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Komplexitätsmanagement in Unternehmen: Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern
Komplexitätsmanagement in Unternehmen: Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern
Komplexitätsmanagement in Unternehmen: Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern
eBook756 Seiten7 Stunden

Komplexitätsmanagement in Unternehmen: Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern

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Über dieses E-Book

​Die Vorstellung, Komplexität durch Wissenschaft und konventionelle Planung zu beherrschen, wird zunehmend brüchig und zum Hemmnis für Innovation. Unternehmen können nur dann dauerhaft erfolgreich bleiben, wenn sie Komplexität nicht nur zu bewältigen, sondern auch für sich zu nutzen wissen. Namhafte Autoren aus Wissenschaft und Praxis stellen den aktuellen Stand sowie Zukunftsprognosen für das Komplexitätsmanagement in Projekten und Unternehmen dar und zeigen innovative Ansätze zum Umgang mit Komplexität auf. Die Beiträge befassen sich mit der Theorie und Praxis von Entscheidungen und Selbstorganisation, dem strategischen Umgang mit Komplexität sowie der operativen Umsetzung innerhalb des Projekt- und Unternehmensmanagements. Sie umreißen den Stand der Forschung und entwickeln neue Perspektiven für ein Handeln, das die Integration der Komplexität in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zum Vorteil des Unternehmens nutzt. Ziel ist es, den Lesern ein tieferes Verständnis der Möglichkeiten und Grenzen des Umgangs mit Komplexität zu geben sowie zukünftige Möglichkeiten und Forschungsfelder aufzudecken und zu diskutieren.
SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum12. Feb. 2014
ISBN9783658012847
Komplexitätsmanagement in Unternehmen: Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern

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    Buchvorschau

    Komplexitätsmanagement in Unternehmen - Klaus-Peter Schoeneberg

    Klaus-Peter Schoeneberg (Hrsg.)Komplexitätsmanagement in Unternehmen2014Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern10.1007/978-3-658-01284-7_1

    © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

    1. Komplexität zwischen wissenschaftlichem Forschungsverständnis und praktischer Umsetzung

    Klaus-Peter Schoeneberg¹, ²  

    (1)

    Integriertes Informationsmanagement, Fachhochschule Wedel, Feldstraße 143, 22880 Wedel, Deutschland

    (2)

    Olande 63 a, 21509 Glinde, Deutschland

    Klaus-Peter Schoeneberg

    Email: kps@fh-wedel.de

    1.1 Komplexität als Anforderung an die Unternehmensführung

    1.2 Wissenschaftsorientierte Ansätze zum Komplexitätsmanagement

    1.3 Strategisches Unternehmensmanagement bei sich dynamisch ändernden Umweltzuständen

    1.4 Operative Umsetzung von Komplexitätsmanagementmaßnahmen in Unternehmen

    1.5 Exkurs: Von der Komplexität zur Einfachheit

    Literatur

    Zusammenfassung

    Dieses Werk beschäftigt sich mit einer der wichtigsten Fragen dieses Jahrhunderts: dem Umgang mit Komplexität. Es beinhaltet Lösungsansätze für Praktiker und Wissenschaftler, wie mit dem Thema aktuell und in der Zukunft umgegangen werden kann. Dabei werden unterschiedliche Betrachtungsebenen eingenommen und Lösungsansätze geboten, von den wissenschaftsorientierten Ansätzen über das strategische Unternehmensmanagement bis zur operativen Umsetzung. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die Struktur und Gliederung des Werkes und zeigt die unterschiedlichen Möglichkeiten des thematischen Zugangs und der Leserichtung auf.

    Schlüsselwörter

    Strategisches UnternehmensmanagementUnternehmensführungInnovationsmanagementOperatives KomplexitätsmanagementBest Practice

    1.1 Komplexität als Anforderung an die Unternehmensführung

    Die Vorstellung, Komplexität und Ungewissheit durch Wissenschaft und konventionelle Planung in Gewissheit transformieren zu können, wird zunehmend brüchig und zum Hemmnis für Innovation.

    Unternehmen müssen sich aufgrund der fortschreitenden Globalisierung heute mehr denn je mit neuen Märkten, Wettbewerbern und individuellen Kundenbedürfnissen auseinandersetzen. Neben den Marktanforderungen stehen sie permanent sich verändernden Ansprüchen der internen und externen Kunden gegenüber, beispielsweise aufgrund neuer Informations- und Telekommunikationstechnologien. Innerhalb kurzer Zeit hat der Umfang unternehmensbezogener Komplexität stetig zugenommen und ein Großteil der Unternehmen hat sich von komplizierten zu komplexen Systemen entwickelt (Sargut und McGrath 2011, S. 22–34). Der Begriff ist dabei zu einem Modewort geworden und wird inflationär in allen Bereichen verwendet. Komplexität ist jedoch mehr als ein Mangel an Ordnung oder nur das Gegenteil von Trivialität. Die Komplexität von Entscheidungen beschäftigt Manager mehr denn je. Jede Entscheidung kann gravierende Folgen haben, die aufgrund der Komplexität nicht abzusehen sind. Bisherige, lang erprobte strategische Aufgaben des Managements greifen zu kurz und müssen überdacht werden.

    Doch wie ist es möglich, Handlungsfähigkeit auch unter Bedingungen von Ungewissheit aufrechtzuerhalten oder gar weiterzuentwickeln? In diesem Buch werden neue Ansätze zur Bewältigung und Nutzung von Komplexität vorgestellt. Die Beiträge befassen sich mit der Theorie und Praxis von Entscheidungen und Selbstorganisation, dem strategischen Umgang mit Komplexität und der operativen Umsetzung innerhalb des Unternehmensmanagements. Sie umreißen den Stand der Forschung und entwickeln neue Perspektiven für ein Handeln nicht nur trotz, sondern gerade wegen der Integration der Komplexität in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft.

    Das Werk richtet sich an Praktiker und Wissenschaftler, die ein tieferes Verständnis für das Thema Komplexität in der Praxis erlangen wollen. Zielgruppe sind auf der einen Seite Manager der oberen und mittleren Führungsebenen, die auf ein vorhandenes Wissen oder Verständnis zu den behandelten Themen aufbauen können, dieses aber auf strategischer und visionärer Ebene noch vertiefen wollen, um die eigene Organisation für die Zukunft up to date zu halten. Auf der anderen Seite werden Wissenschaftler angesprochen, die auf den Erkenntnissen der Praxis aufbauen und die praxisorientierte Forschung vorantreiben wollen.

    Das Werk behandelt den aktuellen sowie daraus entstehenden zukünftigen Stand des Komplexitätsmanagements in Unternehmen. Ziel ist es, den Lesern ein tieferes Verständnis der Möglichkeiten und Grenzen des Umgangs mit Komplexität zu geben sowie zukünftige Forschungsfelder aufzudecken und zu diskutieren.

    Das Handbuch hat das Ziel, die Lücke zwischen der wissenschaftstheoretischen Forschung und der operativen Praxis zu schließen. Der Herausgeber konnte hierfür praxisorientierte Wissenschaftler gewinnen, die dank ihres wissenschaftlichen Backgrounds forschen, um anwendbare Lösungen für die Praxis zu finden. Ebenso konnten wissenschaftsorientierte Praktiker gewonnen werden, die mit ihrem Ausbildungshintergrund und Arbeitsfeld die Nähe zur Forschung aufweisen, um das Thema aus Sicht der Praxis voranzutreiben.

    Im ersten Teil wird das Thema Komplexität aus Sicht der Wissenschaft betrachtet. Hier werden nach einer Einführung in die Problemstellung wissenschaftliche Forschungsstände themenspezifisch weiterentwickelt. Der zweite Teil des Werkes beinhaltet strategische Ansätze und Vorgehensweisen zum Komplexitätsmanagement. Er schließt damit lückenlos an den ersten Teil an, da die Übergänge aus anwendungsorientierter wissenschaftlicher Sicht und den Möglichkeiten für strategische Umsetzungen in Unternehmen fließend sind. Der dritte Teil ist der operativen Umsetzung, aktuellen Herausforderungen und Lösungen der Praxis gewidmet. Der vierte Teil schließt das Werk mit einem praktischen Exkurs aus Sicht der Wirtschaftspsychologie ab.

    Den vielfältigen Bezügen der Artikel untereinander wird durch direkte Verweise innerhalb der Artikel entsprochen. Um den inhaltlichen Zusammenhang zu verdeutlichen, wird nach der Nennung des Autors, auf den verwiesen wird, zusätzlich der Kurztitel des Artikels mit ausgewiesen. Darüber hinaus macht die Betrachtung einzelner Themenschwerpunkte aus der jeweiligen Perspektive unterschiedlicher Kapitel deren enge Verknüpfung ersichtlich. Beispielsweise wird die Produktentwicklung im Rahmen der wissenschaftsorientierten Ansätze, des strategischen Unternehmensmanagements wie auch der operativen Umsetzung behandelt. Dies bietet dem Leser die Möglichkeit, ein Thema aus unterschiedlichen Betrachtungsebenen zu beleuchten.

    1.2 Wissenschaftsorientierte Ansätze zum Komplexitätsmanagement

    Der erste Teil des vorliegenden Werkes präsentiert unterschiedliche wissenschaftsorientierte Ansätze. Nach einer Einführung in das Thema Komplexität werden ganzheitliche Konzepte auf Basis der Systemtheorie und Kybernetik sowie mittels Simulationsmodellen erläutert. Daran schließt sich die Darstellung unterschiedlicher Vorgehensweisen im Rahmen des Innovationsmanagements an, da gerade hier Komplexität durch ein hohes Maß an Varietät, Konnektivität und Dynamik in Erscheinung tritt. Zunächst werden agile Methoden im Produktlebenszyklus diskutiert und durch einen Beitrag zu modularen Produktarchitekturen ergänzt.

    Klaus-Peter Schoeneberg (Kap. 2) nimmt im ersten Beitrag zum Thema Komplexitätsmanagement eine Einführung in das Thema vor. Hierzu ordnet er zunächst den Begriff der Komplexität definitorisch ein, sodass die folgenden Artikel auf diesem Verständnis aufbauen können. Der Autor klassifiziert die Ursachen für Komplexität, was die Vielschichtigkeit der Thematik verdeutlicht. Daraufhin erläutert er mögliche Basisstrategien und deren Grenzen im Umgang mit Komplexität, bevor er auf Maßnahmen für ein ganzheitliches Komplexitätsmanagement eingeht.

    Lukas Schmid (Kap. 3) baut auf den Erkenntnissen aus der Entwicklung systemdynamischer Modelle auf. Dabei zeigt er zunächst, wie systemdynamische Modelle die Unternehmensführung unterstützen können. Der Autor geht auch auf die Vorgehensweise zur Erstellung von Simulationsmodellen, die zu durchlaufenden Entwicklungsschritte und abschließend auf die daraus gewonnenen Erkenntnisse ein. Er zeigt, dass Simulationsmodelle nutzbar sind, um bestehende Planungsinstrumente der Unternehmensführung zu erweitern, und so Entscheidungsträgern eine Möglichkeit bieten, aus mehreren Handlungsoptionen zukunftsgerichtet auszuwählen.

    Christoph Schulz (Kap. 4) stellt die Strukturwissenschaften Systemtheorie und Kybernetik als Grundlage der Modellierung von Komplexität vor. Die Systemtheorie fokussiert als Ursache für Komplexität die Art und Weise, wie die Systemelemente dynamisch zusammenwirken. Aus Sicht der Kybernetik wird dies ergänzt um die Wichtigkeit des Informationsbegriffs zur Steuerung von Systemen. Der Autor konkretisiert die Steuerung, indem er als ein Beispiel für die Modellierungstechnik Bayes’sche Netzwerke anführt, die aufgrund ihres hohen Abstraktionsgrades vielseitig einsetzbar sind. Er verdeutlicht die Praxisrelevanz des Themas, indem er abschließend die Anwendung der Kybernetik im strategischen wie operativen Controlling aufgreift.

    Patrick Link (Kap. 5) betrachtet die Einsatzmöglichkeiten agiler Methoden im Produktlebenszyklus. Er beschreibt die Möglichkeiten des Umgangs mit Komplexität im Rahmen von Innovationen und geht dabei näher auf die Innovations- und Lifecycle-Management-Prozesse ein. Der Autor hebt die frühen Phasen von der Ideengenerierung bis zum Entwicklungsentscheid hervor, die durch hohe Unsicherheit geprägt sind und eine starke Hebelwirkung auf die nachfolgenden Phasen des Innovationsprozesses ausüben. Anschließend nimmt er einen Vergleich agiler und traditioneller Ansätze vor und geht auf agile Methoden in der Neuproduktentwicklung und den frühen Phasen des Innovationsprozesses ein. Sodann stellt der Autor agile Ansätze der Entwicklung von physischen Gütern und dem Lean-Innovation-Prozess vor und zeigt abschließend eine Lösungsmöglichkeit auf, die Stage-Gate-Prozesse mit agilen Prozessen kombiniert.

    Andreas Szinovatz und Christian Müller (Kap. 6) schließen direkt daran an und monieren, dass der Stage-Gate-Prozess nur selten radikale Innovationen hervorbringen kann. Sie diskutieren Schwachstellen des Modells und präsentieren einen neuen Ansatz, der auf dem Survival-of-the-Fittest-Prinzip beruht. Hierbei wird die Komplexität von Innovationsprozessen bewusst hochgehalten, um, verbunden mit dem Wettbewerb, qualitativ bessere Ergebnisse zu erzielen.

    Frank Koppenhagen (Kap. 7) thematisiert das Komplexitätsmanagement in der frühen Phase der Produktentwicklung. Er stellt aus wissenschaftlicher Sicht die Möglichkeit dar, mittels modularer Produktarchitekturen Komplexität zu reduzieren, ohne das Leistungsangebot eines Unternehmens einzuschränken. Die im Beitrag vorgestellte Methode basiert auf systemtechnischen Grundlagen modularer Produktarchitekturen und der mathematischen Operationalisierung des Modularitätsbegriffs. Dabei werden sowohl technische und Kundenanforderungen als auch produktspezifische Zielsetzungen berücksichtigt. Der Autor weist darauf hin, wie die Organisation, deren Umwelt und die Prozesse auszustatten sind, um die Potenziale durch Modularisierung nutzen zu können.

    1.3 Strategisches Unternehmensmanagement bei sich dynamisch ändernden Umweltzuständen

    Der zweite Teil des Werkes schließt mit den strategischen Ansätzen zum Komplexitätsmanagement lückenlos an den ersten Teil an. Komplexität im Rahmen des Innovationsmanagements wird in den strategischen Betrachtungen der frühen Phasen der Produktentwicklung wieder aufgegriffen. Zunächst werden Möglichkeiten der Variantenfertigung dargestellt, um sodann weitere ausgewählte Bereiche des strategischen Unternehmensmanagements zu betrachten. Es wird gezeigt, dass ganz unterschiedliche Unternehmensbereiche wie Informationstechnologie und Personal zum gleichen Ergebnis kommen und dass es zum Komplexitätsmanagement einer ganzheitlichen Sichtweise mit kollaborativen Systemen bedarf. Aus Sicht der Informationstechnologie werden zunächst kollaborative Enterprise-Architekturen diskutiert. Aus interorganisationaler Sicht werden wiederum Möglichkeiten des Einsatzes kollaborativer Wissensmanagementsystemen vorgestellt, bevor Lösungen für das Komplexitätsmanagement in der logistischen Personalbeschaffung erörtert werden. Abschließend geht es um den Nutzen der Einbindung von Unternehmensexternen in den Innovationsprozess.

    Der Beitrag von Florian Thiebes und Nicole Plankert (Kap. 8) beschäftigt sich ebenfalls mit dem Umgang mit Komplexität in der Produktentwicklung. Die Autoren betrachten die Möglichkeiten der Komplexitätsbeherrschung durch das Variantenmanagement. Zunächst stellen sie das Komplexitätsmanagement in der Produktentwicklung vor, bevor sie ausführlich die Komplexität durch Varianz und den Umgang damit beleuchten. Darauf aufbauend präsentieren sie Möglichkeiten des Umgangs mit Varianz durch das Variantenmanagement und untersuchen dessen Zielsetzungen und unterschiedliche Konzepte.

    Stefan Bente (Kap. 9) betrachtet die heute vorliegende Unternehmens-IT als komplexe soziotechnische Systeme, da bei global agierenden Unternehmen mehrere Tausend IT-Applikationen auf Hunderten von Plattformen aufbauen. Der Autor spricht die Problematik an, dass die bisherigen Versuche, die IT-Landschaft eines Unternehmens mittels Enterprise-Architekturen bis auf die operative Ebene hinunter detailliert zu steuern, meist scheitern. Sein Gegenentwurf ist der Aufbau kollaborativer Enterprise-Architekturen, die auf schlanken IT-Prozessen sowie evolutionären IT-Planungsprozessen und einer breiten Partizipation an IT-Entscheidungen basieren. Dabei propagiert er eine pragmatische agile Vorgehensweise und knüpft damit nahtlos an den wissenschaftsorientierten Artikel von Patrick Link an.

    Christoph Netthorn, Frank Siemon und Klaus-Peter Schoeneberg (Kap. 10) beschäftigen sich ebenfalls mit dem Thema Komplexität und Kollaboration, führen diese jedoch im Bereich des Wissensmanagements zusammen. Sie thematisieren die Bedeutung des Wissensmanagements für global agierende Organisationen mit wissensintensiven Prozessen, Produkten oder Dienstleistungen. Die Autoren zeigen zunächst die Komplexität am Beispiel internationaler Dienstleistungsunternehmen der Informations- und Kommunikationstechnologie auf und erläutern, wie erfolgreiche Kollaboration mittels zu implementierender Communities of Practice möglich ist.

    Es folgt der Beitrag von Kai Zimmermann und Nicole Fabisch (Kap. 11) zur Bedeutung des Personalmarketings in der logistischen Personalbeschaffung. Die Autoren führen zunächst Treiber für Komplexität in der Logistik und Personalbeschaffung an, bevor sie auf die Folgen und Lösungsansätze zum Umgang mit Komplexität eingehen. Sie erläutern Möglichkeiten der Zielgruppensegmentierung und Unterstützung des Komplexitätsmanagements durch spezifische Personalmarketingmaßnahmen.

    Einem speziellen Bereich des Innovationsmanagements, der Einbindung von Lead Usern in den Innovationsprozess mittels Open Innovation, widmet sich Sascha Götte (Kap. 12). Er zeigt die entscheidungsrelevanten Aspekte dafür, ob sich Lead User im Innovationsprozess engagieren, und die Voraussetzungen, um diese aktiv involvieren zu können. Anschließend zeigt er anhand von Beispielen Anwendungsfelder in der Praxis auf, in denen die Lead-User-Methodik angewandt werden konnte. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass das Innovationspotenzial durch Open Innovation vergrößert werden kann bei gleichzeitiger Reduktion der Komplexität.

    1.4 Operative Umsetzung von Komplexitätsmanagementmaßnahmen in Unternehmen

    Der dritte Teil des Werkes behandelt ausgewählte Bereiche des operativen Umgangs mit Maßnahmen des Komplexitätsmanagements. Er basiert auf den wissenschaftsorientierten und strategischen Ansätzen und verweist auf unterschiedliche Möglichkeiten des Umgangs mit Komplexität. Zur Veranschaulichung werden hier zumeist branchenspezifische Lösungen und Best Practices dargestellt, die in verallgemeinerter Form einen Transfer auf andere Branchen oder Systeme ermöglichen. Der inhaltlichen Struktur des zweiten Teils entsprechend geht es zunächst um die Umsetzung von Komplexität im Bereich der Produktionswirtschaft. Darauf folgt die Komplexitätsbeherrschung mittels Informationstechnologie, speziell durch fortgeschrittene Visualisierungen. Ebenfalls die IT nutzend, wird sodann die Komplexitätsreduktion durch Standardisierung im Bereich Business Intelligence und danach organisational durch die Einführung von Standardorganisationen aufgezeigt. Das Kapitel schließt mit einem Beitrag zum Umgang mit Komplexität im Projektportfoliomanagement.

    Christopher Zerres (Kap. 13) wendet sich den Strategien des Komplexitätsmanagements für variantenreiche Produkte zu. Der Autor zeigt damit, wie das von Thiebes und Plankert in Kap. 8 geforderte Variantenmanagement heute in der Praxis umgesetzt werden kann. Am Beispiel der Automobilbranche verdeutlicht er, dass die hohe Variantenvielzahl zu steigenden Komplexitätsgraden führt. Detailliert legt er dar, dass in den verschiedenen Phasen eines Produktlebenszykluses eine Vielzahl von verschiedenen Methoden des Variantenmanagements zum Einsatz kommen kann.

    Klaus-Peter Schoeneberg und Jennifer Pein (Kap. 14) schließen an den Artikel von Christopher Zerres (Kap. 13) zum strategischen Unternehmensmanagement an und erörtern mit der fortschrittlichen Visualisierung von Daten und Informationen den aktuell stärksten Trend im Bereich Business Analytics. Fortschrittliche Visualisierungen werden zunehmend als mächtiges Werkzeug der Datenanalyse wahrgenommen, um Wissen und daraus Wettbewerbsvorteile zu generieren. Die Autoren skizzieren die Bedeutung von Big Data als Komplexitätstreiber und stellen die damit verbundenen Herausforderungen dar. Wo die menschliche Verarbeitungskapazität an ihre Grenzen stößt, eröffnet sich den Autoren das Potenzial, das in fortschrittlichen Visualisierungsformen liegt, gerade bei der Analyse komplexer Zusammenhänge.

    Christian Pohle (Kap. 15) verweist auf eine andere Art des Umgangs mit Komplexität im Bereich Informationstechnologie. Er erläutert, wie eine Komplexitätsreduktion durch Standardisierungen bei gleichzeitiger Flexibilität im Bereich Business Intelligence eines Logistikdienstleisters möglich ist. Der praktische Beitrag zeigt, wie mittels standardisierten Strukturen mit flexiblen Bewertungsmöglichkeiten und Steuerelementen auch kundenindividuelle Anforderungen abgebildet werden können.

    Helmut Hausner (Kap. 16) führt den Gedanken der Komplexitätsreduktion durch Standardisierung auf organisationaler Ebene fort. Hierbei geht es um die Einführung standardisierter Organisationen für das Management von Komplexität in Unternehmen mit mehreren Niederlassungen, insbesondere multinationalen Unternehmen. Der Autor zeichnet die Entwicklung von Standardprozessen hin zu Standardorganisationen nach mit der anschließenden operativen Umsetzung, dem Ausrollen der Standardorganisationen in lokale Niederlassungen. Abschließend diskutiert er Kritikpunkte an der Einführung von Standardorganisationen aus Sicht der Praxis.

    Dirk Buddensiek und Kim Schimmel (Kap. 17) untersuchen den Einsatz von Projektportfolios zur Komplexitäts- und Risikoreduktion, um damit zu einer erfolgreichen Unternehmensentwicklung beizutragen. Sie widmen sich zunächst den Ergebnissen einer aktuellen Studie zum Portfoliomanagement von Schimmel, die Best Practices für das Portfoliomanagement darstellen. Anhand eines Praxisbeispiels erläutern die Autoren den Einsatz der Best Practices im operativen Geschäft. Unter Berücksichtigung der Komplexität entwickeln sie die Ansätze für die zukünftige Portfoliosteuerung weiter.

    1.5 Exkurs: Von der Komplexität zur Einfachheit

    Den Abschluss bildet ein Exkurs aus Sicht der Psychologie von Brigitta Jellenko-Dickert und Thomas Dickert (Kap. 18). Die Autoren stellen den Menschen als das komplexeste aller Systeme in den Mittelpunkt und sprechen sich für eine Umorientierung hin zur Einfachheit und zu einem Leben in der Gegenwart – im „Hier und Jetzt" – aus. Auf dem Weg zu diesem Ziel führen sie fünf Stolpersteine an, die es zu überwinden gilt. Dabei geben die Autoren praktische Beispiele aus dem unternehmerischen oder privaten Alltag und bieten Übungen zur Schulung des Bewusstseins an.

    Eine der größten, wenn nicht sogar die größte Herausforderung für Unternehmen im 21. Jahrhundert ist es, Komplexität zu meistern. Dazu bedarf es eines radikalen Umdenkens. Unternehmen, die versuchen, Komplexität mit lokalen Lösungen zu meistern, werden nur kurzfristig erfolgreich sein. Mit der zunehmenden Vernetzung werden sich auch die Systeme so grundlegend ändern, dass neue Steuerungsinstrumente notwendig sind, die die Komplexität explizit mit berücksichtigen.

    Was die Zukunft bringt, ist ungewiss. Der Einsatz von Methoden zum Umgang mit Komplexität führt jedoch dazu, dass sich Unternehmen zukünftigen Entwicklungen stellen und die Chance nutzen können, sich auf Systemänderungen vorzubereiten oder diese zukunftsorientiert voranzutreiben.

    Literatur

    Bente, S.: Kollaborative Enterprise-Architektur – Managementwerkzeug für komplexe IT-Systeme, In: Schoeneberg, K.-P. (Hrsg.): Komplexitätsmanagement in Unternehmen - Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern, S. 187–223, Springer Fachmedien, Wiesbaden (2014)

    Buddensiek, D., Schimmel, K.: Projektportfolios - Ein Spannungsfeld von Kompliziertheit und Komplexität, In: Schoeneberg, K.-P. (Hrsg.): Komplexitätsmanagement in Unternehmen - Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern, S. 387–399, Springer Fachmedien, Wiesbaden (2014)

    Götte, S.: Open Innovation - Einbindung von Lead Usern in den Innovationsprozess, In: Schoeneberg, K.-P. (Hrsg.): Komplexitätsmanagement in Unternehmen - Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern, 2013, S. 275–285, Springer Fachmedien, Wiesbaden (2014)

    Hausner, H.: Standardisierte Organisationen - Leitfaden zur Einführung und kritische Betrachtungen, In: Schoeneberg, K.-P. (Hrsg.): Komplexitätsmanagement in Unternehmen - Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern, S. 369–385, Springer Fachmedien, Wiesbaden (2014)

    Jellenko-Dickert, B., Dickert, T.: Die Sehnsucht nach Einfachheit - Leben hier und jetzt, In: Schoeneberg, K.-P. (Hrsg.): Komplexitätsmanagement in Unternehmen - Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern, S. 403–418, Springer Fachmedien, Wiesbaden (2014)

    Koppenhagen, F.: Modulare Produktarchitekturen - Komplexitätsmanagement in der frühen Phase der Produktentwicklung, in: In: Schoeneberg, K.-P. (Hrsg.): Komplexitätsmanagement in Unternehmen - Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern, Springer Fachmedien, Wiesbaden 2013, S. 113–162, Springer Fachmedien, Wiesbaden (2014)

    Link, P.: Agile Methoden im Produkt-Lifecycle-Prozess – Mit agilen Methoden die Komplexität im Innovationsprozess handhaben, In: Schoeneberg, K.-P. (Hrsg.): Komplexitätsmanagement in Unternehmen - Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern, S. 65–92, Springer Fachmedien, Wiesbaden (2014)

    Netthorn, C., Siemon, F., Schoeneberg, K.-P.: Komplexität im Wissensmanagement - Einsatz von Communities of Practice im komplexen Arbeitsumfeld internationaler Informations- und Kommunikationstechnologie-Dienstleistungsunternehmen, In: Schoeneberg, K.-P. (Hrsg.): Komplexitätsmanagement in Unternehmen - Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern, S. 225–247, Springer Fachmedien, Wiesbaden (2014)

    Pohle, C.: Komplexitätsreduktion durch Standardisierung in der BI – Kontinuierliche Transparenz durch flexibles Reagieren auf sich ändernde Marktanforderungen am Beispiel der Lufthansa Technik Logistik Services GmbH, In: Schoeneberg, K.-P. (Hrsg.): Komplexitätsmanagement in Unternehmen - Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern, S. 355–368, Springer Fachmedien, Wiesbaden (2014)

    Sargut, G., McGrath, R. G.: Mit Komplexität leben lernen. Harv. Bus. Manag. 22–34 (2011)

    Schmid, L.: Entwicklung und Anwendung systemdynamischer Modelle zur Entscheidungsunterstützung im strategischen Management, In: Schoeneberg, K.-P. (Hrsg.): Komplexitätsmanagement in Unternehmen - Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern, S. 29–43, Springer Fachmedien, Wiesbaden (2014)

    Schoeneberg, K.-P.: Komplexität – Einführung in die Komplexitätsforschung und Herausforderungen für die Praxis, In: Schoeneberg, K.-P. (Hrsg.): Komplexitätsmanagement in Unternehmen - Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern, S. 13–27, Springer Fachmedien, Wiesbaden (2014)

    Schoeneberg, K.-P., Pein, J.: Entscheidungsfindung mit Big Data - Einsatz fortschrittlicher Visualisierungsmöglichkeiten zur Komplexitätsbeherrschung betriebswirtschaftlicher Sachverhalte im Unternehmen, In: Schoeneberg, K.-P. (Hrsg.): Komplexitätsmanagement in Unternehmen - Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern, S. 309–354, Springer Fachmedien, Wiesbaden (2014)

    Schulz, C.: Systemtheorie und Kybernetik als Grundlage der Modellierung und des Controllings von Komplexität, In: Schoeneberg, K.-P. (Hrsg.): Komplexitätsmanagement in Unternehmen - Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern, S. 45–63, Springer Fachmedien, Wiesbaden (2014)

    Szinovatz, A., Müller, C.: Management der Komplexität im Innovationsprozess – Vom Stage-Gate Modell zum Survival of the Fittest Modell, In: Schoeneberg, K.-P. (Hrsg.): Komplexitätsmanagement in Unternehmen – Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern, S. 93–112, Springer Fachmedien, Wiesbaden (2014)

    Thiebes, F., Plankert, N.: Umgang mit Komplexität in der Produktentwicklung - Komplexitätsbeherrschung durch Variantenmanagement, In: Schoeneberg, K.-P. (Hrsg.): Komplexitätsmanagement in Unternehmen - Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern, S. 165–185, Springer Fachmedien, Wiesbaden (2014)

    Zerres, C.: Notwendigkeit und Strategien eines Komplexitatsmanagements fur variantenreiche Produkte - Ein Beitrag am Beispiel der Automobilbranche, In: Schoeneberg, K.-P. (Hrsg.) Komplexitatsmanagement in Unternehmen - Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexitat meistern, S. 289–308, Springer Fachmedien, Wiesbaden (2014)

    Zimmermann, K., Fabisch, N.: Personalmarketing als Baustein eines Komplexitätsmanagements in der logistischen Personalbeschaffung, In: Schoeneberg, K.-P. (Hrsg.): Komplexitätsmanagement in Unternehmen – Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern, S. 249–274, Springer Fachmedien, Wiesbaden (2014)

    Teil 1

    Wissenschaftsorientierte Ansätze zum Komplexitätsmanagement

    Klaus-Peter Schoeneberg (Hrsg.)Komplexitätsmanagement in Unternehmen2014Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern10.1007/978-3-658-01284-7_2

    © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

    2. Komplexität – Einführung in die Komplexitätsforschung und Herausforderungen für die Praxis

    Klaus-Peter Schoeneberg¹, ²  

    (1)

    Integriertes Informationsmanagement, Fachhochschule Wedel, Feldstraße 143, 22880 Wedel, Deutschland

    (2)

    Olande 63 a, 21509 Glinde, Deutschland

    Klaus-Peter Schoeneberg

    Email: kps@fh-wedel.de

    2.1 Der Komplexitätsbegriff

    2.2 Komplexitätstreiber

    2.3 Basisstrategien und -maßnahmen zum Management von Komplexität

    2.3.1 Komplexitätsvermeidung

    2.3.2 Komplexitätsbeherrschung

    2.3.3 Komplexitätsreduktion

    2.3.4 Basismaßnahmen zum Komplexitätsmanagement

    2.4 Ansätze für ein ganzheitliches Komplexitätsmanagement

    2.4.1 Ansätze aus systemtheoretischer Sicht

    2.4.2 Weitere Anforderungen an ein ganzheitliches Komplexitätsmanagement

    2.5 Fazit zum Stand der Forschung

    2.6 Ausblick

    Literatur

    Zusammenfassung

    Komplexität tritt in allen wissenschaftlichen wie praktischen Bereichen auf, die sich mit Systemen beschäftigen. Komplexitätsforschung als interdisziplinäre Wissenschaft bedient sich sowohl theoretischer als auch praktischer Ansätze, um Erklärungen zum Management von Komplexität zu liefern. Dieser Beitrag gibt eine Einführung in das Thema Komplexitätsmanagement aus Sicht der anwendungsorientierten Wissenschaft. Er schafft ein Grundverständnis für das Thema, um den Zugang zu den weiteren Artikeln zu erleichtern. Zunächst werden der Begriff und die Ursachen für auftretende Komplexität erläutert. Sodann werden unterschiedliche Strategien und Maßnahmen aufgezeigt, wie in der Praxis mit Komplexität umgegangen werden kann. Hier werden zunächst Detailansätze betrachtet, bevor abschließend auf ein ganzheitliches integriertes Komplexitätsmanagement eingegangen wird.

    Schlüsselwörter

    KomplexitätsforschungKomplexitätsursachenGanzheitliches KomplexitätsmanagementKomplexitätstreiberUnternehmensführung

    For every complex problem there is a simple solution. And it is always wrong.

    (Henry Louis Mencken, Publizist (1880–1956))

    2.1 Der Komplexitätsbegriff

    Komplexität stellt aufgrund der bestehenden und noch weiter zunehmenden globalen Vernetzung in allen wirtschaftlichen, politischen wie auch sozialen Bereichen mehr denn je einen essenziellen Erfolgsfaktor für Organisationen dar. Damit ist sie gleichzeitig auch eine der größten Herausforderungen, denen Organisationen sich stellen müssen.

    In den Technik- und Naturwissenschaften ist die Forschung nach dem Management von Komplexität und komplexen Systemen weit verbreitet (Kastl und Schmid 2008, S. 213–232, Bleicher 2004, S. 51). Auch in den Sozialwissenschaften wird seit den 1960er-Jahren versucht, im Rahmen der systemischen Managementlehre die Lenkung komplexer Ordnungssysteme zu analysieren (Malik 2008, S. VII). In der wissenschaftlichen Forschung wie im gesellschaftlichen Kontext besteht jedoch bisher kein einheitliches Verständnis zum Begriff Komplexität. Ebenso wenig lässt sich eine einheitliche Definition des Begriffs ausmachen. Je nachdem, welches Forschungsziel verfolgt wird oder welche Methodik angewandt werden soll, weichen die Definitionen und Interpretationen voneinander ab (Kersten et al. 2012, Rall und Dalhöfer 2004, S. 623–630, Kirchhof 2003, Scherf 2003). Etymologisch betrachtet geht der Begriff auf das lateinische complexus (Köbler 1995) zurück. Gemeint ist damit umfassend, umschlungen oder verflochten im Sinne von zusammengesetzt oder ineinandergreifend.

    Klabunde (2003) beschreibt den Begriff der Komplexität über die Merkmale Varietät, Konnektivität und Dynamik (Klabunde 2003, S. 6). Die Varietät umfasst die Anzahl und die Art der Elemente in einem System, die Konnektivität betrifft die Anzahl und die Art der Relationen zwischen den einzelnen Systemelementen und die Dynamik die Unbestimmbarkeit und Unvorhersehbarkeit komplexer Systeme. Lösungen und Abläufe sind damit in komplexen Strukturen unvorhersehbar (Schoeneberg 2010, S. 482 f., Denk und Pfneissl 2009, S. 19).

    Davon zu unterscheiden sind komplizierte Systeme. Der Unterschied zu komplexen Systemen liegt im Grad der vorherrschenden Unsicherheit. Aufgrund der Linearität ist bei komplizierten Systemen das Ergebnis vorhersagbar, wenn die Ausgangsbedingungen bekannt sind.

    Für die Produkt-, Projekt- oder Unternehmenssteuerung ist bei komplexen Systemen ein anderes Verständnis notwendig als bei komplizierten.

    Simon (1962) stellt aus Sicht der Systemtheorie die Idee der Modularisierung in den Vordergrund der Komplexitätsbeherrschung. Danach wechselwirken Elemente desselben Moduls stärker miteinander als mit Elementen anderer Module (Simon 1962). Schulz (2014) (Kap. 4) geht in seinem Artikel Systemtheorie und Kybernetik als Grundlage der Modellierung und des Controllings von Komplexität näher auf diese Thematik ein, sodass die entsprechenden Ausführungen hier ausbleiben können.

    Ein Betrachter ist somit gut beraten, im Vorwege eine Klassifikation vorzunehmen. Hierfür grenzen Ulrich und Probst (1991) aus wissenschaftlicher Sicht die vier Stufen einfache, komplizierte, relativ komplexe und äußerst komplexe Systeme voneinander ab, siehe Abb. 2.1 (Ulrich und Probst 1991).

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    Abb. 2.1

    Stufen der Komplexität von Systemen. (Bildrechte: Ulrich und Probst 1991)

    Einfache Systeme besitzen eine geringe Eigendynamik und Vielfalt und sind durch wenige Einflussgrößen, Verknüpfungen, Zielsetzungen oder Beteiligte sowie eine geringe Interaktion gekennzeichnet. Probleme tauchen in regelmäßigen Abständen auf und sind relativ stabil (Wiegand 2004, S. 142). Eingeleitete Aktionen liefern immer die gleichen Ergebnisse und sind determinierbar (Sargut und McGrath (2011, S. 25).

    Komplizierte Systeme sind durch eine geringe Eigendynamik und hohe Vielfalt gekennzeichnet. Sie bestehen aus einer Vielzahl von Elementen und/oder Vernetzungen, sind in ihren Aktionen und Reaktionen aufgrund der Linearität jedoch nachvollziehbar und funktionieren nach festen Regeln, sodass sie formal durch Algorithmen beschrieben werden können (Bechmann und Steitz 2009, S. 43). In der Praxis können darüber hinaus auch hoch komplizierte Systeme vorkommen, die bei ausreichender Anstrengung ebenfalls durch Zerlegung lösbar sind.

    Komplexe Systeme sind durch eine hohe Eigendynamik determiniert. Relativ komplexe Systeme beinhalten dabei eine geringe Vielfalt und äußerst komplexe Systeme eine hohe, wobei die Übergänge fließend sind. Das Verhalten komplexer Systeme ist nicht vollständig determiniert und zeichnet sich daher durch Ungewissheit aus (Bechmann und Steitz 2009, S. 44). Auch die Wechselbeziehungen innerhalb komplexer Systeme können sich permanent ändern, sodass bei identischer Ausgangslage unterschiedliche Ergebnisse entstehen können (Schimmel 2012, S. 10). Das Maß der Komplexität wird von den Elementen Multiplizität (Anzahl der potenziell beeinflussenden Elemente), Interdependenz (Zusammenhang der Elemente) und Diversität (Verschiedenartigkeit der Elemente) bestimmt. Eine steigende Zahl der Elemente führt hier zu einem ansteigenden Komplexitätsgrad (Sargut und McGrath 2011, S. 25). Buddensiek und Schimmel (2014) (Kap. 17) verweisen auf die Stufen von Ulrich und Probst für die operative Umsetzung von Komplexitätsmanagement zur Strukturierung von Projektportfolios.

    Vernachlässigt haben die bisherigen Betrachtungen den Faktor Zeit. Für komplexe Systeme sind sowohl Veränderungen der Beziehungen der Elemente im Zeitverlauf als auch das Auseinanderfallen von Ursache und Wirkung charakteristisch. Dabei wird die Veränderung des Komplexitätsgrades selber verhältnismäßig schnell wahrgenommen. Allerdings können die Wirkungen von komplexitätsmindernden Maßnahmen auf die Veränderung zumeist erst zeitverzögert festgestellt werden (Gießmann 2010, S. 35). Aufgrund der in der Praxis vorkommenden zahlreichen Verknüpfungen und unklaren Kausalzusammenhänge wird die Einleitung von Gegenmaßnahmen durch zeitliche Verzögerungen zusätzlich erschwert.

    Willke (2006) erweitert das Komplexitätsverständnis um die Relationen eines Systems zu seiner relevanten Umwelt sowie die Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten des Systems gegenüber seiner Umwelt. Dadurch können Systeme „sinnvoll und umfassend nur unter Einbeziehung ihrer jeweiligen Umwelt(en) analysiert werden" (Willke 2006, S. 25). Komplexität stellt sich demnach immer aus einer System-Umwelt-Relation dar, wobei der Beziehungs- und Möglichkeitenreichtum der Umwelt für das System zum Entscheidungsproblem unter Unsicherheit wird (Blockus 2010, S. 9).

    Hierfür ist eine Abgrenzung des betrachteten Systems von seiner Systemumwelt erforderlich, was eine Konkretisierung des Bezugsobjektes erfordert. Festzulegen sind neben den Systemgrenzen auch die Betrachtungsebenen, wobei ein System sowohl Bestandteil eines übergeordneten Systems sein kann als auch mehrere Subsysteme beinhalten kann, die wiederum Systemelemente darstellen.

    2.2 Komplexitätstreiber

    Die Ursachen, die zur Erhöhung der Komplexität im betrieblichen Umfeld führen, sind vielfältig, sodass sich beliebig viele Komplexitätstreiber finden lassen. Allgemeine Unterscheidungsmöglichkeiten zur Klassifizierung der Komplexitätstreiber sind:

    exogene oder endogene Komplexitätstreiber

    detaillierte oder ganzheitliche Betrachtung der Komplexität

    Die nachfolgende Grafik (Abb. 2.2) zeigt die Komplexitätstreiber, gegliedert nach exogenen oder endogenen Ursachen. Eine detaillierte Beschreibung der Formen der Komplexität in Unternehmen findet sich bei Blockus (2010, S. 16 ff.).

    Im Rahmen der Unterscheidung zwischen exogenen und endogenen Komplexitätstreibern wird betrachtet, wie die Ursachen auf das System wirken. Exogene oder auch externe Treiber wirken von außen auf das System und können zumeist nicht oder nur in geringem Umfang beeinflusst werden. Hierzu zählen die Gesellschafts- und die Marktkomplexität. Die Gesellschaftskomplexität beinhaltet die für ein Unternehmen vorherrschenden rechtlichen, politischen oder sozialen Rahmenbedingungen und ist daher vom Unternehmen zumeist nicht beeinflussbar (Kirchhof 2003, S. 41). Die in der Marktkomplexität subsumierte Nachfrage- und Wettbewerbskomplexität ist vom Unternehmen zumeist auch nicht beeinflussbar. Unter dem Aspekt notwendiger komplexer Prozesse für die Unternehmensversorgung mit Rohstoffen und Ressourcen wurde die Beschaffungskomplexität ebenfalls der Marktkomplexität zugeordnet. Gerade angesichts bestehender langfristiger Lieferantenbeziehungen ist auch eine Zuordnung zu den korrelierten Unternehmenskomplexitäten denkbar (Gießmann 2010, S. 38 f.).

    Endogene oder auch interne Komplexitätstreiber können weiter nach korrelierter und autonomer Unternehmenskomplexität unterteilt werden. Die korrelierte Unternehmenskomplexität wird direkt oder indirekt von der externen Unternehmenskomplexität, vor allem der Marktkomplexität, beeinflusst. Strukturell ist sie den endogenen Komplexitätstreibern zugeordnet, da die Definition und inhaltliche Ausgestaltung dieser Einflussgrößen dem Unternehmen zuzuordnen ist. So definiert ein Unternehmen seine IT-Struktur i. d. R. selber. Im Rahmen globalisierender Märkte können hier allerdings die Kundennachfrage- oder Wettbewerbssituation, formal angesiedelt in der Marktkomplexität, einen erheblichen Einfluss auf die Auswahl oder das Update eines CRM-Systems haben. Gießmann hebt hervor, dass gerade die vom Produkt oder Produktprogramm ausgehende Komplexität ein wesentlicher Treiber der korrelierten Unternehmenskomplexität ist (Giesmann 2010, S. 36). Entscheidungen über künftige Produkte oder Varianten werden wesentlich auch von externen Faktoren, wie z. B. den Kunden- oder rechtlichen Anforderungen beeinflusst. Ebenso kann eine Änderung der Fertigungstiefe eines Unternehmens bei den Zulieferern zu einer Erhöhung der Komplexität führen. Die Ursachen der korrelierten Unternehmenskomplexität können somit interne oder externe Treiber sein.

    Dagegen wird die autonome Unternehmenskomplexität nicht durch externe Faktoren beeinflusst. Sie wird aufbau- und ablauforganisatorisch von internen Faktoren bestimmt. Hierzu zählen die bestehende Organisationsstruktur und die strukturellen Gegebenheiten sowie die definierten Prozesse und die Art der Planung und Steuerung. Auch bei der autonomen Unternehmenskomplexität bestehen Interdependenzen zur korrelierten Unternehmenskomplexität (Giesmann und Lasch 2011, S. 6). So ist beispielsweise eine hohe Produktindividualisierung für den Kunden mittels einer Reduktion der Produktstandardisierung möglich, wodurch der Komplexitätsgrad nachhaltig steigt. Abhängig vom Produkt ist alternativ die Produktindividualisierung mittels Variantenfertigung denkbar. Dies würde zunächst zu einer Erhöhung der Varianten und damit der Organisationskomplexität führen. Dagegen ist jedoch zu prüfen, ob diese mittels der Standardisierung überkompensiert wird, sodass letztendlich eine Komplexitätsreduktion eintritt. Autonome und korrelierte Unternehmenskomplexitäten beeinflussen sich damit gegenseitig. Die Unterteilung dient aus wissenschaftlicher Sicht eher der formalen Abgrenzung.

    Eine weitere Möglichkeit zur Klassifizierung der Komplexität stellt die Trennung innerhalb des Detaillierungsgrades bzw. der Betrachtungsebene dar. Unterscheiden lassen sich hier:

    Komplexität im engeren Sinne (detaillierte Sicht)

    Komplexität im weiteren Sinne (ganzheitliche Sicht)

    Historisch betrachtet führte der Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt in vielen Brachen zu gestiegenen Kundenanforderungen. Diesen individuellen Kundenwünschen wurde während der vergangenen Jahrzehnte im Produktionsbereich durch den kontinuierlichen Anstieg an Variantenvielfalt Rechnung getragen. Weitere Ursachen für das entsprechend notwendige Variantenmanagement waren die erhöhte Innovations- und Technologiedynamik sowie verkürzte Entwicklungs- und Produktlebenszyklen (Lindemann 2012). Neben der äußeren Variantenvielfalt als Angebotsvielfalt auf Produktebene tritt auch die innere Variantenvielfalt in der Produktion auf den Baugruppen und Teileebenen auf. Aufgrund einer fehlenden eindeutigen Definition von Komplexität wurden hier in der Vergangenheit auch komplizierte Systeme als komplex betitelt. Darüber hinaus wurde in der Vergangenheit fälschlicherweise häufig das Variantenmanagement mit dem Komplexitätsmanagement gleichgesetzt (Ghoffrani 2007). Das Variantenmanagement, als klassisches Beispiel und Treiber des Komplexitätsmanagements, zählt zum Komplexitätsmanagement im engeren Sinne. Subsumiert werden hierunter Ansätze, die auf der Detailebene versuchen, lokale Komplexitätsoptima zu bestimmen und dadurch das System handhabbar zu machen. Die Analyse kann beispielsweise zur Reduktion der in Abb. 2.2 dargestellten Komplexitätstreiber erfolgen.

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    Abb. 2.2

    Komplexitätstreiber. (Bildrechte: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gießmann 2010, S. 125, Kirchhof 2003, S. 39 ff., Bliss 2000, S. 5 ff.)

    Im Gegensatz dazu erfolgt die Betrachtung des Komplexitätsmanagements im weiteren Sinne als ganzheitliches System. Notwendig ist hierfür ein unternehmensweites Komplexitätsmanagement. Hierauf wird im Abschnitt 2.4 „Ganzheitliches Komplexitätsmanagement" näher eingegangen.

    Die bisherigen Betrachtungen können zur Art der Detailkomplexität gezählt werden. Diese beinhaltet die kombinatorischen Möglichkeiten, die aufgrund der Elemente oder der Anordnungsbeziehungen in einem System vorliegen. Sie wurden in Abschnitt 2.1 als kompliziert definiert. Die Komplexität liegt lediglich darin, aus einer unübersichtlichen Anzahl von Möglichkeiten die beste Lösung herauszufinden. Hiervon muss die dynamische Komplexität unterschieden werden.

    Die Komplexität im weiteren Sinne oder auch die ganzheitliche Sicht der Komplexität versucht, diese gesamthaft zu erfassen und zu verstehen. Problematisch ist hierbei, dass ein großer Bestand an Einzelansätzen auf Detailebene notwendig und sinnvoll ist, den Anwender aber vor das Problem der Auswahl der richtigen Methodenkombination stellt. Diese lösen dann nur lokale Optima und können somit ggf. kontraproduktiv sein. Ganzheitliche Ansätze sind dadurch gekennzeichnet, dass sie das Gesamtsystem inklusive bestehender Wechselwirkungen, Akkumulationen, Nichtlinearitäten und Verzögerungen erfassen. Ziel ist die übergreifende Erstellung eines Gesamtkonzeptes bei Integration der Einzelansätze und -strategien (Gießmann und Lasch 2011, S. 3).

    2.3 Basisstrategien und -maßnahmen zum Management von Komplexität

    Auf die detaillierte Darstellung der einzelnen Auswirkungen einer erhöhten Komplexität wird an dieser Stelle verzichtet. Diese sind ebenso vielfältig wie deren Ursachen. Aufgrund des Auseinanderfallens von Komplexitätsverursachung und Kostenanfall können sie zu funktionsübergreifenden Kostensteigerungen in nahezu allen Unternehmensbereichen führen, was zu einer Verlagerung von Kostenanteilen in den Gemeinkostenbereich führen kann. Wie im vorherigen Abschnitt dargestellt, sind die zugrundeliegenden Ursache-Wirkungs-Beziehungen nur schwer ermittelbar. Zusätzlich können die Kostenwirkungen zeitverzögert auftreten, wodurch sprungfixe Kosten auftreten können, sofern es sich um diskrete Bedarfe (z. B. Investition in neue IT-Systeme, Neueinstellung von zusätzlichen Mitarbeitern) handelt. Darüber hinaus verlaufen die Kostenwirkungen von Komplexitätsänderungen häufig nicht symmetrisch, sodass sich ein Kostenanstieg durch die Erhöhung von Komplexität nicht durch eine entsprechende Reduktion von Komplexität im identischen Ausmaß rückgängig machen lässt (Meyer 2007, S. 31 ff., Blockus 2010, S. 25).

    Wildemann differenziert für das Komplexitätsmanagement drei Basisstrategien: (Wildemann 2012):

    Komplexitätsvermeidung

    Komplexitätsreduktion

    Komplexitätsbeherrschung

    Die nachfolgend dargestellten drei Strategien für das Komplexitätsmanagement beziehen sich auf die Betrachtungsebene der Komplexität im engeren Sinne (vgl. Abschnitt 2.2).

    2.3.1 Komplexitätsvermeidung

    Die Vermeidung von Komplexität ist möglich durch eine präventive Verhinderung ihrer Entstehung. Zukünftig mögliche Komplexitätsanforderungen sind vor deren Entstehung in den organisatorischen Strukturen und Prozessen zu antizipieren, wodurch die Effektivität gesteigert werden soll. Diese Strategie hat somit den längsten Umsetzungs- und Wirkhorizont (Wildemann 2012). Als Beispiele führt Meyer die Modularisierung von Produkten, Organisationsstrukturen und Prozessen an. Dabei werden die Systembestandteile mit erhöhten Veränderungs- oder Innovationsfrequenzen von denen mit niedrigen getrennt. Durch diese Aufspaltung kann bei zukünftigem Anpassungsbedarf die Veränderung direkt im notwendigen Modul erfolgen (Meyer 2007, S. 31 ff., Blockus 2010, S. 34). Zusätzlich wird beispielsweise auf Produktebene die Komponentenanzahl je Produkt durch eine Modularisierung direkt reduziert. Auf die Thematik des Komplexitätsmanagements mittels Modularisierung geht Koppenhagen (2014) (Kap. 7) detailliert ein.

    Aus systemtheoretischer Sicht widerspricht die Komplexitätsvermeidung im Sinne einer dauerhaften Komplexitätsreduktion Ashbys Gesetz der erforderlichen Varietät, wonach der externen Systemkomplexität nur mit einer ebenso ausgeprägten internen begegnet werden kann (Ashby 1970). Eine Komplexitätsvermeidung kann damit nicht beliebig vorangetrieben werden, sofern ein Unternehmen marktfähig bleiben möchte.

    2.3.2 Komplexitätsbeherrschung

    Ziel der Komplexitätsbeherrschung ist es, nicht vermeidbare Komplexität zu handhaben. Die durch externe Systemanforderungen hervorgerufene interne Komplexität gilt es, möglichst effizient zu beherrschen. Folgt man der Sichtweise, dass die Maßnahmen zur Komplexitätsreduktion auch als Maßnahmen zur Effizienzsteigerung angesehen werden können, so können die Maßnahmen der Komplexitätsbeherrschung auch als Effizienzverbesserungsmaßnahmen gelten. Die Beherrschung kann mittels Anpassung der organisationalen Rahmenbedingungen, flexibler Schnittstellengestaltungen oder flexibel skalierbarer IT-Systeme erfolgen.

    2.3.3 Komplexitätsreduktion

    Gemäß Ashbys Gesetz können auch überkomplexe Unternehmen langfristig nicht am Markt bestehen, sodass in diesem Falle komplexitätsreduzierende Maßnahmen notwendig sind. Dies kann auf systemstruktureller Ebene mittels der Reduktion der Varietät (Vielzahl) oder Heterogenität (Vielfalt) der Systemelemente und deren Verknüpfungen erfolgen. Die bei der Komplexitätsvermeidung erläuterte Modularisierung führt ebenfalls zu einer Reduktion der Komplexität, wird hier jedoch nicht noch einmal erläutert. Ebenso kann beispielsweise aus Sicht des Portfoliomanagements eine Produkt- oder Produktportfolioreduktion sowie eine Varianten- oder Prozessreduktion erfolgen.

    Aufgrund der Relevanz im Zusammenhang mit Visualisierungsmöglichkeiten gehen Schoeneberg und Pein (2014) (Kap. 14) in ihrem Artikel Entscheidungsfindung mit Big Data auch auf die Unterteilung der Basisstrategien ein. In der Literatur lassen sich noch weitere Strategien des Komplexitätsmanagements finden, beispielsweise Komplexitätserhöhung, Komplexitätsverlagerung oder Komplexitätsakzeptanz (Puhl 1999, Rosenberg 2002, S. 225–246). Aufgrund ihrer geringen allgemeinen Relevanz werden diese hier nicht weiter ausgeführt.

    2.3.4 Basismaßnahmen zum Komplexitätsmanagement

    Die folgende Übersicht aus dem Bereich Logistik zeigt eine exemplarische Auswahl von Basismaßnahmen zur Komplexitätshandhabung und damit einhergehende logistikspezifische Ausprägungen (Abb. 2.3).

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    Abb. 2.3

    Basismaßnahmen des Komplexitätsmanagements. (Bildrechte: Eigene Darstellung in Anlehnung an Meyer 2007, S. 64)

    Da die Grundstrategien in der Praxis nicht immer trennscharf voneinander abzugrenzen sind, können einzelne Maßnahmen zum Umgang mit Komplexität mehr als einer Kategorie zugeordnet werden (Bliss 2000). Die beiden ersten Basismaßnahmen Standardisierung und Strukturbereinigung dienen vorwiegend der Komplexitätsreduktion, wohingegen die weiteren Maßnahmen eher der Komplexitätsbeherrschung und -vermeidung zuzurechnen sind (Kersten et al. 2012).

    2.4 Ansätze für ein ganzheitliches Komplexitätsmanagement

    In den Abschnitt 2.2 und 2.3 wurde darauf hingewiesen, dass die bisher dargestellten Möglichkeiten zum Umgang mit Komplexität das Thema auf der Detailebene betrachten. Betont wurde, dass es darüber hinaus der ganzheitlichen Betrachtung bedarf, um von den lokalen Optima zu einem Gesamtoptimum zu gelangen (Bogaschewsky und Rollberg 1998, S. 84, zit. in Gießmann 2010, S. 45). In der Literatur gilt diese Notwendigkeit einer ganzheitlichen Sichtweise mittlerweile als unumstritten. Im folgenden Abschnitt wird zunächst die erforderliche Systemevolution aus systemtheoretischer Sicht dargestellt, um danach auf weitere praxisorientierte Anforderungen und Vorgehensweisen für ein ganzheitliches Komplexitätsmanagement einzugehen.

    2.4.1 Ansätze aus systemtheoretischer Sicht

    Nach Vaughn tendieren komplexe Systeme dazu, adaptiv zu sein, und die agierenden Personen lernen im Zeitverlauf, den Umgang mit ihrer Umwelt zu optimieren. Aufgrund gegenseitiger Abhängigkeiten neigen sie einerseits zur Kooperation, andererseits auch zum Wettbewerb, um die eigene Anpassungsfähigkeit an die Umgebung zu optimieren (Vaughn 2008, S. 189–209). Aus systemtheoretischer Sicht können Systeme unterschiedliche Zustände auf dem Weg zu (hoch-)komplexen Systemen durchlaufen (Willke 2000). Nachfolgend in Tab. 2.1 sind die Stadien der Systemevolution von der Entstehung eines Quasi-Systems hin zu einem hochkomplexen System dargestellt (Tab. 2.1).

    Tab. 2.1

    Systemevolution

    Bildrechte: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Schwegler 2008, S. 56, Willke 2000, S. 68 ff.

    Innerhalb der Evolutionsschritte sind unterschiedliche Komplexitätsanforderungen zu bewältigen. Hierzu haben die Systeme unterschiedliche aufeinander aufbauende Fähigkeiten zu entwickeln. Die jeweiligen emergenten Eigenschaften lassen sich den Systemzuständen zuordnen, da sie für die Evolutionsebene des komplexen Systems charakteristisch sind (Willke 2000 mit Bezug auf Krohn und Küppers 1992).

    Nach der Reduktion der Komplexität innerhalb der Quasi-Systeme erfolgt der Umgang mit Komplexität beim Übergang zu komplexen Systemen auf Basis der Steuerung und Koordination. Zur Bewältigung der zeitlichen Komplexität erfolgt die Ausdifferenzierung von Strukturen und Prozessen, die zeitlich optimal abzustimmen sind. Bei Erreichung des komplexen Systemzustands liegt aufgrund der kognitiven Strukturen die Fähigkeit zur Reflexion vor (Heidsiek 2009). Eine emergente Eigenschaft hochkomplexer Systeme ist es, die Funktion der Genese herauszubilden (Schwegler 2008).

    Erst durch die Fähigkeit zur Komplexitätsreduktion können die kognitiven Strukturen und die Fähigkeiten zur Reflexion und Genese, die eine Erhöhung der Komplexität mit sich bringen können, entwickelt werden. Wimmer bezeichnet es als systembegründende Paradoxie, dass gerade die Selektion und Reduktion der Informationen der Umwelt die Fähigkeit zur gezielten Fokussierung der Bearbeitungsroutinen auf bestimmte Leistungsaspekte ermöglichen, da durch die Selektion eventuell relevante Umweltinformationen oder -entwicklungen ausgeblendet werden (Wimmer 2009, S. 213–230). Der Umgang mit der systembegründenden Paradoxie ist die Voraussetzung dafür,

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