Weiss Schwarz: Kampf um Heleg'Tyll
Von Nicole Seidel
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Buchvorschau
Weiss Schwarz - Nicole Seidel
Kampf um Heleg' Tyll
Eine Art Vorgeschichte zu Mondzauber, spielt nur ca. 1.000 Jahre davor, ebenfalls in der Welt von Ennor.
Kann aber auch in die Welt von Aldasor, dem Weltenträumer angesiedelt werden.
Prolog
Vor etwa zweihundert Jahren strandeten fünf Flüchtlingsschiffe mit Menschen des alten Volkes der Adan an den südlichen Ufern einer großen Insel im Nordwesten der Welt Ennor. Sie fanden ein fruchtbares, unbewohntes Land vor - so glaubten sie zunächst - und siedelten sich dort an. Sie nannten ihre Stadt Adanheim.
Sie rodeten einen Teil des Waldes und bewirtschafteten das Land. Für ihr mitgebrachtes Vieh - zumeist Schafe, Hühner, einige Kühe und Esel - grenzten sie Weideland ab. In zwei Jahren harter Arbeit brachten die Felder und Obstplantagen reiche Ernte und das Vieh vermehrte sich bei dem guten Gras das sie fraßen. In den Bergen konnten die Menschen Erze abbauen und fanden eine kleine Gold- und Silberader. Die ferne unbekannte Insel wurde für sie schnell zur neuen Heimat.
Und dann kamen die Eiselfen. Eines Tages ritten zwei Dutzend in weiße Panzer gekleidete Krieger auf prächtigen weißen Pferden aus dem großen Wald heraus und über ihre Felder.
Die ansässigen Siedler rannten voller Angst vor ihnen davon. Und die wenigen Männer, die ein Schwert oder eine scharfe Axt ihr Eigen nannten, stellten sich ihnen mit Ehrfurcht und zitternden Knien in den Weg.
Wie gut, dass die Eiselfen bereit waren mit dem Volk der Adan zu verhandeln und es floss kein Blut. Ihr oberster Lord Tregondyr Silivren, war ein stattlicher Mann von einem Elf - sehr groß, kräftig und in seiner gezackten Rüstung, dem weißen Haar und der weißen Haut furchteinflößend. Er sprach mit dem Stadtvogt Corman von Adanheim und handelte mit ihm die Bedingungen aus, unter denen die Eiselfen die Menschen hier in Frieden wohnen lassen wollten.
Fortan durften sie den Fluss Tri, der die Insel Heleg' Tyll teilte, nur dann überqueren, wenn sie ihren Tribut nach Heledir brachten. Einmal im Jahr forderten die weißen Elfen von den Adanern vier Mädchen und einen Jüngling. Die geforderten Personen mussten gesund, ansehnlich und im Alter von dreizehn bis neunzehn Jahren jung sein. Würden die Menschen diesem Tribut nicht nachkommen, raubten sich die Eiselfen einen Monat nach Ablauf der Frist die doppelte Menge an Personen.
In den Anfangsjahren geschah dies zweimal und Lord Tregondyr kam mit fünfzig Elfenkriegern über die Weiden geritten und raubte sich acht Mädchen und zwei Jungen. Und diesmal floss auch Blut.
Was aus den Mädchen und Jungen wurde und was die Eiselfen mit ihnen dort im schneebedeckten kalten Norden machten, das erfuhren die Adaner jedoch nie. Denn nie kehrte jemand von ihnen je zurück.
Einige besonders Mutige wagten den Weg über die Grenze des Flusses Tri hinaus, folgten der Straße weiter nach Norden und kamen sogar über den Bergpass bis nach Eismark hinein. Vielleicht erblickten sie auch die Eiselfenstadt und den Kristallpalast ihrer Königin. Aber was sie auch erblickten und erlebten, sie fanden nie den Weg zu ihren Familien zurück, um davon zu berichten.
Einmal brach eine schlimme Seuche unter den Adanern aus und sie baten schließlich die Eiselfen um Hilfe, als fast die Hälfte aller Menschen gestorben war. Fast zu spät, doch die weißen Elfen hatten ein Heilmittel für die Krankheit und halfen ihnen. Ihr Untergang konnte abgewendet werden.
Schließlich arrangierten sich die Menschen mit ihrem Jahrestribut an die Elfen und führten fortan ein unbeschwertes Leben.
Eins
Der junge Angus befreite sich aus der innigen Umarmung seiner Geliebten Emina und erhob sich. Fürsorglich breitete er die Wolldecke über das nackte Mädchen, damit sie aus ihrem friedlichen Schlaf nicht erwachte. Selbst nackt trat er hinter den Felsen hervor, wo sie einige Stunden zuvor noch ein heißes Liebesspiel erlebt hatten. Angus umrundete den Felsen und blickte über den Strand zum nachtdunklen Horizont, während er sich erleichterte.
Die Bucht, an die er seine Liebste gelockt hatte, grenzte an die östlichen Plantagen und den Großen Wald. Auf das ewige Rauschen der Wellen, die gegen das Ufer schlugen, achtete der junge Mann aus Vierweg nicht mehr. Aber die fremden, neuen Geräusche ließen ihn in der Bewegung erstarren.
Knarrendes Holz, Ruder die ins Wasser schlugen und Rufe in einer fremden Sprache. Dann tauchte ein riesiges dunkles Ding vor ihm aus der Finsternis auf und schob sich mit wuchtigem Bug auf den Strand. Vor ihm ragte der mächtige Koloss eines schwarzen Schiffes in den Nachthimmel. Zwei weitere Schiffe säumten das erste und große schwarze Gestalten sprangen von der hohen Reling auf den nassen Sand.
Angus war noch immer in jeglicher Bewegung erstarrt, stand nackt und hielt seinen Schwanz noch in der Hand, als eine der Gestalten auf ihn zu trat. Der Fremde trug eine Rüstung und überragte den Jüngling um mehr als eine Kopflänge. Ein schallendes Lachen und spottende Worte in einer fremden Sprache befreiten Angus endlich aus seiner Schockstarre.
Er machte kehrt und wollte zu den Felsen rennen. Doch der unbekannte Krieger sprang ihm nach, griff ihm ins Haar und brachte ihn jäh zu Fall. Angus stürzte und der dunkle Mann stemmte ihn seinen Stiefel auf die Brust.
Bitte tut mir nichts, lasst mich gehen
, bettelte Angus und erkannte mit Entsetzen, wie zwei weitere schwarze Krieger zu den Felsen gingen, hinter denen sein Liebeslager war.
Wenige Augenblicke danach zerrte einer von ihnen die schreiende, nackte Emina hervor. Sie zappelte in den Armen des großen Kriegers, der ihr den Mund zuhielt, um sie am weiteren Schreien zu hindern. Angus jammerte und bettelte um ihre beiden Leben.
Weitere Schwarzgerüstete kamen von den Schiffen herunter, sprachen amüsiert miteinander und umzingelten sie. Der nackte Jüngling glaubte einen ihm unbekannten Elfendialekt herauszuhören. Auch ihre kunstvoll-filigranen Rüstungen und ihre hochgeschossene, schlanke Gestalt zeichneten die Fremden als Elfen aus.
Einige hatten Fackeln entzündet und ein besonders großer Elf in einer besonders prächtigen Rüstung aus schwarzem Damaststahl und rotem Leder schritt durch eine Gasse. Er befahl, dass ihm die beiden Menschen gebracht wurden. Angus verstummte, als er in die eiskalten Augen des Elfengenerals blickte.
Wie heißt du, Junge?
fragte ihn General Eldamyr Morncyll. Er zog sich den Helm mit dem hohen Federbusch vom Kopf und reichte ihm einen seiner Männer. Darunter kam ein knochiges, hartes Gesicht zum Vorschein, mit einer hässlichen Narbe über einer schief zusammengewachsenen, gebrochenen Nase. Sein tiefschwarzes Haar war kurz geschnitten und die spitzen Elfenohren stachen umso deutlicher hervor. Im flackernden Lichtschein bekam seine blass-gräuliche Haut einen unheimlichen Anstrich. Sein wohlklingender Bariton strafte seinem dämonischen Aussehen Lügen.
Angus, Herr
, stammelte der nackte Junge und zitterte im harten Griff des Elfenkriegers, der ihm die Arme schmerzhaft nach hinten bog. Bitte lasst mich und meine Freundin gehen.
Eldamyr legte seinen Zeigefinger auf die schmalen Lippen. Schscht! Angus das kann ich nicht tun. Niemand darf wissen, dass wir hier gelandet sind.
Der General blickte zu dem Mädchen. Wie heißt deine Freundin?
Em... Emina
, stotterte Angus und die ersten Angsttränen kullerten ihm über die Wangen. Wir verraten euch nicht. Bitte lasst uns am Leben.
Der mächtige Elf mit der Narbe im Gesicht schüttelte den kurzgeschorenen Kopf. Dann gab er einige Befehle an seine Untergebenen. Das Menschenpärchen wurde geknebelt und gefesselt und ein kleines Zeltlager wurde aufgebaut. Allmählich graute der Morgen.
Im Licht der aufgegangenen Sonne erkannte Angus, dass elf schwarze Schiffe in der Bucht vor Anker lagen. Sieben Dreimasterschiffe waren am Strand gelandet und hatten herrliche schwarze Pferde aus ihrem mächtigen Bauch entlassen. Einige Hundert Elfenkrieger in rot-schwarzer Rüstung sammelten sich am Strand. Es waren ausnahmslos schwarzhaarige Elfenmänner mit einer blass-gräulichen Hautfarbe und meist dunkelfarbigen Mandelaugen. Auf den Bannern und ihrem Harnisch war das Bildnis eines kreuzförmigen Dolches, um den sich eine dornige Rose windet, angebracht.
Um die Mittagszeit brachte man das Mädchen Emina in das Zelt des Elfengenerals. Er bat die Wachen am Zeltausgang zu warten. Das verängstigte nackte Mädchen stand zitternd inmitten des Raumes, das mit einem Tisch, einem Stuhl und einem Felllager möbliert war.
Eldamyr Morncyll schenkte Wasser in zwei Kelche, aber das Mädchen wollte nichts trinken. Unbeholfen versuchte sie mit ihren Händen ihre Blöße vor dem großen furchteinflößenden Elfenmann zu bedecken. Er trank und trat an die junge Frau heran. Du hast schönes dunkelblondes Haar, Emina
, sagte Eldamyr. Er trug eine rote, ärmellose Seidentunika, schwarze Beinkleider und darüber bis zu den Knien reichende Stiefel. Der Elfengeneral war sehr muskulös und hatte noch weitere Narben von harten Kämpfen am gestählten Leib. Wie nennt ihr diese Insel? Von welchem Volk bist du? Seit ihr viele?
Emina schwieg, ihre Angst war zu groß. Eldamyr umfasste ihren Kopf und sie begann zu weinen. Seine Antworten holte er sich nun direkt aus dem Gedächtnis der jungen Frau. Der Elfengeneral las ihre Gedanken und erfuhr, dass sie auf Heleg' Tyll gelandet waren. Es gab eine Stadt und kleinere Dörfer in ihrem Umfeld im Süden der Insel, in denen etwa zweitausend Menschen vom alten Volk der Adan lebten.
Aus ihren und später auch aus Angus Gedächtnis erfuhr er alles, was er wissen wollte. Am Nachmittag missbrauchten die Elfen die beiden jungen Menschen auf bestialische Weise und töten sie anschließend.
Für die Schwarzelfenkrieger bedeutete es nur eine kleine freudige Abwechslung, bevor sie sich spätnachmittags voll bewaffnet auf ihre Pferde schwangen und in Richtung der Stadt Adanheim ritten. Dabei führte General Eldamyr Morncyll einhundertfünfzig berittene Krieger an.
Die nordöstlich gelegene Obstbaumplantage bot ihnen Schutz, während General Eldamyr auf seine beiden Kundschafter wartete. Als Ondiel, den er zum Dorf Vierweg geschickt hatte, zurück kam, zogen Wolken über die Sonne.
Keine zweihundert Menschen
, berichtete der Kundschafter Ondiel, der nur eine leichte Rüstung trug. Weitgehend Bauern, einige arbeiten auf den Feldern. Bewaffnete habe ich keine gesehen.
Der General grinste, das würde ein leichtes Spiel werden. Valmakyr nimm dir neun Männer; reite die Straße nach Norden zu diesem kleinen Dorf Waldern hin. Es einzunehmen dürfte kein Problem sein
, wandte sich Eldamyr an einen seiner Krieger. "Sichere es gut, solltest du Männer übrig haben, schick sie in die Stadt. Hauptmann Calion, du treibst mit fünfzig Reitern die Bauern zusammen, keiner darf entwischen, dass er es nicht in die Stadt schafft und die Menschen dort warnen kann. Keiner, hast du verstanden!"
Hauptmann Calion, der zur Linken seines obersten Herrn ritt, salutierte. Es wird mir keiner entkommen, Lordgeneral!
Eldamyr Morncyll gab den beiden Truppen etwas Zeit, bevor er die restlichen Elfenkrieger auf die staubige, wenig genutzte Straße nach Westen brachte - die vom östlichen Leuchtturm durch die Plantagen und Weiden bis nach Vierweg führte. Ein besseres Exil wie dieses hätten sie fast nicht finden können: ein ertragreiches Gebiet, das von einfachen Menschen bewirtschaftet wird und das sich die Schwarzelfen nur noch nehmen und Untertan machen mussten.
Als er auf den Ort zuritt, erkannte er schon Calions Reiter im Umfeld patroulieren. Er zeigte nach vorne und galoppierte ins Dorf. Ein großer Teil der Bewohner war bereits aus ihren Häusern gekommen und wurden in der Dorfmitte von den rot-schwarzen Elfenkriegern auf ihren schwarzen Rössern zusammengetrieben. Der General ließ alle Dorfbewohner gefangen nehmen.
Wer hat hier das Sagen? Wer spricht für diese Gemeinschaft?
wollte der narbige Elfengeneral wissen.
Da trat zaghaft ein etwas fettleibiger Mann im blauen Mantel aus der Herde gefangener Menschen. Das bin ich, Mylord.
Eldamyr Morncyll zog sein schlankes Schwert aus der Scheide. Sein Hengst tänzelte schnaubend auf den zitternden Mann zu. Die Klinge sirrte durch die Luft und trennte dem dicklichen Mann den Kopf vom Rumpf. "Ab nun habe ich das Sagen hier!"
Kinder begannen zu weinen, die Frauen jammerten und die mutigsten Männer fluchten leise. Aber keiner der Adaner begehrte auf. Sie waren zusammengetriebene Schafe, die ins Antlitz von hungrigen Wölfen schauten.
Sperrt alle in die zwei größten Gebäude ein
, befahl der General und seine Reiter trieben die Menschen in zwei Vorratsschuppen.
Als die Menge geteilt wurde, versuchten vier Männer zu entkommen, doch nach wenigen Schritten steckten Pfeile in ihren Rücken und ihre Leichen blieben liegen, wo sie gefallen waren.
Eldamyr kommandierte weitere fünf Elfenkrieger ab, die die beiden mit Menschen vollgepackten Schuppen zu bewachen hatten. Mit den restlichen einhundertzwanzig Männern ritt er die Straße nach Süden. Inzwischen neigte sich die Sonne dem Horizont entgegen.
Kurz vor Dämmerung kamen sie in Sildern an und konnten auch dort das Dorf ohne Probleme einnehmen. Die etwa achtzig Bewohner sperrten sie in ein Lagerhaus, das nur von zwei Elfenkriegern bewacht werden musste.
Nach Anbruch der Nacht hatte Eldamyr Morncyll ungesehen mit einhundertzehn Elfenkriegern Stellung bezogen. Sie kreisten Adanheim ein, schlichen durch die Schatten an Hauswänden entlang und durch meist leere Seitengassen. Und warteten auf das Signal zum Angriff.
Die schwarze Silhouette des Dreimasters kam dem Hafen von Adanheim immer näher, je höher die Morgensonne stieg. Neugierig beobachteten die ersten Bewohner das schwarze Schiff und betrachteten fasziniert die prächtigen Segel, die sich im Wind blähten. Es waren tiefschwarze Segel, auf denen eine rote dornige Rose einen silbernen Dolch umschlang.
Immer mehr Menschen sammelten sich in den Straßen beim Hafen. Bewaffnete Milizen liefen zu den Kais und der alternde Stadtvogt Aydan diskutierte mit deren