei Bosch Power Tools („Neue Rolle für Führungskräfte", Kap. 3) vertiefen den Handlungsansatz des Design Thinking und erklären aus Sicht von Wissenschaft und Praxis die Bedeutung von Design Thinking für den Innovationsalltag von Industrieunternehmen.

    Praxiseinblicke für den beidhändigen Führungsalltag geben Prof. Dr. Volker Nestle, Vorstandsvorsitzender der Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung und Leiter der Produktentwicklung LifeTech des Technologieunternehmens FESTO („Ambidextrie ist Unternehmensalltag", Kap. 5) sowie der Geschäftsführer Cluster Benelux von FESTO in Delft, Dennis van Beers („Das Team steuert sich vollständig selbst", Kap. 5).

    In der 2. Auflage wurden anlässlich der COVID-19-Krise weitere sechs Interviews zu Führung und Krisenmanagement ergänzt (vgl. Kap. 6):

    Das Interview „Jetzt gilt es, sichtbar zu sein" mit Dr. Constanze Holzwarth, Psychologin und Top-Management-Beraterin, betrachtet die Ebene der einzelnen Führungskraft im Umfeld der Krise. Das Interview „Wir brauchen jetzt doppelte Beidhändigkeit" mit Wiltrud Pekarek, Vorstandsmitglied der HALLESCHE Krankenversicherung aG, gibt einen Einblick in die Führungsetage eines systemrelevanten privaten Krankenversicherers. Das Gespräch „Es geht um Empowerment" mit Thomas Fischer, Vorsitzender des Aufsichtsrates von MANN+HUMMEL, vertieft die Bedeutung von empathischer, sinnstiftender Führung in der Krise und beantwortet die Frage wie Führungskräfte in Krisenzeiten Beidhändigkeit erreichen. Karin Pahl, Inhaberin der PAHL Resilienz-Förderung in Bremen, erklärt im Interview „Resilienz ist in jedem von uns angelegt", wodurch Führungskräfte widerstandsfähig werden und wie sie sich für Krisenzeiten wappnen. Wir treffen auf Frank Riemensperger, Vorsitzender der Geschäftsführung von Accenture Deutschland, der im Interview „Reboot in die neue, veränderte Welt die Sicht einer internationalen Unternehmensberatung und deren Kunden beschreibt. Im Gespräch „Das ist ein Gleichklang mit Gregor Pillen, Vorsitzender der Geschäftsführung der IBM Deutschland, erhalten wir Einblicke in die Führung und das Krisenmanagement eines globalen IT-Unternehmens.

    Dr. Eberhard Veit fasst im Vorwort zur zweiten Auflage dieses Buches die Bedeutung beidhändiger Führung zusammen: „Das Konzept der Ambidextrie ist aktueller denn je. Sowohl strategisch als auch in der Führung befinden sich Unternehmen heute wie nie zuvor in einer ständigen Zerreißprobe zwischen einer bekannten Welt und einer ungewissen Zukunft. Wir können davon ausgehen, dass sich schwerwiegende Ereignisse wie die globale Corona-Krise im Jahr 2020 wiederholen werden. Es gibt keine Garantie für Stabilität. Wir müssen uns für diese Welt rüsten" (Vorwort zur zweiten Auflage).

    Die exklusiv für das Buch Beidhändige Führung gesammelten Einblicke in die Arbeit im ambidextren Innovationsumfeld wurden durch intensive Recherche in den Medien um weitere Praxis-Stimmen und Fallstudien ergänzt. Sie liefern wertvolle Anregungen für einen Führungsalltag, in dem es gilt, Menschen in Unternehmen zu begeistern, ihr kreatives Potenzial freizusetzen und als Organisation gemeinsam den Sprung in die Zukunft zu schaffen.

    1.3.2 Gliederung des Buches

    Beidhändige Führung ist in zwei Teile unterteilt, einen theoretischen Teil (Kap. 1 und 2), der in das Thema einführt und den Lösungsansatz dieses Buches vorstellt und einen praktischen Teil (Kap. 3 bis 6) zur Vermittlung von Werkzeugen für die Umsetzung.

    Um die Motivation dieses Buches ausreichend darzustellen, beginnt Kap. 1 mit einer Einführung in den Kontext, in dem sich Führungskräfte täglich bewegen. Es erörtert die Herausforderungen von Organisationen im Umfeld der Digitalisierung, stellt das Spannungsfeld zwischen Evolution und Revolution an Beispielunternehmen vor und führt in den Ansatz der Beidhändigkeit ein.

    In Kap. 2 wird der zentrale Lösungsansatz des Buches, die Ambidextrie-orientierte Kommunikation von Führungskräften, ausführlich erklärt. Das wissenschaftliche Konzept der organisationalen Ambidextrie (Beidhändigkeit) wird zunächst eingeführt und erklärt, warum Beidhändigkeit im Kern eine Fähigkeit von Führungskräften ist und nur durch diese in die Organisation getragen werden kann. Schließlich werden die zentralen Erkenntnisse des zugrunde liegenden Forschungsprojektes herangezogen und vorgestellt, wie Führungskräfte Beidhändigkeit durch ihre tägliche Kommunikation erreichen können. Das heute weit verbreitete Rollenverständnis von Führung, dem zufolge sich Führungskräfte weitestgehend in hierarchischen Organisationsstrukturen bewegen, wird dabei nicht grundsätzlich infrage gestellt, sondern um einen zweiten Ansatz (die zweite Hand) erweitert und damit für die Herausforderungen der Digitalisierung angepasst.

    Das Bild, das in den ersten beiden Kapiteln entsteht, macht das Spannungsfeld, dem Organisationen ausgesetzt sind, greifbar. Führungskräfte sind gezwungen, sich im täglichen Handeln in diametral entgegengesetzten Welten zu bewegen und teilweise hochgradig widersprüchliche Entscheidungen zu treffen, um das Heute und das Morgen zu orchestrieren. Der zweite Teil des Buches baut auf diesem Bezugsrahmen auf. Auf Basis des vorgestellten Ansatzes zeigen die Kap. 3 bis 6 Handlungsoptionen für die praktische Umsetzbarkeit im Führungsalltag auf.

    Kap. 3 betrachtet das kommunikative Handeln von Führungskräften im Umfeld von Exploration. Es rückt die Zukunft in den Fokus und bietet Handlungsmuster an, die zu unbekannten, noch nicht definierten Lösungsräumen führen. Es beschreibt, wie, um Neuland zu erreichen, die Vielstimmigkeit und Vernetzung von Teilnehmern einer Organisation in den Vordergrund rücken muss. Kommunikation hat in diesem Umfeld die Aufgabe, die vielen individuellen Interaktionen zu ermöglichen und vielfältige Ideen zu fördern. Wenn die genaue Lösung noch nicht definiert ist, eröffnet sich durch Kommunikation ein Raum der Interaktion, in dem kollektives Wissen entstehen und angezapft werden kann. Kap. 3 stellt Ihnen dazu einen Ökosystem-basierten Führungsstil vor. Sie erfahren, wie Führungskräfte interne Ökosysteme aufbauen und nähren können und damit die Tür zu unbekannten, noch nicht definierten Lösungsräumen öffnen. Je stärker ein potenzieller Lösungsraum im Umfeld von Digitalisierung und Industrie 4.0 dabei selbst von autonomen, kommunizierenden Einheiten und deren Vernetzung bestimmt ist, desto mehr müssen genau diese menschlichen Fähigkeiten in Teams entlang des Innovationsprozesses aktiviert werden. Es gilt, vielfältige individuelle Interaktionen herbeizuführen, Begegnungsräume zu schaffen und die Resultate des dort stattfindenden Austauschs zur Gewinnung von Wettbewerbsvorteilen zu nutzen. Kommunikationszentrierte Handlungsrahmen wie das agile Projektmanagement und kreativitätsfördernde Methoden wie Design Thinking unterstützen Führungskräfte dabei, ein zukunftsorientiertes Mindset in Organisationen zu prägen.

    Bei aller Zukunftsorientierung müssen Unternehmen jedoch zugleich im Hier und Jetzt erfolgreich sein. Kap. 4 beschäftigt sich deshalb mit dem kommunikativen Handeln von Führungskräften im Umfeld von Exploitation, dem Vorantreiben des bestehenden Geschäftes und der inkrementellen Weiterentwicklung bestehender Lösungen. Es beschreibt, wie Informationsvermittlung und Kommunikationskaskaden bestmöglich geplant und organisiert werden können, um das bestehende und bekannte Geschäft voranzutreiben. Es erklärt, wie Informationen an Zielgruppen verteilt, Kenntnisstände synchronisiert und die Mitglieder einer Organisation auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Um Einstimmigkeit und Effizienz bei der Umsetzung strategischer Ziele zu erreichen, ist formelle, durchgeplante Top-down-Kommunikation eine Voraussetzung. Sie zeigt sich beispielsweise in Form von offizieller Projektkommunikation mit ihren Gremienstrukturen und regelmäßigen Abstimmungen oder als offizielle Mitarbeiter-Information über das Intranet oder Veranstaltungen.

    Schließlich thematisiert Kap. 5 den Spagat, in den Führungskräfte sich begeben, wenn sie

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