Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Mut zum Glücklichsein
Mut zum Glücklichsein
Mut zum Glücklichsein
eBook230 Seiten3 Stunden

Mut zum Glücklichsein

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Fimi, beruflich erfolgreiche Lehrerin, und Nelson, der einen Leuchtturm besitzt und sein Geld als Taxifahrer verdient, lernen sich im Urlaub kennen und scheinen wie füreinander gemacht: Sie haben eine fast zu stark ausgebildete Empfindsamkeit für ihre Mitmenschen gemeinsam, die sie immer wieder von der Erfüllung ihrer eigenen Wünsche abbringt. Zum Glück gibt es auch Verwandte und Freunde, die es gut mit ihnen meinen und ihnen bei der Besinnung auf sich selbst unter die Arme greifen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum11. März 2020
ISBN9783750227033
Mut zum Glücklichsein

Ähnlich wie Mut zum Glücklichsein

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Mut zum Glücklichsein

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Mut zum Glücklichsein - Karen Wright

    Mut zum Glücklichsein

    Inhaltsverzeichnis

    1. Kapitel

    2. Kapitel

    3. Kapitel

    4. Kapitel

    5. Kapitel

    6. Kapitel

    7. Kapitel

    8. Kapitel

    9. Kapitel

    10. Kapitel

    11. Kapitel

    12. Kapitel

    13. Kapitel

    14. Kapitel

    15. Kapitel

    16. Kapitel

    17. Kapitel

    18. Kapitel

    19. Kapitel

    20. Kapitel

    21. Kapitel

    22. Kapitel

    23. Kapitel

    24. Kapitel

    25. Kapitel

    26. Kapitel

    27. Kapitel

    28. Kapitel

    29. Kapitel

    30. Kapitel

    31. Kapitel

    1. Kapitel

    Tamara saß in der S-Bahn. Hoffentlich war Fimi noch auf. Vom Handy aus bei ihrer Schwester anrufen wollte Tamara nicht. Denn dann wäre sie nur in Versuchung gewesen, die wer weiß wie vielen Nachrichten von Horst zu lesen. Und dazu war sie nicht in der Lage. Nur ein paar Geldscheine in der Hosentasche, war sie aufgebrochen. Ihre Schwester würde ihr alles leihen, was sie brauchte. Bei Fimi würde sie bleiben können, solange es sein musste.

    Sie genoss die lange Umarmung, die bedingungslose Zuneigung ihrer jüngeren Schwester.

    „Lass uns was trinken, und dann muss ich ins Bett zurück", schlug Fimi vor.

    Trotz aller Wiedersehensfreude fiel sie um vor Müdigkeit. Englischlehrerin in einem der wenigen noch übriggebliebenen Mädchengymnasien zu sein, war harte Arbeit geworden. Lethargische bis apathische Teenager zu motivieren und endlose Formulare darüber auszufüllen und sich bei überarbeiteten Vätern und Müttern an Elternabenden für die schlechten Noten ihrer verzogenen Gören rechtfertigen zu müssen, stellten eine große Herausforderung an Fimis Lebensfreude dar. Sie hatte gemerkt, dass viel Schlaf ihr sehr dabei half, sie zu bewahren.

    Mit weit aufgerissenen Augen wollte Tamara ihr ihr Herz ausschütten. Um ihre Energie und Intensität hatte Fimi sie oft beneidet. Ein paar Mal hatte sie versucht, so wie Tamara zu sein. Aber sie hatte es höchstens zwei Tage durchgehalten. Danach hatte sich jedesmal ihr ruhige, besonnene Art wieder durchgesetzt. Tamara aber stand Tag für Tag unter Strom.

    So gerne Fimi sich von Wirbelwind Tamara anstecken und mitreißen ließ, so anstrengend fand sie es auch.

    „Ich ersticke! Tamara schwang sich auf den Barhocker. „Er liest mir jeden Wunsch von den Augen ab. Ich mache die abwegigsten Vorschläge, spiele die Prinzessin auf der Erbse, und er ist sofort dabei. Ich krieg‘ einfach keine Luft mehr. Verstehst du das?

    „Hmmm", machte Fimi und stellte zwei Tassen Heiße Schokolade auf die Küchenbar.

    „Manchmal verstehe ich es ja selbst nicht, stellte Tamara fest. „Du hast recht: Sogar im 21. Jahrhundert würden sich einige von uns Frauen die Finger nach so einem Mann lecken.

    „Komische Vorstellung, wunderte sich Fimi. „Soll ich das gesagt haben?

    Aber es stimmte. Sie hätte gegen Horst nichts einzuwenden. Im Gegenteil. Nur ihre Loyalität Tamara gegenüber hielt sie nach wie vor davon ab, sich in ihn zu verlieben. Sie war froh, sich soweit unter Kontrolle zu haben. Männer, die gebunden waren, kamen für sie von vorneherein nicht in Frage, der Partner ihrer Schwester schon gleich gar nicht.

    Dabei wäre das sowieso eine einseitige Angelegenheit. Die Typen, die Tamara anzog, hatten für niemand anderen mehr Augen. Sie waren hoffnungslose Fälle. Fimi fragte sich nur, wie ihre Schwester es anstellte.

    Sie würde einfach geduldig warten, bis ihr das Schicksal einen ungebundenen Mann über den Weg schickte, der ihre Gefühle erwidern würde und könnte.

    „Dabei habe ich permanent ein schlechtes Gewissen."

    So sehr Fimi ihre Schwester liebte, nicht zuletzt für ihre Aufrichtigkeit, mit der sie undiplomatisch, wie sie war, schon etliche Freunde und Verwandte vor den Kopf gestoßen hatte, einen schuldbewussten Eindruck machte Tamara nicht auf sie.

    Wie alle Menschen steckte sie voller Widersprüche. In diesem Moment kam sie Fimi vor, wie eine ihrer Schülerinnen, ein enfant terrible, das sich unmöglich benahm, Ärger und Anstoß erregen wollte, seine Umwelt reizen und provozieren wollte, bis ihm endlich jemand eine Grenze setzte. ‚Wie sehr sich das nach konservativer, angestaubter Pädagogik anhörte!‘, ertappte sich Fimi. Trotzdem lief es so oft darauf hinaus, auch hier bei ihrer Schwester.

    Tamara war nur äußerlich eine inzwischen 31-jährige, reife Frau. Bei all den unerklärlichen Impulsen, die an ihrer Seele zerrten und ihre Launen bestimmten, kam sie innerlich gerade mal auf das Alter einer frisch in die Pubertät eingetretenen 13-Jährigen.

    „Glaubst du mir etwa nicht?"

    „Doch, klar."

    Auch Tamaras Empfindlichkeit passte in dieses Bild. So offen sie immer ohne Rücksicht ihre Meinungen äußerte, so vorsichtig musste ihre Umgebung mit ihr umgehen.

    Fimi gab sich Mühe, weder zu heucheln, noch einen Ausbruch bei Tamara herbeizuführen; die sah so zerbrechlich aus auf einmal.

    „Nur  macht man es sich zu leicht, wenn man mit einem schlechten Gewissen eine sofortige Absolution erteilt bekommen möchte, tastete Fimi sich behutsam vorwärts. „Es gäbe ja immer die Möglichkeit, sich anders zu verhalten, um Schuldgefühlen vorzubeugen.

    Tamara runzelte die Stirn.

    „Das ist mir glatt zu hoch für heute abend, meine Kleine. Seufzend verschränkte sie die Hände hinter dem Kopf. „Lass uns die Schlafcouch beziehen. Ich bin ausgelaugt.

    Erleichtert holte Fimi ihr Bettzeug und drückte ihre unberechenbare große Schwester, die es fertigbrachte, dass ihre Mitmenschen, die sie permanent in Atem hielt, sie trotzdem aufrichtig liebten.

    Früher hatte es Fimi jedes Mal auf die Palme gebracht, von Tamara ‚meine Kleine‘ genannt zu werden. Inzwischen hatte sie begriffen, dass diese Anrede für Tamara wichtig war: So konnte sie Fimi als Konkurrentin im Zaum halten, ihre Zuneigung und gleichzeitig ihre Ambivalenz zum Ausdruck bringen. Im Grunde schmeichelte Fimi die Bezeichnung, vor allem, weil sie sich nie als ernstzunehmende Rivalin für ihre allen Raum einnehmende Schwester gesehen hatte.

    Manchmal tat es auch einfach gut, einen anderen Menschen in der Wohnung zu haben, mit dem man sich bei allen Schwierigkeiten vertraut und nah fühlte.

    Wie lange Tamara wohl dieses Mal bleiben würde?

    Als sie schon fast eingeschlafen war, klopfte es an ihrer Tür. Tamara steckte den Kopf herein.

    „Wann fangen bei euch eigentlich die Ferien an? Hätte die Frage nicht Zeit gehabt bis zum nächsten Morgen? „Ich habe da nämlich so eine Idee.

    2. Kapitel

    „Du und ich und Horst und Mutter für vier Wochen in diesem Leuchtturm!" Tamara strahlte glücklich, wie sie es als kleines Mädchen so oft getan hatte.

    Sie wusste, dass sie Fimi sofort für ihren Plan gewonnen hatte. Das wäre genau die Sorte Urlaub, die ihre Schwester ansprach. Ruhe und Einsamkeit waren allerdings das letzte, worauf Tamara jemals aus war. Aber beim Zähneputzen letzte Nacht hatte sie unverhofft das nicht mehr zu unterdrückende Bedürfnis überfallen, die drei Menschen, die ihr am wichtigsten waren, um sich zu haben, so schwer erträglich sie sie aus den unterschiedlichsten Gründen auch fand.

    Während Fimi beim Unterrichten war, hatte sie ‚Romantische und gleichzeitig entspannende Ferienziele‘ an deren Computer nachgeschaut.

    „Horst und Mutter in einem Leuchtturm?" Fimi musste sich eingestehen, dass sie stürmische Begrüßungen nach einem aufreibenden Arbeitstag nicht mehr gewöhnt war. Wenn sie im Klassenzimmer und auf einer Konferenz, die sich bis in den frühen Abend zog, ihr Äußerstes gegeben hatte, brauchte sie ihre vier Wände erstmal für sich.

    Sie ließ die Tasche fallen und ging in die Küche. Tamara hatte abgewaschen, ein untrügliches Zeichen dafür, wie ernst es ihr mit ihrem Vorschlag war.

    Fimi konnte sich nur eine plausible Erklärung dafür vorstellen, warum ihre Schwester ihren Partner mit seiner Schwiegermutter unter einem Dach unterbringen wollte.

    Gerührt nahm sie sie in den Arm, verkniff es sich aber, ihren Verdacht laut zu äußern. Womöglich war es Tamara noch gar nicht bewusst.

    „Hunger?"

    Fimis Magen knurrte zur Antwort unüberhörbar.

    „Ich habe schon zwei Pizzen bestellt. Lass mich nur noch schnell einen Salat dazu machen."

    Fimi hatte nichts dagegen. Normalerweise zwang sie sich, ihr Abendessen zu kochen, egal, wie fertig sie war. Aber warum sollte sie sich nicht mal ein bisschen verwöhnen lassen? Und wie lange hatte sie schon keine Calzone mehr auf den Teller gekriegt?

    „Horst und Mama waren sofort einverstanden", eröffnete Tamara.

    Vollendete Tatsachen also? Wenn Fimi nicht mitmachen würde, wäre sie die Spielverderberin, und sie wurde mal wieder als letzte gefragt oder vielmehr informiert.

    Das rief unangenehme Reminiszenzen in ihr wach, die dort lange verschüttet geruht hatten. Es stimmte schon: Familienkonstellationen und -verhaltensmuster lagen für die Ewigkeit fest. Egal, wie selbständig man sich sonst sogar noch als Erwachsene fühlte, sobald Familienmitglieder auftauchten, war alles beim alten.

    Unzählige Male hatte Fimi sich vorgenommen, seit sie von zu Hause ausgezogen war, ihre Rolle als kleine Schwester und jüngste Tochter abzulegen, auf die Stichworte, die sie in die gewohnten Muster zurückrufen konnten, einfach nicht anzuspringen.

    Dani, ihre älteste Schwester, hatte sich nach Neuseeland entzogen und ließ sich nur alle fünf Jahre mal blicken. Soweit weg zu sein, war sicher auch nicht immer so leicht.

    Fimi hatte sich das Phänomen so erklärt, dass die Distanz fehlte zwischen ihrer Mutter, Tamara und ihr selbst, die Distanz, die sie brauchte und die sie sich verschaffen konnte, indem sie über den Dingen stand. Ihr fiel gar nicht ein, deswegen ans andere Ende der Welt zu fliehen.

    Doch diese Einstellung musste sie sich bewahren, wenn sie sich vor den emotionalen Achterbahnfahrten schützen wollte, in die ihre Mutter und Tamara sie unermüdlich einzubeziehen versuchten.

    Fimi kaute und ließ sich die Pizza schmecken.

    „Na?" Der erwartungsvolle Blick von gegenüber verriet, dass Tamara nur einhellige Begeisterung und Zustimmung als Antwort gelten lassen würde.

    Das Foto des Leuchtturms auf dem Monitor würde jedem ‚Urlaubsreif‘-Kandidaten einen spontanen Jubelschrei entlocken. Warum zögerte Fimi?

    „Du und ich, das könnte ich mir durch den Kopf gehen lassen. Fimis Vorsicht ließ Tamara nachdenklich werden. „Du und ich und Mutter? Das könnte funktionieren. Aber Horst und unsere Mutter haben sich bei unseren letzten gemeinsamen Ferien fast zerfleischt, erinnerte Fimi. „Wie hast du es nur geschafft, dass die beiden bereit sind, sich zu versöhnen?"

    „Ach, das. Tamara machte eine wegwerfende Handbewegung. „Das haben die zwei doch längst vergessen.

    Leise ließ sie ihr Glas Rotwein an Fimis tippen.

    „Komm schon. Enttäusch mich nicht. Du musst mit. Ohne dich halte ich es nicht aus."

    Tamara kannte sie wirklich zu gut. Ein Lächeln stahl sich auf Fimis Lippen. Natürlich würde das ganze ein Riesenspaß werden. Sie verstand sich ja schließlich mit allen, und wenn die anderen drei sich zerstritten, war das nicht ihre Verantwortung.

    „Auf einen wunderbaren Urlaub!", stieß sie mit Tamara an.

    Obwohl sie gern allein lebte, beneidete sie ihre Schwester insgeheim manchmal um ihren Horst. Was der alles über sich ergehen ließ, mitmachte und verzieh, war für Fimi kaum nachvollziehbar. Dabei würde es ihr nie und nimmer vorschweben, die Geduld und die Liebe ihres Freundes, wenn sie einen hätte, auf so schwere Proben zu stellen.

    „Und wenn Horst dir irgendwelche Wünsche erfüllen will?", fiel es Fimi ein.

    Ob Tamara in der Stimmung war, in der man sie ein bisschen aufziehen konnte?

    „Ich meine, wenn du ersticken würdest oder es einfach nur wieder satt hättest, dass er dir jeden Wunsch von den Augen abliest, dann schick ihn ruhig zu mir."

    Tamara machte ein ernstes Gesicht, lehnte sich über den Tisch und legte ihre Stirn an Fimis. „Meine Kleine, du hast keine Ahnung, wie sehr ich ihn brauche, oder? Aber keine Sorge, für dich finden wir auch noch jemanden."

    Ungerührt steckte Fimi sich die letzte Olive aus der Salatschüssel in den Mund.

    „Ich sehe schon, das werden abwechslungsreiche Wochen werden. Bleibst du bis dahin bei mir?"

    Es klappte: Tamaras Fürsorge war schon oft zu tief in ihre Privatsphäre eingedrungen. Gerade eben war es Fimi wenigstens schon dieses eine Mal gelungen, emotional die Bremse anzuziehen, Tamaras Aufdringlichkeit locker zu nehmen und gelassen zu bleiben.

    „So leid es mir tut, werde ich meine Zelte hier morgen früh abbrechen und mit Horst schon vorausfahren, alles vorbereiten und uns das schönste Zimmer aussuchen." Tamaras Beziehungskrise hatten die beiden dann wohl überwunden. Manchmal wirkte eine kurze Trennung eben Wunder.

    Das hieß, bis jetzt hatten sie sich noch jedesmal wieder zusammengerauft, wenn Tamara Hals über Kopf das Weite gesucht hatte. Nur meistens hatte sie sich bis zur Versöhnung mehr Zeit gelassen.

    „Mama habe ich die Informationen für Anfahrt und Reiseziel geschickt, und du hast ja alles auf deinem Computer."

    „Jippii!", riefen beide plötzlich gleichzeitig und lachten sich an.

    Es ging doch nichts über ein Mindestmaß an Vorfreude und überhaupt an Lebenslust.

    3. Kapitel

    „Fimi, mein Schatz! Wie schön!"

    Isabelle küsste ihre Tochter auf beide Wangen, drückte sie an sich, ging auf das Badezimmer zu und ließ die Wohnungstür offen stehen. Zwei Koffer, von denen es Fimi ein Rätsel war, wie ihre Mutter sie bis hierher transportiert hatte, waren mit vereinten Kräften durch den Flur ins Wohnzimmer zu schleifen.

    „Ich freue mich so", übertönte Isabelle die Klospülung.

    Strahlend begrüßte sie Fimi noch einmal.

    „Wo ist meine Handtasche?"

    Fimi hielt sie ihr hin.

    „Ah!, machte Isabelle erleichtert und zog Zugfahrkarten heraus. „Ich habe auch Plätze im Schlafwagen gebucht. Du brauchst dich um nichts mehr zu kümmern. Morgen abend um 10 Uhr 20 fährt unser ICE. Wir werden schlafen wie die Babies, und am nächsten Morgen holen Tamara und Horst uns vom Bahnhof ab. Alles gebongt.

    Mit den letzten Worten rauschte sie in die Küche, setzte die Kaffeemaschine in Gang und öffnete den Kühlschrank. Fiel es Fimi tatsächlich zum ersten Mal auf, dass ihre Mutter die Regie übernahm? Hatte sie immer gründlich verdrängt, wie selbstverständlich sie sich die Zügel aus der Hand nehmen ließ?

    Sie war noch so stolz auf sich gewesen, trotz der Sitzungen nach der Zeugnisverteilung schon für das nächste Schuljahr, alles Verderbliche aus dem Kühlschrank bereits entsorgt zu haben. Nur ein Liter H-Milch und ansonsten gähnende Leere starrten ihrer Mutter entgegen.

    „Oh!" Sie hörte sich richtig entsetzt an.

    Warum beschlich Fimi augenblicklich das Bedürfnis zu erklären, dass sie ja nicht hatte ahnen können, dass Isabelle kommen und bei ihr übernachten würde? Wieso fühlte sie sich automatisch in die Lage versetzt, Rechenschaft ablegen, sich entschuldigen zu müssen?

    „Ich brauche sowieso noch einen neuen Badeanzug und ein bisschen Lektüre. Verflixt: Selbst das hörte sich an, als ob sie zu einer Rechtfertigung ausholen wollte. „Heute abend wollte ich mich auf dem Abiturfest satt essen und mir morgen früh ein Croissant frisch vom Bäcker gönnen. Dann wäre ich in den Zug gestiegen und hätte mich bei meiner Ankunft abends von einem Bauern auf seinem Fuhrwerk mitnehmen lassen, der zur rechten Zeit am Bahnhof vorbeigefahren wäre und mich bei euch an unserem Leuchtturm abgesetzt hätte.

    Isabelle hatte es für eine Sekunde die Sprache verschlagen. In die ohrenbetäubende Stille hinein gurgelte die Kaffeemaschine. Fimi sah ihr förmlich an, wie sie an beleidigten Sätzen kaute, wie „Machst du dich über mich lustig? Ich dachte du freust dich, dass ich dich abhole! oder „Dann ist mein Besuch wohl keine angenehme Überraschung für dich!

    Ähnlich wie Tamara verstand sie sich gut darin, Urteile auszuteilen, aber irgendetwas einzustecken lief auf Gekränktsein und in Tamaras Fall unkontrollierte Wutanfälle hinaus.

    Doch wider Erwarten klatschte ihre Mutter in die Hände und lachte.

    „Kompromiss, schlug sie dann vor: „Wir machen deinen Stadtbummel und schauen bei deinem Abiturfest vorbei. Aber ich lade dich vorher noch zum Abendessen ein. Auf diesen Parties gibt’s doch nichts anderes als Erdnüsse und Kartoffelchips. Morgen früh schlafen wir uns aus, und du darfst Croissants vom Bäcker holen. Wir räumen deine Wohnung noch auf und nehmen den Zug, den ich schon extra gebucht habe. Holst du uns zwei Kaffeetassen aus dem Schrank?

    Fimi gab sich geschlagen. In den Ferien würden sich sicher noch genug Gelegenheiten ergeben, möglichst unaufgeregt klarzustellen, dass sie fähig war, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Sie war nicht auf Konfrontationen aus. Aber warum sollten sich die anderen kränken, wenn sie sich nicht

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1