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Trägerin des Lichts - Verbergen
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Trägerin des Lichts - Verbergen
eBook1.340 Seiten20 Stunden

Trägerin des Lichts - Verbergen

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Über dieses E-Book

Mit mehr Glück als Verstand besiegen Thronfolger Currann und seine Kameraden ihre Verfolger. Doch wohin, nachdem sie die grausamen Kämpfe durchgestanden haben? Sie sind vogelfrei, Geächtete, und werden mit Sicherheit schon gesucht. Der ehemalige Heerführer Bajan, ihr väterlicher Freund und Beschützer, ist mit den anderen Königskindern längst fort. Sie sind auf sich allein gestellt. Da erinnert sich Currann an die Erzählung seiner Freundin Siri über ihre Heimat, einen vernachlässigten Flecken ganz am Rande des Landes. Sie beschließen, sich dorthin durchzuschlagen und ihre Leute um Asyl zu bitten.
Bajan gelingt unterdessen nur unter großen Schwierigkeiten die Flucht. Verrat lauert überall, wohin er sich wendet, und nur mit der Hilfe eines alten Kundschafterfreundes kann er Phelan und Althea heimlich über die Grenze bringen, in die Heimat von Altheas Vater. Tief verstört kommen die Kinder dort an.
Doch statt vermeintlicher Sicherheit wartet auf sie eine erneute Falle. Auch hier befindet sich ein Diener des Bösen, und dieser hat bereits sein tödliches Werk begonnen. Zudem holt Althea die stets verschwiegene Vergangenheit ihres Vaters schmerzhaft ein. Ihre Gabe, bisher ein Segen auf der Flucht, wird ihr nun zum Verhängnis.
Leanna, das jüngste der geflohenen Königskinder, verbirgt sich derweil unter falschem Namen bei den Heilerinnen in Gilda. Sie führt das Erbe der Königskinder fort, kehrt heimlich in die Gänge unter der Festung zurück und beginnt, ihre Feinde auszuspionieren. Dabei ist sie in größerer Gefahr als je zuvor.
Werden sie alle diese Gefahren überstehen?

Dies ist der zweite Band der Saga um die Königskinder von Morann
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum16. Dez. 2012
ISBN9783844240429
Trägerin des Lichts - Verbergen
Autor

Lydie Man

Autorin seit 2005 In meinem ersten Leben habe ich Betriebswirtschaft studiert und viele Jahre als Analystin und Referentin in einem Hamburger Industrieunternehmen gearbeitet. Dann entdeckte ich meine Leidenschaft fürs Schreiben. Die Saga um die Königskinder von Morann und ein begonnenes neues Projekt sind die Folge und das Vergnügen daraus. Mögen es viele Leser teilen :)

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    Buchvorschau

    Trägerin des Lichts - Verbergen - Lydie Man

    Kapitelübersicht

    Kapitel 1: Die südwestliche Steppe - Auf der Flucht

    Kapitel 2: Die westliche Steppe - Auf der Flucht

    Kapitel 3: Branndar – Im Sommer nach der Flucht

    Kapitel 4: Temora – Im Sommer nach der Flucht

    Kapitel 5: Saran – Im Sommer nach der Flucht

    Kapitel 6: Die Steppe – Im Sommer nach der Flucht

    Kapitel 7: Temora – Im Sommer nach der Flucht

    Kapitel 8: Saran – Im Herbst nach der Flucht

    Kapitel 9: Branndar – Im Herbst nach der Flucht

    Kapitel 10: Temora – Im Herbst nach der Flucht

    Kapitel 11: Branndar – Im Herbst nach der Flucht

    Kapitel 12: Gilda – Im Herbst nach der Flucht

    Kapitel 13: Epilog: Branndar – Im Winter nach der Flucht

    --------------------

    Personen der Handlung

    Auf der Flucht:

    Currann, Thronfolger des Reiches

    Phelan, sein jüngerer Bruder

    Althea, ihre Cousine

    Noemi, ihre treue taubstumme Freundin

    Bajan, ehemaliger Heerführer

    Sinan, der jüngere Bruder von Ratsherr Nestan

    Tamas, Sohn von Tanaar, des Fürsten von Nador

    Yemon, Sohn von Yenkal, des Fürsten von Mukanir

    Ouray, Sohn von Orban, eines Siedlungsvorstehers

    Kiral, ein Fremder aus dem fernen Osten

    Leviad, ein alter Freund Bajans

    Nadim, ein Kundschafter Bajans

    Der Hofstaat

    Aietan, König von Morann

    Alia, die Geliebte des Königs und künftige Königin

    Lelia, einzig verbliebenes Königskind bei Hofe

    Nusair, oberster Mönch und religiöser Führer des Landes

    Stiig, neuer Protokollführer des Rates

    Brida, Haushofmeisterin

    Nestan, Ratsherr und rechte Hand Nusairs

    Ciaban, neuer Heerführer

    Daria, Zofe und Nusairs Nichte

    Vara, Zofe

    Weitere Personen in Gilda:

    Chrysela, offizielle neue ehrwürdige Mutter der Heilerinnen

    Meda, inoffizielle ehrwürdige Mutter der Heilerinnen

    Leanna, Lelias verschwundene Zwillingsschwester

    Rynan, Leannas Beschützer und Kundschafter der Heilerinnen

    Lina, Rynans Schwester

    Bayram und Tabea, Bajans Halbbruder und seine Frau

    Sora, Nestans Haushälterin

    Nelana (Nel), Sinans und Nestans kleine Schwester

    Orban, Siedlungsvorsteher und Vater von Curranns Kamerad Ouray

    Tanaar, Fürst von Nador und Vater von Curranns Kamerad Tamas

    Tavar, Tamas’ jüngerer Bruder

    Thorald, gefangener Schwager der Königin

    In Branndar:

    Sirial (Siri), Curranns Freundin

    Strahan, ihr Vater, der Schulmeister

    Peadar, der Mönch der Siedlung

    Kedar, Siedlungsvorsteher und Siris Onkel

    Karya, Siris Tante, die Heilerin

    Goran, ihr Sohn, Siris Cousin

    Mari, ihre Tochter, Siris Cousine

    Nuria, Siris Freundin

    Belan, ihr kleiner Sohn

    Evan, Nurias Mann

    Yorran, der Schmied

    In Temora:

    Anwyll, Hohepriester von Temora

    Aislinn, Altheas Großmutter und Priesterin im Rat Temoras

    Chaya, Ausgestoßene und Heilerin

    Maret, Novizin

    Emlyn, Novizin

    Galvin und Gayle, Zwillinge und ebenfalls Novizen

    Verna, Tochter eines Clansführers

    Naja, Vernas Schwester

    Mahin, Marets Bruder

    Amin, Händler Temoras

    In Saran

    Regnar, Altheas Großvater und Seeräuber

    Roar, Clansführer von Saran

    Jeldrik, sein Sohn und Erbe

    Jorid, Jeldriks Schwester

    Sylja, Herrin über Roars Haus

    Bryn, der saranische Schmied

    Rana, Phelans Sklavin

    Sedat, Gesetzeshüter von Saran

    In Mukanir

    Naluri, die verbannte Königin

    Klesa, die verbannte ehrwürdige Mutter der Heilerinnen

    Meno, ehemaliger Archivar Gildas und jetzt Schulmeister

    Yola, Vertraute Naluris und seine Frau

    Yenkal, Fürst von Mukanir und Vater von Curranns Kamerad Yemon

    --------------------

    Was bisher geschah

    »Wo soll ich anfangen? Eigentlich ist es dafür schon viel zu spät.«

    »Ooch, bitte, Großmutter, erzähl!«, riefen die Kinder. »Niemand hat es uns von Anfang an erzählt.«

    »Jaahh, erzähl von Anfang an!«

    »Na, na, ihr habt die Geschichte schon so oft gehört. Also gut, aber nur kurz, sonst sitzen wir hier noch morgen früh! Lasst mich überlegen.« Die alte Frau setzte sich etwas bequemer hin und zwinkerte der Schar um sich herum zu. »Ich will es mal so beginnen: Was wissen die Königskinder zu Beginn ihrer Flucht? Eines ist sicher: Die reiche und mächtige Stadt Gilda verdankt ihre Existenz einem Verräter.

    In ferner Vergangenheit lebte an diesem Ort eine friedliebende Gemeinschaft aus weisen Priestern und Gelehrten, den Druidai. Sie waren die Träger des Lichts, einer guten, heilenden Kraft. Nur sie konnten sich dem heiligen Hain nähern, in dessen Innern sich ein Tor befand, ein Tor zu der Welt der Feen. Und?« Die alte Frau sah in die Runde. »Was umgibt ein solches Tor?«

    »Ein Ring!«, wisperten die Kinder.

    »Man fällt darin um!« Der Gedanke daran machte sie sehr, sehr leise.

    »Richtig. Nur Menschen, die Dank ihrer angeborenen Fähigkeiten ebenfalls Träger des Lichtes waren, konnten den Ring durchqueren, sich dem Tor nähern und das anrufen, was sie als ›die Quelle‹ bezeichneten.

    Eines Tages trat ein junger Mann namens Phileas der Gemeinschaft bei. Er war kein Träger des Lichts, aber übermäßig klug und von kaltem Ehrgeiz besessen. Deshalb erschlich er sich die Zuneigung der Druidai Asklepia und versuchte sie dazu zu bewegen, ihm Zugang zu dem Tor und seinem Geheimnis zu verschaffen. Als ihm das nicht gelang, überwältigte er sie und versuchte es mit Gewalt.

    Im letzten Moment wurde er entdeckt, hart bestraft und verbannt. Aber er ließ nicht ab von seinem Streben und kehrte mit einem mächtigen Kriegervolk zurück.

    Doch die Druidai wurden gewarnt. Sie schickten ihr Volk fort, welches den heiligen Hain nicht verteidigen konnte, und blieben selbst, um ihr Leben zu geben. Die fremden Krieger richteten ein Blutbad unter ihnen an, doch der Ring der Macht hielt stand. Daraufhin beschwor Phileas dunkle Mächte herauf, und die Druidai riefen die Quelle um Hilfe.

    Das Aufeinanderprallen dieser Mächte musste die fremden Krieger so verstört haben, dass sie sich voller Reue von Phileas lossagten und ihn gemeinsam mit den Druidai und der Macht der Quelle besiegten. Er wurde mit einem Fluch belegt und zum Tode verurteilt, doch bevor er starb, verschwand er, ohne eine Spur zu hinterlassen. Seitdem geht die Sage, dass sich seine verfluchte Seele befreit hat und weit oben im Norden im Kohinor Gebirge umgehen soll.

    Viele waren während der Kämpfe gestorben oder verwundet. Unter den überlebenden Druidai war die ehemalige Geliebte Phileas’, Asklepia. Voller Reue stellte sie sich selbstlos in den Dienst der Verwundeten und heilte alle, ob Freund oder Feind. Das erschöpfte sie so, dass sie dem Tode nahe war, doch bevor sie starb, machte sie noch eine Prophezeiung: Eines Tages, wenn eine dunkle, schreckliche Zeit über diesen Ort hereinbräche, würde ihre Gabe wieder in Erscheinung treten und das Heil über die Menschen bringen.

    Und die Fremden, beeindruckt von ihrer Aufopferung und ihrer Macht, taten ebenfalls einen Schwur: Freies Geleit oder das ewige Recht zu bleiben sollten die Überlebenden haben, und sie würden schützen und verbergen den heiligen Hain und das darin enthaltene Tor zur Welt der Feen.

    Die meisten Überlebenden entschieden sich zu gehen. Sie zogen fort in ein fernes Land im Westen. Aus ihnen gingen die Völker Temoras und die dortige Priestergemeinschaft hervor. Bevor sie gingen, schlossen sie jedoch einen Pakt mit dem Kriegervolk: Sollte die dunkle Macht jemals wieder erstehen, würde man sie gemeinsam bekämpfen.

    Das Kriegervolk blieb und gründete die Stadt Gilda. Auch einige wenige Frauen blieben und gründeten den Orden der heiligen Asklepia, den Orden der Heilerinnen, wie er heute noch existiert. Asklepias Prophezeiung wurde von ihnen bewahrt und von Generation zu Generation weitergegeben.

    Viele Jahrhunderte später war Gilda zur blühenden Hauptstadt des großen Landes Morann geworden. Regiert von fähigen, starken Königen und beschützt durch ein mächtiges Heer, wuchs es unaufhörlich.

    Doch irgendwann war es derart groß geworden, dass es immer schwieriger zu verteidigen war. Die goldenen Zeiten waren vorbei. Bis dato unbekannte Völker drangen an seine Grenzen vor, brachten neue Waffen, fremde Sitten und Gebräuche durch die Handelsströme ins Land. Viele Menschen reagierten auf diese Veränderungen mit Unsicherheit.

    Gerade in solchen Zeiten braucht es einen starken König, der sein Volk sicher führt, doch der damalige König, Aietan, war alles andere als das. Durch den frühen Tod seines Bruders eher unfreiwillig zum Thron gekommen, war er des Regierens überdrüssig und frönte lieber dem Müßiggang, als seinen Pflichten nachzukommen. Seine Günstlinge regierten stattdessen das Reich, allen voran die skrupellosen Mönche. Ihnen gegenüber standen das Heer und die weltoffenen Händler Gildas, denen das Reich seinen Wohlstand verdankte. Seine Frau, die Königin Naluri, und der Heerführer Bajan wurden zu ihren Anführern.

    Nach einiger Zeit erhielten sie einen weiteren wichtigen Verbündeten: In jeder Generation wurde ein Gelehrter aus Temora entsandt, die künftigen Könige Gildas zu unterrichten und sicherzustellen, dass der Pakt an die nächste Generation weitergegeben wird. Das war Meister Thorald. Durch die Heirat mit der Schwester der Königin fand er Aufnahme in die Königsfamilie und wurde nach dem frühen Tod seiner Frau ein treuer Freund der Königin.

    Jahre später bemerkten die Priester Temoras, dass sich im Norden eine dunkle Macht zu regen begann. Phileas war wieder erwacht. Sie zogen die richtigen Schlüsse, hatten aber keine Beweise. Gleichzeitig kamen dem Heer Gildas Berichte von unheimlichen Wesen zu Ohren, halb Mensch, halb Tier, welche im Kohinor Gebirge umgehen sollten.

    Meister Anwyll, der Hohepriester Temoras und alte Lehrmeister Thoralds, nahm Verbindung zu ihm auf und bat ihn, die Archive Gildas nach Hinweisen auf die damaligen Ereignisse zu durchsuchen, doch sie wurden kaum fündig.

    Zu diesem Zeitpunkt wussten sie noch nicht, dass einer von Phileas’ Dienern bereits zum Rat Gildas vorgedrungen war. Er kam aus einem Kloster des Lir-Deltas, jener Region des Reiches, welche dem Kohinor Gebirge am nächsten liegt. Dieser Diener hatte dem König eine Geliebte untergeschoben, die ihn in seinem Sinne beeinflussen sollte. Ahnungslos reisten Anwyll und seine Begleiter nach Gilda, um den König an den Pakt zu erinnern und ihn dazu zu bewegen, eine Expedition in den Norden zu entsenden, um endlich Beweise für ihre These zu finden.«

    Mit großen Augen hatten die Kinder zugehört. »Kommen jetzt die Königskinder? Thea, Phelan und Noemi? Und Currann?«, fragten sie.

    Die Großmutter lachte. »Oh ja.«

    Die Kinder kicherten. »Weiter, Großmutter! Ach bitte!«

    »Also gut, ihr kleinen Räuber«, sagte die alte Frau warm. »Die Königskinder, das sind Currann, der ziemlich nervtötende Thronfolger des Reiches, Phelan, sein jüngerer Bruder, und ihre jüngeren Schwestern Lelia und Leanna, die Zwillinge. Und natürlich, nicht zu vergessen, ihre unmögliche Cousine Althea, auch genannt Thea. Sie sind, als die Gesandtschaft in Gilda eintrifft, etwa so alt wie ihr. Althea ist zehn Jahre alt, Phelan zwei Jahre älter und Currann fünfzehn. Da die Königin und Thorald um ihr Leben fürchten, lassen sie die Königskinder möglichst unberührt von all den Zwängen und Intrigen des Königshofes aufwachsen. Ein vergebliches Unterfangen, wie ihr sehr wohl wisst. Ihnen ist schon lange klar, dass ihr bisher so behütetes Leben längst nicht so sorglos ist, wie man es sie glauben machen will. Besonders Althea und Phelan haben bereits jeden Winkel der Festung erkundet und sind Meister im Lauschen geworden.

    Die Ankunft der fremden Besucher versetzt sie in höchste Aufregung. Endlich lernen sie Angehörige aus dem Volke von Altheas Vater kennen. Stellt euch vor, Thorald hat seine Tochter absolut im Ungewissen über sein Volk, seine ganze Herkunft gelassen. Schnell schließen sie Freundschaft mit dem fremden Jungen Jeldrik, der klug und belesen ist und ihnen viel zu berichten weiß von fernen Landen.

    Doch dann verläuft der Besuch gänzlich anders als erwartet. Aufgeschreckt durch die Ankunft des Hohepriesters Temoras höchst persönlich, begeht Phileas’ Diener einen entscheidenden Fehler: Er beschwört die dunkle Macht seines Meisters und nimmt gedanklich zu ihm Verbindung auf.

    Das erste Mal in ihrem jungen Leben hat Althea eine Vision. Sie träumt von einem Unglück mit vielen Toten. Es sind die Bilder, die der Diener von seinem Meister gesandt bekommt. Bald stellt sich der Traum als wahr heraus, als ein Bote überraschend Nachricht von genau dem Unglück im Lir-Delta bringt. Meister Anwyll ahnt, dass sie über eine seherische Begabung verfügen muss, und versucht ihren Vater zu überreden, sie zur Ausbildung nach Temora zu schicken. Doch Thorald zögert. Er will sie nicht ohne Weiteres den Temorern überlassen, weil er einst nicht im Guten von ihnen gegangen ist. Später nimmt Meister Anwyll ohne Thoralds Wissen Fürst Bajan einen Schwur ab, Althea unter allen Umständen sicher nach Temora zu bringen, und er bittet sie, alle ihre Träume aufzuschreiben und an ihn zu senden.

    Der Rat Gildas beschließt, eine Expedition unter der Führung Fürst Bajans und unter Beteiligung der Temorer in den Norden zu entsenden, den Unglücklichen dort zu helfen. Thorald und Meister Anwyll aber verschweigen tunlichst ihren Verdacht über das Erstarken der dunklen Macht, zu gut kennen sie das Misstrauen der Gildaer gegenüber derartigem fremden Wissen. Selbst der weltoffene Bajan mag ihnen nur schwer Glauben schenken, als sie ihn einweihen.

    Die Expedition bietet der intriganten Geliebten des Königs eine nie da gewesene Möglichkeit, in die Herrschaftsfolge einzugreifen. Sie bringt den König dazu, seinen Ältesten mit auf Reisen zu schicken. Ist Currann erst aus seiner gewohnten Umgebung gerissen, so hofft sie wohl, könnte sie ihn leicht beseitigen lassen.

    Im Norden angekommen, finden die Männer eine Stätte der Verwüstung vor. Eine riesige Schlammflut hat das gesamte Lir-Delta ausgelöscht. Niemand ist mehr am Leben, alle Spuren sind vernichtet. Sie wollen schon unverrichteter Dinge zurückkehren, als plötzlich ein wahnsinniger Mönch auftaucht und einen Mordanschlag auf Currann verübt, der ihn fast das Leben kostet. Nur Dank Jeldriks Eingreifen überlebt er knapp, und beide Jungen gehen gezeichnet daraus hervor. Es soll Jeldrik für immer mit den Königskindern verbinden.

    In Gilda freuen sich Althea und Phelan unterdessen zu früh über Curranns Abwesenheit. Selbst Altheas gutmütiger Vater hat erkannt, dass ihm die Erziehung über die beiden zu entgleiten droht. Deshalb wird Phelan zur Ausbildung in die Heerschule geschickt, und Althea soll mit ihren jüngeren Cousinen Lelia und Leanna unterrichtet werden. Doch Lelias Sticheleien – mit ihr hatte sie sich noch nie verstanden – lassen sie sehr schnell rebellieren. Die Königin verliert die Geduld mit ihr und bringt sie zu den Heilerinnen der Stadt. Überraschenderweise, am allermeisten wohl für Althea selbst, geht sie völlig in der neuen Aufgabe auf. Sie spürt bereits jetzt, dass es ihre Berufung ist, Heilerin zu werden, und verändert sich sehr, wird ernster und ruhiger. Na, kommt euch das bekannt vor?«, unterbrach sich die alte Frau und zwinkerte insbesondere der Unruhestifterin unter der Schar zu. Diese lachte, und die alte Frau fuhr fort:

    »Trotzdem unternehmen Phelan und Althea ausgedehntere Streifzüge denn je, ohne dass jemand etwas davon ahnt. Durch einen Zufall stolpern sie über eine Geheimtür und finden dahinter uralte Gänge innerhalb der Festung. Sie machen sich daran, heimlich die Mitglieder des Hofstaates zu beobachten, und lernen dabei sehr schnell die Schattenseiten des Hofes kennen. Unter der Knute der Haushofmeisterin müssen Waisenkinder hart schuften. Sie befreien die taubstumme Waise Noemi schwer verletzt aus ihren Fängen und bringen sie zu den Heilerinnen, wo sie fortan leben wird. Sie wird Altheas beste Freundin.

    Bei seiner Rückkehr merken Althea und Phelan Currann sofort an, dass etwas Ernstes geschehen ist. Niemand will ihnen etwas sagen, doch die Tatsache, dass Currann und Fürst Bajan umgehend vor den König zitiert werden, spricht für sich. Althea und Phelan lauschen wieder einmal und hören, dass er von einem Wahnsinnigen fast ermordet wurde und gezwungen war zu töten. Deshalb ist er so verändert. Und wie er Althea mit Blicken verfolgt! Currann ahnt etwas von ihrem heimlichen Tun, da sind sich Althea und Phelan sicher. Sie beschließen, sich noch viel mehr vor ihm in Acht zu nehmen und ihre Streifzüge besser  zu verbergen.

    Diese neuen Schliche führen sie zu einer noch gefährlicheren Entdeckung: Tief versteckt in den Gängen finden sie ein merkwürdig schimmerndes Tor. Es ist jenes, das die Eroberer einst verborgen hatten. Voller Neugier öffnet Althea es und trifft auf ein fremdes Wesen, einen Feenjungen, der sie eindringlich vor dem Todesring warnt, der das Tor beschützt. Erst da bemerkt sie, dass Phelan von einer tiefen, alles Leben auslöschenden Schwärze umgeben ist und sich nicht mehr rührt. Bei dem Versuch, ihn zu retten, entdeckt sie heilende Kräfte in sich, erweckt durch die Berührung mit der anderen Welt. Sie kann Phelan befreien und zu den Heilerinnen bringen. Es ist für Phelan die Rettung im letzten Moment, er ist dem Tode nahe.

    Currann ist natürlich sofort misstrauisch. Wie kann Phelan, eben noch todkrank, plötzlich geheilt sein? Er ist überzeugt, dass sie etwas sehr Gefährliches angestellt haben, und stellt Althea voller Wut zur Rede. Doch sie schweigt und merkt, dass sie ihm regelrecht unheimlich ist. Er ahnt ja nicht, dass sie Angst hat wie noch nie zuvor. Phelan hat sie eindringlich beschworen, ihre Entdeckung zu verbergen. Wer wird ihnen schon glauben? Fortsperren würden die Erwachsenen sie und bei dem Versuch, das Tor zu untersuchen, umkommen. Außerdem liefe Althea Gefahr, als Hexe angeklagt zu werden, wenn man ihre Kräfte entdeckte, und ihr wisst, das ist keine leere Drohung.« Die Kinder schluckten trocken und nickten.

    »Curranns Aufnahme als Offiziersanwärter ins Heer verschafft ihnen eine Atempause. Bald hat er treue Kameraden um sich geschart und lernt ganz neue Seiten seiner Stadt kennen, besonders das Mädchen Siri, mit dem er Freundschaft schließt und in das er sich verliebt. Da geraten die Spielchen der beiden nur allzu leicht in Vergessenheit.

    Bis Altheas Träume wieder einsetzen, und das grausamer denn je. Ein Mann wird furchtbar gequält, ein Ratsherr von einem Wahnsinnigen ermordet. Althea versucht, den Ratsherrn zu retten, und wird dabei von Fürst Bajan entdeckt. Er wird nun endgültig zu ihrem Beschützer, und da sie wissen, dass der Täter nur ein Opfer ist, bittet er sie zu versuchen, ihn durch ihre Gabe zu heilen. Dabei kommt sie das erste Mal wirklich mit der dunklen Macht in Berührung und ist fortan in der Lage, Phileas als Geist zu sehen. Sie träumt, dass er sich ein grausames, unsichtbares Wesen schafft. Da zweifelt sie an ihrem Verstand und fürchtet, langsam wahnsinnig zu werden. Die Erwachsenen stehen dem allen hilflos gegenüber. Sie können ihre Erlebnisse nur Meister Anwyll schildern und hoffen, dass er ihnen hilft, sie zu verstehen.

    Das Attentat hat schwere Folgen. Die Mönche im Rat beschuldigen Bajan, seine Pflichten als Heerführer vernachlässigt zu haben. Sie entziehen ihm die Macht über die Festung und setzen eigene Wachen ein, die bald Angst und Schrecken verbreiten. Fortan ist die Königin von Feinden umgeben, und die Erwachsenen überlegen fieberhaft, was sie tun können. Sie greifen zu einem Mittel, das sich der ehrenvolle Bajan niemals hätte träumen lassen: Er begeht Hochverrat. Heimlich lässt er seine treuesten Untergebenen und Curranns Kameraden auf den jungen Thronfolger vereidigen. Zudem finden sie treue Verbündete bei den Heilerinnen, die fest zur Königin stehen. Unter ihnen ist Meda, die von ihrer Ordensvorsteherin entsandt wird, Bajan bei der Behandlung des todkranken Attentäters zu unterstützen. Sie wollen herausfinden, wer wirklich hinter dem Attentat steckt. Bald wird die anfängliche Hochachtung zwischen ihnen zu einer tiefen Freundschaft, die sie beide zutiefst beunruhigt, und es kommt, wie es kommen muss: Sie verlieben sich ineinander, allen Regeln zum Trotz, die insbesondere Medas strenges Ordensleben bestimmen. Zu dem Zeitpunkt wissen sie es noch nicht, aber das wird die Rettung der Königskinder sein.

    Die Mühe der beiden bleibt indes vergebens. Der Attentäter wird zum Tode verurteilt. Zu seiner Hinrichtung schleichen sich Phelan und Althea trotz strikten Verbotes in die Stadt. Eine tödliche, von dem Diener ausgelöste Panik bricht aus, nur knapp entkommen sie dem Unglück und werden obendrein von Bajan und Currann erwischt. Dieser findet seinen Verdacht bestätigt, dass sie alle hintergehen, und erreicht in seinem Zorn, dass sie getrennt werden. Sie dürfen sich nicht mehr sehen. Und, was hättet ihr getan?«, fragte die alte Frau in die Runde.

    »Ich hätt’ mich davongeschlichen und ihn trotzdem gesehen!«, rief die Unruhestifterin aus.

    Die alte Frau lachte. »Genau so ist es. Althea ist nun ihres einzigen Vertrauten beraubt, und sie braucht Phelan, das könnt ihr mir glauben. Sie treffen sich heimlich nachts, und Phelans kleine Schwester Leanna wird zu ihrer heimlichen Botin. Über diesen Dienst entzweit sie sich endgültig mit ihrer Zwillingsschwester Lelia, was noch böse Folgen für sie alle haben soll.

    In den Nächten nehmen ihre Beobachtungen ein ganz anderes Ausmaß an. Die Geliebte des Königs verabreicht ihm heimlich eine Droge, damit er nicht mehr handlungsfähig ist. Sie trifft sich zudem mit einem unbekannten Mann, an dem Althea die dunkle Macht spürt. Doch erst, als Althea einen uralten Text vom Fall der Druidai findet und Phelan von den Erwachsenen in den Pakt eingeweiht wird, begreifen sie, was das alles zu bedeuten hat: Althea ist eine Druidai, in ihr erfüllt sich die Prophezeiung vom Wiedererstarken der bösen Macht, und der Unbekannte ist Phileas’ Diener und steckt hinter den Vorkommnissen bei Hofe. Er will die Herrschaft an sich reißen und die Königsfamilie auslöschen.

    Hilflos müssen sie zusehen, wie der Diener in immer schnellerer Folge zuschlägt. Althea erlebt alles in ihren grauenhaften Träumen mit, aber ihre Warnungen kommen häufig zu spät. Durch eine vom Diener eingefädelte Intrige wird Heerführer Bajan entmachtet. Als sie Currann vor einem Mordanschlag bewahrt, kommt dem Diener der Verdacht, dass es in ihrer Familie jemanden gibt, der ihn aufspüren kann, und auf wen anderes sollte sich sein Verdacht richten als auf Thorald, den temorischen Gelehrten? Im Traum stellt er eine Falle auf und schafft es, Althea bis zu ihrem Zuhause zu verfolgen. Voller Furcht darüber, dass ihr Vater sie überstürzt fortbringen könnte, verschweigt sie dies. Sie will in der Nähe ihrer Cousins bleiben, um sie zu schützen. Currann begreift nun endlich, dass sie furchtbare Angst vor etwas hat, doch anstatt zu warten und sich als Helfer anzubieten, geht sein Jähzorn mit ihm durch. Er zwingt sie, vor den versammelten Erwachsenen zuzugeben, dass sie jetzt entdeckt ist.

    Altheas Befürchtung bewahrheitet sich: Ihr Vater trifft hastige Vorbereitungen für ihre Abreise. Der Diener ahnt, dass sie ihm im letzten Moment entkommen könnten, und verübt einen Giftanschlag auf Thorald. Nur dank Altheas heilender Kräfte gelingt es, Thorald zu retten. Dabei wird sie jedoch gesehen und an die Mönche verraten.

    Auf eine solche Gelegenheit, die Königin und ihre Getreuen in Ungnade zu bringen, haben diese schon lange gewartet. Sie melden dem König einen Fall von Hexerei. Thorald und die Königin werden vor ihn gebracht. Althea kann sich zunächst mit der Hilfe Leannas verbergen, aber Lelia verrät sie, und sie wird mit Leanna vor den König getrieben, verhört, geschlagen und gequält. In einem Akt der Verzweiflung nimmt Thorald alle Schuld auf sich und schafft es, die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Althea kann mit Leanna entkommen.

    Alarmiert von ihrer taubstummen Freundin Noemi finden Currann und Phelan die Mädchen. Erst jetzt überwindet sich Currann, versöhnt sich mit Althea und schließt Waffenstillstand mit seinem Bruder. Sie fliehen zu Bajan, der seit seiner Entmachtung im Verborgenen über die Königskinder wacht. Mit der Hilfe von Meda, die inzwischen seine Geliebte geworden ist, will er sie fortbringen, aber Leanna weigert sich zu gehen, sie will in der Nähe ihrer Mutter bleiben. Noemi wiederum mag sich nicht von Phelan und Althea trennen, daher greifen die Mädchen in ihrer Not zu einem Tausch. Leanna verbirgt sich unter Noemis Namen bei den Heilerinnen. Den Übrigen gelingt mit Hilfe von Bajan und Curranns Kameraden die Flucht aus der Stadt.

    Doch dabei werden sie entdeckt. Die Soldaten der Mönche nehmen die Verfolgung auf. Todesmutig wirft sich Currann mit seinen Kameraden ihnen entgegen. Bajan entkommt mit Phelan, Althea und Noemi geht einem ungewissen Schicksal entgegen.

    Und nun sind sie auf der Flucht, in der kargen Steppe, ohne Wasser, ohne Nahrung, ohne Schutz.«

    »Und nun?«, wisperten die Kinder atemlos.

    »Und nun .. geht es ab ins Bett. Morgen erzähle ich weiter.« Die alte Frau erhob sich und machte damit jedem Protest ein Ende.

    --------------------

    Karte von Morann

    Prolog

    Die Saat ging auf.

    Langsam ging es vonstatten, denn die Menschen in der Gewalt des Bösen erwiesen sich als schwächer als erwartet. Sie starben zu Hunderten, an Hunger, an Kälte und an dem, was ER in sie gepflanzt hatte. Nur wenige überlebten die Wandlung, wurden zu dem, was ER als SEINE Rache bezeichnete.

    Es zeigte IHM, dass die Saat noch unvollkommen war. Nun, ER hatte alle Zeit der Welt, unbemerkt von den Menschen konnte ER SEIN Werk in aller Ruhe fortführen. Doch halt - eines beunruhigte IHN: Die Neuigkeit, dass jemand IHN spüren konnte, war überraschend gekommen.

    ER streckte seinen Geist nach jenem aus, der SEIN Werk in der Stadt vorbereiten sollte. Gnade ihm, wenn er nicht das Gewünschte vollbracht hatte.

    Schon spürte ER die ängstliche Präsenz SEINES Untergebenen, weidete sich an seiner Furcht. Mit einem besonders schmerzhaften Stich forderte ER ihn auf zu sprechen.

    ›Meister, der Temorer ist in unserer Gewalt, er wird sein Gefängnis nicht mehr lebend verlassen‹, wimmerte der maskierte Mann.

    Spürte ER da nicht einen ängstlich verborgenen Gedanken? ›Du verschweigst mir etwas!‹ ER griff tief in die Gedanken SEINES Untergebenen.

    Dieser schrie schmerzgepeinigt auf. ›Meister, es besteht die geringe Möglichkeit, dass die Tochter des Temorers seine Begabung geerbt hat. Sie ist entkommen.‹ Der Diener brach zusammen.

    ›Finde das Mädchen, bring es zur Strecke!‹

    ›Meister, es ist nur ein Kind‹, wagte der Mann einzuwenden.

    Er wand sich am Boden, als sein Herr voller Wut erwiderte: ›Irgendwann ist es DAS nicht mehr und stellt eine Gefahr für UNSERE Pläne dar. Bring ES zur Strecke, und finde heraus, was der Temorer weiß!‹ Mit einem harten Schlag schickte ER den maskierten Mann zurück in seine Welt.

    ›Meister, was ist, wenn er scheitert und das Mädchen entkommt? Vielleicht sollten wir unsere restlichen Diener rufen‹, meinte einer der anderen Geister.

    Der Zorn des Meisters schwoll an, sodass selbst die Geister zurückwichen. Die restlichen Diener zu rufen, das bedeutete, dass ER selbst auch sichtbarer wurde, SEINE Pläne angreifbarer. Sie waren mit dem Maskierten nicht zu vergleichen, schwächer und daher gefährdeter. Es sei denn, sie fanden vorher heraus, was SEINE Gegner bereits wussten. ›Sagt ihnen, sie sollen alle unterwerfen, die UNS gefährlich werden können, und sie brechen. Dann werden WIR sehr schnell erfahren, ob sie etwas über den Verbleib des Mädchens wissen.‹

    --------------------

    Kapitel 1

    Die südwestliche Steppe

    Auf der Flucht

    <=

    Alles verschwamm unter der Flut der Schmerzen. Nur undeutlich nahm Sinan wahr, was seine Kameraden taten, sah den Schein des Feuers, das sie entzündet hatten.

    »Nehmt ihm den Verband ab.«

    Sinans Kopf zuckte in die Richtung, aus der die Stimme kam. Er erkannte verschwommen Kirals Gesicht über sich, in der Hand hielt er eine kleine Schale.

    »Und das hilft?«

    Sinan wusste nicht, wem diese Stimme gehörte, sie klang so rau, aber sie kam ihm bekannt vor. Schon spürte er, wie er aufrechter gezogen wurde und gegen jemanden lehnte.

    »Ich bin kein Heiler, aber dies verwenden wir bei den Wunden unserer Pferde, damit sie sich nicht entzünden. Los, wickelt den Verband ab!«

    Sinan wurde mit festem Griff gepackt, dann spürte er einen scharfen, reißenden Schmerz an seinem rechten Arm. Er schrie auf, stemmte sich gegen den Griff und versank gleich darauf in eine tiefe Bewusstlosigkeit.

    »Sieht übel aus.« Ouray entfernte vorsichtig die blutgetränkten Lagen des Verbandes. »Er hat viel Blut verloren.« Currann, der Sinan fest umklammert hielt, schluckte, als er den tiefen Hieb sah und wie Kiral ihn erst auswusch und dann umsichtig eine übel riechende Paste darauf strich.

    »Wenigstens blutet es nicht mehr«, sagte Ouray und riss kurzerhand ein Hemd in Streifen. Er verband den Arm neu, dann betteten sie Sinan dicht neben dem Feuer auf ihre Decken.

    »Die Pferde sind versorgt.« Tamas und Yemon ließen sich erschöpft neben sie fallen, Tamas sank sofort zurück. Sie waren alle am Ende ihrer Kräfte.

    Der Schock und das Entsetzen saßen tief. Darüber, was sie getan hatten, und wie dumm und naiv sie gewesen waren. Ihr Überleben verdankten sie dem Zufall, Glück, Bajans Voraussicht .. noch war es zu früh, dies begreifen zu können.

    Die Wirklichkeit hatte sie eingeholt, mit voller Wucht und brutaler Gewalt. Ob sich wohl alle Soldaten so nach ihrem ersten Kampf fühlten, fragte sich Currann und barg den Kopf in seinen Händen, die nur so starrten vor Schweiß, Staub und Blut. Ein ganz eigentümlicher Geruch ging von ihnen aus, der Geruch des Krieges. Angeekelt ließ er sie sinken, es war wohl auch Ekel vor sich selbst, vor dem, wozu sie in ihrer Not fähig gewesen waren. Stattdessen ließ er sich wie Tamas auf den blanken Boden der Höhle fallen, in der sie für die Nacht Unterschlupf gefunden hatten. Er versuchte, ein wenig zur Ruhe zu kommen, aber vergebens. Die Bilder in seinem Kopf drehten sich unaufhörlich, immer und immer wieder. Schließlich fiel er in einen unruhigen Schlaf der Erschöpfung.

    Altheas Name hallte in seinem Kopf. Er spannte den Bogen und schoss auf die undeutlichen Schatten, die sich inmitten der Staubwolke auf sie zu bewegten. Neben sich hörte er das Sirren eines zweiten Bogens, Sinan schoss ebenfalls. Die Überraschung war verheerend. Die vordersten Pferde stiegen erschrocken, die nachfolgenden rasten in sie hinein .. ihr Feind ging unter in einem Knäuel aus stürzenden Leibern von Pferden und Menschen, das rasch von einer dichten Staubwolke verdeckt wurde. Er hörte Triumphschreie aus mehreren Kehlen, es waren Sinans und sein eigener und die der Kameraden auf den Felsen. Schnell legten sie nach und schossen erneut, immer wieder hinein in die Staubwolke, obwohl sie nichts mehr erkennen konnten.

    Doch plötzlich hallten von oben Alarmschreie. Er versuchte etwas zu erkennen, vergebens. Also schoss er weiter, aber es war zu spät, die Angreifer kamen von der Seite. Sie nutzten die Deckung der Staubwolke, um sie zu überraschen. Er ließ sofort seinen Bogen fallen, zog sein Schwert und griff nach dem Schild, da waren sie auch schon heran. Pfeile flogen über sie hinweg in die Menge der Angreifer, er hörte noch undeutlich die Schreie der drei Reiter, die ihnen zu Hilfe eilten. Da flog schon der erste Speer in ihre Richtung. Er riss reflexartig seinen Schild hoch, spürte die volle Wucht des Speeres, der ihn nach hinten riss. Fast verlor er seinen Schild, aber er hielt stand, trat den darin steckenden Speer heraus und hatte ihn augenblicklich wieder an seiner Seite. Da spürte er Sinan hinter sich. Sein Freund nutzte ihn als Deckung, schoss den ersten Reiter vom Pferd, dann warf auch er den Bogen fort und zog sein Schwert.

    Jetzt kamen zwei Reiter zugleich, mit erhobenen Speeren, bereit, sie niederzumachen. Er brüllte Sinan eine Warnung zu, sie stellten sich Rücken an Rücken, gaben sich mit ihren Schilden Deckung, und dann sah er Sinan zur Seite wegtauchen, ausholen und seinen Gegner vom Pferd hieben. Es gab ein ganz eigentümliches Geräusch, er hatte den flüchtigen Eindruck, sein Schwert ginge in die Rüstung wie in einfachen Stoff, dann fiel der Mann gurgelnd herunter.

    Currann hatte keine Zeit, weiter auf ihn zu achten. Er fing den Speer des zweiten Reiters mit seinem Schild ab, drehte sich und schlug zu. Blut spritzte ihm in die Augen. Für einen Augenblick konnte er nichts sehen, er wischte es fort und sah das Pferd seines Gegners ohne Reiter davon galoppieren.

    »Currann!« Sinans Schrei holte ihn aus seiner Starre. Er drehte sich um, keinen Moment zu früh, dann ließ er sich fallen, rollte im Dreck und Blut seines Gegners herum, unter dem Pferd eines neuen Angreifers hindurch, dessen Speer neben ihm in den Boden fuhr. Currann schlug zu, der Gegner fiel, dann kamen neue Angreifer, es waren so viele. Doch diesmal kam Hilfe. Endlich waren die Reiter heran. Kiral ritt mitten in die Gegner hinein, durchbohrte den ersten mit einem Speer, legte sich zur Seite, um einem anderen zu entgehen .. und war auch schon im Staub verschwunden. Der Hauptmann und Tamas kamen von der Seite, sie sprengten die Gegner auseinander. Dann waren auch Ouray und Yemon von ihrem Felsen heruntergekommen, mit gezückten Schwertern kamen sie ihnen zu Hilfe. Currann rappelte sich auf, half Sinan hoch, sah, dass der Gegner zu einer neuen Strategie über ging. Sie galoppierten heran und preschten mitten unter sie, trennten sich und sprangen von den Pferden, nur um dann von zwei Seiten auf sie einzudringen. Currann konnte zwar ausweichen, aber dann zogen die Soldaten ihre Schwerter. Currann sah das Gleißen trotz des vielen Staubes und wusste sofort, dass sie nun in großen Schwierigkeiten steckten. Es waren saranische Schwerter.

    »Denkt an Bryn!«, brüllte er noch, dann hatte er keine Zeit mehr, auf die anderen zu achten. Alles, was galt, war, die Hiebe seines Gegners abzufangen. Doch jetzt zeigte sich, dass er mehr Erfahrung im Umgang mit den Schwertern besaß als die Verfolger. Mit grimmiger Genugtuung bemerkte er, dass die feindlichen Kämpfer ihre Schwerter immer noch in der alten Kampfesweise benutzten, damit nicht von Weitem zuschlugen, sondern verhalten kämpften und versuchten, nahe genug zum Zustechen an ihn heranzukommen. Das verschaffte Currann die Gelegenheit, mehr als einen tödlichen Hieb auszuteilen, bevor die Feinde überhaupt realisierten, welche Möglichkeiten die neue Waffe bot. Er streckte seinen letzten Gegner zu Boden, dann sah er auf. Zu seinem Schrecken erkannte er, dass Sinan vom Hauptmann der Truppe angegriffen wurde. Seinem Freund gelang es zwar, sich zu verteidigen, er trieb den Hauptmann sogar zurück, aber plötzlich drang ein anderer Soldat mit einem Speer auf ihn ein. Currann brüllte eine Warnung, packte sein Schwert fester und rannte los. Es war zu spät. Sinan wurde von einem Hieb am Arm getroffen, er verlor sein Schwert und ging zu Boden. Currann rannte mit hoch erhobenem Schwert auf den Hauptmann zu, der zu einem tödlichen Stoß ansetzte, aber da tauchte Kiral wie ein Schatten aus dem Staub auf, rammte den Hauptmann einen Speer in den Hals, tauchte unter seinem Pferd weg, entging so dem Speer des anderen Kämpfers und war wieder verschwunden.

    Currann keuchte vor Anstrengung. Er rannte so schnell er konnte. Schon zog der Soldat sein Schwert, Sinan hob seinen Arm zur Verteidigung, es erinnerte Currann in einem wahnsinnigen Moment an Jeldrik. »Nein!«, brüllte er und warf sich mit seinem ganzen Körper auf den Gegner. Sie verloren beide das Gleichgewicht und stürzten aufeinander. Ihre Schwerter fielen zu Boden, der Soldat packte ihn an der Kehle, das Gesicht des Mannes wurde zu einem anderen, einem wahnsinnigen Gesicht .. mit letzter Kraft zog Currann sein Messer hervor und rammte es dem Soldaten in die Kehle. Gurgelnd brach der Mann auf ihm zusammen. Currann schob ihn mühsam von sich herunter und versuchte, zu Atem zu kommen. Da wurde er gewahr, dass es eigentümlich still war, lediglich ein leises Aufstöhnen hier und da, und in der Ferne waren das Wiehern der Pferde und galoppierende Hufe zu hören.

    Stöhnend richtete er sich auf und kroch zu Sinan hinüber. Sein Freund war merkwürdig blass, er hielt sich den Arm, aus dem das Blut herauspulste. »Warte, ich helfe dir..« War dies seine Stimme, die da so krächzte? Currann wusste es nicht, es musste wohl so sein. Er suchte in seinen Taschen nach einem Tuch, fand eines und band es stramm um die Wunde. Sinan schrie auf und wurde gleich darauf bewusstlos.

    Ein Stöhnen ließ ihn herumfahren. Einer der Soldaten richtete sich auf. Er war zwar verwundet, aber noch in der Lage, nach seinen Waffen zu greifen. Currann fühlte, wie in ihm eine ungeheure Wut hochkam, all die Angst, der Schmerz über die Trennung seiner Familie, ihre Flucht, sein verwundeter Freund .. all dies ließ ihn nun rot sehen angesichts des Feindes, der sie erneut bedrohte. Mit einem wütenden Schrei stürzte er zu seinem letzten Gegner, riss das Messer aus dessen Hals und warf sich damit auf den verwundeten Soldaten. Als er ihn getötet hatte, lief er zum nächsten, dann zum nächsten, egal, ob tot oder lebendig .. ihre Gesichter verschwammen, das Stöhnen verstummte..

    Currann warf sich im Schlaf herum, aber noch ließ der Traum ihn nicht los.

    Am Rande der Felsen sah er Kiral mit gezücktem Schwert durch die zuerst von ihnen gefällten Gegner schreiten. Auch er kannte keine Gnade und vollendete, was noch nicht vollendet war. Als er fertig war, kniete er neben einem der Männer nieder, legte die Hand in dessen frische Wunde und führte sie anschließend an seine Lippen. Currann hörte, wie er mit weit in den Nacken gebogenem Kopf einige Worte in seiner Sprache rief. Ihm wurde übel. Da entdeckte Kiral ihn. Über die toten Männer hinweg bohrten sich ihre Blicke ineinander.

    Hätte Kiral jetzt noch das Herz seines Gegners herausgerissen, Currann hätte es nicht gewundert, so wild sah er aus, blutbefleckt und mit geweiteten Augen. Currann sah an sich herunter, und da ging ihm auf, dass auch er nicht anders aussah. Er ging in die Knie, bekam kaum noch Luft. Kiral lief zu ihm, sie umarmten sich, froh, sich lebend wiedergefunden zu haben.

    »Wo sind die anderen?« Currann konnte nur flüstern, sein Hals wurde immer enger.

    »Tamas geht es gut, er fängt die Pferde ein.« Kirals Gildaisch war kaum zu verstehen, so stark war sein Akzent. »Ich habe Ouray und Yemon noch nicht gesehen..« Doch da kamen sie auch schon auf sie zu. Sie fielen sich in die Arme.

    »Sinan ist verwundet«, krächzte Currann. Rasch liefen sie zu ihm, aber er war immer noch bewusstlos. Kiral überprüfte den Verband, ob er das Blut zurückhielt.

    Da ertönten hinter ihnen Hufschläge. Die Kameraden fuhren herum, aber es war nur Tamas. Erleichtert ließ er sich von dem Rücken seines Pferdes gleiten. »Ich habe sie eingefangen, alle, die noch übrig waren.«

    »Unser Hauptmann ist tot«, sagte Ouray tonlos. »Er liegt dort hinten, mit seinem alten Schwert war es aussichtslos für ihn. Es ist so beschädigt, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe.« Sie schwiegen bedrückt.

    »Was machen wir nun?« Yemon stützte sich schwer auf sein Schwert.

    Currann tauschte einen Blick mit Kiral. »Wir müssen so schnell wie möglich von hier fort, vielleicht kommen noch mehr Reiter«, sagte er.

    Kiral sah prüfend in den Himmel, der nun wieder zu sehen war. Der Staub hatte sich gelegt. »Wir müssen unsere Spuren verwischen, so gründlich, wie es nur irgendwie geht. Lasst uns alles mitnehmen, was uns nützen kann, Pferde, Proviant, Waffen, Rüstungen, auch die Kleidung .. heute Abend gibt es Regen, der wäscht das Blut und unsere Spuren fort.«

    Ouray holte tief Luft. »Dort hinten ist eine tiefe Felsspalte, es liegt viel Geröll herum. Wir legen die Toten hinein und rollen die Steine auf sie. Dann sieht man sie nicht mehr.« Auf einmal mochten sie sich nicht mehr in die Augen sehen. Sie wandten sich alle in verschiedene Richtungen und begannen, ihre Flucht zu tarnen.

    Das Bild verschwamm .. er sah das Gesicht eines toten Soldaten, sah seine Hände, wie sie ihn auszogen .. mit jedem Kleidungsstück weniger wurde sein Gegner mehr zu einem Menschen, einem Mann, einst lebendig, vielleicht mit einer Familie, irgendwo .. Er fühlte keine Regung, noch nicht .. Er nahm sich alles, was sie noch gebrauchen konnten. Dann schleifte er den Soldaten zu der Felsspalte, ließ ihn hinabgleiten .. das Bild verschwamm erneut, er hörte die Steine poltern..

    Mit einem lauten Keuchen setzte Currann sich auf. Das Poltern waren keine Steine gewesen. Es donnerte. Blitze zuckten über den Himmel, dann begann der Regen herabzuprasseln. Seine Kameraden lagen um das Feuer herum und schliefen, die Gesichter unruhig, auch sie kämpften mit ihren Träumen. Vorsichtig beugte sich Currann über Sinan und fühlte seine Stirn. Sie war heiß. Er bekam Fieber!

    Currann hörte ein Geräusch. Da sah er in einem Blitz, dass Kiral nicht schlief, sondern mit überkreuzten Beinen im Eingang der Höhle saß. Vor ihm, am Rande der Höhle, waren mehrere Stücke aus Leder aufgespannt, darunter standen alle möglichen Gefäße. Currann erhob sich und ging zu ihm. »Was machst du da?«, fragte er leise, um die anderen nicht zu wecken.

    Kiral blickte auf. Auch er hatte tiefe Ringe unter den Augen und war sichtlich erschöpft. Aber er gönnte sich keine Ruhe. »Wir brauchen Wasser, viel Wasser, für uns und die Pferde.« Er deutete auf die Trinkschläuche, die sie von den Soldaten erbeutet hatten.

    Currann war beschämt. »Du denkst viel weiter als wir alle zusammen«, sagte er und ließ sich neben Kiral nieder.

    Der Cerinn schnaubte. »Noch nie allein in der Steppe gewesen, was? Dies ist eine der Möglichkeiten, in der Steppe an Wasser zu kommen, wenn man die Wasserstellen nicht kennt. Wir haben Glück. Dieses Gewitter kam ungewöhnlich spät, es ist gewiss das letzte Mal in diesem Sommer, dass es regnet.« Er beobachtete, wie das Wasser in die Schalen lief, dann füllte er auch schon die nächste in die Schläuche ab.

    Currann half ihm. »Was denkst du, wie weit werden wir mit dem Proviant kommen?« Sie hatten zwar in der Heerschule gelernt, wie man bewegliche Heere verpflegte, aber dies hier .. Kiral wusste entschieden besser über das Leben in der Steppe bescheid als jede Theorie.

    Kiral lehnte sich erschöpft zurück. »Wir haben die Rationen von fünfzehn Mann erbeutet, es ist nur eine Tagesration. Sie haben wohl nicht damit gerechnet, lange fortzubleiben. Das reicht für drei, höchstens vier Tage. Zusammen mit dem von unseren Packpferden kommen wir eine Woche weit. Wir werden jagen müssen..« Er brach ab.

    Currann schloss seufzend die Augen. »Ich hoffe nur, dass Fürst Bajan irgendwo Unterschlupf findet.«

    »Er kennt eine Menge Leute, da wird er gewiss jemanden finden, der ihn versorgt. Mach dir keine Vorwürfe! Es ging alles so schnell, wie solltest du daran denken, ihnen eines der Packpferde mitzugeben?« Kiral wusste genau, wie es in seinem Freund aussah.

    Currann nickte, aber dennoch .. der Gedanke, dass die vier ohne Proviant in der Steppe umherirrten, schnürte ihm die Kehle zu. Und sie selbst waren weit fort von jeder Siedlung. Und nun? Wo sollten sie hin? Sie waren vogelfrei, Geächtete, und wurden mit Sicherheit schon gesucht. »Denkst du, dass sie unsere Spuren finden werden?«

    Kiral drehte den Kopf in seine Richtung. »Nach dem Regen? Nein. Wir sind mindestens fünf Stunden schnellen Rittes von den Felsen weg. Nein, das werden sie nicht.«

    Currann wollte sich mit den Händen über das Gesicht reiben, roch wieder den üblen Geruch von Blut und Kampf und ließ es bleiben. Doch dann sah er auf den Regen. Wie konnte er sich besser reinigen als damit? Er stand auf, schnürte seine Rüstung ab und stand schließlich nur noch in der Tunika da. Selbst die Stiefel und Lendenschutz zog er aus. Als Letztes nahm er den Lederbeutel mit Siris Brief ab, den er immer noch um den Hals trug. Er strich sorgsam darüber und sah erleichtert, dass er keinen Schaden genommen hatte. Er hätte es kaum ertragen, ihn von Blut befleckt zu sehen. Vorsichtig legte er ihn zu den anderen Sachen.

    Kiral richtete sich erstaunt auf. »Was hast du vor?«

    »Ich nehme ein Bad«, sagte Currann und trat hinaus in den Regen. Er ging nicht weit, nur so weit, dass der Regen von allen Seiten in voller Stärke auf ihn niederprasseln konnte.

    Currann streckte die Arme aus, legte den Kopf in den Nacken und überließ sich dem Gefühl des reinigenden Regens auf seiner Haut. Alles wusch er herunter, Schweiß, Staub und Blut, aber auch seiner Seele tat es gut. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er keine Verpflichtungen, kein Ziel, er war völlig frei zu tun und zu lassen, was er wollte. Alles, was er jetzt entschied, entschied er für sich selbst. Er war niemandem mehr verantwortlich..

    Ein Blitz zuckte über den Himmel, gleich darauf ertönte ein Donnerschlag, es war nahe, sehr nahe.

    Currann ließ die Arme sinken. Natürlich war er jemandem verantwortlich, seinen Kameraden, die ihr Leben für ihn und seine Familie aufs Spiel setzten, besonders Sinan, der dort drinnen fiebernd neben dem Feuer lag. ›Hör auf zu träumen!‹, rief er sich zur Ordnung.

    Sie mussten überleben, schon allein deswegen, weil andere für sie soviel gewagt und teilweise verloren hatte. Sie durften sie nicht enttäuschen! Voller Trauer dachte er an den Hauptmann, dem sie nicht einmal eine anständige Ruhestätte hatten geben können.

    Currann wusch sich energisch die Reste des Schmutzes herunter. Sie brauchten eine Zufluchtstätte. Bajan zu folgen und nach Temora zu gelangen, schloss er sofort aus, diese Wege würden mit Sicherheit überwacht werden, und sie kannten sich nicht aus. Der Fürst hatte bessere Aussichten, ungesehen zu entkommen, wenn sie nicht bei ihm waren oder andere auf seine Spur lenkten. Nein, es musste so fern wie möglich von Gilda sein, aber noch im Lande Morann, damit sie nicht ganz abgeschnitten waren. Ein Außenposten vielleicht..

    Currann hielt inne. Eine Erinnerung drängte sich in sein Gedächtnis. Eine Möglichkeit .. Er legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Der kalte Regen half ihm, sich trotz seiner Erschöpfung zu konzentrieren.

    Rasch verglich er die Landkarte mit ihrem jetzigen Standort und rechnete nach. Es war weit, aber sie konnten es schaffen, wenn Sinan .. energisch verbat er sich jeden Gedanken in eine andere Richtung. Er kehrte entschlossen zu Kiral zurück. »Versuchs auch mal, es tut gut. Ich mache solange weiter.«

    Kiral zögerte nicht, aber im Gegensatz zu Currann zog er sich ganz aus. Er legte seine Kleider auf das Steppengras, ließ sie dort durchweichen und stellte sich selbst in den trommelnden Regen.

    Currann blickte von seiner Tätigkeit auf, als Kiral zurückkam. Es blitzte. Trotz der Dunkelheit sah Currann die vielen Prellungen, die sein Freund davongetragen hatte. »Oh Mann, dich haben sie ja ganz schön erwischt.« Seine vielen Tätowierungen verschwanden fast darunter.

    »Du siehst auch nicht besser aus«, schnaubte Kiral und wrang seine Kleider durch. »Hast es nur noch nicht bemerkt.«

    »Kann schon sein.« Currann hatte fast alle Schläuche gefüllt. Er wartete, bis Kiral sich angezogen und wieder neben ihm niedergelassen hatte. »Das tat gut, nicht wahr?«

    Kiral brummte nur, zog seinen Beutel zu sich heran und steckte sich seine Pfeife an. »Viel Tabak habe ich nicht mehr«, meinte er und bot Currann einen Zug an. Currann lehnte dankend ab. Stattdessen holte er sein Schwert, zog es aus der Scheide und fuhr prüfend über die Klinge. Es waren einige ziemliche Unebenheiten daran, erkannte er, also hatte der saranische Schmied Bryn damals vor dem Rat die Wahrheit gesagt. Offensichtlich waren die neuen Schwerter doch nicht so haltbar, wenn sie gegeneinander eingesetzt wurden. Es waren zwar keine regelrechten Scharten, aber er würde es schleifen müssen, später, wenn sie angekommen waren. Jetzt begnügte er sich damit, es von Blut und Dreck zu reinigen und mit Bryns Öl zu behandeln. Als er fertig war, griff er sich das Nächste.

    »Ich habe mir überlegt, wo wir hingehen könnten«, sagte er nach einer Weile zu Kiral. »Da gibt es leider auch keinen Tabak.«

    Kiral hielt mit dem Wasser schöpfen inne und wandte überrascht den Kopf. »Wohin?«

    »Nach Branndar.«

    »Branndar .. Moment mal, da komm doch Siri her!« Kiral zog die Augenbrauen hoch. »Und du meinst, sie nimmt uns auf, hallo Currann, schön dich wiederzusehen..« Ihm waren die Zweifel deutlich anzuhören. Bei den Cerinn war das etwas anderes, dort hätten sie jederzeit Unterschlupf gefunden, schon allein wegen der Ehre des Stammes. Aber ein gildaisches Mädchen? Das würde Siri niemals tun, im Gegenteil, sie würde den Schreck ihres Lebens bekommen und ihre Familie vor eine unhaltbare Situation gestellt.

    Currann ahnte, was er dachte. Er war sich ja selbst der Risiken seines Planes vollauf bewusst. »Nein, hör mir zu, sie hat mir erzählt, dass es dort ein verlassenes Fort gibt und dass der Fürst von Nador sie nicht gegen die Überfälle der Goi verteidigt .. aber das hast du ja selbst mitbekommen. Wenn es in meinem Land Menschen gibt, die bereit sind, uns ohne allzu viele Fragen zu stellen aufzunehmen, dann diese. Sie brauchen dringend Leute, die sie verteidigen, und dass wir das können, haben wir heute bewiesen.«

    Kiral schwieg verblüfft und tat ein paar Züge an seiner Pfeife. »Wie weit ist es von hier?«

    »Wir können es schaffen, wenn Sinan..« Currann brach ab und steckte mit einem Ruck das eben gereinigte Schwert in die Scheide zurück.

    Kiral schüttelte den Kopf. »Selbst wenn es Sinan schlechter geht, ist er dort besser aufgehoben als hier draußen. Vielleicht haben sie sogar eine Heilerin. Du hast recht, wir müssen irgendwo Unterschlupf finden.« Er schloss erschöpft die Augen.

    Currann erkannte, dass er sich nur noch mit Mühe wachhalten konnte. »Leg dich ans Feuer, ich mache hier solange weiter.« Kiral nickte dankbar und verließ ihn. Die restliche Nacht sah Currann dem Gewitter zu, schöpfte Wasser und reinigte Schwerter für ihr Überleben und plante ihre Zukunft.

    Als der Morgen dämmerte, schrak Currann hoch. Er war eingeschlafen, mit dem Kopf auf den Knien, und ihm war kalt, seine nasse Tunika klebte an seinem Körper. Es regnete immer noch, nicht so stark wie noch in der Nacht, aber beständig. Currann erhob sich, trank durstig eine Schale voll Wasser, ließ sie wieder volllaufen, trank noch einmal. Es schmeckte gut.

    Während er trank, streifte sein Blick die Schwerter, die aufgereiht an der Höhlenwand standen. Er zählte, rechnete nach, schüttelte den Kopf. Konnte das sein? Fünfundzwanzig Schwerter hatten die Saraner an das Heer geliefert. Sechs Schwerter waren gestohlen worden, fünf an seine Kameraden gegangen. Blieben vierzehn übrig. Hier aber standen fünfzehn, seines nicht mitgerechnet. Er stützte sich mit der Hand schwer an die Höhlenwand. War der Dieb etwa unter ihren Angreifern gewesen? Er musste es gewesen sein, denn hier war definitiv eines zu viel. Nun, dann hatte er seine gerechte Strafe erhalten!

    In grimmiger Genugtuung sammelte Currann die vollen Schalen ein und trug sie hinüber ans Feuer, das nur noch glimmte. Er fühlte Sinans Stirn und war erleichtert. Das Fieber war gesunken. Rasch legte er ein paar Zweige nach, es waren die letzten. Ein weiteres Problem, das sich ihnen stellte: Es gab kaum Brennbares hier draußen in der Steppe. Wo sollten sie es hernehmen? Kiral wusste bestimmt Rat.

    Im selben Moment begann Ouray sich zu rühren. Mühsam richtete er sich auf. Sein erster Blick galt Sinan, aber nach Curranns erleichterter Miene war er beruhigt. Da wurde er gewahr, dass Currann sauber war, was ihn erst verwunderte, doch dann hörte er den Regen. »Ein guter Einfall..« Mit einem leisen Stöhnen machte er sich daran, seine Rüstung abzuschnüren. Ein Blick auf Kiral werfend, beließ er es nicht dabei, sondern zog sich ganz aus und lief hinaus.

    Currann weckte unterdessen vorsichtig Sinan auf. »Hier, trink.« Er stützte seinen Kopf und hielt ihm eine der Schalen an die aufgesprungenen Lippen. Sinan war noch völlig benommen, trank aber durstig Schluck für Schluck. Da begann er zu husten, er zuckte vor Schmerz zusammen. Es weckte ihn vollends auf, sein Blick wurde klar. Currann bettete seinen Kopf zurück. »Geht es?« Seine Stimme krächzte nicht einmal mehr, sie war nur noch ein heiseres Flüstern.

    Sinan nickte, er blickte sich um, sah die Kameraden. Currann wusste, dass er zählte, er sah es an seinem vorsichtigen Blick, in dem die Angst stand, es könnte jemand fehlen. »Wo ist Ouray?«, ächzte er denn auch sogleich.

    Currann drückte ihm beruhigend die Schulter. »Er ist draußen und wäscht sich, keine Sorge. Wir sind alle unverletzt.«

    »Das ist gut.« Sinan schloss erschöpft die Augen, trank aber weiter. Bei ihrer geflüsterten Unterhaltung wachten auch die anderen drei Kameraden auf. Ouray kam zurück, unbekleidet, die Tunika wrang er gerade aus. Er ließ sich neben Sinan nieder und hielt seine Tunika zum Trocknen ans Feuer.

    »Regnet es noch?« Tamas rieb sich über das müde Gesicht und warf einen angeekelten Blick auf seine Hände.

    »Ja, aber es wird bald aufhören. Wenn ihr euch noch waschen wollt, müsst ihr euch beeilen«, sagte Currann. Er wusste, dass das Wasser trotz des starken Regens nicht lange an der Oberfläche bleiben würde. Es würde im kargen Boden versickern und der Rest in der heißen Sonne verdunsten. Zur Mittagsstunde würde alles wieder trocken sein. Im Stillen dankte er Kiral für seine weise Voraussicht.

    Currann folgte seinen Kameraden mit den leeren Schalen nach draußen, füllte sie erneut, brachte sie zurück zu Sinan, der immer noch trank. Im Gegensatz zu ihnen allen hatte er den gestrigen Tag nichts getrunken und kam beinahe um vor Durst. Aber auch Ouray nahm dankend eine Schale von ihm entgegen. Als sein Durst gestillt war, versuchte sich Sinan aufzurichten. Sie halfen ihm und lehnten ihn an die Höhlenwand. Er sah auf seinen Arm. »Wie schlimm ist es?«

    Currann und Ouray wechselten einen schnellen Blick. »Wir müssen die Wunde auswaschen und verbinden. Fühlst du dich gut genug dafür?«, fragte Ouray.

    Sinan entging ihr Blick bei diesen recht harmlosen Worten nicht. Er wurde blass. »So schlimm?« Er fühlte kaum einen Schmerz, sein Arm war wie betäubt.

    Die beiden nickten vorsichtig. »Du könntest aber auch etwas Wasser vertragen«, versuchte Currann, seine Besorgnis zu mildern.

    »Ihr müsst mir helfen.« Sinan konnte seinen Arm nicht bewegen, aber er versuchte tapfer aufzustehen. Sie halfen ihm zum Eingang der Höhle und entkleideten ihn.

    Es war ungewohnt für Sinan, sich von seinen Kameraden waschen zu lassen, aber er spürte, dass sie dieser Dienst nach all dem Töten und Schrecken irgendwie aufrichtete. Doch dann ließ ihn ein scharfer Schmerz zusammenzucken.

    »Passt auf, es läuft Schmutz in die Wunde!«, rief Kiral, der nach den Pferden gesehen hatte und nun mit etwas Proviant zurückkam. Da sahen auch die anderen, dass der Verband völlig durchweicht war.

    »Wir waschen sie besser gleich aus«, sagte Currann. Er stützte Sinan, während Ouray den Verband abnahm. Sinan wagte einen Blick auf seinen Arm und schrak zurück.

    »Das war ein Schwert, aber du hattest Glück, es hat dich nicht richtig erwischt.« Kiral begann, die Wunde zu reinigen. Es schmerzte so sehr, dass dem geschwächten Sinan die Beine wegknickten.

    »Tragt ihn ins Trockne, macht schon.« Sie wuschen die Wunde fertig aus, Kiral strich etwas von der Paste hinein, und Ouray fertigte den neuen Verband.

    »Ich wünschte, Althea wäre hier«, sagte Currann leise, während er Sinan festhielt. »Verdammt! Warum lehren sie die Versorgung von Wunden nicht gleich im ersten Jahr?«

    »Thea..« Sinan begann sich zu rühren. War es erst gestern gewesen, dass sie von zu Hause geflohen waren, zu Hause .. in seiner Verwirrung versuchte er zu begreifen, was geschehen war. Plötzlich stürzten alle Ereignisse wieder auf ihn ein, die Erinnerungen kamen zurück. An seine Schwester .. »Oh Gott, Nel!« Er versuchte sich aufzurichten, aber die anderen hielten ihn nieder.

    Sie hatten mehr Zeit gehabt, sich in dieser Lage zurechtzufinden, Currann wusste es wohl. Er drückte beruhigend Sinans Schulter. »Es wird ihr gut gehen, sie ist stark.« Selbst in seinen Ohren klang es mehr als lahm. Er fragte sich doch selbst, wo seine Geschwister und seine Cousine jetzt waren, und flehte inständig, dass es ihnen gut ging.

    Mit all seiner verbliebenen Kraft stemmte sich Sinan gegen seinen Griff. »Mein Bruder wird sie sich vorknöpfen, ich muss zu ihr..« Es war deutlich, dass er noch nicht ganz bei Sinnen war, daher hielten sie ihn erst einmal nur fest.

    »Hör zu, du kannst nicht zurück!«, versuchte Currann ihn zu beruhigen, und als es nicht half, noch einmal: »Du – kannst – nicht – zurück!« Currann tat es in der Seele weh zu sehen, wie sein Freund sich quälte, aber sie mussten den Tatsachen ins Auge sehen. »Selbst wenn du jetzt zurückgingest, was würdest du erreichen? Sie würden dich einsperren, und dann wäre Nel trotzdem deinem Bruder ausgeliefert!«

    Sinan schloss mit einem Laut des Schmerzes die Augen, stumme Tränen liefen ihm herunter. Currann lockerte seinen Griff und ließ ihn wieder auf die Decken sinken. Er wusste, was in seinem Freund vorging, er selbst hatte es heute Nacht durchgemacht. Bald würde er sich beruhigt haben.

    »Hier, esst erst einmal was«, sagte Kiral und reichte einen Beutel herum. Stumm griffen sie zu und verzehrten ihr Frühmahl. Schließlich waren sie alle soweit gestärkt, dass sie klar denken konnten.

    Kiral ergriff als Erster das Wort. »Currann hat einen Vorschlag, wo wir hingehen können.« Die anderen hörten alle gleichzeitig auf zu kauen.

    Sogar Sinan wandte den Kopf. »Willst du denn nicht hinter Fürst Bajan her, nach Temora?«, fragte er schwach.

    »Nein, sie sind zu weit fort«, flüsterte Currann. Er räusperte sich. »Wenn wir sie suchen, bringen wir sie nur in Gefahr, denn unsere Gegner werden gewiss die Grenze überwachen. Nein, ich denke an etwas anderes. Tamas, was weißt du über Branndar?«

    »Branndar?« Tamas verschluckte sich. »Das ist ja im hinterletzten..«

    Currann hob die Hand. »Ich weiß, aber was weißt du über die Leute dort? Was wird am Hof deines Vaters über sie erzählt?«

    Tamas runzelte die Stirn und versuchte das Wenige in seinem Gedächtnis zusammenzukramen, was er über diese Siedlung wusste: »Nun, es gibt dort eine Kupfer- und Zinnmine, aber sie ist schon lange stillgelegt. Auch das Fort ist seitdem nicht mehr besetzt. Ich habe mitbekommen, dass Vaters Steuereintreiber sehr erbost über die Leute dort ist. Er verdächtigt sie, ihre wahren Einnahmen zu verbergen, um nichts an ihn zahlen zu müssen. Jahr für Jahr kommt er mit leeren Schatullen von der weiten Reise dorthin zurück. Er hat Vater dazu gebracht, das Hilfeersuchen abzulehnen, als die Goi Überfälle begannen.«

    »Ist dem so?«, fragte Currann gefährlich ruhig. Siri war dort, sie musste darunter leiden.

    Tamas hob die Hände. Er war sich selbst des Fehlverhaltens seines Vaters bewusst. »Ich weiß, dass es seine Pflicht wäre, diese Menschen zu verteidigen. Stattdessen hat er sie aufgefordert, sich woanders in Nador niederzulassen, wo es Schutz und Arbeit gibt, aber sie weigern sich. Er nannte sie stur.«

    Currann wollte zu einer scharfen Erwiderung ansetzten, aber Ouray legte ihm eine Hand auf den Arm. »Was denkst du über diese Menschen?«, fragte er. Es war nicht recht, wenn Currann Tamas für das Fehlverhalten seines Vaters anging.

    »Ich vermute, dass die Menschen dort wirklich so arm sind, dass sie keine Steuern entrichten können. Aber um das zu beurteilen, werde ich mir selbst ein Bild machen müssen. Wenn ich recht habe, werden sie alle Hilfe brauchen, die wir ihnen geben können.«

    »Verzeih«, bat Currann.

    Tamas winkte ab. »Ich weiß, dass mein Vater sich nicht so verhält, wie es sein Lehnseid erfordert.«

    »Glaubst du, dass sie uns aufnehmen werden, ohne allzu viele Fragen zu stellen? Wird dich dort jemand erkennen?«, fragte Kiral.

    Tamas schüttelte den Kopf. »Nein, ich kenne niemanden aus Branndar, bis auf«, ein schiefes Lächeln huschte über sein erschöpftes Gesicht, »bis auf Siri.« Currann wurde rot, und sie begannen zu glucksen.

    »Da wird sie aber schön schauen!«, grinste Yemon. Sie brachen in Gelächter aus, selbst Sinan, obwohl es ihm Schmerzen bereitete. Sie hatten ein Ziel, endlich. Es tat gut, so gut, wieder zu lachen.

    Doch Kiral dachte wieder einmal schon weiter. »Wenn die Menschen dort wirklich so arm sind, können sie uns gewiss nicht durchfüttern, schon gar nicht mit den vielen Tieren. Wir müssen selbst für uns sorgen, auch über den langen Winter.«

    Ratlos sahen sie ihn an. »Was können wir denn tun?«, sprach Yemon schließlich aus, was sie sich alle fragten.

    »Wir nehmen mit, was wir unterwegs finden«, sagte Kiral. Die anderen sahen ihn immer noch verständnislos an.

    »Ja, aber was willst du denn unterwegs finden?«, fragte Yemon mit einem ratlosen Blick hinter sich in die weite, kahle Steppe.

    Kiral rollte die Augen zur Decke der Höhle. »Ihr seid wirklich die verwöhnten Söhne reicher Städter! Na was schon, Vorräte natürlich. Wir jagen, trocknen das Fleisch..«

    »Moment mal, du willst unsere wenigen, kostbaren Pfeile dafür nehmen? Was, wenn sie kaputt gehen und wir angegriffen werden? Was ist dann?«, rief Tamas.

    Der Cerinn schnaubte. »Doch nicht mit Pfeil und Bogen! Habt ihr keine Schleuder dabei? Damit kann man manch Getier viel besser erlegen.«

    Die anderen starrten sich ungläubig an. »Aber, das ist doch etwas für kleine Jungen!«, brach es aus Yemon hervor, der nun, ganz der verwöhnte Fürstensohn, ehrlich entrüstet schien.

    »Ach?« Kirals Augen wurden schmal, als er nach seinem Bündel angelte und eine einfache Schleuder daraus hervorzog.

    Sinan begann zu lächeln. »Die haben sie dir offensichtlich nicht abgenommen«, sagte er, als er die fremdartigen Verzierungen sah.

    »Nein, haben sie nicht. Es ist ja keine Waffe in dem Sinne für einen Mann, da gebe ich euch recht, aber sie hat mir auf dem Weg nach Gilda so manches Nachtmahl beschert.« Kiral zuckte mit den Schultern und steckte sie wieder fort.

    »Na ja, ich will ja nichts sagen, aber..« Ouray holte halb verlegen ebenfalls eine Schleuder aus seinem Bündel. »Lieb gewonnene Dinge lässt man nicht so einfach zurück.« Er reichte sie an Tamas weiter, der ihn mit offenem Mund anstarrte. »Hast du denn keine besessen?«

    Tamas schüttelte sich verwundert. »Doch, aber die habe ich schon seit Jahren nicht mehr benutzt. Wir jagen wirklich nur mit dem Bogen.«

    »Nun, wir benutzen sie häufig, zum Erlegen der vielen Erdbewohner, die unsere Weiden unterhöhlen. Damit geht es am besten. Was ist mit dir, Currann?«

    Currann hob die Hände. »Ich habe nie eine besessen. Es war uns nicht erlaubt zu jagen, ihr wisst doch, mein Onkel ist dabei ums Leben gekommen..« Sie erinnerten sich und nickten verständnisvoll. »Dann wird es ja Zeit, dass ich es lerne«, sagte er, nahm Tamas die Schleuder ab und drehte sie interessiert in den Händen.

    »Du wirst ausreichend Gelegenheit dazu haben, wenn wir satt werden wollen«, sagte Kiral und sprang auf, »aber das wird nicht reichen. Wir werden mehr brauchen. Es gibt Beeren, Kräuter, Wurzeln und, wenn wir Glück haben, wildes Getreide in ein paar Wochen .. ich werde es euch schon noch beibringen, auch wie ihr das alles haltbar macht. Los, hoch mit euch, ihr faulen Söhne! Lasst uns sehen, dass wir hier wegkommen.«

    »Also seid ihr einverstanden..« Currann konnte es noch gar nicht fassen.

    »Haben wir

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