Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu: Sprüche eines Aufrechten
Von Ödön von Horváth
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Über dieses E-Book
Er tritt als Gesellschafts- und Moralkritiker auf, indem er in seinen Stücken sozialpolitische Stoffe verarbeitet, indem er sich in die Welt des "Kleinbürgers" und Ottonormalverbrauchers hineindenkt und -fühlt. Seine große Gabe ist es, die von ihm beobachteten Menschen mit ihren Alltagsproblemen und ihrer Sprache aufs Papier zu bringen – "die Welt so zu schildern, wie sie halt leider ist." Damit füllt er die Funktion des Dichters aus, die Wahrheit zu sprechen und Zustände zu entlarven, die den Menschen trostlos machen. Die schonungslosen, kritischen und pointierten Aussagen des "Klassikers der Moderne" verfehlen ihre Wirkung in ihrer Unmittelbarkeit bis heute nicht.
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Rezensionen für Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu
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Buchvorschau
Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu - Ödön von Horváth
I.
DIE GESELLSCHAFT, POLITISCHES UND SOZIALES
Das ist der Fluch speziell von uns Deutschen, daß wir uns nicht um Politik kümmern, wir sind kein politisches Volk – bei uns gibts noch massenweis Leut, die keine Ahnung haben, wer sie regiert.
(Italienische Nacht)
Aber wenn jemand wie ich die menschliche Gesellschaft beobachtet und die sozialen Umschichtungen nicht nur rein intellektuell, sondern auch gefühlsmäßig miterlebt, dann drückt sich das einem im Gesicht aus, überhaupt in der ganzen Haltung. Man wird gezeichnet.
(Geschichten aus dem Wiener Wald)
Ich finde nur, daß man sich als überlegener Mensch keiner Partei anschließen soll. Man muß auf einer höheren Zinne stehen.
(Geschichten aus dem Wiener Wald)
Ich kenne alle Parteien! Es gibt überhaupt keine Partei mehr, bei der ich noch nicht war, höchstens Splitter! Aber ich kann dir sagen, das ist alles nichts!
(Kasimir und Karoline)
Ich bin ein Mensch, der sich ganz auf das gesellschaftliche Problem konzentriert hat. Bei mir geht die Ökonomie vor der Erotik.
(Geschichten aus dem Wiener Wald)
Ich hab halt ein zu scharfes Auge. Ich seh, wie sich die Welt entwickelt, und dann denk ich mir, wenn ich nur ein paar Jahre jünger wär, dann könnt ich noch aktiv mittun an ihrer Verbesserung – aber ich bin halt verdorben. Und müd.
(Italienische Nacht)
»Das deutsche Volk einig in seinen Stämmen –« – mir, als sogenanntem Auslandsdeutschen, als von den garantiert echten Vaterländischen unter der Rubrik »Internationalist« Geführtem, mir wurd es übel, Zeuge dieser entarteten Heimatliebe zu sein.
(Erzählungen und Skizzen)
– Der schönste Tod ist ja allerdings der Tod für ein Ideal.
– Ich kenn kein Ideal, für das ich sterben möcht.
(Italienische Nacht)
Die Deutschen haben nämlich alle dicke Köpfe, natürlich nur im wahren Sinne des Wortes. Ich bin ja selbst so halb Deutscher. Was bin ich nicht halb? Alles bin ich halb! So ist das Leben!
(Der ewige Spießer)
Ich denk jetzt an meinen Abort. Siehst, früher da waren nur so erotische Sprüch an der Wand dringestanden, hernach im Krieg lauter patriotische und jetzt lauter politische – glaubs mir: so langs nicht wieder erotische werden, so lang wird das deutsche Volk nicht wieder gesunden –
(Italienische Nacht)
Man sieht die Erde unter sich und all die Menschen und den Schmutz und das Elend und wundert sich, daß die Menschen nicht mehr Frieden halten können.
(Kasimir und Karoline)
Ich hab mir das alles genau überlegt, das mit dem Staat, Krieg, Friede, diese ganze Ungerechtigkeit. Man muß dahinter kommen, es gibt da ein ganz bestimmtes Gesetz. Es ist immer dasselbe. Ein ganz bestimmter Plan, das ist klar, sonst wär ja alles sinnlos. Das ist das große Geheimnis der Welt.
(Sladek oder Die schwarze Armee)
Kultur oder nicht Kultur – Krieg ist ein Naturgesetz!
(Geschichten aus dem Wiener Wald)
Ich wäre glücklich, wenn wir ein internationales Strafgesetzbuch hätten, das die Macht besäße, den Krieg zu sühnen genau wie den Mord. Daß es trotzdem Kriege geben wird, nehme ich als unerbittliche Tatsache, aber nicht als Ausrede.
(Sladek oder Die schwarze Armee)
Daß ich aus Europa will, das hat einen sogenannten bevölkerungspolitischen Grund. Es ist nämlich zu eng hier – ich hab zum Beispiel immer das Gefühl, man muß ein Fenster aufmachen, damit frische Luft herein kann, es ist zu dumpf hier.
(Sladek oder Die schwarze Armee)
– Der Kommunismus kommt.
– Man spricht aber vom Nationalismus.
– Lächerlich! Der Kommunismus ist unausbleiblich – das sind so Schwankungen! Es ist doch unmöglich, daß die Industrie herrscht! Nicht? Einfach unmöglich! Ist doch ganz klar! Kapitalismus ist doch eine prähistorische Erscheinung!
– Aber meine Generation hat drunter zu leiden!
(Himmelwärts)
Man muß durch Marx unbedingt hindurchgegangen sein.
(Der ewige Spießer)
Am Anfang war die Tat, sagt Goethe und schrieb den Faust. Am Anfang war das Wort, sagt Wilhelm der Zweite und führte uns herrlichen Zeiten entgegen, am Anfang war, das kümmert mich nicht, sagt Lenin. Jetzt kommt die Tat oder das Wort. Ich bin, sagt Lenin. Ich lebe.
(Charlotte)
Des Grundübel, des is die kapitalistische Produktionsweise. Solang da a solche Anarchie herrscht, solang darfst wartn mit den Idealen des Menschengeschlechts.
(Revolte auf Côte 3018)
Die Leute, die da vom Untergang des Kapitalismus reden, haben recht. Ich sage das als Kapitalist. Es ist ein unmöglicher Zustand. Er hat sich überlebt. Das System ist ganz morsch.
(Szenisches)
Die Zeitungen sollen endlich aufhören, die Völker gegeneinander zu hetzen. Es hat doch gar keinen Sinn.
(Sladek oder Die schwarze Armee)
Ich versteh die Leut nicht mit ihrem Kollektivismus. Das ist doch alles anders. Der Mensch ist auf sich gestellt – auf sich allein, besonders der Deutsche. Indem, daß wir heut die Lage sehen – wie lange werden wir noch brauchen, bis wir kollektiv denken können? Ich werds ja nimmer erleben –
(Sladek oder Die schwarze Armee)
Wie kommt es, daß die Menschen, die heute nichts haben, statt sich sozialistischen Gewerkschaften anzuschließen, in die Kreise der schwarzen Reichswehr geraten?
(Theoretisches, Briefe, Verse)
Es wird auf der Welt nichts besser gehaßt und verachtet als ein redlicher Mann mit Verstand, und da gibt’s nur einen Ausweg. Du hast dich zu entscheiden: Redlichkeit oder Verstand. Bist du nur redlich, mußt du opfern, hast du nur Verstand, wird dir geopfert.
(Figaro läßt sich scheiden)
Die Gerechtigkeit ist zwar eine schöne Sache, eine