Edorei und die Tochter des Zauberers
Von Kerstin Hornung
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Über dieses E-Book
Ein kurzer Roman über eine märchenhafte Begegnung.
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Buchvorschau
Edorei und die Tochter des Zauberers - Kerstin Hornung
Bildnachweis
Covermotiv:
© licless - piqs.de (photo 6348 - original 128980)
Widmung
Für meine Schwester
1. Nächtlicher Besuch
Da war was.
Da war sicher was.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte Zoe in die absolute Finsternis und lauschte der atemlosen Stille. Oder hatte sie nur geträumt und da war doch nichts? Nur ihr heftig pochendes Herz und das unaufhaltsam in den Ohren rauschende Blut. Wahrscheinlich hatte sie geträumt.
Sie wollte sich zur Seite drehen, um weiter zu schlafen, als etwas zischte. Stocksteif blieb sie liegen und horchte, aber das Geräusch war bereits verstummt. Oder nie da gewesen? Wahrscheinlich nur ihr Fuß auf dem Laken. Sie zwang sich, die Augen zu schließen, doch sie konnte nicht aufhören zu lauschen. Warum war es so still? Warum war es so dunkel? Heftige Sehnsucht nach etwas Licht ließ sie sich noch einmal umdrehen und zum Lichtschalter greifen. Doch dann hielt sie inne. Plötzlich fürchtete sie sich vor dem, was sie sehen könnte, wenn die Nachttischlampe mit ihrem hellen Schein die Dunkelheit verdrängte.
Angsthase, schalt sie sich in Gedanken, kniff die Augen zusammen und drückte auf den Knopf. Ein leises Klick verkündete, dass es hell sein müsste, doch als sie langsam die Augen öffnete, sah sie nichts – nur Nacht.
Stromausfall! Das erklärte natürlich die Dunkelheit. Erst jetzt bemerkte sie, dass auch der Radiowecker nicht mehr beständig mahnend, die wenigen Stunden der Nacht zählte. Von einer gänzlich anderen Angst – der Angst zu verschlafen – gepackt, richtete sie sich im Bett auf, und ließ ihre Finger tastend über den Nachttisch gleiten. Irgendwo musste der batteriebetriebene Wecker stehen. Er stand immer dort und war meistens auf fünf Uhr dreißig gestellt. Aber hatte sie den kleinen Hebel gestern Abend nach oben geschoben? Ihre Hand streifte das Buch, das sie erst vor wenigen Stunden müde zur Seite gelegt hatte. Als sie es berührte, rutschte das Papier schabend über das Holz des Nachtkästchens, doch noch ehe sie danach greifen konnte, glitt es über den Rand und riss den Wecker mit sich zu Boden.
„Verdammter Mist", fluchte sie und schwang die Beine aus dem Bett. Sie spürte, wie ihr Zeh die kühle Batterie anstupste und diese davon kullerte.
„So eine verdammte Ka …" mitten im Satz verstummte sie, denn da war es wieder. Das Geräusch, welches sie geweckt hatte. Es kam aus der Küche.
Da flüsterte doch jemand oder täuschte sie sich? Aber wer sollte da flüstern? Es war lächerlich. Tastend bewegte sie sich auf den Tisch in ihrer winzigen Ein-Zimmer-Wohnung zu. Darauf stand eine Kerze und gleich daneben lag ein Feuerzeug.
Den Tisch fand sie trotz Dunkelheit sofort, aber als sie nach dem Feuerzeug suchte, warf sie das Wasserglas um. Es war noch halb voll gewesen und der Wasserstrahl floss ihr auf die nackten Zehen. Endlich bekamen ihre Finger das Feuerzeug zu fassen und die kleine Flamme leuchtete auf. Flackernd erhellte der schwache Schein das Zimmer und Zoe sah direkt in zwei große, erschrockene Augen.
Ein spitzer Schrei entrang sich ihrer Kehle, dann war es wieder dunkel. Einen atemlosen Augenblick lang drückte sie verzweifelt auf dem Feuerzeug herum, bis die Flamme wieder ansprang. Suchend leuchtete sie nach rechts und nach links, aber da war nichts mehr.
„Zu viele Filme gesehen", murmelte sie, als sie schließlich die Kerze anzündete und mit ihr zu dem Bett hinüber ging, um die verlorene Batterie zu suchen.
Aufmerksam leuchtete sie den Boden ab. Schließlich stellte sie den Kerzenständer auf den Teppich und kroch auf allen Vieren unter das Bett, um auch dort nachzusehen.
Da lag die Batterie. Triumphierend griff Zoe danach und krabbelte rückwärts wieder hervor, als sie aus dem Augenwinkel einen großen wulstigen Zeh, hinter dem Vorhang hervor lugen, sah. Was war das? Eine Hand umklammerte die Batterie, die andere griff vorsichtig nach dem Kerzenständer. Der Vorhang beulte sich am unteren Ende deutlich aus. So, als ob sich ein Kind dahinter verstecken würde. Aber das war abwegig, denn in dieser Wohnung war noch nie ein Kind gewesen, zumindest so lange Zoe sie bewohnte, und das tat sie seit bald drei Jahren. Langsam schlich sie auf den Vorhang zu. Ihr Herz klopfte heftig.
Mit einem Ruck zog sie den Stoff zur Seite und sprang sofort mit einem erschrockenen Aufschrei zurück. Die Batterie entglitt ihren Fingern, doch den Kerzenständer hielt sie fest. Vor ihr stand, mit dem Rücken an die Heizung gepresst das eigenartigste Wesen, das sie je zu Gesicht bekommen hatte. Es war klein, reichte ihr kaum bis zur Taille. Die nackten Füße waren schmal, nur die Zehen unverhältnismäßig groß. Vier Stück an jedem Fuß. Die dünnen Schenkel steckten in braunen abgerissenen Hosen. Der Körper war wesentlich länger als die Beine. Er trug ein grobes Hemd und ein schlichtes Wams. Auf einem dünnen Hals schaukelte ein großer Kopf. Doch das Bemerkenswerteste an dem Geschöpf waren seine Augen. Groß und grün starrten sie Zoe an. Sie wusste selbst nicht, woher sie den Mut nahm zu fragen:
„Was machst du hier?" Ihre Stimme klang barsch und unfreundlich und das eigenartige Wesen senkte beschämt den Blick.
Beinahe tat es ihr Leid, das sie den kleinen Kerl so angefahren hatte, als sie sich der Unwirklichkeit dieser Situation bewusst wurde.
„Wir wollten Euch nicht stören, oh Herrin", antwortete er mit leiser Stimme, die entfernt an das Maunzen einer Katze erinnerte.
„Wir?", fragte Zoe verständnislos. Da sah sie aus dem Augenwinkel, wie ein weiteres Geschöpf aus der Küche kam und dann noch eins unter dem Tisch hervor krabbelte. Sprachlos starrte sie von einem zum anderen und begann langsam an ihrem Verstand zu zweifeln.
„Herrin." Die beiden hinzugekommenen Kreaturen verbeugten sich demütig vor ihr.
Das Wesen, das aus der Küche gekommen war, richtete als Erstes wieder seinen Blick auf sie und etwas, das wohl ein Lächeln sein sollte, breitete sich um seinen schmallippigen Mund aus. Spitze unregelmäßige Zähne kamen zum Vorschein.
„Ich bitte demütigst, uns zu vergeben, Herrin, sagte er bescheiden. „Wir kennen uns nicht sehr gut aus in dieser Welt, darum konnten wir nicht ahnen, dass der Nieswurz hier nicht neben dem Schellkraut aufbewahrt wird.
Zoe zog verständnislos die Augenbrauen zusammen. Sie verstand kein Wort. Nieswurz, Schellkraut. Wovon redete der Zwerg.
„Schellkraut?", fragte sie und kam sich völlig idiotisch vor.
„Nein, das Schellkraut haben wir leider auch nicht finden können, obwohl wir auf dem obersten Boden des nach Osten zeigenden Schrankes nachgesehen haben."
Klang da ein Vorwurf in seiner quietschenden Stimme?
„Seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen? Wovon zum Teufel sprecht ihr? Wer zum Teufel seid ihr?"
Nun verneigten sich alle drei so tief vor ihr, dass sie befürchtete, ihre übergroßen Köpfe würden sie zu Boden reißen.
„Krazug, Brendas, Herdis, antworteten sie im Chor. „Die Weise Isbilde schickt uns.
„Und was seid ihr?", fragte Zoe.
Nun sahen die Wesen sie erstaunt an. So erstaunt, als hätte man ihnen noch nie in ihrem Leben, eine solche Frage gestellt.
„Kräuterwichte, Herrin. Wir sind die Diener der Weisen Isbilde."
„Und wer zum Kuckuck ist diese Isbilde?" zischte Zoe ungehalten.
Die drei Wichte tauschten einen vielsagenden Blick, was bei ihren großen Augen äußerst eindrucksvoll war und Zoe unmissverständlich klar machte, wie unwissend sie war.
„Ihr kennt die Weise Isbilde nicht", fragte der wortführende Wicht ungläubig. Langsam wurde Zoe dieses Theater zu bunt. Sie hatte es satt sich in ihrer eigenen Wohnung, wie einen Volltrottel behandeln zu lassen und das von Wesen, die auf dieser Welt noch kein Mensch gesehen hatte. Zornig straffte sie ihre Schultern.
„NEIN! Ich kenne keine Isbilde, rief sie aufgebracht. „Und ganz sicher habe ich noch nie so eigenartige Kreaturen wie euch drei gesehen. Kein Mensch hat das.
Erschrocken wichen die Wichte ein Stück zurück, doch die Wohnung war zu klein,