Zur Not ein Butterbrot: Erzählungen
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Über dieses E-Book
Vor allem beim Vorlesen entfaltet sich die volle Kraft von Geschichten, und insbesondere die Kurzform vermag es, Zuhörende mitzureißen.
Wenn man ihn fragt, worüber er schreibt, antwortet Klaus Maria Fischer gern: Über das Schwere im Leben in einer Zeit, die das Leichte sucht.
Klaus Maria Fischer
Klaus Maria Fischer flog über zwanzig Jahre lang als Kapitän für eine Fluggesellschaft. Sein Studium von Soziologie, Philosophie und Jura führte ihn zudem in das leitende Management seiner Airline. Aus dieser Arbeitswelt schöpfte er seine Ideen für dieses Buch. Bei BoD außerdem erschienen: GEFÜGE (Roman), 2018 Zur Not ein Butterbrot (Kurzgeschichten), 2022 Mehr über Klaus Maria Fischer: www.klausmariafischer.de
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Rezensionen für Zur Not ein Butterbrot
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Buchvorschau
Zur Not ein Butterbrot - Klaus Maria Fischer
Inhalt
Verlaufen
Fuitina
Fast ein Wunder
Anfang einer Geschichte
Randy
Zur Not ein Butterbrot
Stützräder
Der Froschtümpel
Die Welt im Dorf
Der Zauberer
Der Besucher
Nachwort
Zum Autor
Verlaufen
Das Laufband ist ein seltsames Gerät. Die Menschen stellen sich darauf, um ihre Glieder in Bewegung zu bringen und dadurch die eigene Gesundheit zu befördern, ohne jemals vom Fleck zu kommen. Manche sehen das als Vorteil. Keine unerwarteten Steigungen, keine plagenden Mücken bei Hitze, keine irreführenden Weggabelungen, an denen man sich verlaufen könnte. So dachte auch Reinhold Pörtner, Seniorpartner des Unternehmens Strategisches Investment Kapital SIC, mit C, wie er gern betonte, des Angelsächsischen wegen, was sich globaler, weltoffener, ja schlicht erfolgreicher anhöre. Reinhold Pörtner begab sich seit nunmehr neun Jahren regelmäßig auf eines dieser Geräte, die weltweit in allen besseren Hotels zur Verfügung stehen; zweimal die Woche, um dadurch einen Ausgleich für jenen körperlichen Schwung zu schaffen, den seine sitzende Tätigkeit als Topmanager schmerzlich missen ließ.
Letzten Dienstag fühlte sich Reinhold Pörtner besonders gut in Form. Seine Geschäfte hatten ihn in jene Stadt geführt, in der einst der Protest gegen die eingeführte Teesteuer einen Unabhängigkeitskrieg auslöste. Am frühen Morgen, nach seiner inneren Uhr allerdings zur Mittagszeit, betrat er in Sportkleidung den Fitnessraum des Fünfsterne-Hotels, in dem er logierte, nahm sich ein bereitliegendes Handtuch und eine Flasche Wasser und stellte sich zwischen die beiden Handläufe eines Gerätes neuester Bauart. Ein großer Bildschirm mit Berührfunktion, vielfältige Darstellungs- und Kontrollmöglichkeiten, Konnektivitäts- und Vernetzungs-Schnickschnack, der Reinhold Pörtner zunächst irritierte. Doch nach erfolgreicher Bedienung einiger sensitiver Knöpfe setzte sich das Band unter ihm in Gang, und er fand Gefallen an der Vielseitigkeit der Maschine. Die Trainingseinheit begann in gemächlichem Trab und würde sich wie gewohnt langsam steigern, bis er sein Tagespensum von dreißig Minuten bei einer mittleren Geschwindigkeit erreicht hätte. So empfohlen von seinem Arzt, den er pflichtbewusst jährlich aufsuchte.
Das Treten auf der Stelle ist nicht jedermanns Sache. Manche sehen in Laufbändern die perfektionierte Weiterentwicklung des Hamsterrades. Bewegung suggeriert Fortkommen, auch in einem Käfig. Zur Vermeidung solcher negativen Assoziationen ersannen die Erbauer jenen Schnickschnack, in den sie die Bedieneinheit des modernen Apparates integrierten. So wäre während des stupiden Laufens maximale Ablenkung und Unterhaltung möglich. Neben einem Internetanschluss standen auch einige berühmte Laufstrecken als Videosequenz zur Verfügung, die den sich Abmühenden die Zeit scheinbar verkürzte. Reinhold Pörtner wählte zunächst den Weg zum Franz-Josef-Gletscher in Neuseeland, entdeckte dann jedoch die Seite mit den Statistikfunktionen und, das war das Besondere daran, die Darstellung derselben in Linien und Kreisen, ganz wie in Pörtners Verkaufsprospekten. Geschwindigkeit zehn, Steigung null, Zeit pro Kilometer sechs, Leistung hundertfünfundneunzig. So weit, so gut. Einer plötzlichen Eingebung folgend, kam der Sportler auf den Gedanken, dass sich das auch steigern ließe. Schon fünf Prozent brächten, auf die Distanz des Marathons gerechnet, zwölf Minuten. Er wählte die Geschwindigkeit zehn Komma fünf und fühlte sich dadurch sogleich seinem Unternehmen heimelig nahe. Fünf Prozent war eine Zahl für Zaghafte und Omas mit Sparstrumpf. Er blieb nie im einstelligen Bereich. Leben ist Wachstum. Und mehr Wachstum bedeutet mehr Leben. Auf diese verblüffend einfache Wahrheit konnte er alle seine Kunden einschwören, und noch während er schmunzelnd daran dachte, drückte er das Knöpfchen so lange, bis dort elf stand. Unter drei Stunden fünfzig für den Marathon, überschlug er. Eine Strecke, die er noch nie absolviert hatte. Sicherheitshalber kontrollierte er seinen Puls mithilfe der eigens dafür installierten Handsensoren der Maschine. Er war von hundertfünfunddreißig auf hundertfünfundfünfzig gestiegen. Geht doch.
Was einmal geht, geht auch zweimal, eine oft bewiesene Tatsache bei seinen Geschäften, und die erneute Steigerung um eine Einheit von elf auf zwölf sind streng genommen ja noch nicht mal mehr zehn Prozent, wohingegen das Ergebnis auf der klassischen Distanz bei nunmehr drei Stunden dreißig sich richtig sehen lassen könnte. Schon nach wenigen Minuten spürte Reinhold Pörtner ein Pochen an seinen Schläfen. Puls hundertsiebzig. Theoretisch zu viel, aber was bewies schon die Theorie? Die hatte ja auch noch keine Finanzkrise zuverlässig vorausgesagt. Zudem hatte sich der Schnürsenkel seines linken Schuhs gelöst. Ärgerlich. Er würde die Situation bereinigen wie 2008, als die Aktienkurse sich halbierten, als von Notprogrammen und Entlassungen die Rede war. Alles nicht mehr als das notwendige Übel einer längst fälligen Bereinigung, und danach, so lehrt die Erfahrung, ginge es nur umso steiler wieder bergauf. Etwas kürzertreten, sich sammeln und dann, wenn der Konkurrenz bereits die Luft ausginge, mit neuer Kraft und Vollgas an allen vorbeiziehen. Reinhold Pörtner nahm seine Geschwindigkeit auf sechs zurück, stellte sich links und rechts des Bandes auf die Brüstung der Maschine, schnürte beide Schuhe nach, trank einen Schluck Wasser, wischte sich mit dem Handtuch den Schweiß von der Stirn und stieg dann wieder ins Geschäft ein. So sehen Sieger aus. Schwitzen, ächzen, immer in Bewegung, das Ziel fest im Visier, unnachgiebig, stark. Zurück auf Geschwindigkeit zwölf.
Seit der kurzen Pause war ihm flau im Magen, das war nichts Neues angesichts der acht-