Nachhaltiges Wirtschaften im digitalen Zeitalter: Innovation - Steuerung - Compliance
Von Andreas Gadatsch
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Nachhaltiges Wirtschaften im digitalen Zeitalter - Andreas Gadatsch
Herausgeber
Andreas Gadatsch, Hartmut Ihne, Jürgen Monhemius und Dirk Schreiber
Nachhaltiges Wirtschaften im digitalen ZeitalterInnovation – Steuerung – Compliance
../images/448728_1_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.gifHerausgeber
Andreas Gadatsch
Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Sankt Augustin, Deutschland
Hartmut Ihne
Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Sankt Augustin, Deutschland
Jürgen Monhemius
Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Sankt Augustin, Deutschland
Dirk Schreiber
Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Sankt Augustin, Deutschland
ISBN 978-3-658-20173-9e-ISBN 978-3-658-20174-6
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20174-6
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Vorwort
Zur Verantwortung der Wissenschaft für die Gesellschaft im 21. Jahrhundert
I. Wissenschaft und Wandel
Die Herausforderungen an die Wissenschaft sind vielfältig. Eine der größten Herausforderungen ist es, die zumeist jungen Köpfe, die in die Hochschulen kommen, fachlich und ethisch fit für die Zukunft zu machen. Das gilt sowohl für die bekannten Arbeitsbereiche als auch die neuen, die sich insbesondere durch die Digitalisierung erst noch ergeben werden. Im Wesen der Zukunft liegt es, dass ihre Konturen unscharf sind. Dass nicht klar ist, was kommen wird, ob wir eine Kontinuität des Gegeben erleben werden oder Disruptionen unterschiedlichster Art, milde oder radikale, die alles Kalkulable über den Haufen werfen. Trotzdem brauchen wir verlässliche Curricula und Studienformen für die Studierenden, die beides möglich machen, den Erwerb von fachlicher Substanz auf der Grundlage bestehender wissenschaftlicher Standards und zugleich die Handlungsfähigkeit der kommenden Fach- und Führungseliten bei der Gestaltung von Wirklichkeit unter den unbekannten oder unscharfen Prämissen der Zukunft.
Die Wissenschaft muss auch immer wieder die neuen Themen für die Forschung finden, die in der Zukunft liegen und uns herausfordern werden. Sie muss in ihrer Forschung selbst Zukunft tragen und Erkenntnisse zeitigen, die uns helfen werden, das 21. Jahrhundert zu bestehen. Sie muss dafür dialogfähig mit der Gesellschaft sein, darf sich nicht verschließen. Ergebnisse von Forschung müssen in die Welt getragen werden. Dabei muss die Wissenschaft eine aktive Rolle spielen. Es reicht nicht aus, seine wissenschaftlichen Erkenntnisse für eine Peergroup zu entwickeln, die sich ein Leben lang wechselseitig zitiert, ohne dass die Gesellschaft davon Kenntnis bekäme oder deren Wirkungen verspürte. Es reicht auch nicht aus, die wissenschaftlichen Resultate in die Regale der Bibliotheken zu stellen, in der Hoffnung, dass sie dort jemand fände und Gutes damit tue. Gute Wissenschaft entsteht in der Mitte des Lebens und findet auch den Weg dorthin zurück. Das geschieht aber nur, wenn die Wissenschaft dafür Sorge trägt, mitten im Leben zu stehen. Wissenschaft muss sich dafür engagieren und neue Formate ihrer gesellschaftlichen Vermittlung ausprobieren und etablieren.
Viele Zeichen stehen auf Wandel, radikalen Wandel. Der Klimawandel und seine Folgen für die Überlebensfähigkeiten der Gesellschaften, die Migration von Armutsgesellschaften quer über den Globus, die Veränderung der globalen Wettbewerbsbedingungen mit Grauzonen, die Digitalisierung von fast allem: der Lebens-, Wirtschafts- und Kommunikationsformen, ein Zivilisationsbruch mit großen Chancen und großen Risiken deutet sich an.
II. Nachhaltiges Wirtschaften im digitalen Zeitalter
Die Wissenschaft hat eine Verantwortung für das Verstehen und für das Bestehen des Wandels und seiner Folgen für Mensch und Natur. Das dabei zu behandelnde Themenportfolio ist umfassend und gigantisch. Ein Thema hat mit dem Wirtschaften im 21. Jahrhundert zu tun, es nachhaltig zu gestalten und unter den Bedingungen fortschreitender Digitalisierung angemessen, wenn nötig neu zu denken, vom regionalen Innovationssystem bis zu den globalen Märkten, von der Unternehmensperspektive bis zu den komplexen Interdependenzen einer vernetzten Welt der Staaten und Märkte, ihren Akteuren, den rechtlichen Rahmenbedingungen und ethischen Werten. Das ist das Thema des vorliegenden Buches „Nachhaltiges Wirtschaften im digitalen Zeitalter". In sieben Kapiteln werden aus den Perspektiven der Betriebs- und Volkswirtschaft, der Wirtschaftsinformatik, der Wirtschaftspsychologie, der Rechtswissenschaft und der Ethik wichtige Aspekte des Zusammenspiels von Wirtschaften, Digitalisierung und Nachhaltigkeit in seinen vielfältigen Facetten und Interpretationshorizonten durchdacht: Ethik und Recht, Führung, Innovation und Digitalisierung, Innovation und Lehre, Messung und Controlling der Nachhaltigkeit sowie Wachstum, Innovation und Nachhaltigkeit.
Ziel muss es sein, Digitalisierung so zu gestalten, dass man ihre Chancen maximal nutzt und Risiken minimiert, das heißt vor allem, dass sie die Kerne menschlicher Existenz nicht schädigt, sondern schützt und stärkt. Es wird eine besondere Anstrengung bedeuten, die Werte unserer freien, demokratischen Gesellschaft in das digitale Zeitalter zu übertragen. Künstliche Intelligenz, autonome Systeme, Roboter werden die Arbeits- und Lebenswelt dramatisch verändern. Ganze Berufssparten werden verschwinden, gerade auch im Dienstleistungssektor, der bislang im Vergleich zur Industrieproduktion als weniger automatisierbar und deshalb als weniger anfällig galt. Eine Studie der Universität Oxford schätzt, dass nahezu jeder zweite Arbeitsplatz (47 %) in den kommenden 20 Jahren durch die Digitalisierung gefährdet ist („at risk"). ¹ Die digitale Transformation wird uns zwingen, menschliche Existenz jenseits der Arbeit neu abzusichern. Ein bedingungsloses Grundeinkommen wird in Finnland derzeit als befristetes Projekt ausprobiert. Von großem Schaden auch für die Arbeitsplätze wäre nach Auffassung von Forschern des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit aber, wenn die Chancen der Digitalisierung ungenutzt blieben. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass nicht weniger, aber andere Arbeitsplätze durch die Digitalisierung entstehen werden. ² Es wird eine der wichtigsten Aufgaben der nahen Zukunft sein, digitale Technologien nachhaltig, das heißt ökonomisch (besonders: Wettbewerb, Innovation), sozial (besonders: Einkommen, soziale Sicherungssysteme) und ökologisch (besonders: Energie, Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Mobilität) kompatibel zu nutzen.
Unklar ist, ob und wie gefährlich Innovationen im Bereich digitaler autonomer Systeme sein werden. Kritiker der Künstlichen Intelligenz wie der Unternehmer Elon Musk warnen bereits vor globalen Katastrophen, ausgelöst durch aus der menschlichen Kontrolle geratene intelligente autonome Systeme. ³ Inwieweit dies dystopische Science-Fiction ist und bleibt, hängt von der Vernunft und Entschiedenheit der Menschen im Umgang mit den autonomen digitalen Technologien ab. Dies wird der Kraft vieler Hände bedürfen, aus der Politik, der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Gesellschaft. Die Wissenschaft kann hier mit evidenzbasierten Prognosen eine entscheidende Hilfestellung leisten.
III. Nachhaltigkeit und Wissenschaft
Vor 25 Jahren wurde auf der UN-Umweltkonferenz in Rio de Janeiro von den Staaten der Erde ein „Weltaktionsplan für das 21. Jahrhundert beschlossen. Die sogenannte „Agenda 21
von 1992 wurde zum ersten global-normativen Zielkatalog der Weltgemeinschaft für die nachhaltige Ausgestaltung ihrer Gesellschaften. Dabei wurde ein ganzheitlicher Ansatz gewählt, der drei Dimensionen von Nachhaltigkeit umfasst, die miteinander versöhnt werden sollen: Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt. Die Rio Agenda formuliert zum einen Makroziele auf internationaler und globaler Ebene, zum anderen aber auch Mikroziele auf subnationaler Ebene, die „Lokalen Agenden". Heute kann man die lokalen Agenden als wichtige Bestandteile der regionalen Innovationssysteme ansehen, da positive Nachhaltigkeitsstandards sowohl die Attraktivität einer Region für Investoren und Fachkräfte erhöhen, als auch die Marktfähigkeit der in einer Region erzeugten Güter und Dienstleistungen beeinflussen.
Die Wissenschaft wird in der Agenda 21 in eine besondere Verantwortung genommen. Um die vielfältigen globalen Probleme wie etwa Umweltveränderungen, Armut und ökonomische Disparitäten zu lösen,
… wird es notwendig sein, das wissenschaftliche Verständnis zu vertiefen, langfristige Bewertungen zu verbessern, die wissenschaftliche Kapazität zu verstärken und sicherzustellen, dass Wissenschaft auf neue Erfordernisse eingeht…Die Wissenschaft muss ihre Erkenntnisse verstärkt beisteuern, um ein tieferes Verständnis zu ermöglichen, um die Interaktion zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu erleichtern. ⁴
Die Inanspruchnahme der Wissenschaft für ein vertieftes Verständnis globaler Interdependenzen und zur Vorbereitung richtiger Entscheidungen in Politik und Wirtschaft verstärkt sich in den beiden normativen Folgepaketen, der Millenniumserklärung von 2000 mit den Millennium Development Goals (MDG) und der Agenda 2030 von 2015 mit den Sustainable Development Goals (SDG). Die Entwicklung von nachhaltigen Gesellschaften ist ohne Wissenschaft nicht denkbar.
Es gibt viele Bereiche menschlichen Lebens, die zeigen, wie sehr sie in ihrem Verstandenwerden von der Wissenschaft und ihren Erkenntnissen abhängig sind. Gerade aber die Bewältigung des globalen Wandels macht ultimativ deutlich, dass die Wissenschaft conditio sine qua non für die Zukunft der Menschheit im 21. Jahrhundert ist. Zu fragen ist aber, welche Haltung die Wissenschaft einnehmen muss, um die Erwartungen an sie zu erfüllen. Wie wollen wir die Haltung der Wissenschaft denken? Soll sie primär erkenntnisorientiert sein? Oder primär anwendungsorientiert? Soll Wissenschaft beratend tätig werden oder sich neutral zurückhalten? Seit ihrem dokumentierten Beginn vor fast 3000 Jahren wird darüber gestritten. Es gibt sie beide: Die Verfechter einer science pur und einer science engagé. Es wäre dumm, beide, Grundlagenwissenschaft und Anwendungswissenschaft gegeneinander auszuspielen, einer den Vorrang vor der anderen zu geben. Wir brauchen beide gleichermaßen.
IV. Methodizität und Analysekompetenz verpflichten zur Verantwortung
Die Wissenschaft ist die Königsdisziplin für die analytische Durchdringung und die anwendungsorientierte Beratung bei der Lösung der Probleme der Zukunftsgesellschaft. Ihre Referenz- und Erkenntnisobjekte sind zum einen die Wissenschaften mit ihren Erkenntnissen und Theorien selber (Selbstreferenzialität), zum anderen die nichtwissenschaftlichen Kontexte (Natur, Kultur, Praxis) und zum Dritten die Wechselbeziehung zwischen beiden. Bei Letzterem lassen sich zwei fundamentale Aspekte unterscheiden: erstens die wissenschaftstheoretische Betrachtung des Wechselverhältnisses von Theorie und Praxis und, zweitens, die anwendungsorientierte Betrachtung dieses Wechselverhältnisses. Gerade die Interdependenz von Theorie und Praxis ist aus Sicht der anwendungsorientierten Wissenschaften bedeutsam, da hier die Brücke zu Innovationen geschlagen werden kann.
Das heißt nicht, dass die Wissenschaft in allem besser wäre als der „gesunde Menschenverstand" oder die souveräne Solidität einer reichhaltigen Erfahrungs- und Einfühlungspraxis, aber sie verfügt über Methoden und Instrumente, die ihre Aussagen grundsätzlich verlässlicher macht als das alltägliche Erfahrungswissen. Das hängt wesentlich mit der strikten und prinzipiellen Verwendung rationaler Methoden, das heißt ihrer Methodizität, zusammen. Damit nimmt sie eine Sonderstellung im Bereich der verschiedenen Wissenssysteme ein.
Die Wissenschaften und ihre Disziplinen stellen bei genauem Hinsehen nichts anderes als elaborierte logisch-semantische Aussagensysteme über die jeweiligen Untersuchungsgegenstände dar. Zwischen den Untersuchungsgegenstand und sein wissenschaftliches Erkanntwerden aber schiebt sich unvermeidlich die Sprache mit ihrer hermeneutischen Differenz, das heißt ihrer perspektivischen Bedeutungsauslegung. Jede Form von Erkenntnis bedarf der Sprache. Dabei kann es sich um die Umgangssprache, eine Fachsprache oder eine Formelsprache, wie etwa in der Mathematik und Logik, handeln. Entscheidend sind für die Geltung bzw. die Wahrheit wissenschaftlicher Aussagen insbesondere zwei Elemente: 1. deren Logizität, das heißt die logische Stringenz bzw. Exaktheit von Aussagen in einem Gesamtsystem von Aussagen, und 2. deren Überprüfbarkeit, das heißt die systematische Wiederholbarkeit empirischer Datenanalysen, z. B. im Experiment. Seit Poppers Kritischem Rationalismus wird der Charakter wissenschaftlicher Aussagen darüber hinaus um den Aspekt der Fallibilität bzw. Falsifizierbarkeit erweitert. ⁵ Nicht nur die Verifikation im Sinne beider zuerst genannten Eigenschaften macht eine Aussage zu einer wissenschaftlichen Aussage, sondern auch der Nachweis ihrer prinzipiellen Widerlegbarkeit. Damit sollen wissenschaftliche Aussagen vor hermetischen Aussagesystemen wie etwa in Religionen und Ideologien abgegrenzt werden.
Wissenschaft ist die menschliche Sprechform, die die höchsten Ansprüche an die Begründung einer Behauptung im Sinne von Erkenntnis stellt und auch erfüllen sollte. Insofern ist zu vermuten, dass alle komplexen, disziplinären sowie inter- und transdisziplinären Problemstellungen zu ihrer Lösung der Unterstützung der Wissenschaft bedürfen. Das gilt zunächst in heuristischer Hinsicht, also für das Erklären, Verstehen, Wissen, aber auch zur Qualitätssicherung bei Entscheidungen in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Allerdings folgt aus gut begründeten Erkenntnissen zwangsläufig noch keine Handlung. Es gibt keinen Automatismus, der aus Erkenntnisqualität auch Handlungsqualität macht. Um aus Erkenntnissen Handlungen oder Innovationen zu erzeugen oder Erkenntnisse für Handlungen und Innovationen zu nutzen, bedarf es Persönlichkeiten, die den Transfer vom Wissen zur Praxis tatsächlich auch bewerkstelligen. Es gehört, um einen alten Terminus der praktischen Philosophie zu gebrauchen, zum Wirksamwerden einer gut begründeten Erkenntnis auch ein Wille, Schlussfolgerungen für das praktische Handeln zu ziehen und „die PS auf die Straße zu bringen". Zum Beispiel haben Innovationen genau diesen Charakter, nämlich aus einer Idee eine neue Entität zu machen. Die Innovationsfähigkeit einer Gesellschaft hängt primär an der Innovationskompetenz der Individuen. Es bedarf geeigneter, vielfältiger, differenter und passender Rahmenbedingungen, um den Schritt von der überzeugenden Idee zur nachhaltigen Innovation zu ermöglichen.
Dieses knappe wissenschaftstheoretische Briefing muss an dieser Stelle genügen, um daraus die besondere Verantwortung von Wissenschaft für die menschliche Praxis plausibel zu machen. Das Argument lässt sich in Kurzform so fassen: Die Wissenschaft hat eine besondere ethische Verantwortung für die Unterstützung der Gesellschaft bei der Lösung von deren vielfältigen Herausforderungen und Problemen, weil sie ein einzigartiges System methodisch ausdifferenzierter – analytisch und synthetisch – Kompetenzen ist, das für das Verstehen der Komplexität bei der unüberschaubaren Interdependenz von Natur- und Kultursystemen conditio sine qua non ist. Natur und Kultur stehen hier als Oberbegriffe für die Systeme kausaler und sozialer Interaktion. Es gibt kein vergleichbares Wissenssystem, das insbesondere für das Verstehen und das Lösen komplexer, zumeist inter- und transdisziplinärer Herausforderungen wie zum Beispiel den Klimawandel, die soziale Sicherheit, die Digitalisierung, die Migration, die Innovationsfähigkeit der Volkswirtschaften und Unternehmen und die Unterstützung einer menschenwürdigen und nachhaltigen Entwicklung geeigneter wäre als das der Wissenschaft. Es soll hier nicht einem ausschließlich szientistischen Weltbild das Wort geredet werden, aber ohne eine starke, praxis- und anwendungsorientierte Wissenschaft sind die uns bereits umgebenden und noch vor uns liegenden Herausforderungen auf den Mikro-, Meso- und Makroebenen nicht bewältigbar.
V. Herausforderungen an das Wissenschaftssystem und an die Wissenschaftspolitik
Wenn man dem Argument folgt, ergeben sich eine Reihe von Konsequenzen für das deutsche Wissenschaftssystem, sowohl in Bezug auf sein Selbstverständnis als auch auf seine strukturelle und instrumentelle Ausrichtung:
1.
Das Wissenschaftssystem muss mental, das heißt in seinem generellen und auch spezifischen Selbstverständnis, stärker auf die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung und die Unterstützung der praktischen Problemlösungssysteme ausgerichtet werden.
2.
Das Wissenschaftssystem muss insbesondere an den Hochschulen deutlich mehr und auf Dauer angelegte systematische, transferfähige Schnittstellen zur Praxis und ihren Akteuren in Wirtschaft, Politik und Sozialbereichen etablieren.
3.
Die ihrer Ausrichtung nach an den gesellschaftlichen Bedarfen orientierte anwendungs- und innovationsorientierte Forschung muss deutlich besser mit Ressourcen ausgestattet und das eklatante Missverhältnis zwischen Grundlagen- und Anwendungsforschung durch neue, nachhaltige Förderinstrumente für die Anwendungsforschung beseitigt werden.
4.
Die bisher zumeist disziplinär ausgerichteten Karrierewege für Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen müssen um inter- und transdisziplinäre Karrierewege ergänzt werden.
5.
Der problemlösungs- und innovationsorientierte, multidirektionale Dialog mit den Akteuren und Entscheidern der Praxis sowie die daraus folgende notwendige praktische Kooperation müssen neu ausgerichtet, wirksam intensiviert und nachhaltig institutionalisiert werden.
Epilog: Der kluge Wissenschaftler und Kollege
Verantwortungsübernahme bei den gesellschaftlichen Herausforderungen hängt in erheblichem Maße auch von Einzelakteuren ab. Ohne das kritische und motivierende Engagement Einzelner in der Wissenschaft – in der Lehre, der Forschung, beim Transfer und im Zeigen gesellschaftlicher Verantwortung – würde es viele gute Wirkungen der Wissenschaft nicht gegeben.
Reiner Clement war ein solch verantwortungsbereiter Einzelakteur, ein inspirierender Hochschullehrer, Forscher und Wissenschaftsmanager, der sein wissenschaftliches Leben einer Wissenschaft gewidmet hat, die für die Menschen da ist. Dafür sind ihm die Gedanken dieses Buches in Dankbarkeit gewidmet.
Sankt Augustin
Hartmut Ihne
im Oktober 2017
Inhaltsverzeichnis
Teil I Ethik und Recht
1 Biokratie: Hat ein neues Konzept der Nachhaltigkeit vor dem Hintergrund der Generationen Y und Z sowie der künftigen Megatrends eine Chance? 3
Thomas Heupel
1.1 Nachhaltigkeit – ein nunmehr schwaches Konzept? 3
1.2 Biokratie – eine neue Offerte! 4
1.3 Entwicklung des Nachhaltigkeitsdiskurses vor dem Hintergrund ausgewählter Megatrends 6
1.3.1 Tendenz 1: Die Industrie 4.0 und die zunehmende Digitalisierung könnten zu mehr Effizienz und Suffizienz führen 7
1.3.2 Tendenz 2: Diversity – die Wahrnehmung des Bunten macht auch die Wahrnehmung der Rechte der Natur denkbar 8
1.3.3 Tendenz 3: Mehr Gesundheitsbewusstsein schafft Sensibilität – nur in einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist 9
1.3.4 Die Y- und Z-Generation ist selbstbestimmter, aber nicht status- und konsumorientierter als die X-Generation 10
1.4 Fazit 13
Literatur 14
2 Ethik im Medizintourismus 17
Jens Juszczak und Isabella Kern
2.1 Einleitung 17
2.1.1 Grundlegende rechtliche Regelungen zur grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung 17
2.1.2 Übersicht über ethische Fragestellungen im Medizintourismus 18
2.2 Reproduktionsmedizin 23
2.2.1 Künstliche Befruchtung 23
2.2.2 Erbgutanalyse durch Präimplantationsdiagnostik (PID) 25
2.2.3 Leihmutterschaft 26
2.3 Medizintourismus 2.0 28
2.3.1 Medizinische Vergleichsportale 28
2.3.2 Medical Crowdfunding 31
2.4 Handlungsempfehlungen 32
Literatur 34
3 Das neue Datenschutzrecht und die Organhaftung bei Datenschutzverletzungen 37
Jürgen Monhemius
3.1 Einführung 37
3.2 Das neue Datenschutzrecht 39
3.2.1 Begriff der Datenverarbeitung; datenschutzrechtliche Pflichtenbündel 39
3.2.2 Grundsätze der Datenverarbeitung 39
3.2.3 Erlaubnistatbestände 40
3.2.4 Rechte der betroffenen Personen 42
3.2.5 Präventiver Datenschutz 43
3.2.6 Folgen von Datenschutzverletzungen 46
3.3 Haftung des Organs gegenüber dem Unternehmen 47
3.3.1 Aufgaben, Pflichten, Verantwortung 47
3.3.2 Delegation 48
3.3.3 Legalitätskontrollpflicht 49
Literatur 50
4 „Das stell ich lieber nicht ins Netz! – zum „Chilling Effect
und seinen Konsequenzen 53
Anke Schüll
4.1 Zum Chilling Effect in sozialen Medien und seinen gesellschaftlichen Folgen 53
4.2 Zur Messung von Selbstzensur in Sozialen Medien 56
4.3 Chilling Effect und Selbstzensur bei unternehmensintern genutzten sozialen Medien 59
Literatur 61
5 Verantwortungsvolles Wirtschaften für eine nachhaltige Entwicklung 63
Wiltrud Terlau
5.1 Transformation zu einer nachhaltigen Entwicklung 63
5.2 Historische Begriffsentwicklung 64
5.3 Handlungsempfehlungen für ein verantwortungsvolles Wirtschaften 66
5.3.1 Ursachen einer nicht-nachhaltigen Entwicklung 66
5.3.2 Offene Diskussionspunkte 67
5.3.3 Ausgewählte Lösungsansätze 67
Literatur 72
Teil II Führung
6 Wie weit reicht die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen entlang der Supply Chain? Anmerkungen aus wirtschaftsethischer und CSR-praktischer Sicht 77
Frank Gogoll und Martin Wenke
6.1 Einleitung 77
6.2 Unternehmensverantwortung in einer arbeitsteiligen Weltwirtschaft 78
6.2.1 Das Umfeld der Unternehmenstätigkeit: die globalisierte Weltwirtschaft 78
6.2.2 Unternehmen – Markt und Moral, Gewinn und Gewissen 79
6.2.3 Unternehmensethik und Unternehmensverantwortung 82
6.3 CSR-Management in der Wertschöpfungskette 83
6.3.1 Grundlegende Aspekte – wie weit reicht die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen entlang der Lieferkette? 84
6.3.2 Das Konzept der „gemeinsamen Wertschöpfungs-Kette" 85
6.4 Ausblick 87
Literatur 88
7 Hypothesen zur Ausgestaltung des Controllings in Familienunternehmen 91
Andreas Wiesehahn und Pascal Görres
7.1 Einleitung 91
7.2 Definitorische Grundlagen 92
7.2.1 Familienunternehmen 92
7.2.2 Controlling 94
7.3 Methodisches Vorgehen 95
7.4 Ausgewählte Ergebnisse und weiterer Forschungsbedarf 100
Literatur 102
8 Peren-Clement-Index – eine exemplarische Fallstudie 105
Christina Pakusch, Franz W. Peren und Markus Arian Shakoor
8.1 Einführung 105
8.2 Direktinvestition und Standortwahl 106
8.2.1 Entscheidungsrahmen 108
8.2.2 Risikobeurteilung 109
8.3 Fallstudie 110
8.4 Schlussfolgerungen 114
Literatur 115
Teil III Innovation und Digitalisierung
9 IT-Management in turbulenten Zeiten: vom IT-Leiter über den CIO zum CDO 121
Stefan Brassel und Andreas Gadatsch
9.1 IT-Megatrends als Treiber organisatorischer Veränderungen 121
9.1.1 Big Data 121
9.1.2 Cloud-Computing 122
9.2 Berufsbilder im Wandel 122
9.2.1 EDV-Leiter/IT-Leiter 123
9.2.2 Chief Information Officer (CIO) 124
9.2.3 Chief Process Officer (CPO) 124
9.2.4 Chief Information and Process Officer 124
9.3 Auswirkungen der IT-Megatrends 125
9.3.1 Digitale Führung 125
9.3.2 Entwicklung neuer Geschäftsmodelle 125
9.4 Ein Beispiel aus der Praxis 126
9.5 Berufsbild des Chief Digital Officer 129
9.5.1 Handlungsbedarf aus empirischer Perspektive 129
9.5.2 IT-Organisation restrukturieren 129
Literatur 133
10 Mehrwerte auf Basis digitaler Kassenzettel: eine verbraucherinformatische Studie 135
Paul Bossauer, Stefan Hanschke und Gunnar Stevens
10.1 Einführung 135
10.2 Verbraucherinformationssysteme 136
10.2.1 Verbraucherinformationen 136
10.2.2 Verbraucher- und Hauswirtschafts-Apps 137
10.2.3 Austauschformate in der Konsumwirtschaft 138
10.3 Methodologie 139
10.4 Ergebnisse 140
10.4.1 Allgemeine Bewertung 140
10.4.2 Vereinfachter strukturierter Zugriff auf Produktinformationen 141
10.4.3 Erweiterte Vergleichsmöglichkeiten 142
10.4.4 Individualisierte, kontext-basierte Informationsangebote 143
10.4.5 Vereinfachtes Teilen und Wissensaustausch mit anderen 144
10.4.6 Pflege von Haushaltsbüchern und Feedback von Konsummustern 145
10.4.7 Rezeptvorschläge 145
10.5 Limitationen 146
10.6 Fazit 147
Literatur 148
11 Akzeptanz von innovativen Gesundheitstechnologien bei älteren Menschen – Ergebnisse einer empirischen Analyse 151
Daryoush Daniel Vaziri, Dirk Schreiber und Rainer Wieching
11.1 Prolog 151
11.2 Einleitung und Hintergrund 151
11.3 Systembeschreibung iStoppFalls 153
11.4 Forschungsdesign 155
11.4.1 Datenerhebung 155
11.4.2 Datenbasis 157
11.4.3 Datenauswertung 158
11.5 Ergebnisse 160
11.5.1 Qualitative Studie 160
11.5.2 Quantitative Studie 162
11.6 Diskussion 166
11.7 Fazit 168
Literatur 169
12 Die digitale Betriebsstätte und die höhere Steuergerechtigkeit internationaler Konzerne 173
Norbert Seeger
12.1 Problemstellung 173
12.2 Gerechtigkeit, Steuergerechtigkeit sowie Kapitalexport- und Kapitalimportneutralität 174
12.3 Aussagefähigkeit von Steuerbelastungsvergleichen 177
12.4 Steuervermeidung globaler Konzerne 178
12.5 Die digitale Betriebsstätte 181
12.6 Fazit 182
Literatur 183
13 Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Herausforderungen an die Rechtsetzung im Mehrebenensystem und die Compliance von Unternehmen 187
Dirk Uwer
13.1 Einleitung 187
13.2 Regulierung von Wirtschaftstätigkeit im Mehrebenensystem – grundsätzliche Überlegungen 188
13.3 Digitalisierung und „Big Data" im Spannungsfeld von Wettbewerbsrecht und Datenschutzrecht 190
13.4 Nachhaltigkeit im Handelsgesetzbuch: nicht-finanzielle Berichterstattungspflichten 193
Literatur 195
14 Digitalisierung und Immobilienvermittlung: Hat der Makler noch eine Zukunft? 197
Michael Voigtländer
14.1 Einleitung 197
14.2 Grundzüge von Plattformmärkten 198
14.3 Der Markt für Immobilienvermittlungen in Deutschland 199
14.4 Makler und Immobilienplattformen – Substitute oder Komplementäre? 201
14.4.1 Makler im digitalen Zeitalter 201
14.4.2 Kein Preiswettbewerb ohne Bestellerprinzip 201
14.5 Fazit 203
Literatur 204
15 Die digitale Mobilisierung der Wertschöpfung als Instrument der Nachhaltigkeit 207
Christoph Wamser
15.1 Managementkonzepte und ihre Bedeutung 207
15.2 Die Managementkonzepte der Nachhaltigkeit und des Mobile Business 208
15.2.1 Nachhaltigkeit: die Erfüllung der Generationengerechtigkeit 208
15.2.2 Mobile Business: die digitale Mobilisierung der Wertschöpfung 209
15.3 Die Analyse der Nachhaltigkeitspotenziale des Mobile Business 210
15.3.1 Nachhaltigkeitsziele für das Mobile Business 210
15.3.2 Nachhaltigkeitspotenziale in mobilen Anwendungsszenarien 212
15.4 Zusammenfassung 215
Literatur 215
Teil IV Innovation und Lehre
16 Vom Lehrenden als Führenden zum Lehrenden als Moderator: mit innovativen Lehr- und Lernmethoden Interdisziplinarität und Praxisnähe verwirklichen 219
Jürgen Bode und Maria-Christina Nimmerfroh
16.1 Das klassische Selbstverständnis 219
16.2 Vom Grundgedanken der Verantwortung zur effizienten Führung 220
16.3 Effiziente Führung reicht nicht aus – Weiterentwicklung zur transformationalen pädagogischen Führung 221
16.4 Vom Führen zum Moderieren des Lerngeschehens 223
16.5 Von Lernenden oft nicht geliebt, aber doch wirkungsvoll: gruppenorientierte Lernformen 224
16.6 Negative Aspekte gruppenorientierter Lernformen 225
16.7 Die Aufgaben des Lehrenden: Vorbereitung und Begleitung gruppenorientierter Lernformen 226
16.8 Praxisbeispiel: Erstellen eines Marketingplans für eine internationale Markteinführung 227
16.9 Wie wird aus dem führend Lehrenden ein moderierender Lehrender? 229
16.10 Fazit 230
Literatur 230
17 Wie wir lehren, wie wir lernen 233
Iris Groß
17.1 Persönliches Vorwort 233
17.2 Einführung und Überblick 234
17.3 Biologische Prozesse im Gehirn 235
17.4 Konstruktivismus als Denkansatz in der Lehre 236
17.5 Gute Lehre auf der Basis des Konstruktivismus 238
17.6 Aktivierende Methoden zum gehirnfreundlichen Lehren und Lernen 241
17.7 Fazit 243
Literatur 244
18 Fabriksimulation – innovative Lehrkonzepte im praktischen Einsatz 247
Martin Christian Kemnitz
18.1 Grundlagen der Hochschuldidaktikforschung 247
18.2 Die Simulation als innovatives Lehr- und Lernkonzept 250
18.3 Die Fabriksimulation im praktischen Einsatz 252
18.3.1 Lehr- und Lernziele 252
18.3.2 Produkt und Prozess 252
18.3.3 Kanban-System, Supermarkt und Milkrun 254
18.3.4 Qualitätsmanagement 256
18.3.5 Qualifizierungssystem 257
18.3.6 Zielmanagement 259
18.4 Kompetenzentwicklung in der simulationsbasierten Lehre 261
Literatur 263
19 Nachhaltigkeit in der Hochschullehre – ein interdisziplinärer Ansatz 265
Britta Krahn, Thomas Krickhahn, Klaus Lehmann und Margit Schulze
19.1 Zur Ausgangssituation und Konzeption des Ansatzes 265
19.2 Modul 1: Einführung in den Nachhaltigkeitsbegriff und naturwissenschaftliche Vertiefung 267
19.3 Modul 2: Psychologische Grundlagen zur Diskrepanz zwischen Umwelteinstellungen und Umwelthandeln 269
19.4 Modul 3: Ethische Grundlagen von CSR und Überlegungen zur anwendungsorientierten Umsetzung in Unternehmen 272
19.5 Modul 4: Verknüpfung von Lehre und Forschung: Studierende forschen an nachwachsenden Rohstoffen 274
19.6 Fazit: Interdisziplinäre Lehre in der Praxis 277
Literatur 278
Teil V Messung und Controlling der Nachhaltigkeit
20 Gesellschaftliche Verantwortung von Familienunternehmen – theoretische Zusammenhänge und Messung 285
Klaus Deimel, Mischa Ellenberger und Sonja Ellenberger
20.1 Einleitung 285
20.2 Corporate Social Responsibility – definitorische Grundlagen 286
20.3 Familienunternehmen und Corporate Social Responsibility 287
20.4 Ansätze zur Messung 289
20.5 Fazit 291
Literatur 291
21 Wie misst man Nachhaltigkeit: globaler Wohlfahrtsindex oder Indikatorensysteme? 295
Manfred Kiy
21.1 Hintergrund 295
21.2 Einzelindikatoren der Nachhaltigkeit 296
21.2.1 Human Development Index 297
21.2.2 Nationaler Wohlfahrtsindex 300
21.2.3 Better-Life-Index 302
21.3 Schlussfolgerungen: Gesamtindex oder Indikatorensysteme? 303
Literatur 304
22 Compliance, Messung und Steuerung der nachhaltigen Entwicklung: EMAS auf dem Vormarsch 307
Rosemarie Stibbe
22.1 Ressourcen- und Risikomanagement auf der Basis internationaler, europäischer und nationaler Leitsätze und Rahmenwerke 307
22.1.1 Nicht-nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster im Fokus der Agenda 2030 307
22.1.2 Due Diligence – der Ausweg aus der Krise 308
22.2 EMAS – ein politisches Instrument zur Umsetzung der nachhaltigen Entwicklung 310
22.2.1 EMAS 2017: Konzeption und wesentliche Neuerungen 310
22.2.2 CSR-Gütekriterien und ein risikobasiertes Denken im Fokus von EMAS 2017 312
22.2.3 EMAS – neue Relevanz im Rahmen der Umsetzung der nachhaltigen Entwicklung 314
22.2.4 EMAS – SDG-Fortschrittsindikator im Managementsystem der Nachhaltigkeit 315
22.2.5 EMAS – vertikaler und horizontaler SDG-Rollout 317
22.3 Fazit und Ausblick 318
Literatur 318
Teil VI Wachstum, Innovation und Nachhaltigkeit
23 Kommunale Umweltpolitik zwischen strategischer Planung und Pragmatismus – das Beispiel der Anpassung an den Klimawandel 323
Hubertus Bardt
23.1 Akteure des Umweltschutzes 323
23.2 Idealtypischer Planungsansatz 324
23.3 Pragmatismus in der Praxis 327
23.4 Ableitungen für die wissenschaftliche Politikberatung 330
Literatur 331
24 Im Spannungsfeld zwischen privaten und öffentlichen Gütern: der nutzenintensivierende Konsum in der Sharing Economy 333
Iris Böschen und Nehle Herwig
24.1 Charakteristika von privaten, öffentlichen und Club-Gütern 333
24.1.1 Markt, Preis und Zahlungsbereitschaft 333
24.1.2 Ausschließbarkeit vom Konsum und Rivalität im Konsum 334
24.1.3 Asymmetrische Informationsverteilung und Internet-Plattformen 336
24.2 Nutzenintensivierender Konsum in der Sharing Economy 337
24.3 Wohlfahrtswirkungen nutzenintensivierenden Konsums 339
24.3.1 Was ist nutzenintensivierender Konsum? 339
24.3.2 Empirische Studie zum Thema nachhaltiger und nutzenintensivierender Konsum 340
24.4 Wohlfahrtseffekte nutzenintensivierenden Konsums 342
Literatur 343
25 Nachhaltiges betriebliches Gesundheitsmanagement – Empfehlungen für die Implementierung in der Praxis 345
André Scholz, Usha Singh, Argang Ghadiri und Theo Peters
25.1 Einleitung 345
25.2 Problemstellung 346
25.3 Nachhaltige Umsetzung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements 349
25.3.1 Normative Ebene 349
25.3.2 Strategische Ebene 349
25.3.3 Operative Ebene 351
25.4 Ausblick 353
Literatur 354
26 Die europäische Bankenabgabe – ein Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung des Bankensektors 357
Knut Henkel, Wilhelm Schneider und Isabel Tüns
26.1 Einleitung 357
26.2 Überblick über die Berechnungssystematik 359
26.3 Zielgröße 360
26.4 Bemessungsgrundlage 361
26.5 Risikofaktor 363
26.6 Begrenzung des Jahresbeitrags 366
26.7 Zusammenfassung 367
Literatur 367
27 Maximierung des Shareholder-Value als Nachhaltigkeitsstrategie 371
Harald Lutz
27.1 Prolog 371
27.2 Erster Akt 372
27.3 Zweiter Akt 373
27.4 Dritter Akt 375
27.5 Vierter Akt 378
Literatur 380
28 Die Entwicklung der Arbeitsproduktivität in Deutschland: Hintergründe, Herausforderungen und Implikationen 381
Johannes Natrop und Thomas Neifer
28.1 Begriff und Entwicklung der Arbeitsproduktivität in Deutschland und international 381
28.2 Bestimmung der gesamtwirtschaftlichen Trendrate der AP über eine bereichsspezifische Komponentenzerlegung 391
28.3 Statistische Untererfassung der Arbeitsproduktivität und ihre kritische Reflexion 394
28.4 Einfluss der Kapitalintensität und der totalen Faktorproduktivität (TFP) auf die Arbeitsproduktivität 398
28.5 Weitere Literaturstudien zur Arbeitsproduktivität 405
28.6 Industrie 4.0: Hoffnung, Potenziale und Anforderungen 407
28.7 Auswirkungen einer niedrigen Arbeitsproduktivitätsrate 411
28.8 Fazit 412
Literatur 413
29 Das Peren-Theorem 419
Franz W. Peren
29.1 Der aktuelle menschliche Lebensstil lässt sich nicht fortsetzen 419
29.2 Das Peren-Theorem 420
29.3 Optionen menschlicher Existenzsicherung 421
29.4 Individuelle Wohlstandseffekte 422
29.5 Reiner Clement verpflichtet uns 424
Literatur 424
30 Nachhaltigkeit und/oder Wettbewerbsfähigkeit? 425
Moritz Brand und Wolfgang Veit
30.1 Einleitung 425
30.2 Literaturüberblick 426
30.2.1 Kosten 427
30.2.2 Nutzen 428
30.2.3 Wettbewerbsfähigkeit 429
30.2.4 Mikro-/Unternehmensebene 430
30.2.5 Investorenperspektive 431
30.3 Methodik und Daten 436
30.3.1 Messung der Nachhaltigkeit 436
30.3.2 Messung der Wettbewerbsfähigkeit 438
30.4 Analyse 438
30.5 Ergebnisse und Diskussion 440
Literatur 441
Sachverzeichnis445
Fußnoten
1
Vgl. Frey CB, Osborne MO (2013) The Future of Employment: How Susceptible are Jobs to Computerisation? http://www.oxfordmartin.ox.ac.uk/downloads/academic/The_Future_of_Employment.pdf . Zugegriffen:
2
Vgl. Wolter MI, Mönning A, Hummel M,Weber E, Zika G, Helmrich R, Maier T,Neuber-Pohl C (2016) Wirtschaft 4.0 und die Folgen für Arbeitsmarkt und Ökonomie. Szenario-Rechnungen im Rahmen der BIBB-IAB-Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen. IAB Forschungsbericht 13
3
Siehe z. B. Jansen J (2017) Gefährliche Innovation? Elon Musk warnt vor 3. Weltkrieg durch Künstliche Intelligenz. http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/kuenstliche-intelligenz/elon-musk-tesla-chef-warnt-vor-kuenstlicher-intelligenz-15182958.html .
4
United Nations (1992) Agenda 21. Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung. http://www.un.org/depts/german/conf/agenda21/agenda_21.pdf . Zugegriffen: 28. September 2017, S. 320
5
Vgl. Popper KR (1982) Logik der Forschung, 7. Aufl., J.C.B. Mohr (Paul Siebeck),Tübingen
Teil IEthik und Recht
• Thomas Heupel: Biokratie: Hat ein neues Konzept der Nachhaltigkeit vor dem Hintergrund der Generationen Y und Z sowie der künftigen Megatrends eine Chance?
• Jens Juszczak und Isabella Kern: Ethik im Medizintourismus
• Jürgen Monhemius: Das neue Datenschutzrecht und die Organhaftung bei Datenschutzverletzungen
• Anke Schüll: „Das stell ich lieber nicht uns Netz – Zum „Chilling Effect
und seinen Konsequenzen
• Wiltrud Terlau: Verantwortungsvolles Wirtschaften für eine nachhaltige Entwicklung
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018
Andreas Gadatsch, Hartmut Ihne, Jürgen Monhemius und Dirk Schreiber (Hrsg.)Nachhaltiges Wirtschaften im digitalen Zeitalterhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-20174-6_1
1. Biokratie: Hat ein neues Konzept der Nachhaltigkeit vor dem Hintergrund der Generationen Y und Z sowie der künftigen Megatrends eine Chance?
Thomas Heupel¹
(1)
FOM, Siegen, Deutschland
../images/448728_1_De_1_Chapter/448728_1_De_1_Figa_HTML.jpgHerr Prof. Dr. Thomas Heupel
ist seit 2007 hauptberuflicher Dozent für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Rechnungswesen und Controlling, und seit 2009 Prorektor für Forschung an der FOM Hochschule. In zahlreichen Publikationen und vielen Forschungs- sowie Praxisprojekten hat sich Herr Heupel den Fragestellungen eines zeitgemäßen und anwendungsorientierten Controllings gestellt. Im vergangenen Jahr wurde eine umfassende Studie zum Selbst- und Fremdbild des Controllers im Unternehmen durchgeführt. Schwerpunkte seiner Arbeit liegen in den Bereichen Erfolgs- und Kostencontrolling, Automotive Industry Management, demografischer Wandel, ökologische Ökonomie sowie dem Management von KMU.
1.1 Nachhaltigkeit – ein nunmehr schwaches Konzept?
1972 wurde der Report „Limits of Growth" (vgl. Meadows und Meadows 1972) („Die Grenzen des Wachstums) vom Club of Rome veröffentlicht. Diese Studie gilt als Grundstein und Fundament für die heutige Nachhaltigkeitsdebatte. Im Report der Brundtland-Kommission „Our Common Future
von 1987 heißt es konkret: „Sustainable development meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs" (vgl. Brundland-Kommission 1987, S. 1).
Die jetzige Generation sollte folglich so wirtschaften, dass genug Ressourcen auch für die zukünftigen Generationen übrig bleiben. 1994 prägte J. Elkington das Konzept der Triple-Bottom-Line (vgl. Elkington 1997), im Deutschen auch Drei-Säulen-Konzept genannt. Es umfasst die ökonomische Perspektive (Profit), die ökologische Perspektive (Planet) sowie die soziale Perspektive (People), die bei einer nachhaltigen Unternehmenspolitik synchron und ausgeglichen anzustreben sind (vgl. Hopfenbeck 2002, S. 916).
Alle diese markanten Eckpunkte einer evolutiven Entwicklung des Nachhaltigkeitsterminus sind sicher auch in den anderen Beiträgen dieses Buches mannigfaltig zitiert worden. Aber ist es nicht so, dass trotz zunehmender Sensibilität der Akteure und Unternehmen ein inflationärer Umgang mit dem Wort „Nachhaltigkeit zu verzeichnen ist? Zwar fühlen sich die Unternehmen den Zieldimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales verpflichtet, und ein Unternehmen hat sich und seinen Mitarbeitern gegenüber die Verantwortung, so zu wirtschaften, dass es nicht über seine Verhältnisse lebt und ein dauerhafter Betrieb ermöglicht wird. Aber hat dabei nicht die ökonomische Dimension die Oberhand? Vielfach wird unter einer „nachhaltigen Entwicklung
Prosperität in allein ökonomischer Dimension verstanden und der „shareholder value ist hier oft naheliegender als „Corporate Social Responsibility
und weitere neu artikulierte Verpflichtungen.
1.2 Biokratie – eine neue Offerte!
Auch wenn Joachim Gauck¹ in seiner Rede vom 26.10.2014² noch einmal aktuell für Deutschland ausführt, dass die Dauerhaftigkeit nur gewährleistet werden kann, wenn Gesellschaften genügend Ressourcen in Form von bspw. Geld oder Lebensmitteln aufbringen können, um selbst fortzubestehen, und die Endlichkeit von Ressourcen im Hinterkopf behalten werden muss: „Langfristig ist ökonomisch nur machbar, was auch ökologisch vertretbar ist., so ist doch der durch die Forderung nach einer ökologisch nachhaltigen Gestaltung der Ressourcennutzung bereits 1713 eingeforderte „Erhaltungsgedanke als Generationenvertrag
von Carlowitz³ größtenteils verloren gegangen (vgl. Bretzke und Barkawi 2015, S. 9). Unter Nachhaltigkeit wird heute allzu oft die rein ökonomische Nachhaltigkeit verstanden. Zwar hat sich in den letzten Jahrzehnten das Konzept der ökologischen Nachhaltigkeit stetig weiterentwickelt, aber es gibt zunehmend Tendenzen, einen neuen Begriff in den Dialogprozess einzubringen, der die Relevanz des Themas neu fasst und eine radikalere Auseinandersetzung mit dem Terminus fordert.
Winter, Seidel, Müller-Christ, Stahlmann, Seifert, Zabel, Göllinger, Freimann und andere kommen zu der Überzeugung, dass Unternehmen nur dann wirklich nachhaltig wirtschaften können, wenn die Rahmenbedingungen grundlegend geändert sowie die Rechte der Natur anerkannt werden. In einer Weiterentwicklung der Demokratie zur Biokratie sieht Winter einen entscheidenden Schritt, um auch die Menschenrechte dauerhaft durchsetzen zu können. Die Staatsform „Biokratie wird zu einer erweiterten Demokratie, in der nicht allein die Menschen, sondern sämtliche Lebewesen als Staatsvolk anerkannt, mit Grundrechten ausgestattet und parlamentarisch vertreten sind. Die Entwicklung der Staatsformen von der Monarchie über die Oligarchie zur Demokratie markiert eine schrittweise Erweiterung des Kreises der Entscheidungsträger staatlicher Willensbildung. Gemäß dem Beitrag von Georg Winter gilt es, dieses hochrangige Ziel zu erreichen und der Natur eine Stimme zu geben. Das Konzept „Biokratie
lässt sich wie folgt fassen:
Die Staatsform Biokratie ist eine erweiterte Demokratie, in der nicht allein Menschen, sondern sämtliche Lebewesen als Staatsvolk anerkannt, mit Grundrechten ausgestattet und – mittels geeigneten Repräsentationsformen – parlamentarisch vertreten sind. Die Staatsform Biokratie bedeutet: die Menschenrechte achten, sämtliches Leben in seiner Vielfalt würdigen, Leben erhalten und fördern, Wertkonflikte in gewissenhafter Abwägung entscheiden und bedrohtes Leben entschlossen verteidigen.
Möchte man diesen neuen Terminus in seiner Tiefe begreifen, so können ein paar zusätzliche Informationen zum Wesen des Begriffs und seiner Entwicklung gegeben werden: Die aktuelle Wirtschaftsweise hat die Grenzen der Tragfähigkeit unserer Erde in wichtigen Bereichen überschritten. Wachstum ist kein Weg. In ihrer Reihe zum Thema Biokratie⁴ kommen die Verfasser zu folgenden Kernaussagen: (vgl. Haus der Zukunft 2017a, b).
Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung sind in der Biokratie so organisiert, dass die existenziellen Interessen und Rechte nicht allein der Menschen, sondern sämtlicher Lebewesen – unter Einschluss zukünftiger Generationen – ausgewogen berücksichtigt werden.
Die Staatsform Biokratie bedeutet: die Menschenwürde achten, sämtliches Leben in seiner Vielfalt würdigen, Leben erhalten und fördern, Wertkonflikte in gewissenhafter Abwägung entscheiden und bedrohtes Leben entschlossen verteidigen.
Die Staatsform Biokratie verwirklicht nicht nur ein ethisches Leitbild, in dem der Mensch die Natur als Partner ernst nimmt. Die Biokratie ist darüber hinaus Teil einer Überlebensstrategie für den Menschen, der gegenwärtig seine eigene Existenz durch Raubbau an der Biosphäre und an deren Artenreichtum gefährdet.
Wird unser Planet mit staatsrechtlichen Begriffen beschrieben, dann ist das Staatsgebiet die Biosphäre – im Wasser, zu Lande und in der Luft. Das Staatsvolk ist die Gesamtheit aller Lebewesen. Die Staatsgewalt ist die Evolution allen Lebens. Die Erweiterung der Demokratie zur Biokratie ist also kein Gnadengeschenk des Menschen an die Evolution, sondern der Selbstrettungsversuch des Menschen, die Mindestanforderungen der Evolution für sein Überleben durch Anpassung seiner Staatsform und gesamten Rechtsordnung so gut und so rechtzeitig zu erfüllen, dass er der Auslöschung durch die Evolution zuvorkommt.
Rechte der Natur/Biokratie ist eine vom HAUS DER ZUKUNFT geförderte Initiative. Sie hat ihren Ursprung in dem Expertengespräch über die Rechte der Natur vom 10.12.2008 im HAUS DER ZUKUNFT, Hamburg.
Seit 2012 zeichnet das HAUS DER ZUKUNFT mit dem „Biokratie-Preis" Leistungen aus, die in besonders wirksamer Weise zu einer stärkeren Ausrichtung der Rechtsordnung an der Verantwortung gegenüber allem Leben beitragen. Preiswürdig sind neben rechtswissenschaftlichen Arbeiten auch naturwissenschaftliche, umweltpädagogische oder politische Leistungen.
Ist dieses Ziel „Biokratie als Erweiterung der Demokratie aber zu erreichen? Im Rahmen des vorliegenden Beitrags werden einerseits weltweit identifizierbare Megatrends als fördernde und hemmende Einflussfaktoren analysiert: „Inwieweit können diese das Thema Biokratie begünstigen oder aber im Zukunftspotenzial schwächen?
(vgl. Heupel 2015). Andererseits soll ein weiterer Punkt, der in bisherigen Publikationen noch nicht betrachtet wurde, eingebracht werden. Dies ist die nähere Betrachtung der zukünftigen Generationen Y und Z. Diese agieren ganz anders als die Generation X und könnten eine Verhaltenswende induzieren! Sie sind weniger materialistisch orientiert und messen globalen, ökologischen und sozialen Zusammenhängen eine größere Bedeutung zu.
Doch beginnen wir mit einer Analyse der hemmenden und fördernden Wirkungen von zukünftigen Megatrends auf die Akzeptanz von Biokratie und Nachhaltigkeit in den nächsten Jahren.
1.3 Entwicklung des Nachhaltigkeitsdiskurses vor dem Hintergrund ausgewählter Megatrends
Megatrends sind langfristige und übergreifende gesamtgesellschaftliche Veränderungsprozesse, welche die Lebenswelten und Märkte der Zukunft stark beeinflussen. Geprägt wurde der Begriff des „Megatrends von John Naisbitt. In seinem gleichnamigen Bestseller beschrieb er bereits vor mehr als 25 Jahren ein Bild der Zukunft. Für die Jahrtausendwende proklamierte er 10 umfassende Entwicklungen und wurde durch diese Vorausschau zu einem Wegbereiter der heutigen Trendforschung. Gemäß Naisbitt gilt: „Megatrends exist and act in various fields of life. Megatrends have a half-life of approximately 25 to 30 years. Megatrends have a global character, even though they may be less frequently pronounced geographically
(vgl. Naisbitt 1982; sowie Allahar 2014, S. 1 ff.).
So sind Megatrends stets über einen längeren Zeitraum beobachtbar. Bereits für die Gegenwart existieren valide quantitative und empirisch eindeutige Indikatoren. Sie können darüber hinaus mit hoher Wahrscheinlichkeit aber auch über ein bis zwei Dekaden in die Zukunft projiziert werden.
Megatrends wirken global. Ihr Geltungsbereich erstreckt sich auf alle Weltregionen, und es sind die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Teilsysteme umfassend betroffen.
Megatrends wirken nachhaltig auf die Akteure: Regierungen und Individuen. In der Folge verändern diese das Konsumverhalten, aber auch die Strategien der Unternehmen sind hierdurch betroffen.
Heute sind Megatrends für Unternehmen und die Politik handlungsleitend. Möchte man eine Übersicht der verschiedenen Megatrends entwickeln, so können verschiedene Studien herangezogen werden. Beispielhaft können hier die Studien von Pricewaterhouse-Coopers (PwC), Z-punkt GmbH/The Foresight Company sowie der European Environment Agency (EEA) und Roland Berger Strategy Consultants angeführt werden. Aus diesen ergibt sich folgende Listung der 10 großen Megatrends:
1.
demografischer Wandel
2.
starke Individualisierung
3.
Industrie 4.0 und Digitale Transformation
4.
Gesundheitswirtschaft
5.
Diversity und kulturelle Vielfalt
6.
neue Mobilitätsmuster
7.
wissensbasierte Ökonomie und Arbeitswelt 4.0
8.
Klimawandel und Ressourceneffizienz
9.
Urbanisierung
10.
Globalisierung und globale Bedrohungen
In Anlehnung an eine ausführlichere Diskussion in der Biokratie-Schriftenreihe unter dem Titel „MegaTrend und globale Risiken – ihre Einflüsse und abgeleitete Chancen der Biokratie" (vgl. Heupel 2015, S. 31 ff.) sollen hier nur drei ausgewählte Tendenzen vertieft werden:
1.3.1 Tendenz 1: Die Industrie 4.0 und die zunehmende Digitalisierung könnten zu mehr Effizienz und Suffizienz führen
Gemäß dem Arbeitskreis Industrie 4.0 versteht man unter dem Begriff „Industrie 4.0: „eine Vernetzung von autonomen, sich situativ selbst steuernden, sich selbst konfigurierenden, wissensbasierten, sensorgestützten und räumlich verteilten Produktionsressourcen (Produktionsmaschinen, Roboter, Förder- und Lagersysteme, Betriebsmittel) inklusive deren Planungs- und Steuerungssysteme
(Forschungsunion, acatech 2013, o. S.). In einer Zeit knapper und teurer werdender Energie und Rohstoffe muss bei geringerem Ressourceneinsatz eine maximale Wertschöpfung erreicht werden.
Damit erhalten in der „Industrie 4.0 die Ressourcen einen besonderen Stellenwert, und die Digitalisierung kann neben mehr Effizienz und Effektivität auch gänzlich neue Produkte, Technologien und Produktionssysteme adressieren. In zukünftigen Produktionen wird es noch wichtiger werden, Faktoreinsatzstoffe vollständig auszunutzen und in einer Kreislaufwirtschaft immer wieder neu aufzubereiten. Der Biokratie würde es zuspielen, wenn aus dem ökonomischen Prinzip „maximalen Gewinn aus minimalem Einsatz ziehen
ein biokratischer Ansatz würde: notwendige Wertschöpfung bei minimalem Ressourceneinsatz.
In der Industrie 4.0 sind valide Daten verfügbar, müssen aber aus einer größeren Datenflut herausgelöst werden. Auf Basis der verfügbaren Daten können dann aber bessere Entscheidungen getroffen werden. Auch bedingt eine Industrie 4.0 eine „Arbeitswelt 4.0", in der ein neues kollaboratives Arbeiten zwischen den Akteuren von unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsmittelpunkten aus stattfinden wird. Vor diesem Hintergrund werden sich Mobilitätsmuster verändern, und der Ressourcenverbrauch für Transport kann reduziert werden.
Wenn der Arbeitsort nicht mehr völlig kongruent bzw. identisch zum Produktions- oder Dienstleistungsort sein muss, so kann die Urbanisierung an Bedeutung verlieren, und die Menschen werden die negativen Begleiterscheinungen des Stadtlebens stärker reflektieren. Neue Konsummuster priorisieren den Zugang zu Medien und Informationen. Materieller Besitz als Status wird an Bedeutung verlieren.
1.3.2 Tendenz 2: Diversity – die Wahrnehmung des Bunten macht auch die Wahrnehmung der Rechte der Natur denkbar
Betrachtet man die Charta der Vielfalt, so wird für ein harmonisches Miteinander votiert, wie es auch als Fundament zur Akzeptanz der Stimmrechte der Natur nötig würde. Die nachfolgenden Sätze sind der Charta entnommen:
Diversity als Chance − die Charta der Vielfalt: „Die Vielfalt der modernen Gesellschaft, beeinflusst durch die Globalisierung und den demografischen Wandel, prägt das Wirtschaftsleben in Deutschland. Wir können wirtschaftlich nur erfolgreich sein, wenn wir die vorhandene Vielfalt erkennen und nutzen. Das betrifft die Vielfalt in unserer Belegschaft und die vielfältigen Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden sowie unserer Geschäftspartner" (Charta der Vielfalt 2015, o. S.). Die Vielfalt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Talenten eröffnet Chancen für innovative und kreative Lösungen. Die Umsetzung der „Charta der Vielfalt" in unserer Organisation hat zum Ziel, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das frei von Vorurteilen ist. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen Wertschätzung erfahren – unabhängig von Geschlecht, Nationalität, ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Orientierung und Identität. Die Anerkennung und Förderung dieser vielfältigen Potenziale schafft wirtschaftliche Vorteile für unsere Organisation. Wir schaffen ein Klima der Akzeptanz und des gegenseitigen Vertrauens. Dieses hat positive Auswirkungen auf unser Ansehen bei Geschäftspartnern, Verbraucherinnen und Verbrauchern sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern der Welt. Im Rahmen dieser Charta werden wir:
… eine Organisationskultur pflegen, die von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung jeder und jedes Einzelnen geprägt ist. Wir schaffen die Voraussetzungen dafür, dass Vorgesetzte wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Werte erkennen, teilen und leben. Dabei kommt den Führungskräften bzw. Vorgesetzten eine besondere Verpflichtung zu.
… unsere Personalprozesse überprüfen und sicherstellen, dass diese den vielfältigen Fähigkeiten und Talenten aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie unserem Leistungsanspruch gerecht werden.
… die Vielfalt der Gesellschaft innerhalb und außerhalb der Organisation anerkennen, die darin liegenden Potenziale wertschätzen und für das Unternehmen oder die Institution gewinnbringend einsetzen.
… die Umsetzung der Charta zum Thema des internen und externen Dialogs machen.
… über unsere Aktivitäten und den Fortschritt bei der Förderung der Vielfalt und Wertschätzung jährlich öffentlich Auskunft geben.
… unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über Diversity informieren und sie bei der Umsetzung der Charta einbeziehen. Wir sind überzeugt: Gelebte Vielfalt und Wertschätzung dieser Vielfalt hat eine positive Auswirkung auf die Gesellschaft in Deutschland.
Der von der Charta der Vielfalt induzierte Respekt könnte sich im Sinne von konzentrischen Kreisen in einer nächsten Wahrnehmungswelle auch auf weitere Individuen ausdehnen, wobei dann der Begriff „Individuum über den Menschen hinaus auf „alles Seiende
angewendet werden müsste, welches als moralisches Subjekt, d. h. als Träger von Rechten, Verantwortungen und Pflichten gekennzeichnet sein könnte – was Tiere und Pflanzen mit einschließen könnte und würde. Dieser weitere Megatrend würde daher die Wahrnehmung und Bedeutung der Biokratie stärken können.
1.3.3 Tendenz 3: Mehr Gesundheitsbewusstsein schafft Sensibilität – nur in einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist
Einhergehend mit einer größeren Individualisierung nimmt auch das Gesundheitsbewusstsein in der westlichen Welt stark zu. Ökoprodukte sind heute längst auch auf dem Warentisch der Discounter gelandet, und die Fleischskandale der letzten Jahre haben ihre Spuren in der Sensibilisierung der Bevölkerung hinterlassen. So weist die GEDA-Studie (Gesundheit in Deutschland aktuell) aus, dass sich 35 % der Frauen und 43 % der Männer mindestens 2,5 h pro Woche sportlich betätigen (vgl. Robert-Koch-Institut 2015, o. S.). Seit der ersten Befragung 2003 ist die Rauchquote bei Frauen demnach bis 2012 von 29 auf 24 % gesunken, die der Männer von 38 auf 31 %. Der Alkoholkonsum ging ebenfalls leicht zurück: Gut die Hälfte der Deutschen trinkt moderat, 26 % im riskanten Ausmaß, aber jeder Fünfte auch überhaupt nicht. Auch der Konsum bei Gemüse hat zugenommen. Für die GEDA-Welle 2012 wurden von Februar 2012 bis März 2013 insgesamt 19 294 Teilnehmer aus allen Regionen Deutschlands befragt. Die neue Wertschätzung des eigenen Körpers bietet wiederum die Chance zur Akzeptanz der Kreatur sowie des Individuums (verstanden in der obigen weiteren Auslegung) als Teil des Ökosystems.
Gemäß der vorstehenden (hier nur ausgewählten) Megatrends lassen sich fördernde Einflüsse auf die Akzeptanz und die Diffusion des Konzeptes „Biokratie" annehmen. Für eine