Die Medizin von heute ist der Irrtum von morgen: Scharfzüngige Gedanken zur Medizin
Von marixverlag
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Buchvorschau
Die Medizin von heute ist der Irrtum von morgen - marixverlag
Der verwundete Äneas
Römische Wandmalerei aus dem 1. Jh. n. Chr.
Die Medizin von heute
ist der Irrtum von morgen
Scharfzüngige
Gedanken zur Medizin
Ausgewählt von Florian Steger
»Ad rem! – Zur Sache!«
INHALT
Einführung
»Ärzte werden nicht durch Bücher gemacht«
Theorie und Praxis der Medizin
»Eine gute Diagnose sorgt für eine gute Heilung«
Medizinische Fachgebiete
»Ärzte sind unseres Herrgotts Menschenflicker«
Macht und Ohnmacht der Ärzte
»Gesundheit ist die erste Pflicht im Leben«
Vom Patientenleben
»Äskulapsus«
Scharfzüngiges und Heiteres zur Medizin
»Ad rem!«
Ärztelatein
Quellennachweise
EINFÜHRUNG
Mit dem Ausspruch im Buchtitel, das im Original lautet: »Die Wissenschaft von heute ist der Irrtum von morgen«, spielt Jakob Johann von Uexküll (1864–1944), Zoologe und Philosoph, auf Grenzen des ärztlichen Wissens an, die im Wechselverhältnis von Medizin und Künsten immer wieder thematisiert werden. Zu denken ist dabei an Ovid (43 v. Chr.–ca. 17 n. Chr.): »Immer gelingt es dem Arzt ja nicht, daß der Kranke genese: stärker ist oft das Weh als die gelehrteste Kunst«, an René Descartes’ (1596–1650) Ausspruch »[D]er Zweifel und die Voraussetzungslosigkeit sind die Grundlagen aller Wissenschaft«, bis zu Mephistopheles’ berühmter Rede in Johann Wolfgang von Goethes (1749–1832) Faust I:
»Der Geist der Medizin ist leicht zu fassen;
Ihr durchstudiert die groß’ und kleine Welt,
Um es am Ende gehn zu lassen,
Wie’s Gott gefällt.
Vergebens, dass ihr ringsum wissenschaftlich schweift,
Ein jeder lernt nur, was er lernen kann;
Doch der den Augenblick ergreift,
Das ist der rechte Mann.«
Die Zitate heben in nachdenklichem, aber auch zynischem Ton auf die Begrenztheit der Medizin ab und verweisen auf allzu menschliche Beweggründe, Medizin zu betreiben. Damit ist eine Kritik formuliert, dass der »Geist der Medizin« bis heute alles andere als »leicht zu fassen« ist, und die »Wissenschaft von heute« nur zu schnell zum »Irrtum von morgen« wird. Von eben dieser Komplexität, Gesundheit und Krankheit zu fassen, sollen die Zitate dieses Bandes, der auch geflügelte Worte wie beispielsweise »mens sana in corpore sano« und scharfzüngige Spitzen wie Roland Stigulinszkys (*1926) Neologismus »Äskulapsus« umfasst, einen Eindruck vermitteln.
Solche Merksätze, Aphorismen und Sprichwörter prägen die Medizin von Anfang an. Schon in den hippokratischen Schriften aus dem fünften und vierten Jahrhundert v. Chr. sind verstreut über das ganze Werk zahlreiche Aphorismen erhalten. Häufig wird sich hierbei auf konkrete Krankheiten und deren Folgen bezogen. Es gibt auch explizite Sammlungen von Aphorismen, die dem antiken Wanderarzt hilfreich waren; modern würde man vielleicht von einem Kitteltaschenbuch sprechen.
Entsprechend breit ist der Zeitraum der hier versammelten Zitate. Deren Gliederung ergibt sich aus den behandelten Themenfeldern. In Blick genommen werden unter anderem die ärztliche Heilkunst, das facettenreiche Spannungsfeld von Gesundheit und Krankheit, Freud und Leid der Patient-Arzt-Beziehung sowie die verschiedenen Fachbereiche der ärztlichen Praxis von der Chirurgie bis zur Palliativmedizin. Nicht zu vergessen ist auch die Bedeutung der Volksmedizin, in welcher ein großer Schatz an medizinischen, zum Teil durchaus vergnüglichen Alltagsregeln erhalten ist. Der Band schließt mit einem Streifzug durch die gängigen lateinischen Wendungen von den Anfängen der Medizin bis heute.
Allen, die mich bei dieser Ausgabe unterstützt haben – im Institut und im Verlag –, mein herzliches Dankeschön!
»Ärzte werden nicht durch Bücher gemacht«
THEORIE UND PRAXIS DER MEDIZIN
WISSEN UND AUSBILDUNG
Ohne Begriffe gibt es keine Wissenschaft. – Sine nominibus nulla scientia.
Verfasser ungeklärt
Der schöpft Wasser mit einem Sieb, der ohne Buch lernen will.
Scholastisches Sprichwort
Die ärztliche Kunst ist so unter ihnen [den Ägyptern] aufgeteilt: Jeder Arzt ist nur für eine einzige Krankheit zuständig, nicht für mehr. Es gibt eine Unzahl von Ärzten. Das sind Ärzte für die Augen, für den Kopf, für die Zähne, für den Unterleib und für innere Krankheiten.
Herodot (490/480–ca. 424 v. Chr.)
Die Medizin ist nämlich im wesentlichen die Wissenschaft von den Vorgängen, die der Eros im Körper zum Aufnehmen und Abgeben auslöst, und wer darin den schönen und häßlichen Eros zu unterscheiden weiß, ist der größte Mediziner.
Platon (428/427–348/347 v. Chr.)
Es gibt nicht für das Wohl aller Lebewesen zusammen nur eine einzige Wissenschaft, sondern für jedes Einzelwohl eine besondere – andernfalls müßte es auch für alles, was existiert, nur eine einzige Form von Heilkunst geben.
Aristoteles (384–322 v. Chr.)
Drei [Zuhörer oder Mitglieder] machen das Kollegium.
Marcellus (42–23 v. Chr.)
Lang ist der Weg über Belehrung, kurz und wirksam über Beispiele.
Seneca (ca. 1–65)
Die Zahl der Krankheiten ist aber in der Tat unbegrenzt.
Plinius der Ältere (23/24–79)
Wahres Wissen ist Wissen, das auf die Ursachen zurückgeht.
Francis Bacon (1561–1626)
Der Arzt braucht gleich viel Wissenschaft zum Nichtverschreiben wie zum Verschreiben, und oft besteht die Kunst gerade in Nichtanwendung der Mittel.
Baltasar Gracián y Morales (1601–1658)
Gleichwie der Medicus ein Diener und Dollmetscher der Natur ist: Also muß er mit allen seinen Gedanken und Verrichtungen sich nach derselben accomodiren; widrigen Falls wird er sie niemals zu seinem Gehorsam finden, vielweniger was fruchtbarliches ausrichten. Denn man bilde sich nur gänzlich ein, daß der Ursprung und die veritablen Ursachen der Kranckheiten weit tieffer verborgen liegen, als daß sie durch die Schärffe des menschlichen Verstandes können entdeckt werden: Wenn unser Verstand sich allbereit stumpff gearbeitet hat, so leget uns die Natur öfters neue Wichtigkeiten zu betrachten vor.
Giorgio Baglivi (1668–1707)
Das rechte Studium der Menschheit ist der Mensch.
Alexander Pope (1688–1744)
Ob Einer sich in der Wissenschaft genial erweist, wie Oken und Humboldt, oder im Krieg und der Staatsverwaltung, wie Friedrich, Peter der Große und Napoleon, oder ob Einer ein Lied macht wie Béranger, es ist Alles gleich und kommt bloß darauf an, ob der Gedanke, das Aperçu, die Tat lebendig sei und fortzuleben vermöge.
Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)
Dem Einzelnen bleibe die Freiheit, sich mit dem zu beschäftigen, was ihn anzieht, was ihm Freude macht, was ihm nützlich deucht; aber das eigentliche Studium der Menschheit ist der Mensch.
Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)
Die Wissenschaft wird dadurch sehr zurückgehalten, daß man sich abgiebt, mit dem was nicht wissenswerth, und mit dem was nicht wißbar ist.
Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)
Die Medizin ist eine Erfahrungswissenschaft, die Praxis ein fortdauerndes Experiment, mit der Menschheit angestellt. Und das Experiment ist noch nicht geschlossen.
Christoph Wilhelm Hufeland (1762–1836)
Wer die weite Reise zur Nachwelt vorhat, darf keine unnütze Bagage mitschleppen. […] Wer für alle Zeiten schreiben will, sei kurz, bündig, aufs Wesentliche beschränkt: er