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David, König der Israeliten
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eBook642 Seiten9 Stunden

David, König der Israeliten

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Über dieses E-Book

David, der König der Israeliten-viele Geschichten ranken sich um sein Leben und seine Kämpfe, seinen Glauben und seine Irrtümer. Doch Geschichte lebt nicht von Fakten und Jahreszahlen, sie lebt davon, anschaulich erzählt zu werden. Und das geschieht in diesem Roman in erstaunlich lebendiger und unmittelbarer Weise. Hier steht der Leser plötzlich staunend am Hang und sieht dem kleinen Hirten David dabei zu, wie er den Riesen Goliath mit seiner Steinschleuder und seinem Gottesglauben besiegt.
Und im Mittelpunkt der rasselnden Säbel, die der Leser hört, dem Wüstensand, den er auf seiner Zunge spürt, steht immer David mit seinem Glauben und seinen Zweifeln, mit Verrat und Treue.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum4. Okt. 2015
ISBN9783737546270
David, König der Israeliten

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    Buchvorschau

    David, König der Israeliten - Friedrich von Bonin

    Das Buch:

    Dies ist die Geschichte Davids. Um sie nachzuerzählen, haben wir nur eine Quelle, das Alte Testament, eine uralte Aufzählung von Geschichten. Aber diese Quelle bringt uns die handelnden Personen nicht nahe genug: An einigen Stellen von äußerster Kargheit, an denen wir gern Näheres erführen, an anderen von ausschweifender, uns langweilender Ausführlichkeit, wenn es um Stammbäume geht. Hier also die spannende Nacherzählung mit den lebendigen Personen, Landschaften und Kulturen.

    Überarbeitete Taschenbuchausgabe.

    Der Autor:

    Geboren 18.08.1946 aufgewachsen in Emlichheim, Grafschaft Bentheim, Niedersachsen. Gymnasium in Nordhorn, 1966 Abitur.

    Studium der Rechtswissenschaft in Göttingen, 2. Juristische Staatsprüfung in Hamburg 1976.

    Seit 1979 selbständiger Rechtsanwalt, seit 1983 auch Notar, in Bremerhaven.

    Er lebt in Bremerhaven, ist verheiratet und hat keine Kinder.

    Anfänge schriftstellerischer Tätigkeit etwa 2004.

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    Foto: Harry Zier

    Friedrich v. Bonin

    David, König der Israeliten

    Historischer Roman

    Impressum:

    ©Copyright 2011: Friedrich von Bonin

    Epubli Verlag, Berlin

    ISBN 978-3-7375-4627-0

    Die Sagen, die der Erde sich entfernen,

    Vom Geiste, der gewesen ist und wiederkehret,

    Sie kehren zu der Menschheit sich, und vieles lernen

    Wir aus der Zeit, die eilends sich verzehret.

        (F.Hölderlin)

    Erstes Buch: David, der Hirte

    I. Glauben?

    1.

    Um die Geschichte von dem Propheten Samuel, König Saul und David, dem Hirten zu erzählen, müssen wir weit in die Vergangenheit zurückgehen, etwa 3000 Jahre. Wir finden dort die Hauptdarsteller unseres Dramas wieder, aber wie sie finden?

    Wir haben für diese Geschichte nur eine Quelle, das ist das Alte Testament. Dort werden wir den drei Menschen wiederbegegnen, die die Geschicke ihres Volkes so sehr beeinflusst haben.

    Das Alte Testament behauptet, die Geschichten ereigneten sich, weil Gott es wollte. Aber welcher Gott ist das? Der Gott des Alten Testamentes, den sie Herr Zebaoth nannten, Jahwe oder, in Annäherung an die hebräische Schreibweise JHWH nennen? Aber hat er nicht auch ein wenig von dem von den Nachbarvölkern überlieferten Baal, vielleicht sogar ein bisschen auch von Amun, dem aus Ägypten berichteten Gottkönig? Nein, es soll Jahwe, der Gott der Israeliten gewesen sein, der sich sein Volk erwählt hatte und es durch die Ereignisse führte, die er gleichzeitig gestaltete.

    Aber glauben wir, dass Jahwe die Geschichte von David und Goliath, um sie volkstümlich zu benennen, zu seinem Ruhm hat geschehen lassen? Oder wäre sie auch geschehen, wenn es Jahwe nicht gibt, nie gegeben hat? Und können wir überhaupt darüber nachdenken, ob es Jahwe nicht gegeben hat, nachdem er ja als handelnder Gott in der Überlieferung auftaucht?

    Und, wenn Jahwe die Geschichte, die wir erzählen wollen, gemacht hat, macht er dann auch unsere Geschichte? Macht er auch, dass wir hier sitzen und sie wiedererzählen? Und, wenn ja, ist es der gleiche Gott, der Jahwe von David und unser Gott, der Vater des Christus?

    Fragen über Fragen. Beantworten können wir sie nicht. Wir wollen sie auch gar nicht beantworten. Die Antworten auf diese Fragen sind uns sogar herzlich gleichgültig. Denn wenn Gott diese Geschichte gemacht hat, ist sie überliefert und kann erzählt werden. Hat Gott sie nicht gemacht, ist sie dennoch überliefert und kann ebenfalls erzählt werden. Ist denn nicht die Erbauung und Belehrung durch die Nacherzählung die gleiche, ob sie von Gott kommt oder nicht? Nur Puristen würden eine Geschichte nicht vernehmen wollen, wenn sie nicht von Gott initiiert wurde. Aber Puristen glauben ohnehin nicht, dass ohne Gott etwas, also auch diese Ereignisse, geschieht.

    So gleichgültig freilich, wie wir gerade vorgaben, lässt uns die Frage natürlich doch nicht. Denn ist der äußere Ablauf der Ereignisse gleich, ob von Gott gemacht oder nicht, so wohnt doch den Geschehnissen eine völlig andere Logik inne, wenn sie nach einem einheitlichen Plan ablaufen. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Geschehnissen steht und fällt mit der Antwort auf die Frage, ob Geschichte geschieht oder von Gott gemacht wird. Wenn es Gott war, drängt sich sofort die nächste Frage auf: Was für ein Gott war oder ist dieser Lenker?

    Mag eine Handlung äußerlich völlig unmoralisch sein, gewinnt sie immer ihre innere Rechtfertigung durch das Argument, sie entspreche Gottes Plan. Umgekehrt kann eine äußerlich gute Tat unmoralisch sein, wenn sie gegen Gottes Willen verstößt. Wir wollen allerdings nicht versäumen, auf die äußerste Gefahr hinzuweisen, der wir mit einer solchen Auffassung begegnen. Gott äußert seinen Willen ja nicht durch einen modernen Lautsprecher, um seinen Pläne öffentlich kund zu tun. Gottes Wille ist, wenn es ihn gibt, zunächst nur ihm selbst bekannt. Er äußert ihn, wenn überhaupt, durch Medien. Und solcher Medien hat sich Gott im Laufe der Geschichte immer wieder bedient, es waren Propheten, Richter, Priester und dergleichen – jedenfalls sagten dies die entsprechenden Propheten, Richter und Priester.

    Noch in jüngerer Geschichte behaupteten die christlichen Priester und Prediger, sie seien von Gott gesandt und segneten die jeweiligen Waffen, die im Krieg benutzt werden sollten. Die Gefahr liegt darin, dass man gegen derartige Gottesboten schlechthin nichts einwenden kann. Wenn sie Gottes Willen verkünden, ist es gleichgültig, ob sie Unmoralisches, Unmögliches oder Verbotenes fordern: Gottes Wille geschieht und muss geschehen.

    2.

    Ja, aber reden wir nicht ein bisschen drumherum? Glauben wir denn nun an Gott oder glauben wir nicht? Wer fragt das! Der Erzähler ist doch nicht dazu da, um Fragen zu beantworten. Er ist dazu da, um eine Geschichte zu erzählen; ergeben sich zu der Geschichte Fragen, meinetwegen. Aber eine so verwegene Frage nach dem Glauben an Gott? Ist das zulässig?

    Nun, hier die Antwort:

    Ja, ich glaube an Gott: In Demut verneige ich mich vor der Schöpfung, deren einfaches Produkt, das Blatt eines Baumes, an Komplexität all unsere menschlichen Erfindungen, bis hin zur Mondrakete, bei weitem übersteigt.

    Nein, ich glaube nicht an Gott: Ich sehe die Ungerechtigkeit von unermesslichem Reichtum auf der einen Hälfte, von verhungernden Menschen auf der anderen Hälfte der Erde und leugne protestierend Gottes lenkende Güte.

    Was denn nun, ja oder nein?

    Wir sind am Anfang einer Geschichte, die auch von dem lenkenden Gott handelt; die Frage wird sich immer wieder, laut oder leise stellen; wir haben große Zweifel, ob sie am Ende der Geschichte beantwortet sein wird.

    II. Der Aufstieg Sauls

    1.

    Palästina um die Zeit von 1000 Jahren vor Christi Geburt erstreckt sich vor unserem geistigen Auge. Im Westen durch das Mittelmeer, im Osten durch den Jordan begrenzt. In der Mitte des Landes, das uns interessiert, ein Gebirge, damals noch waldreich, mit Pinien vorwiegend, aber auch mit Terebinthen, Pappeln und Eiben bestanden. In den höheren Lagen auch durchaus feucht in der Regenzeit, fruchtbar das Klima, etwas karg der Boden, aber immerhin zum Ackerbau ausreichend. Eine einigermaßen ertragreiche Wein - und Olivenernte ergab für die Bauern einen gewissen Wohlstand. Am südlichen Rand geht das Gebirge über zur Steppe, dann zur Negev Wüste, die auch damals schon so hieß. Im Osten fiel es zum Jordan steil ab und südlich zum Toten Meer, im Westen senkte es sich sanft zum Mittelmeer. In den unteren Hängen der Gebirge geht die Landschaft in Steppe über, die im Winter, der regenreichen Zeit, sich für die Kleinviehzucht eignet, vorwiegend Schafe, aber auch Ziegen und Esel.

    In diesem Land lebte ein Menschenschlag, der gerade sich entwickelt hat von Nomaden zu Bauern, jedenfalls zum Teil und da, wo Ackerbau möglich und einträglich war. Ganz vom Nomadenleben hatte sich der Schlag aber noch nicht gelöst. Es gab immer noch herumziehende Viehhalter, die auch nicht unvermögend waren, auch sie neigten aber immer mehr dazu, sesshaft zu werden.

    Dieser Menschenschlag war nicht homogen. Wegen der Nomadentradition hatte sich ein Gemeinschaftsgefühl nicht entwickeln können; im Übrigen bestand er aber auch nicht aus einem einheitlichen Volk. Es waren Judäer, Kanaaniter, Philister, Amalekiter und wie die Völkerschaften alle hießen. Sie hatten verschiedene Götter, die sie verehrten und durch die sie sich voneinander unterschieden.

    Innerhalb dieses Völkergemisches bewegte sich eine Gruppe, die sich offenbar auf dem Weg von Ägypten zusammengefunden hatte und gemeinsam nach Norden gezogen war. Unter diesen war ein Stamm, der mit seiner Tradition und mit dem überlieferten Gott die anderen sehr beeinflusst hat. Diese Menschen glaubten an einen einheitlichen Gott, nicht, wie die anderen, an mehrere Götter mit verschiedenen Funktionen, wie Fruchtbarkeit, Krieg, Handel. Sie beteten ihren Gott unter dem Namen Jahwe an. Die Menschen waren der Ansicht, dieser ihr einheitlicher Gott habe sie, ihren Stamm, den Stamm Israel, ausgewählt. Er greife, so der Glaube, aktiv in die Geschichte des Stammes ein. Hierfür waren Geschichten überliefert, die an den abendlichen Ruhestätten des ziehenden und sich erweiternden Stammes erzählt wurden.

    Berühmt und beliebt war die Erzählung vom Stammvater Abraham. Dieser habe sich frühzeitig von den Göttern der Umgebung, die im südlichen Zweistromland, in Ur, lag, entfernt, und zwar sowohl räumlich durch Wanderung als auch innerlich. Ziel der Wanderung sei es gewesen, seinen Gott zu finden, ein Wesen, das er trotz seines Stolzes anzubeten sich bereit finden würde. Nichts sei ihm gut genug gewesen; mit der Suche begonnen habe er da, wo er angestammt gewesen sei und in der geistlichen Nähe der Nachbarnomaden. Gefunden habe er die Göttin Erde, die ihm aber die geistliche Nahrung, nach der er hungerte, verweigert habe. Er habe dann den Mond anbeten wollen, der sei aber des Morgens untergegangen, ebenso wie die Sterne. Schließlich habe er, immer weiter die Augen hebend, die Sonne als Anbetungsobjekt gewahrt, die, er war mittlerweile unter vielen Abenteuern in Ägypten gelandet, von den dortigen Landeskindern angebetet wurde. Arrogant und hochnäsig habe er aber auch die Sonne als nicht ausreichend gefunden, sondern nach dem gesucht, der die Sonne regiere. Es habe sich ihm dann der eine Gott offenbart, Jahwe, der ihn für seine Unbeugsamkeit und geistliche Unnachgiebigkeit gelobt und ihm versprochen habe, seine Nachkommen groß und zahlreich und zu seinem Volk zu machen.

    Nebenbei habe Gott das Wunder vollbracht, Sara, die Frau Abrahams, im hohen Alter fruchtbar zu machen und ihr einen Sohn geschenkt, Isaak, in dem der Stamm Abrahams fortgeführt worden sei.

    Isaaks Lebens sei ruhig verlaufen, es gebe nur aus seiner Jugend zu vermelden, dass Gott Abraham befohlen habe, ihn zu opfern und den gehorsamen Abraham in buchstäblich letzter Sekunde gehindert habe.

    Isaak habe zwei Söhne gehabt, Esau, den älteren und Jakob, den Jüngeren. Letzterer sei außerordentlich verschmitzt gewesen und habe Esau durch Täuschung des halbblinden Isaak um den väterlichen Segen gebracht. Jakob habe dann aber, den Erzählern nach mit Gottes Hilfe, aus dem Segen auch etwas gemacht. Vor der Rache Esaus fliehend, sei er im Norden an den Hof Labans gekommen, eines Verwandten seiner Mutter. Dort habe er gedient, zunächst, weil Laban so etwas wie Mitleid mit dem armen Verwandten gehabt habe, dann aber, weil Laban erkannte, dass Jakob ihn - und damit freilich auch sich selbst - reich machte. Jakob seinerseits diente, weil er hinter Labans Tochter, Rebekka, her war, die er dann auch heiratete, nicht, ohne gegen seine Willen vorher auch die hässlichere Schwester Lea zu bekommen und dazu noch zwei Mägde. Mit derartig vielen Frauen bedacht, habe er dann in schneller Reihenfolge 10 Söhne gezeugt, davon allerdings keinen mit Rebekka, die er liebte. Später gebar sie ihm dann doch noch den Sohn Joseph, der die Geschichte weiterführte und Benjamin, an dessen Geburt sie starb.

    Joseph wurde von seine Brüdern gehasst und deshalb an Nomaden verkauft, die ihn nach Ägypten verschleppten, wo er dann mit viel Gottvertrauen, Verschmitztheit und -so die Erzähler- Gottes Hilfe Karriere machte. Diese erlaubte es ihm, einer drohenden Hungersnot in dem ganzen Landstrich, von Syrien bis Ägypten, vorzubeugen und den Stamm Jakobs nach Ägypten zu holen.

    Hier lebte der Stamm Israel in Gosem zunächst angesehen und im Einklang mit dem regierenden König, Pharao. Mit der Zeit verlor sich das Ansehen des Stammes in Ägypten, man besann sich darauf, dass sie Ausländer seien, die man schließlich verachtete. Israel wurde im Laufe der Jahrhunderte versklavt. Aus dieser Sklaverei führte sie Moses - wiederum mit Gottes Hilfe- wieder nach Norden, wo sie sich in Kanaan, dem gelobten Land, niederließen.

    Und hier waren sie nun.

    2.

    „Von dieser ganzen Geschichte glaube ich nur, dass unser Volk aufgrund einer Trockenperiode, in der mehrere Jahre der Regen ausblieb, nach Ägypten auswanderte um nach Jahrhunderten nach hier zurückzukehren. Es kann ja sein, dass unser Stammvater Abraham hieß, aber was kaufe ich mir dafür? Und dass die Reihenfolge tatsächlich Vater, Sohn, Enkel gleich Abraham, Isaak, Jakob, dass folglich Joseph der Urenkel von Abraham gewesen sein soll, das glaube, wer will. Niemand ist bisher auf die Idee gekommen, unsere Geschichte nachzurechnen, aber etwas länger als vier Generationen wird sie von Abraham bis zum Auszug aus Ägypten wohl gedauert haben. Und Gott soll das alles gemacht haben? Ich glaube das nicht. Und glaubt irgendjemand, dass Jahwe unsere Geschicke beeinflusst? Ich nicht."

    „Mosche, man redet nicht dazwischen, wenn ein weitgereister Gast in unserem Haus Geschichten erzählt" streng sah Sebulon seinen ältesten Sohn an. Immer war dieser vorlaut, hatte andere Meinungen als er, sein Vater und wollte alles anders machen. An sich hatte Sebulon sich auf einen interessanten Abend gefreut. Issah, der Nomade, war am Mittag mit seiner riesigen Karawane an den Handelsposten gekommen, den Sebulon in Megiddo betrieb. Issah war ein alter Handelspartner und Freund, der im jährlichen Rhythmus den Händler Sebulon besuchte, um mit ihm Handel zu treiben und sich am Abend an den Geschichten zu erfreuen. Issah war etwa im gleichen Alter wie Sebulon, 50 Jahre oder ein paar mehr oder weniger. Er sah verwegen aus mit seinem durchfurchten Gesicht, das von der Sonne dunkel gegerbt war und seinem Turban, den er ständig auf dem Kopf trug, um sich vor der Sonne zu schützen. Hier, im festen Haus Sebulons, hatte er den gefürchteten Krummsäbel abgelegt und trug nur seinen Dolch. Sebulon wusste aber, dass Issah nicht so friedlich war, wie er sich hier im Hause gab, sondern durchaus bereit war, seine Karawane gegen Räuber zu verteidigen.

    Issah blickte jetzt auf den aufsässigen Mosche. Er wusste, dass der Streit noch nicht vorbei war. Kannte er doch die Reden der aufsässigen Jugend, erinnerte sich sogar seiner eigenen Jugend, in der er ebenso widerständig war. „Wann erlaubst du mir endlich, mit einer Karawane auf Reisen zu gehen?" fragte Mosche, eine verneinende Antwort erwartend.

    „Du bist noch viel zu jung, mit fünfzehn Jahren geht man nicht auf Reisen, antwortete der Vater, „im Übrigen ist Reisen ohnehin nicht deine Aufgabe. Du als mein ältester Sohn solltest mir im Handelsposten beim Handel zur Hand gehen, nicht reisen. Schließlich sollst du das Geschäft hier einmal übernehmen

    „Ich bin weit entfernt, mich in Eure Diskussion einzumischen, griff Issah ein, „aber wenn dein Sohn Händler werden will, ist es dann nicht an der Zeit, dass er deine Geschäftspartner im Süden kennenlernt?

    „Ich kenne sie nicht und mache dennoch über dich und die anderen Karawanenführer Geschäfte mit ihnen. Mein Vater kannte sie nicht und mein Großvater nicht. Warum sollte ausgerechnet mein Sohn mit Reisen anfangen?"

    „Weil Reisen bildet und ich mich außerdem hier noch zu Tode langweile", Mosches Ton wurde aufsässiger, nachdem Issah sich eingemischt hatte. Mosche war 15 Jahre alt, für sein Alter hoch aufgeschossen und hübsch. Schwarze Augen über einer geraden Nase, ein schön geschwungener Mund machten schon jetzt die Mädchen in dem Handelsposten auf ihn aufmerksam, ohne dass Mosche dies bisher bemerkte.

    Issahs Augen ruhten wohlgefällig auf ihm. „Ich würde, wenn mein geehrter Gastgeber ihn mir anvertraute, ihn wohl für eine Strecke Weges mitnehmen, nicht gleich nach Ägypten, aber vielleicht bis Juda, damit dein Sohn einmal andere Gegenden, andere Meinungen und andere Menschen sieht."

    Issah wusste, dass er ein gefährliches Spiel spielte. Er hatte sich als Gastfreund in eine Auseinandersetzung zwischen Gastgeber und Sohn eingemischt, und zwar zuungunsten des Gastgebers. Er kannte Sebulon jedoch seit fast dreißig Jahren. Sebulon hätte nicht mit seinem Sohn diskutiert, wenn er seine Reiselust kategorisch abgelehnt hätte. Aus der verbalen Ablehnung sprach ebenso viel Sorge um den Ältesten, wenn er ihn auf Reisen schickte, wie Sorge um die Änderung von Althergebrachtem: Händler aus der Familie Sebulon reisten seit Generationen nicht und damit Basta!

    Aber Issah fand Gefallen an dem lebhaften Jungen. Hatte er nicht selbst in seiner Jugend an Gott und den Traditionen gezweifelt, hatte er nicht mit seinem Vater die gleichen Streitigkeiten wie jetzt Mosche mit Sebulon gehabt? Und -Issahs Gesicht überzog sich mit Trauer- hatte er nicht seinen eigenen Ältesten vor zwei Jahren verloren, als die Karawane von Räubern überfallen wurde? Sein eigener Sohn war allerdings noch nicht in dem Alter gewesen, ihm zu widersprechen. Issah wusste aber, dass die beiden nächsten Söhne, der Älteste war jetzt 12, demnächst damit beginnen würden.

    „Nein, nein und nochmals nein", Sebulon beendete die Diskussion, indem er aufstand und damit das Ende der abendlichen Geschichten andeutete.

    Er zog sich in seinen Privatraum zurück, wo ihn seine Frau Bethseba erwartete.

    „Warum willst du Mosche denn nicht mit Issah ziehen lassen, fragte sie, „ich habe genauso viel Angst um ihn wie du, aber wir können ihn ja doch nicht halten. Und dann lieber mit Issah als mit jedem anderen.

    „Fängst du jetzt auch damit an?, brummte Sebulon, „hast du etwa gelauscht? Der brummige Ton konnte ihr aber die tiefe Liebe nicht verbergen, die er für seine Lieblingsfrau und die Mutter seines Ältesten empfand. Sie wusste, dass ihre Fürsprache für Mosche seine Chancen, etwas von der Welt zu sehen, erheblich vergrößerte.

    Sebulon ging aus dem Haus, um seinen abendlichen Rundgang zu machen. Sein Anwesen, das er stolz seinen Handelsposten nannte, bestand aus einem Rund von Gebäuden, die einen großen blühenden Garten umschlossen.

    An der südlichen Seite befanden sich die Wohngebäude, ausgedehnt und ausreichend für seinen großen Hausstand. Neben seiner Frau Bethseba hatte er noch zwei weitere Frauen, die ehemals seine Mägde gewesen waren. Außer Mosche hatte er noch drei weitere Söhne und zwei Töchter im Alter von 13 bis 8 Jahren. Der Hausstand umfasste etliche Sklaven, von denen einer der Schreiber und Vorsteher seines Hauses war. Der Vorsteher führte Buch über die eingekauften und verkauften Waren.

    Der östliche Flügel seines Hauses war den Sklaven und sonstigen Bediensteten vorbehalten. Sebulon hielt sich viel darauf zugute, dass er alle Mitglieder seines Haushaltes gut behandelte. Sklaven durften untereinander heiraten, Sebulon verkaufte ihre Kinder nicht, wenn es sich irgend vermeiden ließ. Jeder Sklave hatte in dem östlichen Trakt ein eigenes Zimmer, obwohl die Menschen nicht in Zimmern lebten, sondern außerhalb des Hauses.

    Die restlichen Gebäude waren als Speicher für diverse Handelsware eingerichtet. Im Norden, und zwar in dem Keller des Gebäudes, wurden die Waren gelagert, die verderblich waren, wie Früchte, Öl, Schönheitscremes und dergleichen.

    Sebulon handelte mit allem, was man kaufen und verkaufen konnte. Er erwarb dazu von den Bauern der umliegenden Gehöfte die Früchte des Ackers: Sein Anwesen war umringt von ausgedehnten Weizenfeldern, von Olivenhainen; ein Bauer nördlich von ihm, baute auf einer riesigen Plantage Wein an, der sehr begehrt war. Von einem anderen Bauern bezog er Feigen, die er trocknete. Die Abnehmer seiner Früchte waren durchziehende Händler wie Issah, die mit ihren Karawanen immer unterwegs waren. Sie zogen vom fernen Syrien, zum Teil über Juda und an dem Posten von Sebulon vorbei, zum Teil auch über das Zweistromland, nach Süden, bis Ägypten, und wieder zurück. Auf diesen Wegen kauften sie im Norden alles, was sie im Süden zu verkaufen hofften und umgekehrt.

    Sebulon trieb aber auch Handel mit den Viehzüchtern, die vorbei kamen. Diese waren Nomaden, die den fruchtbaren Weiden hinterher zogen. In den trockenen Sommern zogen sie ins eher feuchte Hochland, um ihre Tiere zu weiden, im feuchten Winter wanderten sie in die Steppen im Tiefland, wo die Tiere genug Futter fanden. Diese stattete Sebulon mit den Früchten des Ackers aus im Tausch gegen die Erzeugnisse aus der Viehzucht wie Fleisch, Felle und dergleichen.

    All dies besann Sebulon, als er seinen Rundgang machte. Er dachte aber auch darüber nach, dass die Auseinandersetzung mit seinem Sohn und die Intervention Issahs ihn mehr bewegt hatten, als er sich hatte anmerken lassen. Seit Generationen saßen seine Vorväter an diesem Platz in der Nähe der Ortschaft Megiddo. Den Erfolg verdankte der Handelsposten der Tatsache, dass er in der Nähe der Kreuzung zwischen den Handelsstraßen vom Zweistromland zum Meer und von Syrien nach Ägypten lag. Alle Karawanen, die von Ost nach West, von West nach Ost oder von Nord nach Süd und umgekehrt wollten, mussten an Megiddo vorbei. Der Ort verdankte seine wohlhabende Existenz dieser Lage; der Handelsposten Sebulons war in Megiddo wegen seiner reichen Auswahl und seiner Ehrlichkeit bekannt.

    Die Entwicklung im Lande war jedoch einem Posten wie dem Sebulons eher abträglich. Die Reisetätigkeit wurde zusehends weniger. Dies lag nicht so sehr an den Räuberbanden, die im Süden und im Osten ihr Unwesen trieben, als vielmehr daran, dass die große Zeit der Züge der Völker sich dem Ende zuneigte.

    In der Tradition des Volkes Sebulon war die Zeit des Wanderns sehr lebendig. Heute noch begannen die Propheten im Heiligtum Siloh ihre Weissagungen, die sie im Namen des Gottes verkündeten, mit den Worten „Ich bin der Herr, Dein Gott, der Dich aus dem ägyptischen Diensthause geführt hat". Die Erzählungen, wie das ganze Volk Israel aus Ägyptenland ausgezogen und in das Land Kanaan gezogen war, gehörten zur religiösen und Geschichtentradition. Israel begann allerdings, allmählich sesshaft zu werden. Die Bauern rings um das Haus Sebulon herum beschränkten sich nicht mehr auf den Ackerbau, sondern fingen selbst an, Kleinvieh zu halten, weil die Fleisch und Felle liefernden Nomaden seltener kamen, um im Tauschhandel Ackerfrüchte gegen ihre Tierprodukte zu erwerben.

    Ein verantwortungsbewusster Händler hatte sich auf diese veränderten Umstände frühzeitig einzurichten. Schließlich waren ja auch die Väter Sebulons als erste auf die Idee gekommen, sich an der Handelsstraße niederzulassen, als das Volk noch ein reines Nomadenvolk war, sehr zum Vorteil des Familienreichtums.

    Wenn die Kunden daher immer seltener zu seinem Handelsposten kamen, so der grundlegende Gedanke Sebulons, musste er vielleicht zu den Kunden reisen.

    Mit diesem Gedanken beschäftigte er sich seit einigen Jahren. Ihm kam daher die Idee Issahs und Mosches, die Mosche übrigens nicht zum ersten Mal vorgetragen hatte, gedanklich sehr gelegen.

    Andererseits fand Sebulon, dass Mosche noch viel zu klein war, um auf Reisen zu gehen. Er traute ihm auch nicht recht zu, mit alten oder neuen Geschäftspartnern Sebulons gewinnbringende Kontakte zu knüpfen. Zu wirr und auch den gängigen Denkmodellen Israels widersprechend waren die Ideen seines ältesten Sohnes.

    Schließlich aber, und das gab den Ausschlag, irgendwann einmal musste Sebulon den Sohn in die Geschäfte einführen: je eher, desto besser, und je weiter der Gesichtskreis seines Nachfolgers wäre, desto besser ebenfalls. Sebulon beschloss, dem Drängen seines Sohnes und seiner Frau nachzugeben.

    „Wann ziehst du denn weiter, fragte Sebulon den Gastfreund am nächsten Morgen. „Nicht, dass ich dich loswerden wollte, aus reinem Interesse frage ich

    „Ich mache mich morgen wieder auf den Weg, erwiderte Issah. „Ich gehe allerdings nicht, ohne deine definitive Antwort, Mosche betreffend, erhalten zu haben. Ich habe Gefallen an deinem Sohn gefunden. Mein Weg führt mich ab morgen nach Süden, immer entlang des Berglandes, über Ekron, Bet Schemesch nach Bethlehem. Dort wohnt mein Geschäftsfreund Isai, dem ich deinen Sohn Mosche anvertrauen kann. Ich werde ihn, wenn du einverstanden bist, dorthin bringen. Isai hat selbst Söhne im Alter von Mosche. Er kann dort eine Zeit lang bleiben und bei Isai, der ein Edler in Bethlehem ist, lernen. Isai wird ihn dann einer Karawane anvertrauen, die dir deinen Sohn zurückbringt.

    Mosche saß beim Frühstück neben seinem Vater. Er schwieg, nur seine Augen leuchteten. Er war immer bereit, seinen Widerspruchsgeist an allem und jedem auszuprobieren. Er war aber auch klug genug, zu wissen, wann er lieber schwieg. Dies war einer dieser Momente.

    Ängstlich sah er seinem Vater ins Gesicht. Würde er zustimmen? Eine solche Gelegenheit würde sich Mosche wohl nicht wieder bieten.

    In Sebulon kämpften die Vernunftgründe des gestrigen Abends mit der Liebe und Sorge um seinen Sohn, den er in die Welt schicken sollte. Schließlich gab er nach „Es sei, wie du sagst antwortete er, das letzte Wort ging jedoch in Mosches Freudenjauchzer unter, der allerdings sofort von Issah gedämpft wurde. „Freu dich nicht zu früh, warnte der ihn, „wer mit der Karawane zieht, hat mit ihr zu arbeiten. Ich werde dich zunächst einteilen, mit den Kamelführern morgens die Kamele zu beladen und dann tagsüber ihnen zur Hand zu gehen."

    Diese Worte minderten jedoch nicht die Freude Mosches, sie vergrößerten sie nur. Hatte er doch in den vergangenen Tagen häufig den Lagerplatz der Karawane vor dem Tor besucht und besonders immer wieder vor den wiederkäuenden Kamelen gestanden und sich vorgestellt, wie er eines führte und mit ihm über das Land zog, in die Ferne.

    3.

    Am nächsten Morgen - Mosche hatte vor Aufregung nicht geschlafen - ging er noch vor Sonnenaufgang hinaus zum Karawanenplatz. Ein bisschen beklommen war ihm zumute, vor allem wegen des Abschiedes von seiner Mutter. Sein Vater hatte bis zum Schluss noch gute Lehren für ihn gehabt, die er aber, als rechter Sohn, alle in den Wind zu schlagen gedachte. Seine Mutter aber hatte geschluchzt: „Pass gut auf dich auf und sei vorsichtig", hatte ihn gedreht und ihn Richtung Tor gestoßen.

    Und hier war er nun, wurde von Issah freundlich, aber ernst begrüßt.

    Issah rief mit lauter Stimme „Perez!, worauf sich ein dunkelhäutiger kräftiger Mann von den Kamelen ab- und Issah zuwendete. „Perez, dies ist Mosche Ben Sebulon, er wird mit uns ziehen, nimm du ihn in deine Schule, belehre ihn mit allem, was du über Kamele weißt. Schone ihn nicht, er wird arbeiten wie irgendeiner in der Karawane.

    Perez hatte ein sehr dunkles Gesicht, mit einer riesigen Nase und einem wulstigen Mund. Mosche fand ihn hässlich. Perez zog die Lippen auseinander, lächelte und forderte Mosche auf, mit ihm zu kommen. Er führte ihn zu einem Kamel, neben dem ein Packen Waren lag. „Dieses Kamel musst du ab jetzt jeden Morgen beladen. Ich zeige dir einmal, wie man das macht. Merk es dir gut, morgen früh musst du das allein erledigen, morgen darfst du noch Fehler machen, übermorgen nicht mehr."

    Perez rief dem Kamel mit lauter Stimme „leg dich! zu. Das Tier knickte zunächst mit den Vorderbeinen, dann mit den Hinterbeinen ein. Der Treiber begann es jetzt systematisch zu beladen. „Hier, diese Felle kommen zuerst, damit die darüber gestapelten Waren den Rücken nicht zu sehr belasten und mit geschickten Bewegungen bepackte Peres den Kamelrücken. Dabei gab das Tier grunzende Laute von sich, die Mosche als Protest interpretierte, Perez aber nicht beachtete. Mosche merkte sich die Reihenfolge genau.

    Auf das Kommando „steh!" stand das Kamel auf und wurde von Perez in die Reihe der anderen Tiere geführt.

    Mosche sah zum ersten Mal die Karawane vollständig und zum Abmarsch bereit. Es waren wohl hundert Menschen, die hier mit der Karawane zogen, die etwa 50 Kamele führten, daneben Esel, Schafe, Ziegen und Hunde. Mosche beobachtete, dass die Zelte der Karawane ausschließlich den Eseln aufgeladen waren, die Kamele schleppten die Handelsware, die Issah mit sich führte. Issah ritt als einziger selbst auf einem der langbeinigen Tiere, er setzte sich an die Spitze und gab das Zeichen zum Aufbruch.

    Mosche fühlte ein beklemmendes Drücken in seiner Brust. Tränen des Abschiedes traten in seine Augen. Er kämpfte dagegen an, und gegen den Impuls, zurückzublicken. Hoch richtete er sich auf und ging los. Nach wenigen Augenblicken passte er sich den Schritten des vor ihm das Kamel führenden Perez an. Mit dem wiegendem Gang der Kameltreiber wurde er Teil der sich entfernenden Karawane.

    4.

    Sieben Tage waren sie jetzt unterwegs. Am ersten Abend hatte Mosche sich noch gewundert, dass Issah lange vor Ende des Tages der Karawane den Lagerplatz für die Nacht bezeichnet hatte, verstand aber im Laufe der Zeit, wie lange der Aufbau des Lagers für die Nacht dauerte. In der brennenden Sonnenhitze, es ging schließlich auf den Sommer zu, hatte er unter Anleitung von Perez das Kamel entladen, Zelte waren aufgebaut worden, allerdings wiederum nur für Issah und für die Waren, die anderen schliefen unter freiem Himmel.

    „Im Winter, in der Regenzeit, hatte Perez ihm erklärt, „schlagen wir auch für uns die Zelte auf, im Sommer ist das nicht nötig, so sparen wir viel Arbeit.

    Auch heute waren die Kamele abgeladen, die Zelte aufgebaut worden; die Karawane kam allmählich zur Ruhe. Mittlerweile war die sengende Sonne im Untergehen begriffen. Mosche bewunderte die Landschaft in den schillernden Farben des Abends. Sie waren seit zwei Tagen auf ein Gebirge zu gewandert, das im Süden lag. Weit im Westen näherte sich die Sonne blutrot dem Horizont und tauchte die gesamte Umgebung der Karawane in einen unwirklichen, rötlichen Schein. Selbst das Gesicht Perez erschien in diesem Licht schöner als am Tag.

    Einer der Jungen, die zur Karawane gehörten, kam auf Mosche zu: „Du sollst zum Patron kommen, komm, ich führe dich."

    Mosche folgte dem Jungen und fragte sich, was Issah wohl von ihm wollte. Issah hatte ihn die ganzen sieben Tage lang nicht beachtet, war vielmehr fast stets an der Spitze geritten.

    Jetzt saß er vor seinem Zelt, beobachtete den Sonnenuntergang und war anscheinend tief in Gedanken versunken.

    „Komm, setz dich neben mich", bedeutete er Mosche und fragte, als Mosche sich gesetzt hatte:

    „Nun, wie gefällt dir das Leben in der Karawane als Kameltreiber, junger Mann?"

    „Prima, erwiderte Mosche, „Perez lobt mich sogar, wie ich seit dem zweiten Tag mein Kamel alleine versorge, be- und entlade.

    „Sehr schön. Ich habe dich allerdings nicht gerufen, weil ich von deinen Leistungen erfahren wollte. Was weißt du eigentlich von dem Geschäftsfreund deines Vaters in Bethlehem, zu dem ich dich bringe. Was weißt du überhaupt von deinem Stamm dort unten?"

    „Nicht viel, antwortete Mosche, „wenn zu Hause die Rede darauf kam, habe ich mich immer gelangweilt. Du warst ja dabei, wie sie die Geschichten immer mit Jahwe verknüpfen. Das fand ich eintönig und habe nie daran geglaubt. Allerdings weiß ich, dass wir irgendwie auch verwandt sind, weil unsere Vorfahren aus Ägypten ausgewandert sind. Nur meine Familie ist in Megiddo angesiedelt, wo wir allerdings bis heute trotz unseres Ansehens Fremde geblieben sind.

    „Das ist doch immerhin schon etwas, ließ sich Issah vernehmen, „allerdings nicht genug. Ich werde dir ab jetzt jeden Abend vor dem Schlafen gehen entweder selbst erzählen oder erzählen lassen, wie die politischen Verhältnisse dort unten sind. Davon macht ihr euch oben im Norden keine Vorstellungen. Willst du das hören?

    „Gern, antwortete Mosche neugierig. „Ich weiß eigentlich kaum etwas über unsere entfernten Verwandten im Süden.

    „Du weißt ja wahrscheinlich, begann Issah, „dass die Geschichte deines Volkes eigentlich mit den zwölf Söhnen von Jakob beginnt. Jeder der Söhne bildete einen eigenen Stamm, die alle in diesem Land angesiedelt sind. So sind zum Beispiel in eurer Nähe die Stämme Sebulon und Issachar angesiedelt, nördlicher als diese Stämme sind nur noch Dan, Ascher und Naphtali.

    „Das stimmt, unterbrach ihn Mosche, „mein Vater hat immer gesagt, dass wir zum Stamme Sebulon gehören, der nördlich von uns wohnt.

    „Siehst du, und da, wo wir hingehen, im Süden, leben vor allem die Stämme Efraim, Benjamin und Juda. Sie siedeln bis an den Jordan und an das große Meer, in das der Jordan mündet, das Tote Meer. Östlich davon siedeln die Stämme Gad und Ruben.

    Hier oben bei euch ist euer Volk von den Nachbarn verhältnismäßig friedlich aufgenommen worden, weil hier Platz genug war. Deine Verwandten im Süden haben es da sehr viel schwerer. Die Stämme Israels werden immer wieder von den Nachbarn im Westen, den Philistern, bedrängt; im Süden hausen die Amalekiter, die schon fast in der Wüste leben. Aus dem Osten kommen die Ammoniter, die die Stämme östlich des Jordan bedrängen."

    „Aber was haben die denn alle gegen unsere Verwandten?", fragte Mosche erstaunt.

    „Nun ja", Issah sah Mosche fest in die Augen, „ich als Babylonier, der eigentlich mit diesen Auseinandersetzungen nur zu tun hat, wenn sie meine Karawane behindern, bin ja fast neutral. Aber ich will dir auch sagen, dass ich Verständnis für die Völker habe, die die Stämme Israels bekämpfen. Da kommen aus Ägypten ganze Scharen an, die sich mit den Einwohnern nicht vermischen wollen, sondern für sich bleiben, die aber fest behaupten, das Land sei ihnen von ihrem Gott verheißen. Diesen Gott zeigen sie niemandem, sie behaupten, er sei unsichtbar und doch allmächtig. Kein Wunder also, dass sie sich bei den Einwohnern, deren Land sie besetzen, nicht gerade beliebt gemacht haben.

    Dennoch, es hat ja auch Zeiten des Friedens gegeben, die ersten Auseinandersetzungen waren auch nicht mehr als Scharmützel zwischen einzelnen Dörfern der Stämme und ihrer Nachbarn."

    „Wie kam es zu den ersten Auseinandersetzungen?", fragte Mosche

    „Es scheint, fuhr Issah fort, „dass sich in letzter Zeit, das heißt seit ungefähr zwanzig Jahren, die Konflikte verschärft haben. Sowohl die Philister von Westen als auch die Ammoniter von Osten waren auf Rückeroberung des Landes aus, das von den Judäern und von Gad und Ruben in Besitz genommen worden waren. Die Ammoniter sind von Osten bis an den Jordan gekommen, die Philister von Westen her bis in das Heiligtum Siloh vorgedrungen.

    „Aber dann wird ja das Land, in das wir ziehen, von den Philistern beherrscht?", fragte Mosche, nun doch ängstlich geworden.

    „Für heute nicht weiter, beendete Issah das Gespräch. „Wir haben ja noch sehr viel Zeit, um die Geschichte weiter zu verfolgen. Vergiss nicht, wir stehen morgen früh auf, deshalb jetzt: schlaf gut und sei morgen um die gleiche Zeit wieder an meinem Zelt, auch ohne dass ich dich rufen lasse.

    „Vielen Dank, Issah, und auch dir gute Nacht", verabschiedete sich Mosche und ging durch das inzwischen von Dunkelheit umschlossene Karawanenlager, in tiefe Gedanken versunken. Er hatte bisher nie etwas von seinen Verwandten hören wollen, weil in seinem Elternhaus diese Geschichten immer mit Glaubensdiskussionen verbunden waren, gegen die er sich auflehnte. Gerade Issahs Verteidigung der kriegerischen Nachbarn der südlichen Stämme kam seinem rebellischen Geist entgegen. Andererseits fühlte er mit den Menschen seines Volkes, die da unten im Süden gegen ihre Bedränger kämpften. Verwirrt fiel Mosche, an seinem Platz angekommen, in tiefen, traumlosen Schlaf.

    5.

    An den nächsten Abenden, immer genoss Mosche nach dem Aufbau der Zelte die Sonnenuntergänge, fand er sich regelmäßig vor Issahs Zelt ein. Issah hatte einen Mann aus der Karawane, Adam, gebeten, Mosche die Geschichte der südlichen Stämme weiter zu erzählen. Adam, ein alter, weißhaariger, hagerer Mann, stammte selbst aus Benjamin. Mit seinen noch scharfen Augen musterte er Mosche:

    „Na, junger Mann, Issah sagt mir, du sollst von meinem Volke sein, aber aus dem Norden?"

    Mosche war gegen seine sonstige Gewohnheit außerordentlich höflich:

    „Ja, Issah meinte, es sei besser, wenn ich über die Verhältnisse in Bethlehem einigermaßen Bescheid wüsste. Er hat mir schon etwas erzählt von dem Kampf meines Volkes gegen die Nachbarn."

    „Ich habe meine Heimat verlassen, nachdem im Kampf gegen die Philister meine beiden Söhne gefallen sind und meine Frau dann vor Kummer gestorben ist. Ich habe erst gegen die Ammoniter gekämpft und mich dann Issah angeschlossen. Aber wisse, junger Mann, fuhr Adam eindringlich fort, „das war nicht der einzige Grund. Weißt du, in meiner Jugend war ich ein frommer Mann, der regelmäßig zum Heiligtum in Shilo pilgerte und mit Eli, dem Propheten sprach. Als aber Eli immer älter wurde, verlor er an Einfluss und seine Söhne übernahmen das Zepter. Sie diktierten, wer Zugang zum Heiligtum hatte und wer nicht, und das richtete sich nach den Bestechungssummen, die man ihnen gab. Als ich mich dagegen auflehnte, ich meinte, dass der Zugang zu Gott nicht von dem Umfang des Vermögens abhängig sein durfte, bekam ich immer öfter Schwierigkeiten, so dass der Tod meiner Familie nur der Auslöser war. Das ist nun aber Jahre her.

    „Verliere dich nur nicht in Erinnerungen an deine Jugend, Alter", ermahnte ihn Issah.

    „Schon gut, brummte Adam, „man wird ja wohl noch von alten Zeiten erzählen dürfen, und begann zu erzählen

    „Issah hat schon recht, die Art der Kriegsführung ist in der letzten Zeit schärfer geworden: Die Philister haben sich die Produktion von und den Handel mit Eisen zu Eigen gemacht. Sie werden zunehmend den Israeliten, die noch mit den alten Waffen kämpfen und die zudem nicht zentral geführt werden, überlegen. Sie bedrängen daher mehr und mehr die südlichen Stämme der Israeliten, die sie als Eindringlinge ansehen.

    Vor allem in Mittelpalästina verstärkte sich der Druck. Dort stand das Heiligtum Siloh, in dem die drei südlichen Stämme Benjamin, Efraim und Juda, Jahwe verehrten. Das Heiligtum wurde von erblichen Priestern verwaltet, deren letzter, Eli, verkommene Söhne hatte, unter denen ich schon gelitten hatte. An sie konnte das Priestertum nicht vererbt werden. Eli zog Samuel heran, der sich sehr früh dadurch auszeichnete, mit Jahwe in engem Kontakt zu stehen. Er jedenfalls verkündete immer wieder Jahwes Willen, den Eli als den richtigen erkannte, und gelangte dadurch zu hohem priesterlichen Ansehen.

    So wurde Samuel zum Propheten und Richter in Israel.

    In dieser Zeit führten die Philister den ersten ernsthaften, groß angelegten Angriff gegen Mittelpalästina. Tausende ihrer Krieger, mit modernsten Waffen versehen, fielen in einem lange geplanten Feldzug in die Siedlungen der Israeliten ein. Die Feldherren des israelitischen Volkes zogen alle Krieger zusammen, deren sie habhaft werden konnten. Weil aber unsere Stämme in weit voneinander entfernten kleinen Siedlungen leben, die einzelnen Dörfer darüber hinaus vom Norden bis in den Süden verstreut sind, konnten sie nicht annähernd ausreichend Krieger zusammenziehen, um der Streitmacht der Philister widerstehen zu können. Bei Eben-Eser wurden sie entscheidend geschlagen, danach war absehbar, dass die Philister sich auf längere Zeit in Westpalästina festsetzen.

    6.

    Issah und Adam hatten sich daran gewöhnt, gemeinsam die Geschichten Israels zu erzählen. Längst war aber nicht mehr nur Mosche ihr Zuhörer. Ein großer Kreis von Neugierigen bildete sich jeden Abend um Issahs Zelt, wo die beiden alten Männer ihre Erzählungen fortsetzten.

    Die Karawane war jetzt über drei Wochen unterwegs. Der Weg verlief immer entlang des Berglandes, das im Osten lag. Sie hatten Dörfer berührt, Issah hatte gehandelt, hatte Waren aus Syrien gegen solche aus dem Bergland, vor allem Wein und Olivenöl eingetauscht. Mosche hatte hierbei eifrig zugesehen, er kannte den Handel von der Station seines Vaters sehr genau; er musste sich aber eingestehen, dass im Aushandeln eines Gegenwertes für Waren Issah seinem Vater zu mindestens ebenbürtig war. Allerdings brauchte er auch mehr Zeit. In Sichem, das sie gestern verlassen hatten, hatte Issah nur einen Tag bleiben wollen. Weil aber ein vornehmer Bewohner Sichems namens Akka von Issah einen babylonischen Dolch eintauschen wollte und Issah sah, wie begehrlich Akka diesen Dolch immer wieder befingerte, blieb er drei Tage. Schließlich hatte er von Akka drei Amphoren Wein, eine Amphore Olivenöl und noch drei Bahnen Leinen im Tausch für den Dolch erhalten, ein fürwahr fürstliches Geschäft, wie er Mosche augenzwinkernd anvertraut hatte

    Am letzten Abend in Sichem erzählte Adam den Beginn von Sauls Karriere, Saul, der jetzt König von Juda war.

    7.

    „Saul hatte die Herde seines Vaters Kisch gehütet. Es waren Schafe und Ziegen, nicht nur die seines Vaters, die Saul morgens aus dem Dorf auf die einsamen Ebenen südlich des Dorfes führte, die im Winter mit saftigem Gras bewachsen waren, aber im Sommer zur Steppe vertrockneten, auf der die Tiere nur mühsam ihre Nahrung fanden. Im Sommer wurde wohl nachgefüttert, von den Vorräten, die auf dem Hof im Winter gesammelt worden waren.

    Saul schritt hinter seiner Herde her, ein Stöckchen zu einer Flöte mit dem Messer schneidend. Er brauchte nicht sonderlich aufzupassen, Schio, der Hütehund, hielt die Herde beisammen, die jetzt, am Abend, ohnehin dem Dorf und vor allem dem vor dem Dorf gelegenen Brunnen zustrebte, weil sie dort zu saufen bekamen. Darüber hinaus befanden sie sich auf einer weiten übersichtlichen Ebene, auf der die Luft flimmerte. Saul in seinem leichten Leinenhemd und Hose schwitzte nicht, er liebte die Wärme, sogar die Hitze.

    Langsam näherten sie sich dem Brunnen, der in einer Senke lag, die die Ebene unterbrach. Um den Brunnen gab es zur Seite, von der Saul kam, freien Raum, zur anderen Seite hatte sich ein kleines Wäldchen gebildet, aus Terebinthen, die allein standen, Eichen und Akazien. Die Bäume gaben Schatten, in dem die Hirten gerne saßen und schwatzten, während die Tiere tranken. Saul sah, dass eine andere Herde schon angekommen war und auf das Wasser wartete. Warum tranken sie nicht? Saul erkannte, näherkommend, den Grund: Nathans Tochter Ahinoam hütete heute die Herde, sie konnte den schweren Stein, der zum Schutz des Wassers auf dem Brunnen lag, nicht anheben. Sie war nicht unter den Schatten der Bäume geflüchtet, sondern sah sehnsüchtig dem näherkommenden Saul entgegen.

    Saul kannte Ahinoam schon lange; als kleine Kinder hatten sie manchmal zusammen gespielt, sich aber, seit Saul die Herde hüten musste, nur noch aus der Ferne gesehen. Saul hielt den Atem an:

    Lange, schlanke Beine, eine schlanke Mädchengestalt - oder schon junge Frau? - ein länglich geschnittenes ebenmäßiges Gesicht, volle Lippen, schwarze Haare und darunter graugrüne Augen, die ihm jetzt entgegenstrahlten, ein schüchternes, bittendes Lächeln auf den Lippen.

    Langsam begann Saul wieder zu atmen. So wunderschön hatte er die Nachbarstochter noch nie gesehen, wie sie jetzt am Brunnen in der Abendsonne stand und ihn anlächelte. Er traute sich kaum, zurückzulächeln, wie er auf sie zuging und sie, sehr schüchtern geworden, begrüßte. Ohne ein Wort ging er auf den Brunnen zu und hob den Stein vom Rand. Weiter, ohne zu sprechen, er hatte Angst, den Zauber zu brechen, schöpfte er mit dem Eimer Wasser aus dem gut gefüllten Brunnen und schüttete es in die Tränken, um die sich nun die Tiere drängten, und zwar durchmischt die von Nathan und die seiner eigenen Herde. Während er arbeitete, bemerkte er aus den Augenwinkeln, wie Ahinoam ihn unverwandt betrachtete. Was sie sah, gefiel ihr: ein braungebrannter Jüngling, groß, schmal, kräftig in den Schultern, schmalhüftig, mit einem ausdrucksvollen Gesicht, in dem unter großen sprechenden schwarzen Augen eine gerade Nase, ein voller Mund, eingerahmt war von ebenfalls schwarzem lockigem Haar und darunter eine für seine Jahre schon etwas zu stark gefaltete Stirn, die hoch und breit war.

    Gemeinsam sahen sie nun den Tieren beim Trinken zu, immer noch ohne ein Wort zu wechseln, die Augen abwendend, wenn sie dem Blick des anderen begegneten.

    Saul wusste nicht, was Ahinoam dachte, er wusste nur eines: Innerhalb von Sekunden war sein Herz aufgeflammt, er liebte Ahinoam, von einem Augenblick auf den anderen, er würde sie nie vergessen können. Er wusste aber auch, dass seine Augen und sein Herz schlecht gewählt hatten: Ahinoam war seit ihrer Kindheit versprochen, an einen Jungen aus dem Nachbardorf. Die Ländereien seines Vaters grenzten an die von Nathan, dem Vater Ahinoams, so dass beide Männer es für eine gute Idee gehalten hatten, ihre Kinder miteinander zu verloben, damit eines Tages die Ländereien miteinander verschmolzen. Ihre Kinder würden dann ein großes und reiches Gut bewirtschaften können.

    Das alles schoss Saul durch den Kopf, sein Gesicht wurde dunkler und noch immer, ohne ein Wort zu sagen, begann er, die beiden Herden zu trennen, ohne Ahinoam noch einmal anzusehen.

    Zu Hause angekommen, versorgte er die Herde. Saul war nie besonders gesprächig gewesen, aber sein Vater, der die Tiere zählte und nach besonderen Vorkommnissen fragte, bemerkte, dass Saul heute besonders wortkarg war.

    „Sind die Tiere alle beisammen?", fragte er als erstes. Saul nickte nur.

    „Und, bist du wilden Tieren begegnet, einem Löwen vielleicht, oder Wölfen, Schlangen?"

    Saul schüttelte den Kopf, obwohl die Frage nach dem Löwen unter ihnen manchen Anreiz zum Scherz gab: Es gab in dieser Gegend keine Löwen, Schakale, ja, Wölfe, Schlangen, ja, aber keine Löwen. Dennoch gaben die jungen Hirten gerne an, sie hätte Löwen in die Flucht geschlagen, als sie ein Tier aus der Herde reißen wollten. Diese Geschichten waren nichts anderes als Aufschneidereien, über die Kisch sich mit Saul gerne lustig machte. Heute gab Saul aber nur Kopfschütteln von sich, nicht mehr, nicht einmal die Andeutung eines Lächelns. Kisch gab es für heute auf und beschloss, den Jungen in Ruhe zu lassen. Er wusste: Wenn es etwas Besonderes gab, das er wissen müsste, würde Saul schon zu reden anfangen.

    Saul lag in seinem Bett und wachte. Er konnte nicht schlafen. Am Abend hatte er abgelehnt, zu essen und auf die Frage seiner Mutter, ob er krank sein, wieder nur den Kopf geschüttelt. Er lag mit geschlossenen Augen in seinem Bett und sah vor seinem inneren Auge die Augen Ahinoams, wie sie ihn anstrahlten. Wie klar sie waren! Und wie schüchtern sie ihn angelächelt hatte, ein Lächeln, das nur ihm gegolten hatte! Und er hatte dagestanden wie ein Holzklotz und kein Wort hervorgebracht. Er war doch sonst nicht so schweigsam, obwohl nie ein Schwätzer. Was sollte sie von ihm denken. Und war das nicht egal, nachdem sie doch ohnehin jemand anders versprochen war? Wem eigentlich? Saul hatte nur verschwommene Vorstellungen von dem anderen Jungen, aber wenn der jetzt hier gewesen wäre, hätte Saul ihn ohne weiteres vor Eifersucht umgebracht.

    Lange konnte Saul nicht einschlafen, schließlich dämmerte er doch hinüber, im Einschlafen hoffend, er werde von ihr träumen, aber Träume lassen sich nicht herbeirufen.

    In den nächsten Tagen ging Saul mit seiner Herde zu verschiedenen Zeiten abends zur Tränke, immer in der Hoffnung, ihr wieder zu begegnen und ihr Lächeln auf sich zu spüren, aber, warum auch immer, sie kam nicht. Ein paar Mal begegnete er Nathans Herde, die wurde aber immer von einem seiner Knechte gehütet, nicht mehr von Ahinoam.

    Langsam verblasste das Bild. Saul hatte keine Möglichkeit, sich ihr zu nähern, das tat man einfach nicht. Im Übrigen war es undenkbar, dass er die Verlobung Ahinoams mit dem anderen etwa nicht respektieren könnte. Mit der Zeit gewöhnte sich Saul an das leichte Ziehen in seinem Herzen, das er in jedem ruhigen Moment wahrnahm als Erinnerung, dass er seine große Liebe getroffen habe, diese aber einem anderen versprochen war.

    Mit der ganzen Emphase seiner Jugend hielt Saul sich für einen unglücklich Liebenden. Die Querfalten auf seiner Stirn vertieften sich.

    8.

    Da erreichte ihn der Ruf der Ältesten der südlichen Stämme: Die Philister hatten wieder einmal gerüstet. Mit einem Großaufgebot an Truppen hatten sie, von der Küste kommend, sich über das mittlere Bergland hergemacht und waren plündernd und mordend in das Land des Stammes Ephraim eingefallen und drohten von dort aus, nicht das erste Mal, nach Süden zu schwenken.

    Die Ältesten waren zusammengekommen und hatten unter Führung ihres Priesters, Samuel, beschlossen, alle Dörfer um das Heiligtum Siloh und die südlich davon gelegenen Stämme um Hilfe zu bitten. Auch auf den Hof Kischs waren die Werber gekommen, Kisch und Saul hatten nicht gut ablehnen können. Saul wollte übrigens auch nicht ablehnen. Er war von der Wichtigkeit des Krieges überzeugt, war in der Feindschaft der Philister erzogen worden und, vor allen Dingen, hoffte er, auf andere Gedanken zu kommen, die ununterbrochen um sein Schicksal haderten, dass er Ahinoam nicht sehen durfte.

    Kisch rüstete seinen Sohn aus, wie es ihm sein Wohlstand gestattete: Prächtig sah Saul aus, mit bronzenem Helm, der in der Sonne glitzerte, so neu war er, mit seinem Leinenkleid und der Hose darunter, Oberkörper geschützt von einem leichten Brustharnisch, mit Beinschienen, die, ebenfalls aus Bronze, in der Sonne schillerten. Gegürtet war er mit dem neu geschmiedeten Schwert, Saul hatte nur mit dieser Waffe zu kämpfen gelernt.

    Am verabredeten Treffpunkt, dem Sammelpunkt von Gibea, traf er die anderen Kämpfer: Sein Dorf stellte fünfzig Krieger, alle mit dem Schwert bewaffnet. Sie stellten sich unter den Befehl des Dorfpriesters Rachor, der selbst keine Waffe trug, sondern dafür sorgte, dass vor den Kämpfen der Herr angerufen und um seinen Segen gebetet wurde. Die Israeliten fürchteten sich nicht vor der Übermacht der Feinde: Hatte nicht ihr Gott, Jahwe, das Volk Israel, schon gegen weitaus größere Übermachten verteidigt und die Feinde des Volkes geschlagen? Waren sie nicht dem Herrn treu geblieben und konnten sich deshalb auch diesmal auf seine Hilfe verlassen? Frohgemut zogen sie nach Norden, den Philistern entgegen.

    Den ersten Feindkontakt hatte Saul mit einer kleinen Gruppe israelitischer Kämpfer schon, bevor sie noch die Hauptmacht des Heeres erreicht hatten. Sie waren zehn Krieger,

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