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Theben-Park
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eBook188 Seiten1 Stunde

Theben-Park

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Über dieses E-Book

"Am Anfang unterhalten wir uns, nach und nach fange ich an zu schreiben, dann proben wir und wenn wir fertig sind, zeigen wir unsere Arbeit dem Publikum." Ein Autor geht ins Gefängnis und trifft dort auf Martín, einen jungen Vatermörder. Die Idee des Autors ist: Der Häftling soll seine Rolle selbst spielen. Als dies verboten wird, soll er den Aufführungen beiwohnen, als dies ebenfalls verboten wird, sie wenigstens per Video verfolgen können. Ein junger Schauspieler übernimmt die Rolle Martíns. Ausgehend von den Treffen und Gesprächen, die der Autor mit dem Häftling geführt hat, versucht er, mit dem Schauspieler in einem vergitterten Basketballfeld die Geschichte zu rekonstruieren.

Doch je weiter die Geschichte fortschreitet, desto weniger geht es um deren Rekonstruktion und desto mehr um die szenische Darstellung der Treffen. Häftling und Schauspieler sind dabei Personen, die von ein und demselben jungen Darsteller gespielt werden - die Geschichten vermischen sich, die eine inspiriert die andere. Dabei geht es nicht allein um den Mordfall und seine Hintergründe, sondern auch um das Wesen des Theaters und des Erzählens. Wo setzt die Wirklichkeit dem Theater Grenzen und wo beginnt die Wirklichkeit des Theaters...
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum19. Juli 2016
ISBN9783737556033
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    Buchvorschau

    Theben-Park - Sergio Blanco

    Personen

    S, Dramatiker, 39 Jahre.

    MARTÍN SANTOS, Vatermörder, 21 Jahre.

    FEDERICO, Schauspieler, 21 Jahre.

    S trägt ein T-Shirt mit dem klassischen Superman-Logo, Jeans und Adidas-Turnschuhe. MARTÍN und FEDERICO sind zwar zwei verschiedene Figuren, sollten aber während des ganzen Stücks vom selben Schauspieler verkörpert werden. Er trägt eine Sportjacke, eine Jogginghose und halbhohe Nike-Turnschuhe, die den Knöchel vor dem Umknicken schützen sollen.

    Bühne und Musik

    Das gesamte Stück spielt in der heutigen Zeit auf einer Probebühne, die gleichzeitig der Basketballcourt eines Gefängnisses ist. Der sieben Meter lange und vier Meter breite Court ist von einem drei Meter hohen Gitter umgeben. An einer der oberen Ecken des Gitters ist eine Überwachungskamera angebracht, die mit einem Bildschirm an einer Rückwand des Bühnenraums verbunden ist. Über diesen Bildschirm werden auch die im Stück erwähnten Bilder übertragen, ebenso wie die Titel der fünf Teile des Stücks. Im Inneren des vergitterten Bereichs befinden sich ein Basketballkorb, ein Schreibtisch, ein Stuhl und eine Bank. Auf dem Schreibtisch liegen mehrere Bücher und ein Computer, der ebenfalls drahtlos mit dem Bildschirm verbunden ist. Beim Einlass hört man im Hintergrund das Lied Amada amante von Roberto Carlos (von ihm selbst gesungen). Beim Auslass hingegen läuft With or without you von U2 (gesungen von Bono). Während das Licht in der Schlussszene herunterdimmt, muss dementsprechend das Andante aus dem Klavierkonzert Nr. 21 in C-Dur von Mozart langsam durch With or without you ersetzt werden, sodass im völligen Black einzig und allein Bonos Stimme zu hören ist.

    Bild 1

    Erstes Viertel

    *

    S Können wir? Also dann. Guten Abend, allerseits. Ich hoffe, Sie fühlen sich wohl bei uns. Herzlich Willkommen. Ich möchte Ihnen kurz, in ein paar Worten, erklären, warum wir hier sind. Vor einer Weile bekam ich einen Projektauftrag vom Theater San Martín in Buenos Aires. Zuerst schlug ich ein Stück vor, das hieß, also, heißt immer noch, Darwins Sprung und handelt vom Falklandkrieg. Ich fand es interessant, das Thema einige Jahre nach dem Krieg anzugehen. Das Projekt wurde erstmal genehmigt und wir machten uns mit dem Produktionsteam an die Arbeit. Dann aber bekam ich eine Mail mit der Bitte, lieber ein anderes Stück zu machen. Ich fragte, ob es wegen des Themas sei, und man sagte mir, ja, das Thema Falklandinseln solle man zur Zeit besser ruhen lassen. Also legten wir Darwins Sprung beiseite und ich entwickelte dieses Projekt hier, Theben-Park. Als ich der Theaterleitung meinen ersten Entwurf vorlegte, bekam ich sofort eine Zusage und machte mich daran, diese Arbeit zum Thema Vatermord in die Tat umzusetzen. Ich erklärte dem Theater, dass ich mit einem echten Häftling auf der Bühne arbeiten wollte, mit einem echten Vatermörder. Das San Martín und ich leiteten also zuerst alle administrativen und juristischen Formalitäten in die Wege, die dafür notwendig waren. Für mich ist die tatsächliche Anwesenheit des Häftlings keine Nebensache, sie ist die Grundlage des Projekts. Von Anfang an wollte ich die Geschichte eines Vatermörders als eine Art Performance erzählen und gar nicht zwingend auf das Schauspiel zurückgreifen. Sie haben es sich sicher bereits gedacht, genau deshalb ist das Bühnenbild eine Art Käfig, ein Gitter. Das war eine der Auflagen des Ministeriums. Wir hatten bestimmte Sicherheitsvorgaben zu beachten, unter anderem das Vergittern des Bühnenraums. Ich zitiere aus dem entsprechenden Amtsschreiben: „ein mindestens drei Meter hohes Gitter". Wie Sie sehen, wurde diese Anweisung haargenau befolgt. Die Vorstellung, ein Gitter aufzubauen, also der Gedanke eines Käfigs, gefiel am Anfang weder mir noch dem San Martín. Aber dann sind wir zum ersten Mal ins Gefängnis gegangen, um den Vatermörder zu treffen, Martín, so heißt er, Martín Santos, und unser erstes Treffen fand unglaublicherweise in einem Basketballcourt statt. Einem Court, der von einem Gitter wie diesem hier umgeben ist, wie in Gefängnissen so üblich. Ich habe das Gitter gesehen und gewusst, das ist es, wir haben die Lösung für unser Sicherheitsproblem: Die Bühne wird von einem Gitteraufbau umgeben sein. Das würde zum einen den Bestimmungen des Ministeriums genügen, zum anderen könnte ich dramaturgisch gesehen den Ort meiner Treffen mit Martín nachbilden. Jedenfalls wurde die Auflage erfüllt. Nebenbei gesagt muss ich gestehen: Ich fand es künstlerisch interessant, dass die Bühnenanweisungen für dieses Projekt teilweise vom Innenministerium diktiert wurden. Ich weiß noch genau, gleich nach unserem ersten Termin fragte ich den Gefängnisdirektor, ob alle meine Treffen mit Martín in dem Basketballcourt stattfinden könnten. Die Antwort war ja. Gut … Vielleicht könnten wir unser erstes Treffen spielen. Unser Kennenlernen. Ja? Okay.

    * *

    S Es war ein Herbstnachmittag. Etwas kühl. Und windig. Sehr windig. Der Direktor der Strafanstalt brachte mich zum Basketballcourt. Dort war Martín, er trainierte. Vor dem Eingang fragte ich den Direktor, ob ich mit Martín allein bleiben könnte. Ich wollte in Ruhe mit ihm reden. Er sagte ja. Kein Problem. Dass ich allein rein könnte, nur müssten der Vorschrift gemäß ein paar Wachleute den Basketballcourt aus einiger Entfernung im Auge behalten. Ich sagte, das könnte ich gut verstehen. Martín war allein. Er wusste, dass er Besuch bekommen sollte. Er wusste, dass jemand mit ihm reden wollte, um einen Text zu schreiben und ein Stück zu inszenieren. Die Gefängnisleitung hatte ihn natürlich nach seinem Einverständnis gefragt, und er hatte ja gesagt. Am Anfang wollte ich lieber von draußen mit ihm sprechen und warten, bis er mich aufs Spielfeld einladen würde. Hallo.

    MARTÍN Du bist das?

    S Ja. Sicher.

    MARTÍN Ich dachte, du wärst älter. Oder so.

    S Ist dir nicht kalt?

    MARTÍN Nein. Wie spät ist es?

    S Fünf.

    MARTÍN Okay. Ich hab nicht viel Zeit. Du wolltest früher hier sein.

    S Ja. Wir sind ein bisschen spät dran. Es gab Probleme. Entschuldige bitte.

    MARTÍN Was ist das für ne Marke?

    S Wie bitte?

    MARTÍN Was das für eine Marke ist.

    S Ah. Eine Casio.

    MARTÍN Wasserdicht?

    S Keine Ahnung. Ich glaube schon. Ja. Bis auf dreihundert Meter.

    MARTÍN Mit Stoppuhr?

    S Ja. Hat sie.

    MARTÍN Und Wecker?

    S Ja. Hat sie auch. Magst du Uhren?

    MARTÍN Wie spät war es nochmal?

    S Fünf.

    MARTÍN Ach ja, genau.

    S Du hast mir nicht geantwortet.

    MARTÍN Worauf?

    S Ob du Uhren magst.

    MARTÍN Ja. Aber … Ich mag keine Geschenke.

    S Ich auch nicht.

    MARTÍN Ich dachte, du wärst jemand Älteres.

    S Wieso?

    MARTÍN Was weiß ich. Na, die meinten, da kommt ein Schriftsteller, der will ein Buch schreiben. Und mit mir sprechen. Mich kennenlernen. Wie alt bist du?

    S Neununddreißig.

    MARTÍN Neununddreißig?

    S Ja.

    MARTÍN Schau an. Und wie alt schätzt du mich?

    S Ich weiß, wie alt du bist.

    MARTÍN Ach … Du hast sie schon gelesen…

    S Ja. Deine Akte.

    MARTÍN Und die haben mit dir gesprochen.

    S Nein, nein. Ich kenne nur deine Akte. Sonst nichts.

    MARTÍN Und wozu willst du mich kennenlernen?

    S Kann ich reinkommen?

    MARTÍN Hast du keine Angst?

    S Ein bisschen.

    MARTÍN Wenn du meine Akte gelesen hast, dann weißt du …

    S Was?

    MARTÍN Nichts.

    S Stört dich, dass ich sie gelesen habe?

    MARTÍN Nein.

    S Könnte man meinen.

    MARTÍN Komm rein, wenn du willst.

    S Bist du oft hier?

    MARTÍN Jeden Nachmittag.

    S Jeden Nachmittag?

    MARTÍN Die Zellen sind klein. Sehr klein. Da ist nicht viel Platz. Wenn man sich nicht bewegt, schrumpft der Körper irgendwie zusammen. Die Muskeln verkrampfen. Und das tut weh. Sehr weh. Warst du mal in einer Zelle?

    S Nein, nie.

    MARTÍN Das ist wie in einer Kiste. Entweder du bewegst dich ein bisschen, oder du

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