Köter-Roulette: Ein kriminalistischer Hunde-Roman der besonderen Art
Von Jonas Scotland
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Über dieses E-Book
Das Spielkasino lässt schreckliche Ereignisse vergessen, im Strudel der Roulette-Räder. Dort lernt man einen Talibanflüchtling aus Afghanistan kennen. Obwohl auch beim Roulette Rot und Schwarz dominieren, versucht man dabei nicht an Blut und Tod zu denken, sondern zu gewinnen und zu vergessen. Doch der entscheidende Fall der Kugel lässt sich genauso wenig voraussehen wie das kommende Unheil.
Alptraumhaft, dramatisch, Einblick gebend, teilweise humorvoll, 120 Seiten
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Köter-Roulette - Jonas Scotland
Köter-Roulette
Jonas Scotland
Roman
Alle Rechte liegen beim Autor
Copyright © 2001 by Jonas Scotland
published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
ISBN 978-3-8442-3656-9
Inhalt
1. Die Spielregeln stehen fest
2. Angst und Erniedrigung
3. „Baby"
4. Eine exotische Bekanntschaft
5. Die liebe Verwandtschaft
6. „Feine" Gesellschaft
7. Zweitausend, mein Junge
8. Der große Tag
9. Verkehrte Welt
10. Nichts geht mehr
11. Enttäuschungen
1. Die Spielregeln stehen fest
Stefan Schmidt hat eine unglückliche Kindheit hinter sich: Sein Vater ist - obgleich gebildet - ein unausstehlich egoistischer Mensch, der oft mit seinen Arbeitskollegen in Streit geriet. Deshalb wechselte er öfters Stellung und Wohnort, was ihm eigentlich ganz gut gefiel. Aber seinem Sohn Stefan nicht! Herr Schmidt zwang seine Familie alle ein, zwei Jahre zum Umzug in eine fremde Stadt. Zwischendurch war er häufig arbeitslos und prügelte zu Hause den Jungen: Stefan. Auch in der Schule wurde »der Neue« - wie sie ihn nannten -, der schüchterne Klassenkamerad von den anderen gequält. So fühlte sich die Hauptperson unserer Geschichte immer als der große Verlierer im Leben.
Aber jetzt ist Stefan erwachsen, erwachsen und damit frei. Er hat einen großen Traum: Er möchte ins Spielkasino und Roulette spielen, um viel Geld zu gewinnen. Da er sich alleine nicht traut, bittet er seine verständnisvolle Mutter, ihn dorthin zu begleiten.
Als es so weit ist, betritt er aufgeregt den Spielsaal. Sechs Roulette-Tische befinden sich darin. Hoch oben an der Decke hängen Kronleuchter, zusätzlich über jedem Tisch goldglänzende, von grünseidenen Fransen verzierte Lampenschirme. An den Wänden Ölgemälde, unter anderem das winterliche Motiv eines Burgschlosses aus einem vergangenen Jahrhundert sowie die ebenfalls nostalgische Darstellung einer Fuchsjagd. Mit rötlich gemustertem Teppich ist der Fußboden ausgelegt. Eine Lautsprecher-Durchsage ist zu hören. Sie beginnt mit einem Gong, dann: »Sehr geehrte Damen und Herren, in Saal Zwei wird der zweite Black-Jack-Tisch eröffnet. Bitte reservieren Sie Ihre Plätze. Mesdames et Messieurs, ...« Der Aufruf wird in mehreren Sprachen wiederholt.
Um nicht aufzufallen, trägt Stefan einen Anzug, welcher eigens für diesen Zweck angeschafft wurde sowie die vorschriftsmäßige Krawatte. Über den Spieltischen prangt jeweils ein schwarzes in Messing gerahmtes Schild, das die Einsatzhöhe mit goldfarbenen Buchstaben begrenzt:
Frau Schmidt fragt ihren Sohn: »Na, wie viel wollen wir denn eintauschen? Und was für Chips, Fünfer oder Zehner?«
»Also, Zehner müssen es schon sein, damit wir auch an jedem Tisch spielen können.«
»Gut. Dann tausche ich mal fünfzig Mark um.«
Nachdem Stefan zum ersten Mal in seinem Leben Jetons in die Hand bekommen hat, erfasst ihn ein euphorisches Gefühl beim Anblick des lilaglänzenden Plastiks. Aber wo soll er auf was setzen? Anzeigetafeln stehen leuchtend neben den Spieltischen. Darauf sind die letzten zwanzig Gewinnzahlen zu sehen. Stefan überlegt einen Moment, was jetzt kommen könnte. Schließlich legt er auf Schwarz.
»Rien ne va plus!«, ruft der Croupier. Im gleichen Moment fliegt die Elfenbeinkugel in den hölzernen Kessel und rollt und rollt. »Nichts geht mehr!«, wiederholt der Angestellte nun auf Deutsch. Stefan wundert sich, weil einige Leute jetzt immer noch setzen, obwohl sie doch nicht mehr dürfen.
Erst, als die Kugel nicht mehr die äußere Bahn entlangzieht, sondern Kurs auf das rotierende Zahlenrad nimmt, werden die noch kommenden Spätsetzer energischer zurückgewiesen: »Meine Herrschaften, nichts mehr!«
Trotzdem laufen immer noch hastig Gäste an, um ihr Plastikgeld auf einen bestimmten Teil der grünen Filzdecke zu schmeißen. Gerade so, als ginge es um Leben und Tod. Einige von der Tischmannschaft halten jene nun mit ausgebreiteten Armen lautstark zurück: »Halt! Aus!«
Schon fällt klickend das weiße Bällchen in eine der siebenunddreißig Vertiefungen. Stefan will sehen, welche Zahl getroffen wurde, kann es aber in dem Gedränge nicht.
»Zwei, Schwarz, Pair, Manque!«, verkündet der Croupier.
Stefan ist froh, weil er gewonnen hat. Durch diese Bestätigung mutig geworden, setzt er beim nächsten Spiel gleich zwei Stücke. Doch die Hoffnung war trügerisch: er verliert.
Um den Verlust auf einen Schlag mit Gewinn wieder reinzuholen, setzt er abermals zwanzig Mark. Die Mutter kritisiert ihn: »Sei doch nicht so leichtsinnig.«
»Wer nicht wagt, der nicht gewinnt«, entgegnet er voller Zuversicht. Aber auch diesmal hat er kein Glück.
Nun gibt es einen Zwischenfall, wie er öfters in Spielkasinos zu beobachten ist:
Viele Leute hatten auf Rot gesetzt. Nach der Gewinnauszahlung sind etwa zwanzig verschiedene Stapel mit kleineren und größeren Jetons zu sehen. Die echten Gewinner sowie Betrüger, welche sich als solche ausgeben, drängeln sich und ihre Hände greifen zu. Nachdem bereits das meiste weggenommen wurde, tritt ein Spieler heran, guckt verwundert und fragt den Croupier: »Wo sind meine Hundert?« Als er keine Antwort erhält, wird er etwas lauter: »Ich hatte hier fünfzig Mark gesetzt. Wo sind die?«
Einer der Angestellten teilt mit: »Die Gäste sind selbst für ihre Einsätze verantwortlich. Sie müssen aufpassen.«
»Aber ... das gibt es doch nicht!«, empört sich der Mann. »Ich habe doch hier gesetzt. Haben Sie das denn nicht gesehen?!«
»Bei den einfachen Chancen, da achten wir grundsätzlich nicht drauf«, erklärt ein anderer der Tischmannschaft.
»Also, das ist ja ...! Dann kann ich mir ja auch einfach mal von anderen was wegnehmen!«
»Das will ich überhört haben, mein Herr.«
Wütend verlässt der bestohlene Gast die Szene.
Stefan geht nervös auf und ab, während er die Anzeigetafeln betrachtet. Da bemerkt er bei einem Tisch eine Regelmäßigkeit: viermal Schwarz, zweimal Rot, viermal Schwarz, zweimal Rot. Wenn das Muster so weitergeht, dann müsste jetzt also viermal Schwarz kommen. Aber es könnte ja auch gerade nun anders sein. Vorsichtshalber wartet er erst einmal ab. Und tatsächlich fällt wieder zum ersten Mal Schwarz. Dadurch fühlt er sich sicherer und setzt seine letzten zwei Jetons auf die Farbe.
Während die Kugel rollt, sieht Stefan, wie seine Mutter lächelnd den Kopf über seinen Wagemut schüttelt.
»Einunddreißig, Schwarz, Impair, Passe!«, verkündet der Croupier die freudige Botschaft. Jetzt hat unser junger Spieler vierzig Mark auf dem Tableau. Weil noch zweimal Schwarz kommen müsste, lässt er sie drauf. Gespannt wartet man.
Und er behält Recht. Wieder verdoppelt der Angestellte den Einsatz.
Frau Schmidt sagt zu ihrem Sohn: »Da hast du aber Schwein gehabt.« Als sie sieht, dass er die acht Chips wieder auf die Farbe legt, warnt sie ihn: »Nein, nicht nochmal alles setzen!«
»Lass mich. Ich weiß, dass Schwarz kommt«, antwortet er zuversichtlich.
Es fällt die: »Zwölf, Rot, Pair, Manque!«
Der Verlierer sieht betroffen, wie man seinen Stapel mit dem Schieber wegharkt. Er geht mit seiner Mutter in eine ruhige Ecke des Saales und flüstert zu ihr: »Verdammte Scheiße!«
»Du musst auch immer alles übertreiben«, entgegnet Frau Schmidt.
»Ach, du verstehst das nicht. Hast du denn nicht die Anzeigetafel gesehen? Es sah doch so aus, als wenn jetzt Schwarz kommt.«
»Du kannst doch nie wissen, was kommt.«
»Ja, nicht hundertprozentig. Aber höchstwahrscheinlich.«
»Pass auf, dass du nicht spielsüchtig wirst«, meint sie lächelnd zu ihrem Sohn.
Stefan geht nun an die Kasse und wechselt die nächsten fünfzig Mark ein. Anschließend beobachtet er nachdenklich die Zahlenfolgen. Eine Weile fällt ihm nichts Besonderes auf.
Doch schließlich registriert er verblüfft, dass an der Anzeigetafel des mittleren Tisches von zwanzig Zahlen, nur drei ungerade sind. Er staunt: Siebzehnmal Pair!
Stefan legt ein Stück auf Pair und wartet gespannt.
Aber es kommt die Fünf. Traurig stöhnt er, folgert jedoch: Wenn die ganze Zeit nur Gerade kam, und ausgerechnet jetzt kam Ungerade, dann kommt jetzt auf jeden Fall wieder Gerade. Er legt gleich drei Stücke übereinander.
Als die Kugel im Roulette-Kessel klirrt, fürchtet Stefan, dass es abermals schiefgeht. Sein Herzschlag beschleunigt sich.
»Sechzehn, Rot, Pair, Manque!«, ruft der Croupier das Ergebnis routinemäßig aus.
Stefan atmet auf. Darauf riskiert er gleich noch mal dreißig Mark auf Pair.
»Achtundzwanzig, Schwarz, Pair, Passe!« -
Erfolgreich geworden, legt er jedes Mal erneut drei Jetons hin. Und wieder und wieder.
Als er schon so viel zusammen hat, dass es in seiner Jackentasche eng wird, stellt er gleich fünf Stück auf Pair. Ausgerechnet nun verliert er.
Zum Ausgleich sofort noch einmal die gleiche Summe, wird beschlossen. Doch abermals bleibt ihm das Glück versagt. Ein wenig traurig verlässt er mit Frau Schmidt den Tisch.
»Mach mal Schluss für heute. Das reicht. Wie viel hast du denn?«, will sie wissen.
»Weiß nicht. Muss erst mal zählen.«
In einem abgelegenen Teil des Raumes kramt er seine Tasche leer und beginnt zu rechnen. »Dreihundertundvierzig«, stellt er freudestrahlend fest.
»Was! Na, das hat sich ja gelohnt.«
Zufrieden fährt man nach Hause.
2. Angst und Erniedrigung
Stefan hat Angst, Angst vor vielen Dingen, aber vor allem vor Hunden.
Als er im Kleinkindalter von seinem Vater gefragt wurde, ob ihm nicht bange in Gegenwart von großen Hunden wäre, da so ein Tier doch so groß sei und er dagegen viel kleiner, und ob er nicht fürchten würde, von ihnen gebissen zu werden, da wurde ihm zum ersten Mal jene Gefahr bewusst.
Später dann hatte er Lassie
im Fernsehen gesehen. Auch erzählte ihm seine Mutter, dass die meisten Hunde friedlich seien und nichts tun würden. Sein Großvater gab ihm den gut gemeinten Rat, einfach »Pfui!« zu sagen, wenn ein Kläffer ihm zu nahe kommt. Doch natürlich hatte er bald merken müssen, dass es nicht viel half.
Stefan hatte ein besonders beeindruckendes Erlebnis:
Im Alter von neun Jahren hielt er sich in den Ferien zu Besuch bei seiner Großmutter auf. Dort kam auch öfters eine Nachbarin mit ihrem bunten Mischling. Dieser war nicht groß. Stefan, der sich trotzdem am Anfang ängstlich zurückzog, verlor bald seine Scheu und freundete sich mit dem zierlichen Vierbeiner an. Einige Tage währte die Freundschaft. Er führte das Tier spazieren, ebenso zuversichtlich wie stolz, seine Angst besiegt zu haben. Doch das Vertrauen, welches er gesetzt hatte, wurde