Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Gute Lehre in der Hochschule: Praxistipps zur Planung und Gestaltung von Lehrveranstaltungen
Gute Lehre in der Hochschule: Praxistipps zur Planung und Gestaltung von Lehrveranstaltungen
Gute Lehre in der Hochschule: Praxistipps zur Planung und Gestaltung von Lehrveranstaltungen
eBook689 Seiten5 Stunden

Gute Lehre in der Hochschule: Praxistipps zur Planung und Gestaltung von Lehrveranstaltungen

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Wie plane ich meine Lehrveranstaltung? Wodurch kann ich Studierende begeistern? Wie präsentiere ich mich? Wie will ich lehren? Wie prüfe ich korrekt? Welche Lehrmethoden gibt es?

Solche und viele andere Fragen müssen sich Lehrende mangels flächendeckender (hochschul-)didaktischer Ausbildung viel zu häufig selbst beantworten. Dieses Buch soll dem entgegenwirken und präsentiert auf Basis des aktuellen Forschungsstandes praktische Tipps zu guter Hochschullehre für alle Fachrichtungen.

Für die zweite Auflage wurde das Buch komplett aktualisiert und inhaltlich erweitert. Hierzu wurden neue Forschungsergebnisse in alle Kapitel integriert und neue Kapitel geschrieben.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer
Erscheinungsdatum23. Nov. 2020
ISBN9783658310707
Gute Lehre in der Hochschule: Praxistipps zur Planung und Gestaltung von Lehrveranstaltungen

Ähnlich wie Gute Lehre in der Hochschule

Ähnliche E-Books

Lehrmethoden & Materialien für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Gute Lehre in der Hochschule

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Gute Lehre in der Hochschule - Immanuel Ulrich

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

    I. UlrichGute Lehre in der Hochschulehttps://doi.org/10.1007/978-3-658-31070-7_1

    1. Wie nutze ich dieses Buch?

    Immanuel Ulrich¹  

    (1)

    Professur für Hochschuldidaktik und Psychologie, IUBH Internationale Hochschule, Frankfurt am Main, Deutschland

    Immanuel Ulrich

    Email: i.ulrich@iubh-dualesstudium.de

    1.1 Herzlich willkommen

    1.2 Grundidee dieses Buches

    1.3 Aufbau dieses Buches und was sollte ich lesen?

    Literatur

    Zusammenfassung

    In diesem Kapitel erfahren Sie – nach einem kurzen Willkommensgruß –, wie es zu der Grundidee zu diesem Buch gekommen ist und erhalten Informationen zum Aufbau samt Empfehlungen, welche Kapitel ich Ihnen rate, auf jeden Fall zu lesen, und welche optional sind.

    1.1 Herzlich willkommen

    Vielen Dank, dass Sie dieses Buch erworben haben und sich die Zeit nehmen, es zu lesen. Ich vermute, Sie möchten Ihre (hochschul-)didaktischen Kompetenzen erweitern und haben dazu dieses Buch herangezogen. Es wird Ihnen einen umfassenden, fundierten Überblick zu guter Lehre bieten.

    Gestatten Sie mir, Sie weiterhin direkt anzusprechen, als wären Sie mit mir in einem (hochschuldidaktischen) Gespräch – wir sind ja ohnehin unter uns.

    1.2 Grundidee dieses Buches

    Als ich als Lehrender begann – 2001 in meinem dritten Semester als Tutor für Statistik und 2007 als „richtiger Lehrender" bzw. junger Doktorand –, hatte ich seitens meiner Universitäten eine solide fachliche Bildung für meine Lehre erhalten, de facto aber keinerlei didaktische Qualifikation. Dementsprechend war ich nicht nur mangels Lehrerfahrung unsicher, wie ich lehren sollte, sondern noch weitaus ratloser, da ich nicht wusste, wie man überhaupt gut lehrt. Meine didaktische Qualifikation musste ich mir selbst erarbeiten durch a) eigenes Ausprobieren, b) Beobachtung anderer Lehrender¹ sowie c) hochschuldidaktische Literatur. Letztendlich habe ich dadurch viele unnötige didaktische Fehler gemacht und Jahre damit verschwendet, nicht so gute Lehre anzubieten.

    Kennen Sie das? Herzlich willkommen im deutschen Hochschulsystem.² Zwar werden v. a. seit dem „Qualitätspakt Lehre" 2011 (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2011) häufig kostenlose optionale hochschuldidaktische Weiterbildungen für Lehrende angeboten. Die hochschuldidaktische Qualifikation aller Lehrenden ist aber nur in anderen Ländern wie z. B. den USA oder Großbritannien ein Hochschulstandard.

    Mein Buch soll Ihnen helfen, diesen Mangel auszugleichen. Es richtet sich an Lehrende aller Fachrichtungen, aber insbesondere an Lehrende mit wenig bzw. gar keiner Lehrerfahrung, die Interesse haben, ihre eigene Lehre zu verbessern. Aber auch erfahrene Lehrende können dieses Buch nutzen, eingefahrene Lehrstrukturen aufzubrechen und neuen Input zu bekommen.

    Das Buch (Theorie, Praxis und Methoden) basiert auf den gesamten englisch- und deutschsprachigen, wissenschaftlichen empirischen Studien zu guter Hochschullehre, die bis zum Druck publiziert waren. Damit Sie nicht in der Masse der Einzelbefunde untergehen, konzentriere ich mich v. a. auf Metaanalysen.³ Ich ergänze diese Quellen mit realen Beispielen meiner eigenen Lehre sowie der rund 250 Lehrenden, die ich seit 2009 hochschuldidaktisch begleiten durfte.

    Ich möchte Sie als Lehrende inspirieren und Ihnen Mut machen, in Ihrer eigenen Lehre Neues auszuprobieren. Gute Lehre ist erlernbar!

    1.3 Aufbau dieses Buches und was sollte ich lesen?

    Was folgt nach diesem Einführungskapitel und was sollten Sie lesen:

    Kap. 2 behandelt populäre Mythen in der Lehre, welche ich mit Studien widerlege. Falls Sie keinem Mythos in der Aufzählung zu Beginn Glauben schenken, können Sie das Kapitel überspringen.

    Kap. 3 umfasst die wissenschaftlich geprüften Grundlagen guter Hochschullehre, erläutert, was Sie als Lehrender tun können und wie Lernen funktioniert. Ich empfehle Ihnen sehr, dieses Kapitel zu lesen, wenn Sie an der Wissenschaftlichkeit der Hochschuldidaktik zweifeln.

    Kap. 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12 und 13 behandeln die einzelnen Aspekte guter Hochschullehre, welche nach den typischen Phasen der Lehre geordnet sind: Lehre planen (Kap. 4), durchführen (Kap. 5, 6, 7, 8, 9, 10 und 11), prüfen und evaluieren (Kap. 12) sowie reflektieren und innovieren (Kap. 13). Jedes dieser Kapitel steht für sich und kann einzeln gelesen werden. Beginnen Sie mit dem Kapitel, was Sie – ggf. nach Lesen der Zusammenfassung – am meisten interessiert.⁴

    Kap. 14 beinhaltet eine umfangreiche Sammlung von didaktisch sinnvollen Lehrmethoden mit Angabe von Ziel und Einsatzfeld, detailliertem Vorgehen, Dauer und Material sowie Methodenvariationen. Lesen Sie sich Ziel und Einsatzfeld aller Methoden durch sowie die weiteren Angaben der Methoden, die Ihnen zusagen.

    Die Kap. 4 bis 8 und 10 bis 13 weisen neben den „Theorieteilen mit den wissenschaftlichen Studien zusätzlich einen Praxisteil mit drei „Best Practice-Lehrbeispielen auf. Diese Beispiele verlaufen konsistent über die einzelnen Kapitel hinweg, d. h. die Veranstaltung bleibt, aber das Thema wechselt (im Kap. 8 „wie motiviert man im Kurs A, in Kap. 11 „wie betreut man im Kurs A). Ich erläutere jeweils ein Beispiel aus den Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften, wobei jeweils die Hauptprobleme der Fächer in den Beispielen enthalten sind: Wissenschaftliche Texte lesen, (statistische) Methodenausbildung, mathematische Grundkompetenzen. Da z. B. das Lesen wissenschaftlicher Texte auch außerhalb der Geisteswissenschaften eine Rolle spielt, dürften auch die fachfremden Beispiele für Sie interessant sein.

    Zu Beginn eines jeden Kapitels erläutere ich Ihnen in einer Zusammenfassung, was Sie in diesem Kapitel lernen werden.

    Da wir Lehrende aufgrund lehrferner Aufgaben (Forschung etc.) oftmals nur wenig Zeit in die Lehre investieren können, erläutere ich am Ende eines jeden Kapitels, was mit wenig Zeitaufwand effektiv gute Lehre fördert.

    Was ist bei geringem Zeitaufwand effektiv für gute Lehre?

    Lesen Sie sich in den Kap. 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12 und 13 nur die jeweiligen Kästen zu „Was geht schnell ohne Aufwand" am Ende der Kapitel durch.

    Literatur

    Bundesministerium für Bildung und Forschung. (2011). Qualitätspakt Lehre – Einsatz für optimale Studienbedingungen.https://​www.​bmbf.​de/​de/​qualitaetspakt-lehre-524.​html. Zugegriffen am 03.05.2020.

    Hattie, J. A. (2011). Which strategies best enhance teaching and learning in higher education? In D. J. Mashek & E. Y. Hammer (Hrsg.), Empirical research in teaching and learning. Contributions from social psychology (S. 130–144). Malden: Wiley-Blackwell.Crossref

    Fußnoten

    1

    Ich verwende, wo möglich und üblich, neutrale Formulierungen (z. B. „Studierende"). Teils ist dies nicht möglich. Leider besteht trotz jahrzehntelanger Diskurse immer noch kein gesellschaftlicher Konsens, welche der vielen unterschiedlichen sprachlichen Formulierungen Männern, Frauen und (seit einigen Jahren auch) Transgendern gerecht wird. Streng genommen betrifft dies zusätzlich die im Deutschen einseitige Benutzung des weiblichen Artikels im Plural (z. B. „die Transgender"). Keine Lösung wird hierbei allen Präferenzen gerecht. Aufgrund dessen stets alle möglichen unterschiedlichen Varianten zu nennen, schränkt aber die Lesbarkeit dieses Buches massiv ein. Ich nutzte daher, sofern übliche neutrale Formulierungen nicht möglich sind, die klassische Variante: grammatikalisch maskuliner Begriff und grammatikalisch feminine Artikel im Plural. Es sind stets aber alle Menschen gemeint.

    2

    Ich verwende im Normalfall den allgemeinen Terminus Hochschule, es sind aber stets alle (Fach-)Hochschulen, Universitäten und „Universities of Applied Sciences" o. ä. gemeint. Sofern es sich pro Satz doppelt, weiche ich auf alternative Begriffe aus.

    3

    Was eine Metaanalyse ist und was deren Werte (Effektstärke d = X,YZ) bedeuten, erkläre ich in Kap. 3.

    4

    Sofern Sie nicht das ganze Buch in einem Stück von vorne bis hinten durcharbeiten wollen und nicht wissen, wo Sie beginnen sollen, empfehle ich Folgendes: Die wirksamsten Aspekte guter Hochschullehre sind laut aktueller Forschungslage (vgl. Hattie 2011):

    a)

    Transparente Leistungsanforderungen (Lernziele und Leistungskriterien, vgl. Kap. 4)

    b)

    Aktivierende Lehrstrategien (vgl. Kap. 7 und 14)

    c)

    Feedbackeinsatz (vgl. Kap. 12).

    Fangen Sie damit an. Falls Sie wenig Zeit haben, nehmen Sie ein einzelnes, kürzeres Kapitel.

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

    I. UlrichGute Lehre in der Hochschulehttps://doi.org/10.1007/978-3-658-31070-7_2

    2. Populäre Mythen

    Immanuel Ulrich¹  

    (1)

    Professur für Hochschuldidaktik und Psychologie, IUBH Internationale Hochschule, Frankfurt am Main, Deutschland

    Immanuel Ulrich

    Email: i.ulrich@iubh-dualesstudium.de

    2.1 Man kann nicht sagen, was gute Lehre ist

    2.2 Man kann zwar sagen, was gute Lehre ist, aber das ist fachspezifisch unterschiedlich

    2.3 Gute Lehre funktioniert nicht, wenn die Rahmenbedingungen schlecht sind

    2.4 Es ist nicht meine Aufgabe als Lehrender, in meiner Lehre auf die Studierenden einzugehen

    2.5 Es gibt die Lehrenden-Persönlichkeit: Gute Lehre kann man oder eben nicht

    2.6 Die spezielle Lehrmethode (hier Name einfügen) ist die einzig Richtige

    2.7 Alle 15–20 Min. muss ich generell die Lehrmethode wechseln bzw. was Originelles bringen

    2.8 Das Lehrformat (Vorlesung, Seminar, Übung) determiniert meine Lehre

    2.9 Man muss Lerntypen berücksichtigen

    2.10 Lehrenden- vs. studierendenzentrierte Lehre: Lehrendenzentrierung ist generell schlecht, Studierendenzentrierung ist generell gut

    2.11 Oberflächen- vs. Tiefenlernen: Tiefenlernen ist immer besser

    2.12 Lehrevaluationsergebnisse sagen nichts aus

    2.13 Gute Lehre ist egal, ein Studierender braucht die richtige Persönlichkeit

    2.14 Studierende wollen sich eh „nur berieseln" lassen und selbst nichts tun

    2.15 Studierende müssen sich Notizen machen, sonst lernen sie nichts

    2.16 Studierende müssen den Lehrenden fürchten, sonst haben Sie keinen Respekt

    2.17 Die Studierenden werden immer dümmer

    2.18 Expertenurteil schlägt Empirie: „Nach meiner Erfahrung ist es aber so, dass …"

    2.19 Gute Forscher sind auch immer gute Lehrende

    Literatur

    Zusammenfassung

    Dieses Kapitel enthält populäre Mythen zu guter Lehre an Hochschulen. Falls Sie den folgenden Punkten NICHT glauben, können Sie dieses Kapitel überspringen:

    2.1 Man kann nicht sagen, was gute Lehre ist

    Doch, es gibt jahrzehntelange, weltweite Forschung dazu. Details finden Sie in Kap. 3. Dieses Argument ist höchstens eine – einfach widerlegbare – Schutzbehauptung, um sich in seiner Lehre keinen erforschten Qualitätskriterien stellen zu müssen. Lehrende und Studierende haben übrigens recht ähnliche Idealvorstellungen von guter Lehre (vgl. Ledić et al. 1999, S. 221).

    2.2 Man kann zwar sagen, was gute Lehre ist, aber das ist fachspezifisch unterschiedlich

    In Deutschland haben wir eine lange Tradition unterschiedlicher Fachdidaktiken. Daher liegt das Argument nahe, dass gute Lehre fachspezifisch ist.

    Wenn man sich aber die Aspekte guter Hochschullehre vor Augen führt (vgl. Kap. 3), so ist generell nicht erkennbar, warum zentrale Aspekte wie u. a.

    Constructive Alignment: Abstimmung von Lernzielen, Lehr- und Prüfungsinhalten,

    Professionelle Beziehungsgestaltung: Fairness, Respekt, Freundlichkeit,

    Motivation der Studierenden,

    in einzelnen Fächern keine Gültigkeit haben sollten. Natürlich existieren einige spezifische Unterschiede in einzelnen Fächergruppen wie z. B. in der USA üblichen Unterscheidung von Natur-(Schwerpunkt in der Lehre: Mathematikkenntnisse), Sozial-(Methodenkenntnisse) und Geisteswissenschaften (Textarbeit). So ist in den Naturwissenschaften die Diskussion von Fragestellungen der Naturgesetze, chemischen Reaktionen etc. nur in Gedankenspielen sinnvoll (z. B. „Was wäre, wenn die Schwerkraft im Universum 1 % stärker wäre?). In den Geisteswissenschaften sind Diskussionen von Fragestellungen wie „Was ist Erkenntnis?, „Welcher Philosoph hat worin Recht?" zentral, da es keine absolute Wahrheit gibt.

    Die kleinteilige Unterscheidung zwischen einzelnen, ähnlichen Fächern ist aber im Fall guter Hochschullehre nicht sinnvoll – z. B. fachspezifische Lehre im Chemielabor vs. fachspezifische Lehre im Biologielabor –, v. a., da die Unterschiede innerhalb der Fächer teilweise weitaus größer sind (z. B. theoretische Physik vs. Experimentalphysik, Pädagogische Psychologie vs. Neuropsychologie).

    Fachunterschiede zu gutem Unterricht bzw. guter Hochschullehre konnte Hattie (2009, S. 248–249) empirisch nicht nachweisen.

    2.3 Gute Lehre funktioniert nicht, wenn die Rahmenbedingungen schlecht sind

    Nein. Schlechte Rahmenbedingungen beeinträchtigen zwar nachweislich gute Lehre, Sie als Lehrende und Ihre Studierenden sind für gute Lehre aber weitaus wichtiger (vgl. Hattie 2015). Gerade der Effekt der Lehrveranstaltungsgröße – je mehr Studierende, desto schlechter die Lehre – ist zwar belegt, aber gering (Kokkelenberg et al. 2008) und wird häufig überschätzt. Weitere Details dazu finden Sie in Kap. 3.

    2.4 Es ist nicht meine Aufgabe als Lehrender, in meiner Lehre auf die Studierenden einzugehen

    Manche Lehrende vertreten den Grundsatz, dass sie zwar Lehrinhalte präsentieren, ob aber die Art, Form und didaktische Aufbereitung der Inhalte, die Form der Präsentation durch den Lehrenden etc. den Studierenden hilft oder nicht, sei ihnen unwichtig. Entweder, die Studierenden können dies kompensieren, oder sie müssen die Hochschule verlassen.

    Mit diesem Argument muss man als Lehrender in der Lehre nur noch wenig arbeiten. Diese Arbeitserleichterung ist aber rechtlich unzulässig, siehe Paragraf 7 des Hochschulrahmengesetzes, „Ziel des Studiums" (eigene Hervorhebungen im Zitat): „Lehre und Studium sollen den Studenten auf ein berufliches Tätigkeitsfeld vorbereiten und ihm die dafür erforderlichen fachlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Methoden dem jeweiligen Studiengang entsprechend so vermitteln, dass er zu wissenschaftlicher oder künstlerischer Arbeit und zu verantwortlichem Handeln in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat befähigt wird." (Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz 2007, S. 5).

    Diese „entsprechende Vermittlung" durch den Lehrenden umfasst die Befähigung aller Studierenden, die in der jeweiligen Lehre sind, und es umfasst fachlich sowie didaktisch gute Lehre und keine „Low-Level-Lehre".

    2.5 Es gibt die Lehrenden-Persönlichkeit: Gute Lehre kann man oder eben nicht

    Wenn die Persönlichkeit so relevant wäre, reicht zu Beginn der Lehrtätigkeit ein Persönlichkeitstest, und wir können die komplette hochschuldidaktische Weiterbildung abschaffen. Es konnten aber kaum spezifische Persönlichkeitseigenschaften von (psychisch gesunden) Lehrenden gefunden werden, welche sich generell in der Lehre (positiv) auswirken (Murray et al. 1990): Die meisten Persönlichkeitseigenschaften wirken sich gar nicht auf gute Lehre aus. Ein Teil der Persönlichkeitseigenschaften wirkt sich je Lehrveranstaltung (Art der studentischen Zielgruppe, Lehrveranstaltungsformat etc.) mal leicht bis mittelstark positiv, mal leicht bis mittelstark negativ auf die Lehre aus. Nur eine „Persönlichkeitseigenschaft" hatte konsistent positiven Einfluss: das gezeigte Führungsverhalten. Und dies ist eher ein trainierbares Verhalten als eine Persönlichkeitseigenschaft.

    Hingegen wirkt sich hochschuldidaktische Weiterbildung nachweislich konsistent positiv auf die Lehre aus (z. B. Claus und Zullo 1987; Gibbs und Coffey 2004; Howland und Wedman 2004; Johannes 2011; Penny und Coe 2004, d = .69; Ulrich 2013), d. h. gute Lehre kann man lernen.

    2.6 Die spezielle Lehrmethode (hier Name einfügen) ist die einzig Richtige

    Je nach Jahrzehnt und Mode sind spezielle Lehrmethoden angeblich generell richtig für gute Lehre. Das stimmt so nicht: Eine generelle Überlegenheit spezifischer Lehrmethoden für alle Lehrsituationen bzw. Lernziele konnte nicht nachgewiesen werden (Hattie 2009; Hattie 2015). Wichtig ist, dass Sie als Lehrender adaptiv Lehren, d. h. die je Lernziel bzw. Lehrsituation passende Lehrmethode nutzen (Kerres et al. 2003; Terhart 2005; Whitener 1989). Eine passende Lehrmethode ist wirksamer für gute Lehre als die jeweilige Lehrerfahrung des Lehrenden (Deslauriers et al. 2011). Weitere Details zur Theorie finden Sie in Kap. 3 und zu Lehrmethoden in Kap. 14.

    2.7 Alle 15–20 Min. muss ich generell die Lehrmethode wechseln bzw. was Originelles bringen

    Manche Autoren empfehlen in der Hochschullehre einen (Lehrmethoden-)Wechsel¹ bzw. „was Originelles" alle 15–20 Min. (z. B. Brauer 2014, S. 58 und 71; Jenkins 1992).

    Als Grund wird angeführt, dass in Vorlesungen die Aufmerksamkeit der Studierenden nach 10 Min. Vorlesung kontinuierlich sinke, bis sie sich auf niedrigem Niveau stabilisiere (Penner 1984), die 15–20-„Regel" verhindere dies und führe zu kontinuierlicher Aufmerksamkeit (Middendorf und Kalish 1996).

    Diesen Schlussfolgerungen ist klar zu widersprechen: Zum einen ist Brauers Idee etwas gewagt, einen Befund aus einer klassischen Vorlesung (Lehrendenvortrag, Studierende rezipieren Inhalte passiv) auf alle existenten Lehrformate und -arten zu generalisieren. Wenn z. B. in Ihrem Seminar die Studierenden schon länger als 20 Min. angeregt diskutieren oder aufmerksam den Laborversuch durchführen oder intensiv die Unternehmenssimulation durchspielen etc., dann unterbrechen Sie dies auf keinen Fall mit „etwas Originellem" oder einem Methodenwechsel. Das schädigt Ihr didaktisches Ziel, den Lernerfolg der Studierenden.

    Solange Ihre Studierenden aktiv lernen (vgl. Kap. 7), ist ein Methodenwechsel didaktisch unnötig.

    Richtig ist, dass bei längeren Inputs und gleichzeitiger Passivität der Studierenden die Aufmerksamkeit insgesamt sinkt. In diesem Fall ist ein Methodenwechsel und „etwas Originelles" (wie ungewöhnliche wissenschaftliche Befunde, Effekte etc.) sinnvoll. Je nach Inhalt und Form des Inputs sinkt die Aufmerksamkeit aber auch weitaus langsamer oder auch schneller als nach 10 Min.

    2.8 Das Lehrformat (Vorlesung, Seminar, Übung) determiniert meine Lehre

    Viele hochschuldidaktische Werke orientieren sich an Lehrformaten wie Vorlesung, Seminar, Übung etc. (z. B. Brauer 2014; Schneider und Mustafic 2015). Dies ist aber unnötig. Die vorgegebene Bezeichnung (Vorlesung, Seminar, Übung etc.) Ihrer Lehrveranstaltung ist nicht relevant. Der Hauptfaktor ist Ihr didaktisches Konzept (vgl. Deslauriers et al. 2011), niemand hindert Sie daran, Lehrmethoden, welche eher in Seminaren üblich sind, in einer Vorlesung einzusetzen. Einzig relevante Rahmenbedingungen, die Ihre Lehre mit beeinflussen, sind die Anzahl der Studierenden oder die Charakteristika des Raumes (z. B. feste Stuhlreihen, Akustik etc.).

    2.9 Man muss Lerntypen berücksichtigen

    Ein populärer Irrtum ist die Unterteilung von Lernenden in bestimmte „Lerntypen", welche dann besser lernen, wenn man ihre Lerntypen in der Lehre berücksichtigt (z. B. Brinker und Schumacher 2014, S. 83). Aktuell sind mindestens 71 verschiedene Taxonomien von Lerntypen publiziert worden (Coffield et al. 2004, S. 166 ff.; Álvarez-Montero et al. 2018). Am häufigsten taucht in der Hochschullehre die Lerntypentaxonomie nach Vester (2004) auf, nach der Menschen v. a. entweder

    auditiv über Hören und Diskutieren,

    visuell über Grafiken,

    haptisch bzw. kinästhetisch über eigene Aktionen oder

    Intellekt-betont

    lernen. Dies mag auf den ersten Blick richtig erscheinen, stimmt aber nicht. Zum einen ist die Taxonomie inkonsistent: So stellt sich die Frage, wie jemand ohne Betonung des Intellektes auditiv, visuell und/oder haptisch lernt (er würde, wenn überhaupt, ja nur mit „halbem Verstand" lernen), zum anderen sind die Sinneskanäle nicht gleich gewichtet: Visuell können Sie weitaus mehr Informationen aufnehmen als über Gehör oder Haptik, dieser Sinneskanal ist bei Erwachsenen generell dominant (z. B. Robinson und Sloutsky 2004). Weitere Kritik an Vester (2004) finden Sie bei Looß (2001).

    Insgesamt konnte in der Forschung keine einzige der 71 Lerntypentaxonomien als relevant für den Lernerfolg nachgewiesen werden, die meisten der (wenigen) Effekte waren sogar gegenteilig zur Lerntypentheorie (Pashler et al. 2008).

    2.10 Lehrenden- vs. studierendenzentrierte Lehre: Lehrendenzentrierung ist generell schlecht, Studierendenzentrierung ist generell gut

    Im Zuge des Bologna-Prozesses und der damit einhergehenden Kompetenzorientierung („shift from teaching to learning") wurde oftmals die Taxonomie der lehrenden- vs. studierendenzentrierte Lehre propagiert (vgl. Abb. 2.1; Kember 1997). Früher ging man von einem Kontinuum einer Lehreinstellung, heute geht man von zwei voneinander unabhängigen Lehreinstellungen aus (Lübeck 2009).

    ../images/335084_2_De_2_Chapter/335084_2_De_2_Fig1_HTML.png

    Abb. 2.1

    Lehrenden- vs. Studierendenzentrierung. (Aus Rheinberg et al. 2001, S. 337. Reprinted from Learning and Instruction, Vol 7 (3), David Kember, A reconceptualisation of the research into university academics’ conceptions of teaching, Pages No. 264, Copyright (1997), with permission from Elsevier. Erweiterung durch Rheinberg et al. (2001, S. 337), mit freundlicher Genehmigung von Beltz)

    Oftmals wird dabei studierendenzentrierte Lehre bzw. Lehreinstellung als normativ wünschenswert dargestellt, da sie bessere Lernergebnisse der Studierenden fördere. Dies ist falsch. Fischer und Hänze (2019) fanden sogar einen negativen Effekt von studierendenzentrierten Lehrmethoden auf die kognitive Aktivierung der Studierenden (eine kognitive Aktivierung führte dann zu studentischen Lernerfolgen).

    Empirisch haben Lehrende, welche im Durchschnitt eine mittlere Einstellung aufweisen (Position 2–3, Abb. 2.1), die Studierenden mit den besten Lernergebnissen (Hattie 2009, S. 243–244). Generell kommt es aber weniger auf die Einstellungen des Lehrenden an, da sich diese relativ wenig auf konkretes Verhalten auswirken (z. B. Aronson et al. 2014 , S. 238 ff.): So wirken sich weder konstruktivistische noch transmissive Einstellungen der Lehrende auf ihren Einsatz von lehrenden- oder studierendenzentrierte Lehrmethoden aus (Fischer und Hänze 2020). Wichtig ist letztendlich das adaptive Lehrendenverhalten, d. h., dass der Lehrende die zu seinem Lernziel jeweils optimale Lehre gibt – mal lehrenden-, mal studierendenzentriert, mal Mischformen (vgl. Walberg und Lai 1999, S. 424).

    Der Einfluss der Lehreinstellungen der Lehrenden auf ihre Lehrevaluationsergebnisse tendiert gegen Null. Es gibt nur einen kleinen positiven Effekt zwischen der Studierendeneinstellung des Lehrenden und dem Lehrevaluationseinzelbereich der intrinsischen Motivation der Studierenden (Ulrich 2013, S. 269 ff.).

    Im Zweifel ist somit meist die Synthese gut: Aktivieren Sie Ihre Studierenden, aber bleiben Sie bei klarer Instruktion. Gute Lehrende passen ihr Lehrverhalten der jeweiligen didaktischen Situation an (vgl. Kap. 9). In einer Masterarbeit ist dann eine (fast) reine Studierendenzentrierung wichtig, da das didaktische Ziel hier in der Selbsterarbeitung der Qualifikation durch den Studierenden liegt.

    2.11 Oberflächen- vs. Tiefenlernen: Tiefenlernen ist immer besser

    Nach der Taxonomie von Marton und Säljö (1976) wäre Tiefenlernen dem Oberflächenlernen generell vorzuziehen, auch da sich Oberflächenlernen negativ, Tiefenlernen jedoch positiv auf den studentischen Lernerfolg auswirkt (Richardson et al. 2012). Ein generelles Tiefenlernen ist aber nur bei unbegrenzter Zeit und Ressourcen sinnvoll, da dessen Aufwand weitaus höher ist. Oberflächliches Lernen geht schnell, es ist somit auch wichtig für die Allgemeinbildung. Sie haben in ihrer Schullaufbahn viele Themen (mangels Zeit) nur oberflächlich gestreift, aber dadurch eine gute Allgemeinbildung erhalten. Wichtig ist, dass Sie zentrale Inhalte vertieft haben (z. B. die Grundlagen der Grammatik in Englisch tief, die einzelnen Vokabeln oberflächlich). In einigen Fällen ist Oberflächenlernen sogar weitaus sinnvoller: So haben Sie, als Sie das Alphabet lernten, nicht die sprachgeschichtliche Herkunft, Entwicklung und Ableitung der einzelnen Buchstaben erarbeitet, sondern Sie haben die Buchstaben oberflächlich gelernt und nutzen Sie seitdem erfolgreich zum Lesen und Schreiben. Tiefenlernen ist hier nur für Studierende der Sprachwissenschaft wichtig. Analog dazu ist in der Lehre, gerade bei Einführungen, ein Oberflächenlernen sinnvoll, um einen Überblick zu vermitteln. Dies zeigt sich auch empirisch: Studierende, die strategisch, d. h. je nach didaktischem Ziel, Ober- oder Tiefenflächenlernen einsetzten, hatten höhere Lernerfolge (d = 0,65) als Studierende, die nur Oberflächenlernen (d = −0,39) oder nur Tiefenlernen einsetzten (d = 0,06; Richardson et al. 2012).

    2.12 Lehrevaluationsergebnisse sagen nichts aus

    Doch! „Unter adäquaten Bedingungen ist studentische Lehrevaluation a) multidimensional, b) reliabel und stabil, c) in erster Linie ein Ergebnis der Wirkung des Kurslehrenden und nicht des unterrichteten Kurses, d) relativ valide hinsichtlich vieler Indikatoren effektiver Lehre (z. B. Lerntests, Fremdbeurteilungen), e) relativ unbeeinflusst durch eine Vielzahl vermuteter Störvariablen […] und nützlich zur Optimierung des Lehrerfolgs, sofern sie verknüpft werden mit adäquater Beratung" (Marsh und Roche 1997, S. 1187, eigene Übersetzung; Beispiele aus Rindermann 2001).

    In Metaanalysen findet sich ein mittlerer Zusammenhang zwischen Leistungsdaten (Noten) und Lehrevaluationen (Cohen 1981; vgl. Kap. 3), d. h. beide messen ungefähr dasselbe. Dies wird auch ersichtlich in Kap. 3: Es sind dieselben Dimensionen guter Lehre, welche sich positiv auf Lehrevaluationen und Leistungsdaten auswirken – einzig die Gewichtung ist unterschiedlich. Neuere, kritischere Metaanalysen finden kleine bis mittlere Zusammenhänge (Clayson 2009).²

    Es gibt populäre Mythen zur mangelnden Aussagekraft von Lehrevaluationen, welche alle widerlegt werden konnten (Aleamoni 1999, online abrufbar). Wichtig ist nur, dass man sich die für die eigenen Lernziele (vgl. Kap. 4) bzw. Lehrveranstaltung relevanten Ergebnisse der Lehrevaluation herausgreift (Renkl 2015).

    2.13 Gute Lehre ist egal, ein Studierender braucht die richtige Persönlichkeit

    Die Persönlichkeit der Studierenden hat laut Hattie (2015) nur minimalen Einfluss auf die Leistungen (Noten). Die gefundene Effektstärke (d = 0,17) erreicht nicht einmal die untere Grenze für „kleine Effekte (d = 0,20, vgl. Cohen 1988). Von den Einzeldimensionen der Persönlichkeit wirkt sich nur die Dimension „Gewissenhaftigkeit (d = 0,47, Poropat 2009) aus, alle anderen Dimensionen (Extraversion, Neurotizismus, Offenheit für Erfahrung, Verträglichkeit) sind hier nicht relevant. Und selbst wenig gewissenhafte Studierende können erfolgreich studieren, hierfür ist der Einfluss der Gewissenhaftigkeit zu gering.

    2.14 Studierende wollen sich eh „nur berieseln" lassen und selbst nichts tun

    Häufig kommt der Vorwurf, Studierende wollten nur Lehre passiv „konsumieren" und selbst nicht aktiv werden. Studien zeigen, dass das Gegenteil der Fall ist (Sander et al. 2000): Studierende bevorzugen am liebsten interaktive Lehrveranstaltungen, in denen sie selbst aktiv sein müssen (über Fragen, Diskussionen etc.). Dem folgen Tutorien und Lehrveranstaltungen mit Gruppenarbeiten. Vorträge des Lehrenden mit passiven Studierenden sind unbeliebt, werden aber (desillusioniert) erwartet. Ähnlich unbeliebt sind Referate, noch unbeliebter die Rollenspiele. Einschränkend sei angemerkt, dass Rollenspiele von Studierenden kaum erwartet werden bzw. unbekannt sind und nach Abschluss als hilfreich bewertet werden. Hier mag die Angst, selbst, vor den Augen der Kommilitonen, als Rollenspieler aktiv sein zu müssen und bewertet zu werden, ein Grund sein.

    2.15 Studierende müssen sich Notizen machen, sonst lernen sie nichts

    Mit diesem Argument werden Lehrmaterialien gerne ganz oder in Teilen zurückgehalten: Der Lernerfolg der Studierenden steigere sich durch die Ergänzung der fehlenden Informationen und Selektion der relevanten Aspekte des Lehrendenvortrags. Dies gilt aber nur für bestimmte Medien: Notizen zu Audiopräsentationen (z. B. digital aufgenommene Veranstaltung, d = 0,43) und Text (z. B. längere Textpassagen in den Folien, d = 0,27) sind hilfreich für den Lernerfolg. Notizen zu visuellen bzw. audiovisuellen Medien (z. B. Grafiken in den Folien, Filme, Demonstrationen) bringen gar nichts, da Studierenden nicht gleichzeitig das Medium beobachten und leserlich aufschreiben können (d = −0,02, Kobayashi 2005). Stellen Sie alle visuellen Medien Ihren Studierenden vor Beginn Ihrer Lehrveranstaltung bereit (dann sparen Sie die Zeit, die diese für unnötiges Abzeichnen benötigen). Bei auditiven und textbasierten Medien können Sie gut mit „Notizen machen" arbeiten, sofern Sie dafür den Studierenden genug Zeit einräumen. Dieser Effekt der Notizerstellung sinkt aber mit steigender Kompetenz der Studierenden (Shrager und Mayer 1989) und eignet sich somit eher für Studierende unterer Semester.

    2.16 Studierende müssen den Lehrenden fürchten, sonst haben Sie keinen Respekt

    Der Duden (2019) definiert Respekt einerseits als „auf Anerkennung, Bewunderung beruhende Achtung, andererseits als „vor jemandem aufgrund seiner höheren, übergeordneten Stellung empfundene Scheu, die sich in dem Bemühen äußert, kein Missfallen zu erregen.

    Eine Scheu, kein Missfallen zu erregen, erreicht man über die Darlegung der eigenen (Wert-)Vorstellungen in der Lehre und der konsequenten Sanktionierung dieser (vgl. Kap. 6). Furcht ist dazu unnötig. Anerkennung und Bewunderung der Studierenden erreicht man über eine professionelle Beziehungsgestaltung (Freundlichkeit, Respekt, Hilfsbereitschaft, Fairness, vgl. Kap. 6) sowie auch generell über gute Leistungen in der Lehre (und untergeordnet auch über neue Forschungserkenntnisse).

    Generell ist Furcht vor dem Lehrenden schädlich. Zum einen mindert es den empfundenen Respekt: „Furcht macht verächtlich, und Verachtung ist gefahrvoller als Hass." (Engel 1802, S. 332). Zum anderen ist es didaktisch schädlich. Furcht vor dem Lehrenden verschiebt den studentischen Fokus vom Lerngegenstand auf den Lehrenden, da sie Aufmerksamkeit gegenüber dem Gegenstand bzw. der Person erzeugt, vor der man sich fürchtet (Sokolowski 2013, S. 234 ff.).

    Eine gewisse Furcht der Studierenden vor der Leistungsprüfung, nicht aber dem Lehrenden, ist didaktisch dienlich (sog. extrinsische Motivation bzw. Leistungsmotivation, vgl. Chap. 8), sofern die Studierenden wissen, unter welchen Konditionen sie in der Leistungsprüfung die Bestnote erreichen können.

    2.17 Die Studierenden werden immer dümmer

    Nein, weder die Studierenden noch die Gesamtbevölkerung werden dümmer. Insgesamt steigt der Intelligenzquotient der Gesamtbevölkerung seit Jahrzehnten sowohl länderübergreifend als auch spezifisch auf Deutschland bezogen langsam an (Pietschnig und Voracek 2015). Der Intelligenzquotient der Studierenden ist auch bei steigenden Studierendenzahlen je Generation seit Jahrzehnten stabil (Dutton und Lynn 2014; Plant und Richardson 1958). Der subjektive Eindruck von Lehrenden mag darin begründet sein, dass Lehrende mit jedem Jahr bzw. jeder Qualifikationsstufe mehr Expertise gewinnen, während die Erstsemesterstudierenden jedes Jahr gleich laienhaft unwissend sind. Die Experten-Laien-Kommunikation (vgl. Bromme et al. 2004) wird aber mit steigender Expertise schwieriger, da Experten das Kompetenzlevel des Laien korrekt antizipieren müssen. Hierzu können Lehrende versuchen, sich an ihr damaliges „Laien-Level" zu erinnern, was aber mit steigender zeitlicher Distanz schwerer wird. Ich selbst habe alte eigene Arbeiten aus meinem Studium gelesen, bevor ich die Arbeiten meiner Studierenden bewertet habe. Dies war ein guter Referenzwert, wenngleich es meine retrospektive Einschätzung meiner Kompetenz im Studium gesenkt hat.

    2.18 Expertenurteil schlägt Empirie: „Nach meiner Erfahrung ist es aber so, dass …"

    Menschen tendieren dazu, den Erfahrungen bzw. Ratschlägen von (ihnen wichtigen) Experten mehr zu trauen als wissenschaftlichen Erkenntnissen (Yates 2008): „Graue Eminenzen" und anekdotische Erzählungen werden höher gewichtet als Forschungsberichte. Leider zeigt sich, dass Expertenurteile in der Vorhersage, was günstig bzw. hilfreich sei, ungenauere Erkenntnisse und Ratschläge liefern als wissenschaftliche Studien (Grove et al. 2000; Meehl 1954, S. 83 ff.). Trauen Sie daher den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu guter Lehre mehr als noch so angesehenen Experten.

    2.19 Gute Forscher sind auch immer gute Lehrende

    Das humboldtsche Ideal basiert auf der Einheit von Forschung und Lehre, da demnach ein guter Lehrender auch selbst forschen muss. Daraus wird häufig die These (!) abgeleitet, dass ein guter Forscher automatisch auch ein guter Lehrender sei („Mythos gute Lehre", vgl. Metz-Göckel et al. 2010). In der Antike, im Mittelalter und der frühen Neuzeit mag dies korrekt gewesen sein (vgl. Radke 2007), da sich die Lehre von nicht forschenden Personen damals eher an nicht-wissenschaftlichen Werken zweifelhafter Natur orientierte. Für unsere heutigen Wissenschaftssysteme konnte kein Zusammenhang zwischen guter Lehre und guter Forschung gefunden werden (Marsh und Hattie 2002), beide Aspekte waren völlig unabhängig voneinander (Korrelation r = 0,03, nicht signifikant): Einige gute Forscher sind auch gute Lehrende, einige gute Forscher sind schlechte Lehrende, einige schlechte Forscher sind gute Lehrende, und einige schlechte Forscher sind schlechte Lehrende. Dazwischen gibt es viele mittlere Abstufungen, aber keinen Zusammenhang zwischen Forschung und Lehre.

    Hattie und Marsh (1996, S. 514 ff.) vertreten u. a. die These, dass gute Lehre und gute Forschung zwar (etwas) positiv zusammenhängen, aber aufgrund zeitlicher Einschränkungen (entweder eines von beiden richtig oder beides nur halbwegs erledigen) es den meisten Wissenschaftlern schwerfällt, in beiden Bereichen gute Leistungen zu bringen.

    Was ist bei geringem Zeitaufwand effektiv für gute Lehre

    Lesen Sie sich das Inhaltsverzeichnis am Anfang durch und glauben Sie einfach keinen der genannten Punkte. Um die Hintergründe zu wissen, müssen Sie es aber doch lesen.

    Literatur

    Aleamoni, L. M. (1999). Student rating myths versus research facts from 1924 to 1998. Journal of Personnel Evaluation in Education, 13, 153–166. https://​doi.​org/​10.​1023/​A:​1008168421283.Crossref

    Álvarez-Montero, F. J., Leyva-Cruz, M. G., & Moreno-Alcaraz, F. (2018). Learning Styles Inventories: an update of Coffield, Moseley, Hall, & Ecclestone’s Reliability and Validity Matrix. Electronic Journal of Research in Educational Psychology, 16(3), 597–629.

    Aronson, E., Wilson, T. D., & Akert, R. M. (2014). Sozialpsychologie (8., aktualisierte Aufl.). München: Pearson Studium.

    Brauer, M. (2014). An der Hochschule lehren. Berlin: Springer.

    Brinker, T., & Schumacher, E.-M. (2014). Befähigen statt belehren. Neue Lehr- und Lernkultur an Hochschulen. Bern: hep.

    Bromme, R., Jucks, R., & Rambow, R. (2004). Experten-Laien-Kommunikation im Wissensmanagement. In G. Reinmann & H. Mandl (Hrsg.), Psychologie des Wissensmanagements. Perspektiven, Theorien und Methoden (S. 176–188). Göttingen: Hogrefe.

    Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. (2007). Hochschulrahmengesetz, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. http://​www.​gesetze-im-internet.​de/​bundesrecht/​hrg/​gesamt.​pdf. Zugegriffen am 03.05.2020.

    Claus, J. M., & Zullo, T.

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1