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Funktionelle neurologische Störungen: Erkennen, verstehen, behandeln
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eBook482 Seiten4 Stunden

Funktionelle neurologische Störungen: Erkennen, verstehen, behandeln

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Über dieses E-Book

​Dieses Buch bietet eine Übersicht über ein vernachlässigtes Gebiet der Neurologie: Funktionelle Störungen bedingen jeden sechsten Praxisbesuch und etwa 10% der Notfälle und stationären Aufnahmen an neurologischen Kliniken. Dennoch sorgen sie oft für diagnostische Verunsicherung und therapeutische Ratlosigkeit. Praxisnah und evidenzbasiert erläutert der Autor Untersuchungstechniken und klinische Zeichen, die eine frühe und sichere Diagnosestellung jenseits des Ausschlussprinzips möglich machen. Neue Erklärungsmodelle, die Neurophysiologie und Psychosomatik zusammenbringen, verdeutlichen die Entstehungsmechanismen funktioneller Symptome und die Wirkungsweise verschiedener Therapien. Tipps zur ärztlichen Gesprächsführung sowie konkrete Behandlungsempfehlungen aus der Physiotherapie und Psychotherapie sollen die interdisziplinäre Patientenversorgung erleichtern. 
SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer
Erscheinungsdatum12. Juni 2020
ISBN9783662612729
Funktionelle neurologische Störungen: Erkennen, verstehen, behandeln

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    Buchvorschau

    Funktionelle neurologische Störungen - Stoyan Popkirov

    Stoyan Popkirov

    Funktionelle neurologische Störungen

    Erkennen, verstehen, behandeln

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    Stoyan Popkirov

    Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum, Ruhr-Universität Bochum, Bochum, Deutschland

    ISBN 978-3-662-61271-2e-ISBN 978-3-662-61272-9

    https://doi.org/10.1007/978-3-662-61272-9

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://​dnb.​d-nb.​de abrufbar.

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020

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    Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral.

    Planung/Lektorat: Christine Lerche

    Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature.

    Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

    Vorwort

    Ob dissoziativer Anfall, funktioneller Tremor, Stroke Mimic oder phobischer Schwankschwindel – funktionelle neurologische Störungen gehören zum täglichen Brot der Neurologie. Sie bedingen jede sechste ambulante Vorstellung und etwa 10 % der neurologischen Notfälle und Krankenhausaufnahmen. Umso erstaunlicher ist es, dass sie in den gängigen Lehrbüchern kaum Erwähnung finden, außer vereinzelt als Schlusslicht differenzialdiagnostischer Auflistungen. In einer zunehmend technologisierten Neurologie, deren biomedizinische Fortschritte zu einer fast vollständigen Abkopplung von der „sprechenden Seite der Nervenheilkunde beigetragen haben, scheinen funktionelle Störungen zu „pseudoneurologischen oder „nicht-organischen" Ausschlussdiagnosen herabgestuft worden zu sein. Im klinischen Alltag führen Unwissen und Vorurteile zu verzögerten Diagnosen und verpassten Therapiemöglichkeiten. Es dauert oft Jahre, bis die richtige Diagnose gestellt und adäquat vermittelt wird; zur notwendigen Therapie kommt es oft gar nicht.

    Ziel dieses Buches ist es, einen modernen, neurowissenschaftlich fundierten und evidenzbasierten Umgang mit funktionellen neurologischen Störungen zu ermöglichen. Anstelle der unzuverlässigen Ausschlussdiagnostik kommt die „Einschluss"-Diagnose, die anhand des charakteristischen Krankheitsbildes, spezieller Untersuchungstechniken und klinischer Zeichen gesichert wird. Neue Erklärungsmodelle, die neben psychodynamischen Faktoren auch neurophysiologische Gesetzmäßigkeiten berücksichtigen, verdeutlichen die Entstehungsmechanismen funktioneller Symptome und die Wirkungsweise verschiedener Therapien. Kohärenzgefühl und Therapiemotivation sind dabei erste Etappenziele in der Langzeitbehandlung, bei der Physiotherapie, Ergotherapie, Psychotherapie und andere Modalitäten zum Einsatz kommen.

    Im ersten Teil dieses Buches werden die Epidemiologie, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie funktioneller neurologischer Störungen im Allgemeinen besprochen. Danach werden in 10 Kapiteln einzelne Krankheitsformen im Detail dargestellt. Praxisnah wird auf spezielle Untersuchungstechniken, nachvollziehbare Erklärungsmodelle und konkrete Behandlungsstrategien eingegangen. Im letzten Teil werden abschließend einige Differenzialdiagnosen und psychosoziale Aspekte berücksichtigt.

    Dieses Buch richtet sich in erster Linie an Neurologen, die im ambulanten oder stationären Bereich tätig sind. Auch Psychosomatiker, Psychiater, Allgemeinmediziner, psychologische Psychotherapeuten, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten dürften viele der Inhalte für den klinischen Alltag nützlich finden. Interessierte Medizinstudenten werden in diesem Buch eine spannende Vertiefungsmöglichkeit entdecken. (Bei diesen Aufzählungen sowie im gesamten Buch wurde der Einfachheit halber das generische Maskulinum genutzt; gemeint sind stets Personen jeden Geschlechts.)

    An dieser Stelle möchte ich mich ganz besonders bei meinen Mentoren Professor Uwe Schlegel, Professor Jon Stone und Professor Alan Carson bedanken sowie bei meinen vielen Lehrern und Kollegen am Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum. Mein Dank gilt auch dem Wissenschaftskolleg zu Berlin, dessen Förderung die Arbeit an diesem Buch ermöglicht hat. Schließlich möchte ich mich bei meiner Frau bedanken, die mir stets liebevoll mit Kraft und Korrekturen zur Seite stand.

    Stoyan Popkirov

    Berlin

    im Frühjahr 2020

    Inhaltsverzeichnis

    I Grundlagen

    1 Einleitung und allgemeine Epidemiologie 3

    1.​1 „Ist das echt?​" 4

    1.​2 Allgemeine Epidemiologie funktioneller neurologischer Störungen 6

    Literatur 7

    2 Allgemeine pathophysiologis​che Erklärungsmodell​e 9

    2.​1 Das Warum und das Wie 10

    2.​2 Erklärungsmodell​e im Wandel der Zeit 10

    Literatur 14

    3 Allgemeines zur Diagnostik 17

    3.​1 Gesprächsführung​ und Anamnese 18

    3.​2 Kommunikative Besonderheiten 20

    3.​3 Klinische Untersuchung und spezifische klinische Zeichen 22

    3.​4 Zusatzdiagnostik​ und Ausschlussdiagno​stik 22

    3.​5 Die Diagnose vermitteln 23

    Literatur 25

    4 Grundlagen der Therapie 27

    4.​1 Die Rolle des Neurologen 28

    4.​2 Therapieformen und Behandlungsprogr​amme 29

    Literatur 31

    II Störungsbilder

    5 Dissoziative Anfälle 35

    5.​1 Krankheitsbild und Bezeichnungen 36

    5.​2 Epidemiologie 36

    5.​3 Diagnostik 37

    5.​4 Risikofaktoren und Komorbiditäten 42

    5.​5 Erklärungsmodell​ 46

    5.​6 Therapie 47

    5.​7 Prognose 50

    Literatur 51

    6 Funktionelle Paresen und Sensibilitätsstö​rungen 57

    6.​1 Funktionelle Paresen 58

    6.​2 Funktionelle Sensibilitätsstö​rungen 67

    6.​3 Erklärungsmodell​ für funktionelle sensomotorische Ausfälle 70

    Literatur 73

    7 Funktionelle Bewegungsstörung​en 77

    7.​1 Epidemiologie 78

    7.​2 Allgemeine diagnostische Merkmale 78

    7.​3 Funktioneller Tremor 79

    7.​4 Funktionelle Dystonie 84

    7.​5 Funktionelle Myoklonien 86

    7.​6 Funktionelle Gangstörung 88

    7.​7 Funktionelle Tics 90

    7.​8 Funktioneller Parkinsonismus 90

    7.​9 Pathophysiologie​ und Erklärungsmodell​e 90

    7.​10 Therapie 93

    7.​11 Prognose 97

    Literatur 98

    8 Funktioneller Schwindel 103

    8.​1 Begriffsdefiniti​on 104

    8.​2 Epidemiologie 104

    8.​3 Klinisches Bild 104

    8.​4 Diagnostisches Vorgehen 105

    8.​5 Krankheitsentste​hung 107

    8.​6 Therapie 110

    Literatur 112

    9 Funktionelle Sehstörungen 115

    9.​1 Funktioneller Visusverlust 116

    9.​2 Funktionelle Gesichtsfeldausf​älle 119

    9.​3 Funktionelle Augenbewegungsst​örungen 119

    9.​4 Fotophobie 120

    9.​5 Visual snow 121

    9.​6 Therapie 121

    Literatur 121

    10 Funktionelle Hörstörungen 123

    10.​1 Funktioneller Hörverlust 124

    10.​2 Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstör​ung 124

    10.​3 Überempfindlichk​eit des Hörens 124

    10.​4 Tinnitus 125

    10.​5 Niederfrequentes​ Brummen (Brummton-Phänomen) 126

    10.​6 Acoustic-shock-Syndrom 127

    Literatur 128

    11 Funktionelle Sprech-, Schluck- und Sprachstörungen 131

    11.​1 Funktionelle Dysphonie 132

    11.​2 Funktionelle Dysphagie und Globusgefühl 136

    11.​3 Funktionelles Stottern 136

    11.​4 Funktionelle Dysarthrie 137

    11.​5 Funktionelle Dysprosodie 137

    11.​6 Funktionelle Sprachstörungen 138

    11.​7 Logopädie 138

    Literatur 139

    12 Funktionelle kognitive und amnestische Störungen 143

    12.​1 Funktionelle kognitive Störung 144

    12.​2 Dissoziative Amnesie 151

    Literatur 155

    13 Funktionelle Schmerzsyndrome 159

    13.​1 Einleitung 160

    13.​2 Ganzkörperschmer​zen und Fibromyalgie 161

    13.​3 Komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS) 166

    Literatur 169

    14 Funktionelle polysymptomatisc​he Syndrome 173

    14.​1 Chronische Beschwerden nach Gehirnerschütter​ung oder Schleudertrauma 174

    14.​2 Chronisches Erschöpfungssynd​rom 177

    14.​3 Syndrome der idiopathischen Umwelt-Unverträglichkei​t 178

    Literatur 179

    III Weitere Aspekte

    15 Der Placebo-Effekt und funktionelle Überlagerung 185

    15.​1 Der Placebo-Effekt 186

    15.​2 Einsatz von Placebo bei funktionellen neurologischen Störungen 186

    15.​3 Placebo-Effekte bei anderen neurologischen Erkrankungen 189

    15.​4 Funktionelle Überlagerung bei neurologischen Erkrankungen 189

    Literatur 190

    16 Täuschung und Einbildung 193

    16.​1 Simulation 194

    16.​2 Artifizielle Störungen 196

    16.​3 Hypochondrische Störung 199

    Literatur 200

    17 Kulturelle und narrative Aspekte 201

    17.​1 Die Kriegszitterer 202

    17.​2 Wunderheilungen neurologischer Krankheiten 203

    17.​3 Massenhysterien 205

    Literatur 207

    Serviceteil ##

    Stichwortverzeic​hnis 211

    Teil IGrundlagen

    Inhaltsverzeichnis

    Kapitel 1 Einleitung und allgemeine Epidemiologie 3

    Kapitel 2 Allgemeine pathophysiologis​che Erklärungsmodell​e 9

    Kapitel 3 Allgemeines zur Diagnostik 17

    Kapitel 4 Grundlagen der Therapie 27

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020

    S. PopkirovFunktionelle neurologische Störungenhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-61272-9_1

    1. Einleitung und allgemeine Epidemiologie

    Stoyan Popkirov¹  

    (1)

    Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum, Ruhr-Universität Bochum, Bochum, Deutschland

    Stoyan Popkirov

    Email: popkirov@gmail.com

    1.1 „Ist das echt?"

    1.2 Allgemeine Epidemiologie funktioneller neurologischer Störungen

    Literatur

    1.1 „Ist das echt?"

    Diese Frage, bezogen auf ein neurologisches Symptom, wird häufig in Notaufnahmen, Visiten und Sprechstunden gestellt (oder gedacht) und spiegelt gleich mehrere Probleme in der modernen Neurologie wider.

    Unterschätzte Prävalenz

    Erstens ist die Häufigkeit der Frage ein Anzeichen für die oft unterschätzte Prävalenz funktioneller Störungen in der Neurologie. Aus den nahezu mythologisierten Berichten von „Hysterie" aus Jean-Martin Charcots Klinik Ende des 19. Jahrhunderts, Sigmund Freuds Fallstudien oder den Geschichten von Kriegszitterern im Ersten Weltkrieg kann leicht der Eindruck entstehen, dass es sich um eine medizinhistorische Kuriosität handelt, die für praktizierende Ärzte heutzutage kaum noch relevant ist. Eine genaue Betrachtung der klinischen Realität belehrt uns jedoch eines Besseren: funktionelle Störungen sind einer der häufigsten Vorstellungsgründe in der Neurologie und gehören somit zum klinischen Alltag in Sprechstunden, Notaufnahmen und Krankenhäusern (s. unten). Umso verwunderlicher ist es, dass in aktuellen Neurologie-Lehrbüchern funktionelle Störungen kaum vertreten sind und, wenn überhaupt, als Schlusslicht differenzialdiagnostischer Auflistungen Erwähnung finden. Ebenso stiefmütterlich wird das Thema in Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen behandelt.

    Diagnostische Unsicherheit

    Letztere Tatsache erklärt auch einen zweiten Aspekt, der der oben genannten Frage häufig zugrunde liegt: die diagnostische Unsicherheit bezüglich funktioneller Störungen. Lange galten in der Neurologie funktionelle Störungen als Ausschlussdiagnosen, die am Ende einer langwierigen und zunehmend technologisierten diagnostischen Abklärung stehen. Heutzutage erfolgt die Diagnose einer funktionellen neurologischen Störung jedoch primär anhand des charakteristischen Krankheitsbildes und des Nachweises spezifischer klinischer Zeichen. Akute und zurückliegende psychosoziale Belastungen werden weiterhin als relevante Risikofaktoren angesehen, wurden aber aus den Diagnosekriterien entfernt, da bei einem Teil der Patienten funktionelle Symptome auch ohne relevante psychische Belastungen auftreten. Vielmehr handelt es sich um komplexe Funktionsstörungen des Nervensystems auf verschiedenen Ebenen der neuronalen Verarbeitung, bei denen eine scharfe Abgrenzung zwischen Psychologie und Physiologie selten möglich ist (s. Kap. 2). Ein neurowissenschaftlich fundiertes Verständnis und die systematische Validierung klinisch-diagnostischer Algorithmen erlauben heutzutage funktionelle neurologische Störungen früher und mit größerer Sicherheit festzustellen (s. Kap. 3).

    Authentizität

    Das größte Problem in der Frage „Ist das echt?" liegt jedoch im weitverbreiteten Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit funktioneller Beschwerden. Obwohl bewusste Täuschung und Simulation sehr selten in der klinischen Neurologie sind (s. Kap. 16), und die meisten Mediziner auch funktionellen Symptomen eine gewisse „Echtheit" zugestehen, bleibt der Eindruck, dass es sich um Krankheitszustände zweiten Ranges handelt. Diese Abwertung wird in den negierenden Bezeichnungen verdeutlicht, die funktionelle Störungen als nicht-organisch, somatoform oder pseudoneurologisch beschreiben. Obwohl neurowissenschaftlich vorgebildete Kliniker einen strengen Leib-Seele-Dualismus ablehnen, so ist die Trennung zwischen Geist und Körper und zwischen Psyche und Gehirn in der Praxis leider vielerorts fest verankert und wird zudem mit der Versorgungsgrenze zwischen Neurologie und Psychiatrie/Psychosomatik gleichgestellt.

    Zweitrangigkeit

    Die zugewiesene Zweitrangigkeit funktioneller Störungen wird bei näherer Nachfrage auch mit der prinzipiellen „Gutartigkeit" der Symptome begründet. Schließlich geht bei einer funktionellen Lähmung oder einem dissoziativen Anfall kein Hirngewebe unter und die Dysfunktion ist prinzipiell umkehrbar. Unberücksichtigt bleibt dabei, dass die Defizite in den meisten Fällen über Jahre persistieren und Lebensqualität, Behinderung, Erwerbstätigkeit und Leiden mitnichten besser sind als bei vergleichbaren strukturell-bedingten Erkrankungen.

    Zugehörigkeit

    Letztlich wird die vermeintliche „Unechtheit" der Beschwerden in der klinischen Praxis auch auf die empfundene Nicht-Zugehörigkeit zur Neurologie bezogen. Da die Grenze zwischen Neurologie und Psychiatrie (und Psychosomatik) unscharf und wandelbar ist, lässt sich die nosologische Zugehörigkeit und fachliche Versorgungspflicht sicherlich debattieren. Tatsache ist jedoch, dass die Behandlung der Patienten stets in dem Fachbereich beginnen wird, in dem die Expertise zur (Differenzial-)Diagnose liegt. Und obwohl verschiedene Formen der Psychotherapie bei funktionellen neurologischen Störungen wirksam sein können, kommen bei vielen Krankheitsformen in erster Linie Physiotherapie, Ergotherapie oder andere Modalitäten zur Anwendung, die in der neurologischen Akut- und Rehabilitationsbehandlung bestens etabliert sind.

    Der neurologische Reflex, Patienten unmittelbar nach der Diagnose einer funktionellen Störung wieder aus der eigenen Behandlung zu entlassen (bestenfalls mit Überweisung zur Psychotherapie), wird weder den Bedürfnissen der Patienten noch der Realität der Versorgungsstrukturen in Deutschland gerecht. Nach der Mitteilung der Diagnose und der Vermittlung eines grundlegenden Verständnisses der Krankheitsvorgänge sollten Neurologen auch in der Langzeitbetreuung involviert bleiben (s. Kap. 4).

    Das diagnostische Fachwissen eines Neurologen ist auch nach Beginn der Therapie von Nutzen, da Patienten mit funktionellen Störungen meistens vielfältige und wechselnde neurologische Beschwerden haben. Zum Beispiel können bei einem Patienten mit dissoziativen Anfällen im Verlauf auch Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Schwindel und funktionelle Bewegungsstörungen in den Vordergrund rücken. Ebenso sind Neurologen gefragt, wenn gleichzeitig neurologische Komorbiditäten vorliegen oder zentralwirksame Medikamente eingenommen werden. Die Planung und Organisation weiterführender Behandlungen sollte den Neurologen zumindest einbeziehen, wenn nicht von ihm ausgehen. Da funktionelle neurologische Störungen leicht mit anderen Erkrankungsformen verwechselt werden können (z. B. dissoziative mit epileptischen Anfällen oder funktioneller mit essenziellem Tremor) sollten Neurologen auch nach der Diagnose Ansprechpartner für weiterbehandelnde Therapeuten, Patienten und Angehörige bleiben.

    Die schlechte Langzeit-Prognose funktioneller neurologischer Störungen ist, angesichts der guten Therapieerfolge in strukturierten Behandlungsstudien, maßgeblich den Unzulänglichkeiten existierender Versorgungsstrukturen geschuldet. Die phänomenalen Fortschritte der Neurorehabilitation hierzulande sollten als Vorbild dienen, welche eindrücklichen Ergebnisse flächendeckend erreicht werden können, wenn die Behandlung neurologischer Defizite konsequent, wissenschaftlich und multidisziplinär angegangen wird. Vereinzelte Zentren in Deutschland und international haben in den letzten Jahren diesen Ansatz erfolgreich auf die Behandlung funktioneller neurologischer Störungen ausgeweitet (Williams et al. 2016).

    1.2 Allgemeine Epidemiologie funktioneller neurologischer Störungen

    In der Neurologie sind funktionelle Störungen keine Rarität, sondern täglich Brot. In einer flächendeckenden, prospektiven Untersuchung von elektiven Neuvorstellungen in neurologischen Sprechstunden in Schottland (n = 3781) wurde bei jedem sechsten Patienten (16 %, n = 587) eine funktionelle oder psychologische Diagnose gestellt (Stone et al. 2010). In einer australischen Kohortenstudie wurde unter 884 elektiven, ambulanten, neurologischen Vorstellungen bei 15 % eine funktionelle Störung diagnostiziert (Ahmad und Ahmad 2016).

    Notfallversorgung

    In einer prospektiven Untersuchung von 493 neurologischen Vorstellungen in einer kanadischen Notaufnahme konnte im Verlauf bei 43 Patienten (9 %) eine funktionelle Störung diagnostiziert werden (Moeller et al. 2008). Bei etwa 8 % aller Schlaganfall-Verdachtsfälle wird letztlich eine funktionelle neurologische Störung diagnostiziert (Gargalas et al. 2017; Wilkins et al. 2018). Ähnlich wird bei 10 % der Patienten, die aufgrund eines stattgehabten oder fortwährenden „Krampfanfalls notfallmäßig vorgestellt werden, im Verlauf die Diagnose „dissoziativer Anfall gestellt (Dickson et al. 2017; Kapur et al. 2019). Unter 475 Patienten, die sich mit dem Leitsymptom Schwindel notfallmäßig an einer Rettungsstelle in Deutschland vorstellten, wurde bei 13 % ein funktioneller Schwindel diagnostiziert (Royl et al. 2011).

    Krankenhausversorgung

    Zur Inzidenz funktioneller neurologischer Störungen in der stationären Krankenhausversorgung liegen kaum aktuelle Daten vor. Eine Untersuchung aus den Jahren 1985–1987 ergab, dass unter 4470 fortlaufenden stationären Aufnahmen an einer neurologischen Klinik in München bei 405 (9 %) eine funktionelle Störung diagnostiziert wurde (Lempert et al. 1990). Aus einer neueren Studie auf einer neurogeriatrischen Station geht eine Rate von 11 % hervor (Matzold et al. 2019). Auf die Inzidenz und Prävalenz einzelner Krankheitsformen, insbesondere in Spezialambulanzen oder Zentren, wird in den jeweiligen Kap. 5–14 näher eingegangen. Tab. 1.1 bietet eine Übersicht zum Anteil funktioneller Störungen in einigen ausgewählten Settings.

    Tab. 1.1

    Der Anteil funktioneller Störungen bei neurologischen Leitsymptomen in verschiedenen Settings

    Zusammenfassung

    Unabhängig von Beruf, Setting oder Spezialisierung wird jeder, der auf dem Gebiet der Neurologie arbeitet, häufig (wenn nicht täglich) funktionellen Störungen begegnen (Carson und Lehn 2016). Definiert man diese Krankheitsform als „nicht neurologisch", so kehrt man 10–20 % seiner Patienten den Rücken zu. Angesichts dieser Epidemiologie, aber auch der zugrunde liegenden Neurophysiologie (s. Kap. 2), sollte funktionellen Störungen erneut der vollwertige Eintritt in die klinische und akademische Neurologie gewährt werden.

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    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020

    S. PopkirovFunktionelle neurologische Störungenhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-61272-9_2

    2. Allgemeine pathophysiologische Erklärungsmodelle

    Stoyan Popkirov¹  

    (1)

    Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum, Ruhr-Universität Bochum, Bochum, Deutschland

    Stoyan Popkirov

    Email: popkirov@gmail.com

    2.1 Das Warum und das Wie

    2.2 Erklärungsmodelle im Wandel der Zeit

    Literatur

    2.1 Das Warum und das Wie

    Beim Versuch, die Entstehung funktioneller neurologischer Störungen zu erklären, sollte auf die Unterscheidung zwischen Ätiologie (Ursache und Risikofaktoren) und Pathogenese (Pathophysiologie und Mechanismen) geachtet werden. Bereits in der ersten großen Studie zur „Hysterie" an 430 Patienten aus dem Jahr 1859 wurden diverse prädisponierende Faktoren wie Misshandlung durch die Eltern beschrieben (Briquet 1859). Später wurde vorausgegangenem Leiden auch eine unmittelbar pathogenetische Rolle in der Krankheitsentstehung zugeschrieben. Wie genau eine lange zurückliegende Erfahrung ein konkretes neurologisches Symptom hervorrufen kann, wurde allerdings weitgehend offengelassen. Mit zunehmender Entschlüsselung psychologischer und physiologischer Gesetzmäßigkeiten werden heutzutage jedoch mechanistische Erklärungen zur Pathogenese von neuropsychiatrischen Krankheiten gefordert. Moderne Krankheitsmodelle, die diesen Forderungen nachkommen und sowohl psychodynamische als auch neurobiologische Mechanismen berücksichtigen, tragen schließlich zum Kohärenzgefühl der Patienten sowie zur Entwicklung effektiver Behandlungsverfahren bei.

    Fragt also ein Patient, woher sein funktioneller Schwindel kommt, so reicht der Verweis auf psychosoziale Stressoren oder psychiatrische Komorbiditäten in der Regel als Antwort nicht aus, selbst wenn die Vermutungen zur Ätiologie zutreffend sind. Vielmehr sollte auf das „Wie" eingegangen werden, indem zum Beispiel die andauernde Fehlanpassung der Haltungskontrolle nach einem akuten Schwindelereignis nachvollzogen oder die Auswirkung von Angst auf das Gleichgewichtsgefühl am Beispiel der Höhenangst erläutert wird.

    Im Folgenden soll ein stark gekürzter, historischer Abriss der Erklärungsmodelle für funktionelle neurologische Störungen und deren Bezug zu modernen Entstehungstheorien, neurowissenschaftlichen Erkenntnissen und klinischen Konzepten dargestellt werden.

    2.2 Erklärungsmodelle im Wandel der Zeit

    Eine der ersten akademischen Auseinandersetzungen mit dem Thema Hysterie wurde 1859 von Pierre Briquet (1796–1881; s. Abb. 2.1) veröffentlicht und umfasst die klinische und statistische Beschreibung von 430 Fällen von Hysterie (Mai und Merskey 1980). Bereits im Vorwort schreibt Briquet, dass er in der Hysterie ein „leicht zu verstehendes Leiden sieht, dessen Symptome stets physiologische Entsprechungen haben und „Gesetzmäßigkeiten folgen, anhand deren die Diagnose sicher gestellt und die Therapie ausgerichtet werden kann (Briquet 1859). Er beschrieb diverse neurologische Symptome (u. a. Sensibilitätsstörungen, Krampfanfälle, Lähmungen und andere Bewegungsstörungen) und verschiedene prädisponierende und auslösende Faktoren, von denen viele bis heute als ätiologisch relevant angesehen werden. Briquet vermutete, dass langes Leiden oder heftige seelische Erschütterungen (z. B. ein Trauerfall oder Gewalterfahrungen) dazu führen können, dass der „affektive Anteil des Gehirns in einen krankhaften Zustand gebracht wird. Wenn dadurch dessen Aktivität an Regelmäßigkeit verliert, kommt es zu verstärkten, abgeschwächten oder anderweitig verzerrten körperlichen Reaktionen, die sich wiederum der bewussten Kontrolle entziehen (Mai und Merskey 1980, 1981). Mithilfe moderner Hirnbildgebung konnte mehr als 150 Jahre später tatsächlich nachgewiesen werden, dass eine abnorme Reaktivität der Amygdala und anderer emotionsverarbeitender Hirnareale maßgeblich zur Pathogenese funktioneller neurologischer Symptome beiträgt (s. Kap. 7) (Voon et al. 2016). Briquets einflussreiche Studie trug dazu bei, vorherrschende mystisch-gynäkologische Interpretationen der Hysterie als eine Erkrankung der weiblichen Fortpflanzungsorgane endgültig mit der Auffassung als „Neurose des Gehirns abzulösen (Edelman und Walusinski 2014). Der spätere Vorschlag polysymptomatische funktionelle Störungen als „Briquet-Syndrom" zu bezeichnen hat sich nicht durchgesetzt, verdeutlicht aber die Bedeutung seiner Pionierarbeit.

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    Abb. 2.1

    Von links nach rechts: Pierre Briquet (1796–1881), Jean-Martin Charcot (1825–1893), Pierre Janet (1859–1947) und Sigmund Freud (1856–1939).

    (Abb. von Briquet aus Edelman und Walusinski 2014; mit freundlicher Genehmigung © 2014 S. Karger AG,

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