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Andran und Sanara: Die Zwei die Eins sein müssen
Andran und Sanara: Die Zwei die Eins sein müssen
Andran und Sanara: Die Zwei die Eins sein müssen
eBook1.312 Seiten18 Stunden

Andran und Sanara: Die Zwei die Eins sein müssen

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Über dieses E-Book

In der fernen exotischen Stadt Kushtur, beginnt das Böse tief unter der Stadt der Magier zu erwachen. Während es noch Zeit braucht seine Kräfte zu sammeln, werden im Darkanischen Herrschaftsbereich Zwillinge geboren, die sowohl königliches als auch göttliches Blut in sich vereinen. Doch durch widrige Umstände, gepaart mit dem Willen der Götter, werden die beiden von Geburt an getrennt. Während Sanara in der Obhut ihres Großvaters zu einer mächtigen Kriegszauberin heranwächst, wird ihr Zwillingsbruder Andran im Wald der Götter von einem Amazonenstamm großgezogen. Hier entwickelt er sich zu einem edlen und starken Krieger, der in der Lage ist mit sämtlichen Tieren zu kommunizieren. Das Schicksal hingegen, dass stark von den Göttern geprägt wird, trägt dafür Sorge, dass sich die Geschwister erstmals im Erwachsenenalter als die Heerführer zweier verfeindeter Armeen gegenüberstehen. Doch nur "Die Zwei die Eins sind", sind dazu fähig dem Bösen erfolgreich entgegen zu treten.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum14. Jan. 2020
ISBN9783750220812
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    Buchvorschau

    Andran und Sanara - Sven Gradert

    Glossar

    chapter1Image1.jpeg

    Götter

    Aktanan: Gott des Meeres

    Astorius: Gott des Lebens, mächtigster aller Götter

    Audris: Göttin der Jagd

    Boron: Hauptgottheit der Barbaren

    Fierian: Gott des Feuers

    Mirna: Göttin der Gerechtigkeit

    Morna: Halbgöttin, Tochter von Mirna und Vitras

    Soliande: Göttin der Liebe

    Sorelius: Gott der Zwietracht

    Sortus: Gott der Schmiedekunst

    Tantras: Gott des Krieges

    Dämonen

    ES: Einst der Gott des Todes. Wandte sich gegen Astorius und führte später die Heerscharen der Dämonen gegen die Götter des Singariums an.

    Altane: Der wahre Name Sulas, bevor diese den Namen einer toten Sklavin annahm.

    Antarax: Schwester von ES, deren Macht inzwischen die ihres Bruders bei weitem übersteigt.

    Cyrillen: Riesige, muskulöse Reptilien mit zwei Krokodil ähnlichen Köpfen.

    Doronen: Hunde ähnlich aussehende Wesen, die in großen Rudeln durch die Unterwelt streifen.

    Gorian: Wächter der Finsternis und Vertrauter von Antarax.

    Sarkaden: Geflügelte Monster mit mörderischen Klauen und Reißzähnen

    Seriden: Echsenartige Dämonen, die als Legionäre das Rückgrat der dämonischen Heere bilden.

    Sula: Jüngere Schwester von ES und Antarax. Kehrt der Dämonenwelt den Rücken.

    Zorianus: Angehöriger des Rates der Wächter.

    Personen

    Aenlin: Mündel von Godvere Garien, nachdem diese von Sanara gerettet wurde.

    Alteres Delvoran: Älterer Bruder von Devon Delvoran, dem Schatten.

    Andran: Zwillingsbruder von Sanara. Besitzt die Fähigkeit mit Tieren zu kommunizieren.

    Der Grobe Johann: Bulliger Wirt der Taverne Zur lachenden Meerjungfrau in Darkan.

    Der Schatten: Ein Meisterdieb der in der gesamten Bekannten Welt gefürchtet ist.

    Devon Delvoran: Bürgerlicher Name des Schattens

    Dilder: Treuer Diener am Hofe Godvere Gariens

    Dormus der Schreckliche: Ein ehemaliger Herrscher des Darkanischen Reiches.

    Dubald: Ein Darkanischer Fürst, der Schuld am Ausbruch des Krieges mit den Amazonen trägt.

    Durien: Eine Kriegszauberin und Hexe. Verbannte einen Teil von Haruns Seele in einen Edelstein.

    Elze: Hebamme von Andran und Sanara. Mutterersatz für Andran.

    Firsa: Eine der Amazonen, die gemeinsam mit Zara Andran als Säugling zu ihrem Stamm brachte.

    Fürst Ingalf: Fürst von Durenald und enger Freund von Vitras.

    Fürst Derbalt: Fürst von Darnald. Befehligt die Truppen des Hochlandbundes.

    Fürst Rahgen: Regent des Fürstentums Gorien.

    Fürstin Eldar: Ehefrau von Fürst Ingalf und Mutterersatz für Sanara.

    General Sangval: Als Oberster Heerführer der Darkanier, ist Sangval nur dem Herrscher unterstellt

    General Tergold: Der Vorgänger von General Sangval.

    General Kurz: Befehlshaber der Truppen Dirans, bis er von Vitras zum Regenten ernannt wird.

    Gil Guillaume: Aus Kushtur stammender Zauberer und Freund von Vitras.

    Godvere Garien: Der Herrscher des Darkanischen Reiches und Vater von Andran und Sanara.

    Gulinor: König der Barbaren. Engster Vertrauter von Andran und Manith.

    Handevar: Händler in Dormal.

    Harkan der Starke: Vater von Gulinor.

    Harun Ar Sabah: Herrscher von Kushtur, Kriegszauberer und Todfeind von Vitras.

    Hauptmann Levere: Vertrauter Sanaras und Intimfeind von Devon Delvoran.

    Hegren: Tochter von Handevar.

    Igren: Königin eines weiteren Amazonenstammes im Schwarzen Wald.

    Lord Reichel: Einst der Berater von Godvere Garien. An der Entführung der Zwillinge beteiligt.

    Mai: Eine Kriegszauberin, die das Leben von Sanara für immer prägt und sich später selbst opfert.

    Manith: Eine Amazone. Wächst gemeinsam mit Andran auf und wird zu seiner großen Liebe.

    Meister Baldaar: Ein Magier, der im Auftrag Harun Ar Sabahs die Entführung der Zwillinge plante

    Meister Brehm: Ein für tot gehaltener Magier. Er bildete Mai aus und hintergeht Vitras.

    Meister Derund: Anführer des Widerstandes in Kushtur. Letztes lebendes Mitglied des Rates.

    Minister Ranford: Darkanischer Beamter.

    Mordula: Wortführerin des heiligen Mediums in Talmir.

    Oberster Zwick: Der Anführer der Zwicks.

    Sessejah: Ein mächtiger Magier und Heerführer aus der Unbekannten Welt.

    Sossejum: Einer der sechs Hohepriester der Unbekannten Welt. Lehrmeister von Sessejah.

    Regant: Sohn des Fürsten Derbalt.

    Rendiger: Ein weiterer Darkanischer Fürst, der Schuld am Krieg mit den Amazonen trägt.

    Rowena: Königin des größten Amazonenstammes im Schwarzen Wald. Mutter von Manith.

    Sanara: Andran's Zwillingsschwester. Wird von ihrem Großvater zur Kriegszauberin ausgebildet.

    Santer: Ein Rudelführer der Blutwölfe

    Scarylia: Eine mächtige Hexe die im verfluchten Wald lebt und die Menschen verabscheut.

    Skerskit: Ein Hauptmann der Barbaren.

    Suurien: Mitglied der Diebesgilde in Kushtur. Arbeitet im Verborgenen gegen Harun Ar Sabah.

    Talra: Einzige überlebende Amazone, von denen die auszogen um gegen ES zu kämpfen.

    Tegar: Königin eines kleineren Amazonenstammes, der mit Rowena's Stamm stets im Zwist liegt.

    Torgalf: Ein Cousin von Gulinor, der versucht den Thron der Barbaren an sich zu reißen.

    Trotzgrutz: Legendärer Zwergenkönig aus der Unbekannten Welt. Wird von Scarylia beschützt.

    Vitras: Mächtigster Kriegszauberer seiner Zeit. Großvater von Andran und Sanara.

    Zara: Eine kräftige Amazone, die einst als Offizierin in Kushtur diente, bis sie dort in Ungnade fiel.

    Zeron de Megon: Ein ehemaliger Meisterdieb, Ziehvater und Lehrmeister des Schattens.

    Tiere und sonstige Wesen

    Audris: Eine prächtige Stute die von den Göttern erst zu Vitras, später zu Sanara geschickt wird. Vitras gab dem Pferd den Namen der Göttin der Jagd.

    Bayard: Andran's Pferd

    Die Zwicks: Ein magisch begabtes, unterirdisch lebendes Volk von kleinen Wichteln.

    Filou: Ein äußerst eigenwilliges Frettchen

    Murlog: Eine mordlüsterne Kreatur, die am Rande des Drom Gebirges hauste.

    Oisis: Ein Waldgeist

    Rotauge: Eine gewaltige weiße Wölfin die Andran mit ihrem Leben beschützt.

    Windgeister: Herrscher der Winde. Geraten immer wieder zwischen die Fronten der Götter und Dämonen.

    Ortschaften und Reiche

    Das Singarium: Der Sitz der Götter

    Das Große Sanktrum: Totenreich und Aufenthaltsort der Dämonen

    Darkanisches Reich: Das mächtigste Reich der Bekannten Welt

    Darkan: Hauptstadt des Darkanischen Reiches

    Der Verfluchte Wald: Nördlich des Hoch Gebirges gelegen und Heimstätte der Hexe Scarylia.

    Der Schwarze Wald: Auch Wald der Götter genannt. Ein Ort, an dem Magie wirkungslos ist.

    Die Weiße Düne: Ein Gasthof in Kushtur.

    Diran: Südlich gelegene Handelsstadt. Die Erlebnisse in Diran prägen Sanara für immer.

    Darnald: Das südlichst gelegene Fürstentum des Hochlandbundes.

    Dormal: Kleines Grenzstädtchen zwischen dem Darkanischen Reich und dem Hochlandbund.

    Dornhagen: Hauptstadt der Barbarenvölker.

    Doronische Wälder: Grenze zwischen dem Hochlandbund und dem Darkanischem Reich. Jahrelanges Exil von Vitras.

    Drom Gebirge: Ein Gebirge, dass den Schwarzen Wald von den Gebieten der Barbaren trennt.

    Fürstentum Durenald: Sanara betrachtet Durenald als ihre Heimat, da sie hier aufwuchs.

    Gillische Wälder: Südlichstes Gebiet des Hochlandbundes.

    Gorien: Das jüngste Mitglied und nördlichst gelegene Fürstentum des Hochlandbundes.

    Haktur: Ein breiter Strom der Kushtur mit dem Meer verbindet.

    Hochlandbund: Militärischer und wirtschaftlicher Zusammenschluss mehrerer Fürstentümer.

    Kushtur: Wüstenstadt, erbaut um den Palast der Magier. Heimstätte der Kriegszauberer.

    Prem: Ein legendärer Stadtstaat.

    Keldan: Tief im Süden liegende Hafenstadt, am Weiten Meer.

    Talmir: Größte Tempelstadt der Unbekannten Welt.

    Tronhall Gebirge: Gebirge in der Unbekannten Welt. Weist zwei Gebirgsspitzen auf, die von weitem wie Drachenköpfe aussehen.

    Ulbian: Hauptstadt des Königreiches Ulrun, auf der gleichnamigen Insel.

    Ulrun: Größte Insel im Weiten Meer, Teil der Bekannten Welt.

    Weites Meer: Ein Ozean, der aufgrund seiner unberechenbaren Strömungen und Strudel eine unüberwindbare Grenze zwischen den beiden Welten darstellt.

    Wüste der Tränen: Eine endlose Wüste die eine weitere unüberwindbare Grenze zwischen der bekannten und der unbekannten Welt darstellt.

    Gruppierungen

    Blutwölfe: Gefürchtete Eliteeinheit der Darkanier

    Rudelführer: Offiziersrang der Blutwölfe

    Drachenbataillon: Eliteeinheit der Truppen Kushturs

    Heiliges Medium: Ein Zirkel alter Frauen mit seherischen Gaben, in der Unbekannten Welt.

    Rosenbund: Von Meister Brehm gegründeter Geheimbund, der für Harun Ar Sabah arbeitet.

    Schwarzes Bataillon: Eliteeinheit der Streitmacht Talmirs

    Wandler: Magier aus der Unbekannten Welt, die in der Lage sind jede nur erdenkliche

    Erscheinungsform anzunehmen.

    Sonstiges

    Magischer Runenstein: Ein unscheinbarer runder Stein, der die Magie und sämtliches Wissen der Zwerge beherbergt.

    Schwarze Perle von Agenta: Ein kostbares Juwel, dass der Schatten aus dem Palast Darkans stahl.

    Träne Duriens: Ein Smaragd in den Durien einen Teil der Seele Harun Ar Sabahs verbannte.

    Zwillingsschwerter von Asylya: Vom Gott Sortus geschmiedete Schwerter, die denjenigen, der beide Schwerter gleichzeitig führt, vor jedweder Magie schützt.

    Kapitel 1 1.1. Vitras

    Die Wärme versprechenden Lichter des Dorfes Dormal kamen rasch näher, während sich der Himmel nicht nur wegen der einbrechenden Dämmerung mehr und mehr verfinsterte. Eine schwere schwarze Wolkenwand wälzte sich bedrohlich vorwärts und tat ihr Übriges, um die Reste des Tageslichtes zu vertreiben. Dabei nahm der Wind rasant an Stärke zu. Vitras zog kurz an den Riemen um das kräftige Lastpferd, das vor seinen kleinen Karren gespannt war, zum Halten zu bringen. Mit einem erfahrenen Handgriff spannte er die Radsperre fest, sprang vom Wagen herunter und überprüfte die Ladefläche. Die Plane, die er über die Pelze gespannt hatte, saß jedoch fest und flatterte lediglich am Ende des Karrens, wo sie ein wenig überstand. Der Wind nahm beständig an Heftigkeit zu, wobei er wie eine Furie am Umhang des kräftigen Mannes riss. Als Vitras sich wieder auf den Sitzbock begab, fielen bereits die ersten Tropfen vom Himmel. Das noch ferne Donnergrollen wurde bereits von heftigen Blitzen begleitet, die die Landschaft um ihn herum in ein unwirkliches Licht tauchten. Der Wind fegte Vitras die Kapuze vom Kopf und offenbarte seinen kahl rasierten Schädel mit den mystischen Tattoos, als scharfe Krallen über seinen rechten Handrücken fuhren. Zärtlich griff Vitras nach Filou, dem kleinen Frettchen, dass er großgezogen hatte, und half ihm behutsam in die weite Innentasche seines Umhangs zu klettern.

    „Wir haben es nicht mehr weit mein Freund." Versuchte er den Nager zu beruhigen, der sich unter anderem durch seine Furcht vor Gewittern auszeichnete. Vitras drückte Filou liebevoll an sich, um seinen kleinen Gefährten die Angst zu nehmen, als erneut ein schweres Donnern erklang. Das Pferd setzte sich wieder in Bewegung. Mit einem sanften Ruck rollte der Karren an und Vitras dankte im stillen den Göttern für das kräftige und kluge Tier, das keinerlei Schwierigkeiten hatte, der schmalen, morastigen Spur der Straße, trotz der hereinbrechenden Dunkelheit, zu folgen. Abermals dachte Vitras über sein Einsiedlerleben der vergangenen zwanzig Jahre nach, während das Dorf immer näherkam. Zweimal im Jahr zog es ihn von seiner selbst erbauten Blockhütte in den Doronischen Wäldern nach Dormal, um seine Felle zu verkaufen. Von dem Erlös deckte er sich mit allerlei Waren, wie Werkzeugen, Salz, seinem geliebten Pfeifentabak, aber auch mit dem einem oder anderem Krug Wein, ein. Dormal lag direkt zwischen den Doronischen Wäldern, die zum Hochlandbund gehörten, sowie der Grenze des wohl mächtigsten Reiches der bekannten Welt, dem Darkanischen Reich. Aufgrund dieser geographischen Lage hatte sich Dormal schon fast zu einem kleinen Städtchen entwickelt, in dem der Handel blühte. Doch auch Abenteurer, Söldner, Diebe, Tagelöhner sowie wenig vertrauensvolle Händler wurden von diesem Ort magisch angezogen. Die meisten Einwohner nahmen Vitras kaum zur Kenntnis. Er galt als verschrobener, harmloser Irrer, der irgendwo in den Wäldern hauste und sich ein paar Gold und Silbermünzen mit dem Verkauf seiner Felle verdiente. Diese gerieten allerdings schnell zu den begehrtesten Tierhäuten in der gesamten Gegend, da sie niemals Löcher von Pfeilen oder Risse irgendwelcher Fallen aufwiesen. Seine Felle waren diejenigen, die sich am besten verarbeiten ließen. Da Vitras in seinem Exil stets jegliche Art von Aufsehen unbedingt vermeiden wollte, war ihm dies schon fast zu viel an Aufmerksamkeit. Doch er beließ es dabei. Solange er keine Magie anwendete und sich dadurch nicht mit seiner magischen Signatur verraten konnte, würden seine Feinde ihn niemals finden. Selbst sein Name war hier niemandem bekannt. Für alle war er Bernard. Der alte, wunderliche Bernard. Sein Aussehen ließ ihn, trotz seiner körperlichen Größe und Kraft, wie einen Mitsechziger erscheinen. Dass er inzwischen mehr als doppelt so alt war, konnte niemand auch nur erahnen. Vitras trug einfache gegerbte Lederkleidung, wie sie unter Waldläufern üblich war. Dazu feste Stiefel und einen weiten Kapuzenumhang. Sein vom Wetter gezeichnetes Gesicht war mit einem kurzen schwarzen Bart, an dem seitlich zwei feine weiße silberne Strähnen entlangliefen, sowie einem Schnauzer versehen. Der kahle Schädel war an den Seiten mit kleinen schwarzen Runen tätowiert. Vom Stirnansatz bis zum Hinterkopf verlief eine gezackte tätowierte Linie, die in der Mitte von einem Kreis mit Blitzen unterbrochen wurde. Als Waffe führte Vitras lediglich einen Langstab mit, wenn er nach Dormal unterwegs war. Da er schon in frühester Jugend im Umgang mit allen möglichen Waffen bis hin zur Perfektion ausgebildet wurde, war dieser Stab in seinen Händen eine absolut tödliche Waffe.

    Das Unwetter hatte inzwischen einen seiner Höhepunkte erreicht, als Vitras endlich Dormal erreichte. Das Pferd hielt sofort zielstrebig auf die Stallung der Familie Angwar zu. Zern, der älteste Sohn des alten Angwar, war fluchend damit beschäftigt einen losen Fensterladen zu befestigen, als er Bernard mit seinem Karren kommen sah. Augenblicklich ließ er von seiner Arbeit ab und rannte zum Tor des Stalls, um es für den alten Mann zu öffnen. Dankbar winkte Vitras ihm zu und lenkte den Karren ins trockene, während Zern das Tor hinter ihm wieder schloss und sich seines klitschnassen Mantels entledigte.

    „Du hast dir ja ein tolles Wetter ausgesucht Bernard," witzelte Zern, während er auch schon daranging, das Pferd vom Karren zu lösen, um es anschließend in eine der leerstehenden Boxen zu führen und zu versorgen. Anstatt zu antworten grummelte Vitras nur etwas Unverständliches vor sich hin und warf dem schmächtigen Burschen ein Silberstück zu, der dieses geschickt auffing.

    „Du bist heute mal wieder nicht besonders gesprächig – was Bernard? Aber wann bist du das schon mal."

    Erstaunt schaute der Bursche zu, wie Vitras vom Karren sprang und ihn mühelos, mitsamt seiner Ladung in die leerstehende Ecke, rechts vom Tor schob. Dabei hüpfte Filou aus der Manteltasche und kletterte auf die Schultern seines Herrn. Zern schüttelte leicht mit seinem Kopf. Dann beschloss er, den alten Sonderling zu warnen. Immerhin kannte er ihn seit Jahren. Zudem war Bernard ein anständiger Kerl. Offensichtlich verrückt aber anständig.

    „Du solltest dieses Mal darauf verzichten, in einem der Gasthöfe einzukehren."

    Vitras, der gerade dabei war die Plane zurückzuschlagen und einen Ballen von Fellen vom Karren zu hieven, warf dem Jungen einen erstaunten Blick zu.

    „Wieso?" Brummte er verstimmt. Ganz so wie man es vom alten Bernard gewohnt war.

    „Vor zwei Tagen sind hier ein paar richtig üble Burschen aufgetaucht, antwortete ihm Zern, der nun dabei war das Pferd mit Futter zu versorgen. „Sie werden von einem rothaarigen Kerl angeführt, der vorgibt Händler zu sein. Tatsächlich scheinen seine Geschäfte darin zu bestehen, den Bürgern und ansässigen Händlern, seine Bedingungen mit dem Schwert zu diktieren. Seine Männer bevölkern beide Gasthöfe. Mit jemandem wie dir werden sie bestimmt ihre Späße treiben wollen.

    „Mit jemandem wie mir?" antwortete Vitras fragend, wobei sich seine Augenbrauen leicht anhoben.

    „Na du weißt schon, meinte Zern und vollführte dabei eine bezeichnende Geste mit der Hand vor seiner Stirn: „Mit jemandem der etwas wirr im Kopf ist. Eben mit jemandem wie dir Bernard.

    „Manche Dinge werden sich wohl nie ändern!" Stöhnte Vitras, während er sich einen Schwung größerer Felle, die in eine seperate Plane gewickelt waren, über den Rücken warf. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren griff er nach seinem Langstab, nickte Zern noch einmal zu und trat aus dem Tor der Stallung heraus ins Unwetter. Mit schnellen Schritten begab er sich zum Gebäude des Händlers Handevar, während der Regen ihm erneut ins Gesicht klatschte. Handevar verlor vor einigen Jahren seine Frau am Fieber und führte sein Geschäft nun mit seiner Tochter Hegren. Handevar und Hegren waren die einzigen Menschen in Dormal, die Vitras stets mit Respekt und Freundlichkeit begegneten. Die einzigen Menschen an denen ihm hier wirklich etwas lag. Zudem hatte Handevar nie versucht, ihn zu übervorteilen. Er zahlte ihm immer einen angemessenen Preis für seine Felle. Als Vitras sich dem Haus der beiden näherte, beschlich ihn zum ersten Mal seit langer Zeit das Gefühl einer eisigen Kälte, die durch seinen ganzen Körper fuhr. Ein Gefühl, das ihn vor Gefahren warnte und ihm schon unzählige Male das Leben rettete. Rasch näherte er sich dem Haus und nahm den Lärm von zersplitterndem Glas und umstürzendem Mobiliar wahr. Lautes unverhohlenes Gelächter mehrerer Männer, das gehässig klang, sowie die dumpfen Schmerzenslaute eines Mannes. Dann das Schreien einer jungen Frau. Hegren! Im Laufschritt hielt Vitras auf das Haus zu wobei er seinen Langstab so fest gepackt hielt, dass die Knöchel seiner Hand die ihn hielten, weiß hervortraten. Mit einem Satz sprang er auf die Veranda und stieß die Tür mit einem kräftigen Tritt auf. Als nächstes warf er das Bündel mit den Fellen zu Boden, hielt seinen Stab mit beiden Händen fest gepackt und nahm die Szenerie, die sich ihm bot, auf. Zwei Männer hielten Handevar fest, während ein dritter auf ihn einschlug. Das Gesicht des Händlers war blutig geschlagen und wies jetzt schon starke Prellungen auf. Ein weiterer Kerl hielt Hegren, die sich heftig wehrte, fest von hinten gepackt, während ein anderer versuchte ihr das Kleid herunter zu reißen. Auf der Theke des Geschäftes saß ein dicker rothaariger Mann, der offenbar größtes Vergnügen an dem gesamten Spektakel zu Tage legte. Für einen Moment schienen alle wie erstarrt und blickten erschrocken zu Vitras.

    „Verschwinde Bernard, röchelte Handevar unter Schmerzen: „Du kannst uns nicht helfen.

    Der Schläger verabreichte dem Händler sofort einen Schlag in den Magen und wandte sich dann Vitras zu.

    „Bring dem Kerl bei, dass man gefälligst anzuklopfen hat!" befahl ihm der Rothaarige grinsend. Der grobschlächtige Kerl lachte, wobei er seine verrotteten Zähne entblößte. Dann ließ er von Hegren ab, zog sein Schwert und schritt bedrohlich, aber vorsichtig, auf Vitras zu.

    „Und erkläre ihm bitte auch recht deutlich, forderte der Anführer ihn mit einer lächerlich piepsenden Stimme auf: „Was es für Konsequenzen hat, mich bei meinen Geschäften zu stören!

    Blitzschnell wirbelte Vitras den Kampfstab über seinen Kopf. Mit diesem Schwung ließ er das eine Ende des Stabes mit voller Wucht auf den Kopf des Schlägers nieder und zertrümmerte dessen Schädel mit einem grauenvollen Knacken. Das Schwert des Mannes fiel augenblicklich klirrend auf die Dielen, bevor er selbst tot zu Boden ging. Kreischend rollte sich der Rothaarige über den Verkaufstresen, um sich dahinter in Sicherheit zu bringen.

    „Bringt sie um! schrie er mit panischer Stimme: „Bringt diesen Bastard und die anderen beiden um!

    Vitras biss sich vor Wut und Hilflosigkeit auf die Unterlippe. Es war unmöglich Hegren und ihren Vater gemeinsam retten, ohne Magie anzuwenden. Inzwischen hatten die Männer des Rothaarigen allesamt ihre Waffen gezückt und waren im Begriff, auf Handevar und seine Tochter einzustechen, bevor sie sich Vitras zuwenden würden.

    „Die Götter mögen mir beistehen!" Die Worte kamen eher wie ein Fluch, denn einer Bitte von seinen Lippen. Die Luft um Vitras herum begann leicht zu flimmern. Mit der linken Hand ließ er den Stab los und vollführte eine Geste, woraufhin der Bandit, der Hegren gepackt hielt, mit brachialer Gewalt an die Wand geschleudert wurde. Der Kerl vor ihr riss die Augen für den Bruchteil eines Wimpernschlages ungläubig auf, als auch schon sein Genick brach. Aus einem Augenwinkel nahm Vitras wahr, wie die anderen beiden Schläger, den Händler losließen und sich mit ihren Schwertern auf ihn stürzten. Nun benötigte Vitras keine Magie mehr. Fassungslos nahm Handevar wahr, wie der harmlose wirre Bernard den Kampfstab kreisen ließ und seine Gegner erbarmungslos erschlug. Hegren bewegte sich vorsichtig zu ihrem Vater, um ihm dann weinend zu umarmen.

    „Sind sie tot?" Ließ sich plötzlich eine unsichere quietschende Stimme hinter dem Tresen vernehmen.

    „Ja sind sie!" Antwortete Vitras und verstellte dabei seinen Tonfall.

    Schnell fasste sich die Stimme:

    „Dieses verdammte Pack. Ich werde..."

    Augenblicklich versagte dem Rothaarigen die Stimme, als er hinter dem Tresen hervorkam und Vitras vor sich stehen sah. Zitternd hob er die Hände schützend vor sich. Der Mann bebte vor Angst am ganzen Körper, als er die Leichen seiner Männer erblickte. Dass ausgerechnet ein derart schmieriger Feigling, ihn dazu brachte Magie anzuwenden, sich mit seiner einzigartigen magischen Signatur zu verraten, versetzte den Zauberer in unbändige Wut.

    „Es interessiert mich weder wer du bist, noch wie du heißt. brachte Vitras mit einer gefährlich klingenden monotonen Stimme hervor: „Ich will nur wissen wie viele Tagelöhner für dich arbeiten und wo sie sich aufhalten?

    „Drei, drei... dreiunddreißig," stotterte der Anführer der Bande.

    „Ich habe allen erlaubt, heute Abend mal richtig einen drauf zu machen. Sie werden sich in den Gasthäusern vergnügen. Wir wollten hier doch nur..." Weiter kam er nicht. Vitras schlug ihn mit seinem Stab bewusstlos woraufhin der Rothaarige Anführer der Bande, wie ein nasser Sack zu Boden ging. Dann wandte er sich Handevar und seiner Tochter zu, die ihn wie ein Fabeltier anstarrten.

    „Bernard, brachte der Händler stotternd hervor: „Wie... wie ist das möglich?

    Vitras lächelte beide erleichtert an. Sie waren am Leben. Hegren nahezu unverletzt und Handevar würde sich schnell wieder erholen. Vitras beobachtete, wie Hegren mittlerweile das Gesicht ihres Vaters vorsichtig mit einem feuchten Tuch abtupfte. Es gab keinen Grund mehr für Geheimnisse. Durch das Anwenden von Magie hatte er sich verraten. Die Götter wussten nun, wo er zu finden wahr. Was Harun Ar Sabah anbelangte... da konnte er nur raten.

    „Mein Name lautet nicht Bernard - sondern Vitras!" Brachte er schließlich kühl hervor. Hegren blickte zu ihm empor und schenkte ihm einen dankbaren Blick:

    „Es ist uns völlig egal wer du bist. Wir werden dir ewig dankbar sein und dein Geheimnis bewahren."

    Vitras musste für einen Moment gequält auflachen: „Dieses Geheimnis ist keines mehr Hegren." Er blickte zu der Regalwand gegenüber des Verkaufstresens, welche sich vom Boden bis zur Decke, die gesamte Wand entlang zog. Schnell fanden seine Augen was er suchte. Ein Seil erhob sich und schwebte der Länge nach durch den Raum, hin zum bewusstlosen Rothaarigen. Sofort begann es sich mehrmals unter den reglosen Körper zu ziehen, sich um seine Arme und Beine zu wickeln, bis er fest verschnürt war. Handevar genau wie seine Tochter blickten erneut fassungslos zu dem Mann, den sie bisher nur als den harmlosen Bernard kannten.

    „Sobald der Kerl wieder zu sich kommt, soll er euch verraten wo sich das Gold befindet das er den Bürgern Dormals gestohlen hat. Anschließend tut mit ihm was ihr wollt." Mit den Worten drehte Vitras sich um und war im Begriff, dass Gebäude des Händlers wieder zu verlassen.

    „Was hast du jetzt vor Ber... ich meine Vitras?" Der Zauberer blieb kurz stehen und half dem kleinen Filou aus der Tasche seines Umhangs, woraufhin das Frettchen sofort auf die breiten Schultern seines Herrn krabbelte. Ohne sich noch einmal zu dem Händler und seiner Tochter umzudrehen, gab er ihnen knapp Antwort:

    „Achtundzwanzig sind noch übrig. Ich werde mich um sie kümmern. Ich denke nicht, dass wir uns jemals wiedersehen werden." Daraufhin verließ er die beiden und trat wieder hinaus ins Freie. Der Regen hatte etwas nachgelassen. Dennoch hörte das Gewittergrollen nicht auf. Nach dem ersten Donnerschlag war Filou wieder in seiner Tasche verschwunden. Mit einem festen und zu allem entschlossenem Blick trat Vitras auf die Straße, den Kampfstab wieder mit beiden Fäusten fest umschlossen und schritt in Richtung des ersten Gasthofes. Beide Gasthöfe befanden sich im Zentrum Dormals, das inzwischen von zwei und dreigeschossigen Fachwerkhäusern beherrscht wurde. Die einfacheren Hütten, stumme Zeitzeugen der Gründung des Dorfes das sich im Wandel befand, lagen an den Randbezirken. Vitras ließ seinen Blick häufig zu den beleuchteten Fenstern der Häuser schweifen. Wann immer er ein Gesicht hinter einer der Scheiben erblickte, konnte er die Angst in den Augen der Bewohner erkennen. Trotz des nachlassenden Regens, schien der Wind an Heftigkeit zuzunehmen. Somit war es nutzlos sich die Kapuze wieder überzuziehen. Sobald ein Blitz die Straßen erleuchtete und die Tätowierungen auf Vitras Kopf zu erkennen waren, musste er auf die einfachen Bewohner Dormals wie ein Dämon des großen Sanktrums wirken. Lautes Gelächter schlug ihm entgegen, als er um die nächste Straßenecke bog. Sechs Gefolgsleute des Rothaarigen befanden sich vor dem kleineren der beiden Gasthöfe. Sie bildeten einen Kreis und schubsten eine junge Frau, offensichtlich eines der Schankmädchen des Hofes, lauthals johlend hin und her. Abermals erhellte ein Blitz sekundenlang die Straßen Dormals, und Vitras Optik verfehlte auch bei den Banditen, die ihn näherkommen sahen, nicht seine Wirkung. Schlagartig endete das Gelächter der Männer und sie ließen von der Frau ab. Wieder löste sich Vitras linke Hand vom Stab. Die Luft um ihn herum begann erneut leicht zu flimmern als er mit der Hand einige pantomimische Bewegungen in der Luft vollführte. Nahezu gleichzeitig wurden alle sechs Männer durch die Luft geschleudert, bis ihre Körper hart an den Mauern des Gasthofes aufschlugen. Die Schreie und das Bersten ihrer Knochen waren trotz des laut heulenden Windes zu hören. Unaufhaltsam schritt Vitras weiter auf den Gasthof zu. Mit einer Kopfbewegung gab er der jungen Frau, die ihn völlig verwirrt anstarrte, zu verstehen sich in Sicherheit zu bringen. Auf der Veranda des Gasthofes angekommen, bemerkte Vitras das einer der Banditen noch lebte. Hart schlug er das untere Ende des Stabes gegen die Stirn des Mannes und zertrümmerte seinen Schädel.

    „Zweiundzwanzig!" flüsterte Vitras und betrat das Gebäude. Der Gestank von Schweiß, Blut sowie Alkohol schlug ihm genauso hemmungslos entgegen wie das Gegröle von zwölf Gefolgsleuten des Rothaarigen. Ein Großteil des Mobiliars war zerschlagen und mehrere Leichen lagen mit aufgeschlitzten Kehlen nahe dem Tresen. Ein voller Humpen Bier flog schlecht geworfen in Richtung des Schanktresens und verfehlte den Gastwirt nur knapp. Da niemand Vitras wahrzunehmen schien, schritt er geradewegs auf die ersten beiden Gesetzlosen zu und erschlug sie innerhalb weniger Wimpernschläge. Wie zu erwarten hatte er nun die volle Aufmerksamkeit der anderen. Für einen kurzen Augenblick herrschte eine Totenstille im Raum. Dann brach das Chaos aus. Tische, Bänke und Stühle wurden zur Seite gestoßen oder umgeworfen, als die verbliebenen zehn Männer aufsprangen, ihre Schwerter zogen oder nach ihren Äxten griffen. Mit einer tödlichen Präzision handhabte Vitras seinen Kampfstab. Es kam ihm gar nicht in den Sinn, Magie anzuwenden. Die ohnehin schon stark angetrunkenen Männer waren absolut keine Gegner für ihn.

    „Noch zehn!" Flüsterte er erneut zu sich selbst, als der letzte Tagelöhner tot zu Boden ging. Der Gastraum war plötzlich von einer unheimlichen Stille erfüllt. Das leise Schluchzen zweier Dienstmägde, sowie das schwere Atmen des Gastwirtes, waren die einzigen Geräusche die Vitras vernahm, als ihn wieder das Gefühl der eisigen Kälte beschlich. Seine Nackenhaare richteten sich auf und Schweißperlen liefen ihm von der Stirn. Er spürte Filous ängstliches Zittern und spähte in sämtliche Richtungen des großen Raumes, konnte jedoch keine Gefahr ausmachen, als ihn ein kräftiges Händeklatschen leicht zusammenzucken ließ. Aus dem Schatten der Treppe, die in den ersten Stock führte, löste sich eine Gestalt in einem schwarzen Umhang. Der kräftigen Statur nach zu urteilen musste es sich um einen Mann handeln. Doch er trug seine Kapuze so tief ins Gesicht gezogen, dass Vitras zunächst keine Gesichtszüge erkennen konnte. Allmählich kam der unheimliche Fremde näher, ohne mit dem Klatschen aufzuhören, welches er langsam und monoton vollführte.

    „Meister Vitras! Ertönte plötzlich seine dunkle, harte Stimme: „Ihr seid zurück wie ich sehe.

    Vitras musste schlucken als er den Tonfall der Stimme erkannte. Augenblicklich ließ er seinen Kampfstab fallen. Gegen diesen Gegner konnte er nicht bestehen. Mit einer unwirschen Handbewegung, bedeutete der Fremde dem Wirt und den Mägden zu verschwinden. Hastig rannten alle drei in die hinteren Räumlichkeiten und entfernten sich somit aus Vitras' Blickfeld.

    „Du hast dir ja nicht allzu viel Zeit gelassen Tantras, begann Vitras in einem leicht spöttischen Tonfall: „Ich hätte es mir eigentlich denken können, dass du der erste bist der mich ins Große Sanktrum schicken will!

    Tantras beendete sein klatschen und trat weiter auf Vitras zu, bis er kurz vor ihm stehen blieb. Das Leuchten seiner blauen Augen konnte Vitras trotz der tiefsitzenden Kapuze erkennen. Es verstärkte sich als der Gott des Krieges die Kapuze leicht nach hinten zog, wodurch seine erhabenen Gesichtszüge erkennbar wurden. Sie spiegelten eine ungemeine Härte als auch Strenge, sogar Grausamkeit wider, die jedoch mit einer atemberaubenden Schönheit gepaart waren.

    „Dich töten? Hier?" Angewidert ließ Tantras seinen Blick durch den großen Schankraum schweifen, bevor er fortfuhr:

    „Abgesehen davon, dass ich die kommenden tausend Jahre auf den Zorn meiner Schwester verzichten kann, haben sich gewisse Umstände gravierend verändert?"

    „Gewisse Umstände?" Vitras zog fragend die Augenbrauen hoch.

    „Du hast mich schon richtig verstanden. Wir müssen uns unterhalten! Die Augen des Gottes bekamen einen seltsamen Ausdruck: „Was nicht bedeutet, dass ich mit dir fertig bin. Fügte er drohend hinzu. Ein kurzes Kopfnicken des Gottes reichte aus, die Leichen und sämtliches Blut einfach verschwinden zu lassen. Das zertrümmerte Mobiliar fügte sich wie von Geisterhand genauso wieder zusammen, wie die Splitter von zerborstenen Gläsern, welche daraufhin ordentlich in ihre Regale schwebten. Auf dem Tisch, der sich eben noch zertrümmert zwischen dem Gott und Vitras befand, platzierte sich eine edle, schwere weiße Tischdecke. Wie aus dem Nichts erschienen ein goldener Kelch sowie zwei goldene Becher auf dem Tisch. Selbst der drückende, üble Gestank, der den Raum eben noch beherrschte, wich einer frischen, angenehm riechenden Luft.

    „Setz dich!" forderte der Gott des Krieges den Zauberer auf und wies dabei auf einen der beiden Stühle, der plötzlich weich gepolstert war und elegant geschwungene Armlehnen aufwies. Vitras setzte sich, woraufhin sich der Kelch vom Tisch erhob und süßen, schweren Wein in die beiden Becher goss. Tantras setzte sich Vitras gegenüber und erhob seinen Becher. Der Zauberer zögerte.

    „Ist das dein Ernst? Lächelte Tantras amüsiert: „Glaubst du wirklich mir fällt nichts Besseres ein, als dich in diesem Drecksloch zu vergiften?

    Dem Kriegsgott eine Antwort schuldig bleibend, ergriff Vitras den Becher und nahm einen kräftigen Schluck. Seine Augen weiteten sich voller Erstaunen. Eine angenehme Wärme durchflutete seinen gesamten Körper. Sein Geschmackssinn verpasste ihm ein wahres Glücksgefühl. Dies war der beste Wein, den er jemals getrunken hatte.

    „Die Reben aus denen dieser Wein gefertigt wird, stammen von den Hängen des Singariums. Audris selbst kontrolliert die Weinlese Jahr für Jahr." Klärte Tantras ihn auf.

    „Der Wein der Götter!" Brachte Vitras voller Ehrfurcht hervor und drehte den Becher verträumt in seiner Hand. Er schloss kurz die Augen, konzentrierte sich und schüttelte das wohlige Gefühl, das seinen Geist zu benebeln begann ab. Er hatte nicht vor, sich von Tantras einlullen zu lassen. Er öffnete wieder die Augen und stellte den Becher auf den Tisch. Seine Augen bekamen einen harten Glanz. Er war nicht nur ein einfacher Zauberer – Vitras war der mächtigste Kriegszauberer seiner Zeit. Die Zeit des Versteckens war nun vorüber, und neben Tantras Schwester mochte es vielleicht doch noch den einen oder anderen Gott geben, der ihm wohlgesonnen war.

    „Von welchen Umständen sprichst du Tantras?" Forderte Vitras den Gott auf, das freundliche Geplänkel zu beenden.

    „Von der Prophezeiung!" Antwortete der Gott nüchtern, während er seinen Becher ebenfalls abstellte. Die Augenbrauen des Kriegszauberers zogen sich ungläubig zusammen, bevor er antwortete:

    „Es gibt viele Prophezeiungen. Davon abgesehen, halte ich nicht viel von solchen Weissagungen. Wenn man sich tausende von ihnen vornimmt, wird man immer den einen oder anderen Satz finden, der auf ein vergangenes Ereignis schließen lassen könnte. Menschen wie Götter neigen dazu, ihr gesamtes Verhalten zu verändern, nur um irgendwelchen uralten Texten entgegenzuwirken. Selten kommt etwas Gutes dabei heraus."

    Tantras funkelte den Kriegszauberer wütend an:

    „Ich rede von Der Prophezeiung. Die, welche sogar das Ende der Götter einleiten könnte."

    Die Zwei die eins Sein müssen?" Fragte Vitras ungläubig nach. Er kannte Teile dieser Weissagung, hielt von ihr aber nicht mehr als von anderen Prophezeiungen.

    „Genau von der spreche ich. Sie ist eingetreten." Plötzlich bekam Tantras Tonfall einen eisigen Klang:

    „Du bist ein wichtiger Teil dieser Prophezeiung. Und - es gibt nicht wenige Götter im Singarium, die dich sogar für sie verantwortlich machen!"

    „Ich bin wohl kaum dafür verantwortlich, wenn sich irgendwo in der bekannten oder unbekannten Welt das absolut Böse erhebt. Genauso wenig habe ich etwas mit Zwillingen zu tun, die sowohl göttliches als auch königliches Blut in sich tragen müssen."

    Amüsiert griff Tantras wieder nach seinem Becher:

    „Sagte ich dir nicht, dass sich gewisse Umstände geändert haben?" Der Kriegsgott fixierte Vitras mit einem neugierigen Blick und stellte zufrieden fest, dass dieser anfing sich zusehends unwohl zu fühlen.

    „Das absolut Böse ist erwacht. In deiner Heimat Kriegszauberer."

    Vitras starrte sein Gegenüber ungläubig an, während Tantras fortfuhr.

    „Anstatt sich den Schwierigkeiten in Kushtur zu stellen, hast du deine Heimatstadt verlassen. Harun Ar Sabah hat kurz danach die Führung im Magischen Rat übernommen. Um ehrlich zu sein, ging ich davon aus, dass er die umliegenden Königreiche mit Krieg und Terror überzieht, was mir eine gewisse Freude bereitet hätte. Stattdessen begann er tief unterhalb der Katakomben, des Palastes der Magier, einen übermächtigen Dämon zu erwecken. Eben das Böse, von dem in dieser Prophezeiung die Rede ist."

    „Und ihr Götter macht mich dafür verantwortlich?"

    „Hättest du Kushtur nicht verlassen, wäre dieser Harun wohl kaum dazu in der Lage gewesen ES zu erwecken."

    ES?"

    „So bezeichnen wir den Dämon, da niemand seinen wahren Namen kennt. Nicht einmal wir Götter! Außerdem wäre da noch die andere Sache - die mit den Zwillingen."

    „Ich habe einzig eine Tochter, wie du ja sehr wohl weißt! Sie besitzt lediglich..."

    Vitras wurde plötzlich schwindelig. Seine Gedanken überschlugen sich, und er war mit einem Mal nicht mehr fähig, den Satz zu Ende zu sprechen. Spöttisch führte Tantras den Gedankengang seines Gegenübers fort:

    „Deine Tochter besitzt dank meiner Schwester göttliches Blut. Richtig. Ihre Kinder dagegen, Zwillinge übrigens... wie soll ich sagen... Großvater... sie besitzen göttliches und königliches Blut."

    Genüsslich trank der Gott einen weiteren Schluck des Weines und beobachtete Vitras. Die Neuigkeiten hatten den Kriegszauberer bis ins Mark erschüttert und Tantras hatte wahrlich seine Freude daran. Er konnte nicht anders. Somit versetzte er Vitras den nächsten Stich.

    „Was hat die Prophezeiung nun in Gang gesetzt? Das Erwachen des Dämons, wofür man dir zumindest eine Teilschuld gibt. Oder die Geburt der Zwillinge, zu der es ohne deine tatkräftige Mithilfe wohl nie gekommen wäre."

    Vitras brachte kein Wort mehr hervor. Er saß zusammen gesunken in seinem Stuhl und versuchte die Worte des Gottes zu verarbeiten. Es gelang ihm nicht. Tantras beobachtete ihn genau. Er hasste Vitras dafür, dass er es als Sterblicher gewagt hatte, ein Kind mit einer Göttin zu zeugen, obendrein noch mit seiner Schwester. Doch die Prophezeiung war nun einmal in Gang gesetzt und Tantras hatte genaue Anweisungen von Astorius, dem Gott des Lebens und mächtigsten aller Götter erhalten.

    „Komm wieder zu dir Zauberer! Brüllte der Gott ihn plötzlich an: „Es ist noch längst nicht entschieden, wie die ganze Sache ausgeht.

    Vitras streckte seinen Rücken, so dass er wieder gerade saß und erhob seinen Kopf. Fragend blickte er Tantras an.

    „Der Dämon wird noch mindestens zwanzig Jahre, wenn nicht mehr, brauchen bis er seine volle Macht erreicht und die Welt der Lebenden betreten kann. Fuhr Tantras fort: „Solange ist dieser Harun Ar Sabah zwar seine Marionette, aber es bleibt genug Zeit, deine Enkel vorzubereiten, vorausgesetzt sie bleiben solange am Leben. Astorius hat allen Göttern verboten direkt einzugreifen, da er einen erneuten Krieg mit der gesamten Welt der Dämonen befürchtet. Den letzten haben wir nur knapp gewonnen.

    Plötzlich stand Vitras auf. Er blickte sich um, bis er seinen Kampfstab entdeckte der wenige Schritte von ihm entfernt auf dem Boden lag. Der Kriegszauberer streckte seinen Arm aus und der Stab schnellte augenblicklich in seine Hand. Herausfordernd blickte er den Gott in die Augen.

    „Was erwartest du von mir?"

    „Du kannst dir sicher sein, dass meine Schwester demnächst bei dir erscheinen wird. Sie wird dir sagen, was du zu tun hast. Ich sollte dich lediglich für sie finden und vorbereiten. Dich aufzuspüren hat sich Dank deines Gewaltausbruches und der damit verbundenen Schweinerei, die du hier hinterlassen hast, ja überraschenderweise als recht einfach erwiesen. Außerdem hat sie mir aufgetragen, dich zu warnen."

    „Mich zu warnen!?" Wiederholte Vitras die Frage des Gottes angespannt.

    „Dieser Harun Ar Sabah ist neben dir der einzige Kriegszauberer eurer Bekannten Welt. Doch dank des Dämons besitzt er im Augenblick noch gewaltigere Kräfte. Harun wird dich mit absoluter Sicherheit, jetzt genauso aufspüren können wie ich. Tantras hielt kurz inne, bevor er spöttisch fortfuhr: „Ihr standet euch ja immer schon besonders nahe. Er wird sicherlich alles daran dich zu töten. Geh ihm also aus dem Weg!

    „Die Doronischen Wälder sind weit von Kushtur entfernt!" Entgegnete Vitras, der sich inzwischen wieder vollkommen gefangen hatte.

    „Nicht für Harun Ar Sabah!" Antwortete ihm Tantras. Der Kriegsgott erhob sich nun ebenfalls und trat dicht an Vitras heran. Er blickte ihm tief in die Augen, als ob er bis zum Grund seiner Seele spähen wollte. Der Kriegszauberer hielt seinem Blick regungslos stand. Plötzlich wandte sich Tantras von ihm ab und schritt langsam in Richtung der Treppe aus dessen Schatten er erschien.

    „Wärst du als Gott geboren wurden ..., sprach er laut, ohne sich jedoch noch einmal nach Vitras umzudrehen: „... hätten wir vielleicht Freunde werden können! Und vergiss das Gesindel im anderen Gasthof. Darum habe ich mich gekümmert. Tantras tauchte im Schatten der Treppe ein und war im gleichen Augenblick verschwunden.

    Vitras wandte sich dem Ausgang des Schankraums zu und schritt langsam hinaus ins Freie. Das Unwetter hatte aufgehört. Lediglich leichter Nieselregen fiel noch vom Himmel und auch der Wind hatte stark an Heftigkeit eingebüßt. Filou krabbelte aus seiner Manteltasche und kletterte wieder an Vitras empor, um sich auf seine Schulter zu legen. Offensichtlich hatte der Nager seine Angst abgelegt und Vitras kraulte zärtlich das kleine Köpfchen des Tieres. Tief sog er die frische Nachtluft ein, als er den Brandgeruch und das Geschreie dutzender Stimmen bemerkte. Den Stab fest gepackt betrat er die vom Regen aufgeweichte Straße und hielt einen jungen Mann fest, der aufgeregt an ihm vorbeirennen wollte.

    „Was ist jetzt wieder los?" schrie er ihn aufgebracht an.

    „Der Gasthof Zum wilden Eber," sprudelte es aus dem Mann heraus. „Er ist völlig abgebrannt. Ein gewaltiger Blitz ist dort eingeschlagen. Ein Blitz wie ich ihn noch nie zuvor gesehen habe - dabei ist das Gewitter doch längst abgezogen."

    1.2. Mirna

    Vierzehn Tage waren seit den Ereignissen in Dormal vergangen. Vitras beschloss, zu seiner Hütte in den Wäldern zurückzukehren und fürs erste dort zu bleiben. Die Ausführungen des Kriegsgottes hatten den Kriegszauberer zutiefst erschüttert. Es war schwer genug mit der Tatsache umzugehen, dass die Götter ihm den Kontakt mit seiner Tochter Morna untersagten. Ein Verbot, gegen das selbst ihre Mutter nichts ausrichten konnte. Alles was er von seiner Tochter wusste, war das sie im Schwarzen Wald aufwuchs. Ein verwunschener Ort westlich des Darkanischen Herrschaftsgebietes, der die magischen Kräfte eines jeden Zauberers blockierte. Ihre Mutter erzählte Vitras, dass die göttliche Macht seiner Tochter erdgebunden war. Lediglich im schwarzen Wald, der sich immerhin vom Hohen Norden bis in den Süden Darkans zog, besaß sie göttliche Macht. Sollte sie den Wald verlassen, wäre sie eine normale Sterbliche, bis sie den Wald wieder betreten würde. Vitras versuchte sich abzulenken, indem er das Dach seiner Hütte reparierte und verschiedene Ausbesserungsarbeiten, die nicht unbedingt nötig waren, ausführte. Seinen Kampfstab allerdings, immer in der unmittelbaren Nähe liegend. Doch seine Gedanken wollten nicht aufhören, sich um seine Enkelkinder zu sorgen. Würden die Götter ebenfalls verhindern, dass er auch sie jemals zu Gesicht bekommen würde? Wer war der Vater – der ganz offensichtlich von königlichem Blut sein musste. Harun Ar Sabah, der den Dämon ES erweckt hatte, wusste mit Sicherheit von der Prophezeiung der Zwei die Eins sein müssen. Daher lag es auf der Hand, dass Harun alles versuchen würde, der Zwillinge habhaft zu werden. Das Gefühl der Hilflosigkeit machte den Kriegszauberer rasend vor Wut.

    Wieder und wieder, ließ er die Axt auf einen frischen Holzschacht niederfahren, obwohl sein Vorrat an Brennmaterial für den Kamin inzwischen auf Wochen im Voraus gesichert war. Irgendwann bemerkte Vitras die ersten dicken Tropfen auf seinem kahlen Kopf und blickte zum Himmel. Die Doronischen Wälder waren für ihre launigen Wetterumschwünge durchaus bekannt. Aber in der letzten Zeit waren diese äußerst übellaunig. Vor wenigen Augenblicken tauchte das warme Sonnenlicht die Lichtung, auf der sich seine Hütte befand, noch in die schönsten Farbtöne. Die erneut heranziehenden schweren Wolken nahmen den Farben jetzt jeglichen Glanz. Vitras blieb gerade noch genug Zeit, das frisch geschlagene Holz auf seiner Veranda in Sicherheit zu bringen, als von neuem ein schwerer Regenguss losbrach. In dieser Gegend war es jedoch nicht unüblich, dass solch ein Unwetter genauso schnell verschwand wie es gekommen war. Vitras betrat seine Hütte, schloss die Tür und wurde augenblicklich mit einer stürmischen Attacke von Filou begrüßt. Der kleine Nager tat seiner Freude kund, indem er zunächst einmal kreuz und quer durch den geräumigen Vorraum flitzte, bevor er sich dem Hindernisparcours über sämtliche Möbel widmete, von wo aus er zum finalen Sprung auf die Schultern seines Herrn ansetzte. Als nächstes zog er ausgiebig am sorgfältig gepflegten Bart des Kriegszauberers, bis er beschloss, dessen Ohren einer ausgiebigen Wäsche zu unterziehen. Erst als es eine Nuss zur Belohnung gab, ließ Filou von seinem Opfer ab. Vitras musste schmunzeln, als ihm wieder bewusst wurde, dass der kleine Kerl es immer wieder schaffte, ihn von seinen bedrückenden Gedanken zumindest kurzfristig abzulenken. Nach dieser Attacke hing Vitras seine nasse Weste an einen der Haken neben der Eingangstür, nahm die Öllampe von einem Haken, der an der Decke angebracht war, entzündete sie und hing sie zurück. Ein weiches, warmes, gemütliches Licht durchflutete den gesamten Raum nachdem er zwei weitere Lampen entzündete. Filou beobachtete Vitras neugierig, als dieser sich einen Kräutertee auf der Kochstelle zubereitete. Dann setzte sich der Kriegszauberer in einen seiner beschaulichen Sessel, die mit den verschiedensten Fellen überzogen waren und zog sich einen ebenfalls mit Fell überzogenen Schemel heran, auf den er seine Füße legte. Jetzt erst wurde ihm bewusst, dass er seine geliebte Pfeife samt Tabak auf dem Kaminsims liegen gelassen hatte. Seine braun grünen Augen begannen zu funkeln. Wieso ließ er eigentlich noch immer solche Vorsicht walten? Erst recht nachdem was in Dormal geschah. Wenn er schon nichts unternehmen konnte, sollten doch andere den ersten Schritt wagen. Ein schnippen seiner Finger genügte und die Pfeife schwebte samt Tabakbeutel vom Kaminsims in seine Hand. Eine weitere Geste sorgte dafür das der Feuerscheit im Kamin augenblicklich zu brennen anfing. Vitras stopfte seine Pfeife, entzündete sie mit Kraft eines Gedankens und inhalierte tief vom Rauch des aromatischen Kirschtabaks. Seine Gedanken begannen sich nun um Kushtur zu kreisen. Er schloss die Augen und rief sich Bilder dieser fantastischen Stadt vor sein geistiges Auge, während das Kaminfeuer, eine wohlige Wärme verbreitend, angenehm vor sich hin prasselte.

    Kushtur – die Stadt der Magier, seine Heimatstadt und das letzte Bollwerk der Menschheit an der Grenze zur unbekannten Welt.

    Vor etlichen Jahrhunderten erbauten die Vorfahren, der mit der Magie Begnadeten, den Palast der Magier auf einem Felsplateau, nahe der Wüste der Tränen. Arbeiter, Handwerker, Tagelöhner, Künstler und Kaufleute aus aller Herren Länder, siedelten sich während des gewaltigen Baus rund um das Bergmassiv an. So entstand im Laufe der Jahre eine einmalige Stadt. Im Kern dieser Stadt thronte der Palast der Magier auf seinem Plateau. Schnell wurde den ersten Magiern der Vorteil einer ganzen Stadt, mit all ihren Werktätigen gegenüber einem einsamen Refugium klar. Es wurden Strukturen geschaffen und Gesetzte verfasst. Kushtur wurde zur einzigen Stadt in der gesamten bekannten Welt, die nicht von einem einzelnen Regenten, sondern von einem Rat – dem Magischen Rat regiert wurde. Der Rat bestand aus dreizehn Mitgliedern und wurde stets vom mächtigsten Zauberer geführt. Kushtur entwickelte sich schnell zu einer wahren Metropole, da den Menschen Freiheiten gestattet wurden, die zur damaligen Zeit revolutionär waren. Es stand jedem Bürger frei, sich an den magischen Rat zu wenden, um Veränderungen vorzuschlagen. Die Menschen durften ebenfalls zu allen Gottheiten beten, was selbst heute nicht überall gestattet war. Eine Tatsache, die besonders Tantras oftmals übellaunig aufstieß. Ebenso wenig wurden die Menschen nach ihrer Herkunft beurteilt. Kushtur harmonierte zudem hervorragend mit den anliegenden Königreichen und Fürstentümern. Dadurch entwickelten sich hervorragende Handelsbeziehungen, die zur weiteren Blüte der Stadt beitrugen.

    In all den Jahrhunderten, wurde Kushtur nur ein einziges Mal ernsthaft bedroht. Ein gewaltiges Heer wilder Horden aus der Unbekannten Welt, hatte es irgendwie geschafft, sich durch die Wüste der Tränen zu kämpfen und zog gegen die Stadt. Die Kämpfe stellten sich jedoch schnell als sehr ungleich heraus, da die wilden Horden der geballten Magie des Rates nichts entgegenzusetzen hatten. Trotzdem beschloss der Rat daraufhin, Befestigungsanlagen zu errichten, die alsbald zu den mächtigsten der Bekannten Welt zählten. Wenn man von denen Darkans, der Hauptstadt des Darkanischen Reiches einmal absah.

    Vitras nippte an seinem Tee und inhalierte erneut einen tiefen Zug aus seiner Pfeife, als er an den Tag denken musste, an dem all seine Arbeit, sein Kampftraining, seine Studien und Mühen belohnt wurden. Als seine Ausbildung abgeschlossen und er auch die letzte und schwierigste Prüfung bestanden hatte. Der Tag, an dem er in der großen Halle, feierlich die schwarze Robe der Kriegszauberer überreicht bekam. Seit über hundert Jahren hatte es kein Novize mehr geschafft, in den höchsten Rang der Zauberer aufzusteigen. Nicht seit Harun Ar Sabah seine Robe erhielt. Vitras war nun der erste lebende Magier, der es ihm gleichtat. Der mächtig genug war, ihm die Stirn zu bieten. Dadurch hatte sich Vitras an diesem Tag einen mächtigen Feind geschaffen.

    Allmählich ließ der Regen nach. Die dunklen Wolken verzogen sich und helles, freundlicheres Licht schien wieder durch die Fenster ins Innere der Hütte. Vitras erhob sich von seinem Sessel und beschloss, wieder hinaus zu gehen, da es noch einiges an Arbeit zu verrichten gab. Er zog sich wieder seine Weste über, die noch immer ziemlich klamm war, ließ den Kampfstab in seine Hand schnellen und trat hinaus ins Freie. Soweit er blicken konnte, stieg ein leichter Nebeldunst vom Boden empor und ließ die gesamte Lichtung wie einen verwunschenen Ort erscheinen. Vitras stieg die Stufen der Veranda herunter, als er plötzlich in der Bewegung innehielt. Irgendetwas stimmte nicht. Dann vernahm er den Hufschlag vieler Pferde, welcher rasch näherkam. Angespannt blickte Vitras den Weg bis zum Waldrand hinunter, der zu seiner Hütte führte. Er schätzte die Anzahl der Reiter auf ein gutes Dutzend, dann sah er sie. Sie preschten im vollen Galopp über den Waldweg heran und wurden erst langsamer, als sie die Lichtung erreichten. Ein grimmiges Lächeln umspielte die Mundwinkel des Zauberers, als er die Farben der Garde von Kushtur erkannte. Leuchtendes Orange mit dunklem Blau. Jeder Muskel seines Körpers spannte sich an während die Luft um ihn herum zu flimmern und zu sirren begann. Den Reitern wäre mit Sicherheit ein schweres Unglück widerfahren, wenn der Kriegszauberer nicht die fröhliche Stimme erkannt hätte, die laut über die Lichtung hallte:

    „Vitras! Meister Vitras! Endlich haben wir euch gefunden!"

    Vitras löste sich augenblicklich aus seiner magischen Konzentration, als er seinen Freund Gil Guillaume an der Spitze der Uniformierten erblickte. Unwillkürlich musste der Kriegszauberer schmunzeln. Nicht nur weil er sich freute, seinen alten Freund nach all den Jahren wiederzusehen, sondern weil Guillaume immer noch eine äußerst unglückliche Figur zu Pferden abgab. Lediglich seine Begleitung von vierzehn schwer bewaffneten Soldaten der Garde, trübte seine Wiedersehensfreude. Als Guillaume sein Pferd umständlich vor der Hütte zum Stehen brachte, schritt Vitras auf ihn zu und hielt das Pferd am Zaumzeug fest, um ihm beim Absteigen behilflich zu sein. Dabei fragte er sich, ob es Gil ebenfalls gelungen war, seine magische Signatur zu erkennen, wenn er sie überhaupt gesucht hatte, oder ob Harun ihn geschickt hatte. Gil Guillaume war ebenfalls ein Magier, hatte es jedoch nie so weit gebracht wie Vitras. Er trug lediglich eine graue Robe, die seinen magischen Rang, weit unterhalb den eines Kriegszauberers platzierte. Dennoch war er ein Magier und dem grimmigen Hauptmann der Garde fielen fast die Augen aus dem Kopf, als er sich vor dem Fremden, der wie ein Bauer gekleidet war niederkniete und ihn mit Meister ansprach. Vitras war die Geste seines Freundes, die unter Magiern unterschiedlichen Ranges durchaus üblich war, sichtbar peinlich. Schnell half er Guillaume aufzustehen, dem das Hochkommen dank seiner umfangreichen Leibesfülle nicht leichtfiel. Daraufhin fielen sich die beiden Männer in die Arme, wobei Vitras den Kampfstab immer noch mit einer Hand fest gepackt hielt. Guillaume begann vor Freude zu schluchzen und löste sich erst aus der Umarmung, als ihn die dröhnende Stimme des Hauptmanns zusammenzucken ließ:

    „Meister Guillaume, wetterte er: „Wollt ihr etwa behaupten, dass dieser Wilde da der Mann sein soll, den wir suchen?

    Guillaume drehte sich langsam zu dem Hauptmann herum, wobei seine Stimme plötzlich nichts mehr von dem Trottel im Magier Gewand an sich hatte, für den die Soldaten ihn ganz offensichtlich hielten:

    „Hauptmann Karon, begann er den Offizier zu belehren: „Darf ich vorstellen. Meister Vitras. Kriegszauberer von Kushtur!

    Die einfachen Soldaten des Trupps sahen betreten zu Boden. Der Hauptmann musste schlucken:

    „Meister Vitras! Begann er entschuldigend, wobei er sich verbeugte: „Seine Eminenz, Meister Harun Ar Sabah, Kriegszauberer und König von Kushtur hat uns befohlen, euch sicher zurück zum Palast der Magier zu geleiten.

    Vitras stand kurz vor einem Wutanfall. Mit einem drohenden Klang in seiner Stimme, fuhr er den Offizier barsch an:

    „König? Ich muss mich wohl verhört haben! Seit wann wird Kushtur von einem König regiert?"

    Der Hauptmann wich sofort einige Schritte vor Vitras zurück, als ob er einen Angriff erwartete. Er musterte den Kriegszauberer von oben bis unten, bevor er entschuldigend mit den Schultern zuckte:

    „Befehl ist Befehl!" Kam es ihm lapidar von den Lippen, ohne auf die Frage seines Gegenübers einzugehen.

    „Ich würde euch empfehlen, hier draußen zu warten!" Giftete Vitras den Hauptmann im Befehlston an. Dann packte er Guillaume an der linken Schulter und bugsierte ihn die drei Stufen herauf zur Veranda, um ihn anschließend in die Hütte zu schubsen. Sein Freund zuckte zusammen, als Vitras die Tür mit einem lauten Knall zuschlug. Der nächste Schock überkam Gil Guillaume als er Filou erblickte. Das Frettchen war völlig aus dem Häuschen, dass sein Herr ihn jemanden zum Spielen mitgebracht hatte. Der arme Gil wusste überhaupt nicht wie ihm geschah, als Filou über ihn herfiel, um an allem zu kratzen und zu nagen, was ihm interessant erschien. Ein Wort seines Herrn – und natürlich eine Nuss, reichten jedoch aus, um den Nager zu bändigen. Dann wandte er sich wieder seinem Freund zu:

    „Gil, was zum Teufel ist hier los? König? Und wieso zitiert mich dieser Bastard nach all den Jahren zu sich, anstatt mich gleich von seinen Vasallen umbringen zu lassen?"

    Die unbekümmerte Fröhlichkeit, die einfach zu Guillaume gehörte, wie das Schwert zum Soldaten, fiel mit einem Mal gänzlich von ihm ab. Seine Augen bekamen einen traurigen Ausdruck. Er setzte sich auf einen der mit Fellen bezogenen Stühle und zupfte an seinem Schnauzbart, bevor er sich mehrmals über seine kurzen grauen Haare strich. Stockend begann er zu erzählen:

    „Euch umbringen zu lassen mein Freund, das dürfte wohl auch für Harun ein schweres Unterfangen sein. Es hat sich jedoch viel, sehr viel in den Jahren verändert, seit ihr fortgegangen seid."

    Vitras schaute aus dem Fenster und beobachtete die Soldaten, die inzwischen allesamt abgestiegen waren und ihre Pferde versorgten. Die Regenwolken hatten sich inzwischen vollkommen verzogen und auch der nebelige Dunst war dabei sich aufzulösen. Vitras musterte seinen Freund und wunderte sich ein wenig darüber, dass dieser, ihn im Gegensatz zu früheren Zeiten, wieder so formell ansprach. Selbst jetzt wo sie sich allein in der Hütte aufhielten.

    „Wie hat er es geschafft? Fragte Vitras verwundert: „Wie hat er es hinbekommen, zum König ernannt zu werden? Eine Monarchie widerspricht allem, wofür Kushtur steht. Wieso hat der Rat der Magier nichts dagegen unternommen. Gibt es den Rat überhaupt noch?

    „Oh doch, brachte Gil seufzend hervor: „Den gibt es noch. Jedoch nur zum Schein. Seid ihr euch damals öffentlich gegen Harun aufgelehnt und ihm die Stirn geboten habt, scheint er panische Angst davor zu haben, dass es fähige Nachahmer geben könnte. Die Mitglieder des jetzigen Rates sind ein einziger Witz. Keiner von ihnen könnte es mit einem Novizen im zweiten Jahr aufnehmen, der eure Ausbildung genießen würde.

    Vitras zog fragend die Augenbrauen zusammen: „Was ist mit Meister Gerlain?"

    „Tot! Erwiderte Guillaume trocken: „Man fand ihn eines Morgens mit gebrochenem Genick in der großen Bibliothek. Genauso wie Meister Brehm und seine Schülerin Mai, von der man annahm, dass sie es eines Tages zur Kriegszauberin bringen würde.

    „Alle mit gebrochenem Genick in der Bibliothek?" Hakte Vitras ungläubig nach.

    „Nein, nein. Entschuldigt. Meister Brehm und Mai sind ertrunken als sie den Haktur überqueren wollten.

    „Du willst mir allen Ernstes weismachen, dass ein Magier, der die rote Robe trägt und eine Meisterschülerin, die das Potential zur Kriegszauberin hat..., dass die einfach so im Haktur ertrinken?"

    Gil zuckte hilflos mit den Schultern: „Es geht noch weiter... sämtliche Mitglieder des Rates sind unter kuriosen Umständen verstorben. Harun hat sie nach und nach durch Magier ersetzt, die ihn niemals gefährlich werden könnten. Außerdem wisst ihr so gut wie ich, dass Harun die Fähigkeit der Demagogie zu einer reinen Kunstform erhoben und perfektioniert hat. Es war nur eine Frage der Zeit, bis seine Marionetten im Rat ihn unter dem Beifall der gesamten Bevölkerung zum König ernannt haben."

    „Wie haben denn die umliegenden Königreiche und Fürstentümer darauf reagiert? Fragte Vitras neugierig: „Wie hat sich beispielsweise Fürst Beldere verhalten, als er von der Ernennung Haruns zum König erfuhr?

    „Kurz nach den Krönungsfeierlichkeiten sind Fürst Beldere und sein Bruder bei einem Jagdunfall ums Leben gekommen. Die Fürstin und ihr ältester Sohn wurden wenig später vergiftet. Daraufhin erschien Harun im Fürstentum, verkündete sein tiefstes Bedauern und sorgte dafür, dass der dreijährige Benedikt als neuer Fürst inthronisiert wurde. Als nächstes stellte er Benedikt großzügig einen seiner Magier als Berater und Vaterersatz zur Seite."

    Vitras verdrehte voller Abscheu die Augen: „Damit hat er das größte der anliegenden Fürstentümer in seine Gewalt gebracht." Die Abscheu die Vitras gegen Harun hegte wuchs immer mehr, obwohl er lange Zeit glaubte, dass dies gar nicht mehr möglich wäre. Er ging zur kleinen Anrichte und schenkte sich und Gil einen Becher Wein ein:

    „Dann denke ich mal, fuhr er spöttisch fort: „Das meine Abwesenheit Harun nicht länger zufrieden stellt und ich nun meiner fröhlichen Hinrichtung in Kushtur entgegenblicken darf. Wollen wir darauf trinken?

    Gil nahm dankbar den Becher entgegen, den Vitras ihm reichte. Er nahm einen kräftigen Schluck bevor er auf die Vermutung des Kriegszauberers einging.

    „Ihr irrt euch Meister Vitras!"

    Wieder diese förmliche Anrede, schoss es Vitras kurz durch den Kopf.

    „Harun benötigt eure Hilfe!"

    „Soll das einer deiner komischen Scherze sein Gil?"

    Anstatt zu antworten schüttelte Guillaume lediglich leicht seinen Kopf.

    „Harun kann nicht ernsthaft glauben, dass ich jemals gewillt wäre, ihm in irgendeiner Art und Weise zu helfen. Das muss dir doch auch klar sein! Ich würde nicht einmal ein einziges Wort mit ihm wechseln!"

    „Das solltet ihr aber Meister Vitras!" Guillaumes Gesichtszüge bekamen urplötzlich eine ungewöhnliche Härte:

    „Es geht um die Prophezeiung der Zwei die Eins sein müssen!"

    Vitras wurde leichenblass. Tantras hatte ihn vorgewarnt. Aber was wusste Harun?

    „Die Zwillinge sind geboren!" Stellte Guillaume nüchtern fest.

    „Sie müssen Göttliches und Königliches Blut in sich vereinen." Versuchte Vitras seinen Freund zu belehren.

    „Oh, das tun sie, führte Gil weiter aus: „Ihr Vater ist niemand geringerer als Godvere Garien. Der Herrscher des Darkanischen Reiches. Die Mutter eine Halbgöttin namens Morna. Angeblich ist sie die Tochter von Mirna, der Göttin der Gerechtigkeit. Von Mornas Vater ist nichts bekannt, außer dass er ein Sterblicher ist.

    Vitras entspannte sich ein wenig. Harun wusste somit noch nicht, dass er der Vater Mornas war. Ansonsten wäre das Todesurteil für seine Enkelkinder längst gefällt. Es war stets sein größter Albtraum, dass Harun von seiner Tochter erfahren könnte. Nun gab es zwei weitere Leben, um die er sich über alle Maßen Sorgen machte.

    Guillaume bemerkte sofort, den plötzlich aufgewühlten Zustand seines Freundes. Er wusste von Vitras Abenteuern im Hohen Norden und kannte auch so einige seiner Geheimnisse. Von dem Aufeinandertreffen des Kriegszauberers mit Mirna, wusste niemand außer den Göttern.

    „Ich begreife nicht, fuhr Vitras fort: „Was Harun bezüglich dieser Prophezeiung von mir erwartet. Abgesehen davon... seit dem Vorfall mit Zara ist die Feindschaft offen zwischen uns ausgebrochen. Er hat geschworen, mich zu vernichten.

    Der Kriegszauberer dachte an die stolze, kämpferische Frau mit den roten raspelkurzen Haaren zurück. Sie war eine der ersten Kriegerinnen, die als Offizierin in der Palastgarde gedient hatte. Die Schwierigkeiten begannen, als sie zur Leibgarde Harun Ar Sabahs versetzt wurde. Zara besaß ein ausgeprägtes Ehrgefühl sowie einen starken Sinn für Gerechtigkeit. Diese Eigenschaften sorgten dafür, dass sie Harun abgrundtief verabscheute. Eines Tages verlangte Harun von ihr einen Bauern zu töten, der sich erdreistet hatte dem Rat seine Not vorzutragen, für die der Bauer Harun verantwortlich machte. Zara weigerte sich und brachte sogar den Mut auf, Harun zu drohen. Zu dieser Zeit war der Rat noch nicht mit seinen unfähigen Speichelleckern besetzt und der Kriegszauberer musste sich durchaus vor ihm verantworten. Harun bekam einen Tobsuchtsanfall, versah Zara mit falschen Anschuldigungen und ließ sie verhaften. Daraufhin wurde sie ihres Ranges als Offizierin enthoben, unehrenhaft aus der Garde entlassen und wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Am Tage der Hinrichtung, stellte sich Vitras, Harun Ar Sabah in aller Öffentlichkeit entgegen. Er befreite Zara auf dem Hinrichtungsplatz und tötete dabei sechzehn Soldaten von Haruns persönlicher Garde. Vitras und Harun gingen mit ihren geballten magischen Kräften aufeinander los. Vitras gewann schnell die Oberhand und war kurz davor, seinen Kontrahenten zu töten. Doch dem magischen Rat gelang es in letzter Sekunde, den Kampf zwischen den beiden Kriegszauberern zu beenden. Insgeheim, stand der gesamte Rat hinter Vitras und konnte seine Handlungen nachvollziehen. Aber die öffentliche Ordnung musste aufrechterhalten werden und Vitras hatte an nur einem einzigen Tag gegen nahezu sämtliche Regeln verstoßen, die der Rat sich selbst auferlegt hatte. Um Vitras Leben zu retten, blieb den Mitgliedern des Rates nichts anderes übrig, als ihn in die Verbannung zu schicken.

    „Was ist eigentlich aus Zara geworden?" Brachte Guillaume neugierig hervor. Vitras zuckte leicht mit den Schultern:

    „Das einzige was ich weiß, ist das sie nach Norden gegangen ist. Immerhin musste sie fliehen. In Kushtur war sie ihres Lebens nicht mehr sicher. Es würde mich nicht wundern, wenn sie ihr Schwert in den Dienst irgendeines Fürsten gestellt hat. Ein normales Leben mit Mann, Kindern, Haus und Hof kann ich mir bei ihr wahrlich nicht vorstellen." Bei diesem Gedanken musste der Kriegszauberer unwillkürlich schmunzeln. Er drehte den inzwischen leeren Becher in der Hand und wandte sich der kleinen Anrichte zu, um ihn darauf abzustellen. Dabei blickte er wieder aus dem Fenster und beobachtete die Soldaten, die dabei waren eine Mahlzeit aus Brot, Dörrfleisch und Käse zu sich zu nehmen. Nicht wenige von ihnen waren beständig am Fluchen, da ihre gesamte Ausrüstung durch das Unwetter klitschnass geworden war. Nachdenklich wandte sich Vitras wieder seinem Freund zu:

    „Du hast meine Frage noch nicht beantwortet!" Vitras Stimme bekam einen ernsten Unterton:

    „Was genau verspricht sich Harun davon, sollte ich nach Kushtur zurückkehren?"

    „Die Prophezeiung besagt..." begann Guillaume, als Vitras ihn verärgert unterbrach:

    „Ich weiß genau was die Prophezeiung besagt Gil. Ich weiß es ganz genau. Brüllte er ihn an: „Soll ich ihm etwa zur Seite stehen, um das große Übel zu bekämpfen für dessen Auferstehung er selbst verantwortlich ist, oder braucht das Dreckschwein meine Hilfe, um zwei kleine Kinder umzubringen?

    Guillaume begann auf dem Sessel unruhig hin und her zu rutschen. Immer wieder strich er sich fahrig durch die Haare. Vitras gewann den Eindruck, dass sein Freund Angst vor ihm bekam. Gil begann gleichzeitig zu zittern und zu schwitzen. Übertrieben nervös wischte er sich den Schweiß mit dem Ärmel seiner grauen Robe von der Stirn:

    „Ich... ich bin nicht so stark wie du mein Freund. Murmelte Guillaume plötzlich: „Ich war es nie und werde es auch nie sein. Es tut mir alles so unendlich leid!

    Die Kriegszauberer blickte erstaunt zu seinem Freund herab:

    „Was faselst du da? Fehlt dir irgendetwas?"

    Frage ihn endlich, was er über die Zwillinge weiß," befahl eine mörderisch klingende Stimme, die nur Guillaume in seinem Kopf hören konnte. „Frage ihn, warum im schwarzen Wald meine Kräfte nicht wirken! Quetsche ihn verdammt nochmal wegen dieser Halbgöttin aus!"

    Die Stimme in seinem Kopf verursachte Guillaume entsetzliche Kopfschmerzen. Noch schlimmer jedoch war das Gefühl, seinen Freund zu verraten, da er einfach nicht mächtig genug war, irgendetwas von dem was hier geschah zu verhindern. Aber vielleicht, dachte er... vielleicht... nur ein einziges Mal im Leben. Mit einer Kraftanstrengung, von der er niemals geglaubt hätte sie aufbringen zu können, sprang er urplötzlich auf und starrte Vitras direkt in die Augen. Guillaume begann zu weinen:

    „Du... du bist in Gefahr mein Freund!" Brachte er mühsam und stotternd hervor:

    „Harun hat längst seine Häscher in die Darkanische Hauptstadt geschickt, um der Zwillinge habhaft zu werden. Er hat das große Übel erweckt. Jetzt will er den Jungen in seine Gewalt bekommen, um ihn nach seinem Willen zu formen und zu erziehen. Das Mädchen wird er töten lassen, um die Prophezeiung abzuwenden. Einzig die Macht der Halbgöttin, die er nicht einschätzen kann, sowie das Kuriosum, dass die mit der Magie Begnadeten im Schwarzen Wald ihre Macht nicht nutzen können, bereiten ihm noch Sorgen. Er erhofft sich Antworten von dir, da er von deinem früheren Aufenthalt in diesem Wald erfahren hat."

    Urplötzlich schrie Guillaume laut auf. Unbändige Schmerzen durchfluteten seinen Körper, während die unheimliche Stimme das Wort Verräter durch seinen Kopf hallen ließ. Vitras wich automatisch ein paar Schritte zurück, als Guillaume auch schon wie von einer unsichtbaren Hand gepackt, in die Luft gehoben wurde. Aus dem

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