Nachtschatten: Anthologie vom Haus des Schreibens 2016
Von Lea Wintterlin, Alex Breugl, Liena Berin und
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Über dieses E-Book
Die Autorinnen und Autoren vom Haus des Schreibens haben ihre besten Kurzgeschichten hier versammelt, die in einem Jahr Autorenausbildung entstanden sind.
haus-des-schreibens.de
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Buchvorschau
Nachtschatten - Lea Wintterlin
Nachtschatten
Impressum
Vorwort
Alex Breugl
Lea Wintterlin
Liena Berin
Ulrich W. Möbius
Marion Wünderich
Vera Lynn Fox
Impressum
© 2016 Texte: bei den Autoren
Umschlaggestaltung: Julia Brügel
http://www.julia-bruegel.com/
Umschlagfoto: Ulrich W. Möbius
Verlag: Haus des Schreibens /
Julia Powalla, Schönleinstr. 15, 10967 Berlin
www.haus-des-schreibens.de
post@haus-des-schreibens.de
Druck: epubli ein Service der
neopubli GmbH, Berlin
Printed in Germany
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ü ber http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Inhalt
Vorwort 6
Alex Breugl░Lennox 8
Lea Wintterlin░Turtle25
Liena Berin░Schatten im Ballhaus 40
Ulrich W. Möbius░Saudade 60
Marion Wünderich░Nachtschattengewächse 71
Vera Lynn Fox░Happy Birthday, Engelchen 93
Die Autoren110
Vorwort
Eine der schönsten Metaphern der künstlerischen Eingebung ist für mich Franz Kafkas Miniatur Der plötzliche Spaziergang. Darin wird eine wohlige Abendstimmung aufgebaut. Die ganze Familie ist darauf eingestellt, zu Bett zu gehen. Und doch zieht die Hauptfigur in plötzlichem Sinneswandel die Straßenkleider wieder an, um spät nachts noch hinauszuschlüpfen. Ohne eindeutiges Ziel.
In ähnlicher Weise haben sich die Autoren aus dem Haus des Schreibens aufgemacht, um sich auf das Unbekannte und oft auch Unvorhersehbare einzulassen.
Sie schöpften Figuren und verstießen sie wieder. Sie steigerten die Dramatik und nahmen sie wieder zurück. Die Autoren wurden nicht müde, sich immer wieder auf die Suche zu begeben nach dem, was im Dunkeln verborgen liegt.
Was sie dabei gefunden haben – und was sonst noch unterwegs passierte – ist in dieser Anthologie versammelt.
Eins sei versprochen: Die Nacht senkt sich in jeder Geschichte – doch die Schatten, die durch die Nacht schlendern, tanzen und irren, haben ganz unterschiedliche Konturen und Abgründe.
Julia Powalla
Leiterin vom Haus des Schreibens
Alex Breugl
Lennox
Manchmal ufert es eben aus.
Manchmal – ich kann nicht behaupten oft – wird aus einer einfachen Begegnung eine ausufernde Geschichte.
Bei Lennox und mir hat diese Begegnung vor mehr als zehn Jahren stattgefunden. Ich war damals zum ersten Mal im Ausland, genaugenommen in Genua, f ü r ein Jahr zum Studieren. Ich wohnte in einer WG mit einem dicklichen Amerikaner, einem hageren Franzosen mit Ü berbiss und einer Portugiesin und hatte anfangs noch einen Freund in Deutschland. Nach acht Monaten merkte ich, dass er mir nicht fehlen w ü rde und wir beendeten die Sache am Telefon.
Ich hing ein-zwei Tage in meinem Zimmer rum und h ä kelte gerade an einem Bikini, als meine beiden m ä nnlichen Mitbewohner vorschlugen, ein-zwei Gl ä ser Wein trinken zu gehen. Vielleicht dachte ich, mit M ä nnern Wein trinken zu gehen w ä re notwendig, um meinen Ex-Freund zu vergessen. Es h ä tte mir auch komisch vorkommen k ö nnen, dass sie mich in eine Bar schleppten, in der man den Wein nicht gl ä ser- sondern flaschenweise bekam. Nachdem die zweite Flasche leer war, bestellte der Dickliche ohne zu fragen noch eine.
» Uihlalaa – deine gro ß Liebe – wird also nisch mehr zu Besuch kommen? « , sagte der Hagere und sein Akzent war noch st ä rker als sonst.
» Nein « , ich leerte mein Glas, » aus und vorbei. «
Der Dickliche schenkte nach.
» Povera Pia, now she is all alone. «
» Das Letzte, was ich jetzt brauche, « sagte ich und lie ß meinen Blick durch die Bar schweifen, » ist ein Mann. «
Der Dickliche legte seinen Arm um meine Schultern und prostete mir zu, w ä hrend der Hagere mich ununterbrochen angrinste.
» Wirklich « , wiederholte ich, » ich will nichts von M ä nnern wissen. «
In eben jenem Moment nahm ich einen Lockenkopf wahr, der alle anderen in der Bar ü berragte. Sein Gesicht drehte sich zu mir und ich schaute nicht schnell genug weg.
Der Dickliche: » Keine M ä nner? «
Ich sch ü ttelte den Kopf und fixierte die Locken.
» Gelegentlisch Austausch von K ö rperfl ü ssig- keiten « , der Hagere schob seinen Ü berbiss an mein Ohr, » ist erwiesenerma ß en zutr ä glich f ü r das Wohlbefinden. «
» Sex ist nur gut, wenn beide es wollen « , sagte ich.
» Oh – aber Sex ist so ein h ä sslisches Wort – amore! – , wir sollten besser amore machen. «
» Wenn da aber keine amore ist « , ich schaute zu dem Lockenkopf.
» Auf Englisch es ist always making love « , der Ami.
» Ja, wenn da aber keine love is for making « , ich hielt mein Glas fester, » einfach keine Lust, ich meine, wenn einer wirklich keine Lust hat – «
» Ouihhlaa, die Lust ist wie der Appetit – kommt mit dem Essen. «
Wir tranken.
Ich, entschieden: » Dann ist es Liebe aus Mitleid. «
» Pity sex! « , der Dickliche schenkte nach.
» Also ich h ä tte lieber keinen Sex als pity sex « , sagte ich.
» Abeeer: pity sex kling so h ä sslisch « , der Ü berbiss wieder, » es ist doch keine pity, wenn man sisch ein bisschen lieblisch macht. «
Ich musste st ä ndig zu dem Lockenkopf schauen, er hatte sich mit anderen ins Gespr ä ch vertieft, ich bestand daher umso heftiger darauf, dass hier kein sex und schon gar keine pity stattzufinden haben sollte.
» Ich bestell uns noch was « , bestimmte der Ami.
Da blickte der Lockenkopf mich an und dieses Mal waren wir beide zu langsam im Wegschauen. Mein Handy klingelte, ich fuchtelte damit